Schadensberechnung bei Verletzung einer Marke
Gericht
BGH
Art der Entscheidung
Urteil
Datum
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Aktenzeichen
I ZR 322/02
Berechnet der Markeninhaber den durch eine Verletzung seiner Marke entstandenen Schaden nach dem vom Verletzer erzielten Gewinn, besteht der Schaden nur in dem Anteil des Gewinns, der gerade auf der Benutzung seines Schutzrechts beruht. Kennzeichnet der Verletzer seine Waren zugleich mit seiner Marke, kann in einem solchen Fall der Mindestschaden in Form einer Quote des Verletzergewinns nach § 287 ZPO geschätzt werden.
Kommt für die Ermittlung des Schadens eine Schätzung in Betracht, ist der Verletzer nicht verpflichtet, über Einzelheiten seiner Kalkulation Auskunft zu erteilen, da die Schätzung auch auf der Grundlage der Umsätze und gegebenenfalls grob ermittelter Gewinne erfolgen kann.
Eine Anwendung der Grundsätze der Gemeinkostenanteil-Entscheidung (BGHZ 145, 366) ist im Kennzeichenrecht nicht ausgeschlossen.
Die Revision gegen das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts
Hamm vom 26. September 2002 wird auf Kosten der Beklagten
zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Mit der vorliegenden Vollstreckungsgegenklage wendet sich die Klägerin gegen
die weitere Vollstreckung aus einem rechtskräftigen Urteil, das in einer Markensache
gegen sie ergangen ist.
Die Klägerin ist eine bekannte Herstellerin von Schneidwaren. Sie vertreibt
ihre Produkte u.a. unter den Wortmarken „Zwilling“ und „Die Schneidigen von
ZWILLING“ sowie unter einer Bildmarke ( ). In den Jahren 1983 bis 1996 kennzeichnete
sie ihre Serie „Die Schneidigen von ZWILLING“ häufig zusätzlich mit
dem Zeichen „noblesse“.
Die Beklagte ist Inhaberin der für Essbestecke eingetragenen deutschen
Marke „Noblesse“ (Priorität: 9. März 1963). Wegen Verletzung dieser Marke nahm
die Beklagte die Klägerin im Vorprozess in Anspruch. Dort wurde die Klägerin zur
Unterlassung verurteilt und ihre Verpflichtung zur Zahlung von Schadensersatz
festgestellt. Im Hinblick auf diese Verpflichtung wurde die Klägerin verurteilt, der
Beklagten über den Umfang der in Rede stehenden Handlungen Auskunft zu erteilen,
„und zwar unter genauer Angabe der einzelnen Lieferungen unter Nennung …
des erzielten Gewinns“.
Im Vollstreckungsverfahren stritten die Parteien darüber, ob die Klägerin die
nach diesem Urteil geschuldete Auskunft erteilt hat. Nachdem gegen sie ein
Zwangsgeld in Höhe von 20.000 DM festgesetzt worden war, beauftragte die Klägerin
Wirtschaftsprüfer damit, den erzielten Gewinn zu ermitteln. Die Wirtschaftsprüfer
ermittelten den Gesamtumsatz mit den unter der zusätzlichen Kennzeichnung
„noblesse“ vertriebenen Produkten in einem der Beklagten überlassenen zusammenfassenden
Bericht vom 28. Mai 2001 mit 57.563.000 DM und errechneten
den auf diese Umsätze entfallenden Gewinn mit 1.417.000 DM. Nach ihren Angaben
wurde dabei ein Schätzverfahren eingesetzt, weil die Klägerin in der fraglichen
Zeit noch nicht über eine Buchhaltung mit artikelbezogener Kostenträgerrechnung
auf Vollkostenbasis verfügte. Dem Bericht war eine Aufstellung beigefügt,
der sich die Verteilung der genannten Zahlen auf die Geschäftsjahre 1983 bis
1996 entnehmen ließ. Die Beklagte vertrat die Ansicht, dass diese Gewinnermittlung
als Auskunft unzureichend sei, und beantragte die Vollstreckung des bereits
festgesetzten Zwangsgeldes sowie die Verhängung eines weiteren Zwangsgeldes.
Gegen die drohende weitere Vollstreckung aus dem Urteil sowie aus dem
bereits erwirkten Zwangsmittelbeschluss wendet sich die Klägerin mit der Vollstreckungsgegenklage.
Sie ist der Ansicht, dass sie die geschuldete Auskunft durch
die Übersendung der zusammenfassenden Gewinnermittlung erteilt habe.
Die Klägerin hat beantragt,
die Zwangsvollstreckung aus dem zugrunde liegenden Urteil im Hinblick
auf den Auskunftsanspruch über den erzielten Gewinn sowie aus dem
Zwangsmittelbeschluss für unzulässig zu erklären.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Sie hat ihrerseits eine Stellungnahme
von Wirtschaftsprüfern vorgelegt, nach der sich die Roherträge der Umsätze
mit den Produkten, die mit „noblesse“ gekennzeichnet waren, auf über
40 Mio. DM belaufen.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten ist
ohne Erfolg geblieben. Hiergegen richtet sich die (vom Senat zugelassene) Revision
der Beklagten, mit der sie den Klageabweisungsantrag weiterverfolgt. Die
Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe:
I. Das Berufungsgericht hat die erteilte Auskunft als ausreichend angesehen.
Zur Begründung hat es ausgeführt:
Die Klägerin habe gegenüber der weiteren Vollstreckung mit Recht den Erfüllungseinwand
erhoben. Die geschuldete Auskunft über den erzielten Gewinn sei
mit der Übersendung des Wirtschaftsprüferberichts vom 28. Mai 2001 erteilt worden.
In welchem Umfang eine Auskunft zu erteilen sei, hänge davon ab, welchen
Schadensersatzanspruch die Auskunft vorbereiten solle. Im Kennzeichenrecht sei
eine detaillierte Berechnung des Verletzergewinns als Schadensgrundlage nicht
die Regel; sie sei nur dort erforderlich, wo der Verletzergewinn in vollem Umfang
und ausschließlich Folge der Rechtsverletzung sei. Im Kennzeichenrecht sei demgegenüber
eine Schätzung erforderlich, in welchem Umfang der erzielte Gewinn
auf der Kennzeichenverletzung beruhe. Daher sei eine Auskunft ausreichend, die
eine solche Schätzung ermögliche. Die Klägerin sei aufgrund der Verurteilung zur
Auskunft nicht verpflichtet gewesen, über getätigte Umsätze und aufgewandte
Kosten Rechnung zu legen. Auch die in den Fixkosten enthaltenen Gemeinkosten
habe sie nicht mitteilen müssen. Mit dem Einwand, die erteilte Auskunft sei unrichtig,
könne die Beklagte nicht gehört werden.
Dieser Rechtsauffassung stehe die Gemeinkostenanteil-Entscheidung des
Bundesgerichtshofs nicht entgegen. Denn die Frage, ob die Gemeinkosten in Abzug
zu bringen seien, betreffe die Richtigkeit der Auskunft. Im Übrigen sei die
Gemeinkostenanteil-Entscheidung für den Streitfall nicht einschlägig, weil es dort
um eine identische Nachbildung eines geschützten Geschmacksmusters gegangen
sei und der Unternehmensgewinn daher dem Verletzergewinn entsprochen
habe. Im Streitfall könne die Beklagte dagegen nur den Bruchteil des Gewinns abschöpfen,
der auf der Verletzungshandlung beruhe. Schließlich sei es der Klägerin
nicht zumutbar, der Beklagten durch eine detaillierte Auskunft Einblick in die innerbetrieblichen
Verhältnisse zu geben, obwohl anschließend ohnehin nur eine
grobe Schätzung möglich sei.
Die Vollstreckungsgegenklage sei auch begründet, soweit es um die Unzulässigkeit
der Zwangsvollstreckung aus dem Zwangsgeldbeschluss gegangen sei.
Denn dieser Beschluss beziehe sich auf die Auskunft über den erzielten Gewinn.
II. Die hiergegen gerichteten Angriffe der Revision haben keinen Erfolg. Mit
Recht hat das Berufungsgericht die erteilte Auskunft als hinreichend angesehen
mit der Folge, dass eine weitere Vollstreckung aus dem zugrunde liegenden Titel
unzulässig geworden ist (§ 767 Abs. 1 ZPO).
1. Das Berufungsgericht hat seiner Beurteilung zutreffend zugrunde gelegt,
dass es dem Verletzten freisteht, zur Berechnung des zu fordernden Schadensersatzes
im Kennzeichenrecht – ebenso wie im Falle der Verletzung anderer
Schutzrechte – zwischen dem konkreten Schaden (vor allem dem entgangenen
Gewinn) und einem abstrakten Schaden (Lizenzanalogie oder Verletzergewinn) zu
wählen (BGH, Urt. v. 24.2.1961 – I ZR 83/59, GRUR 1961, 354 – Vitasulfal, zum
Warenzeichenrecht; BGHZ 60, 206, 208 – Miss Petite, zum Firmenrecht; Ingerl/
Rohnke, Markengesetz, 2. Aufl., Vor §§ 14-19 Rdn. 112; Hacker in Ströbele/
Hacker, Markengesetz, 7. Aufl., § 14 Rdn. 300). Im Streitfall hat sich die Beklagte
für die Herausgabe des Verletzergewinns entschieden. Dies wirkt sich auf den
Umfang des Auskunftsanspruchs aus, weil für die Berechnung des Schadens auf
der Grundlage des Verletzergewinns zusätzliche Informationen benötigt werden.
Art und Umfang der Auskunftspflicht sind jedoch im Einzelfall nach den durch Treu
und Glauben gebotenen Maßstäben abzugrenzen, insbesondere auch danach, ob
die geforderte Auskunft in einem sinnvollen Verhältnis zu dem Wert stehen, die sie
für die Schätzung des geltend gemachten Schadens hat (BGH, Urt. v. 16.2.1973
– I ZR 74/71, GRUR 1973, 375, 378 = WRP 1973, 213 – Miss Petite, insoweit
nicht in BGHZ 60, 206).
2. Berechnet der Verletzte seinen Schaden anhand des erzielten Verletzergewinns
ist bei allen Schutzrechten, insbesondere aber im Falle von Kennzeichenrechtsverletzungen,
zu beachten, dass sich der Anspruch auf Herausgabe des
Verletzergewinns stets nur auf den Anteil des Gewinns bezieht, der gerade auf der
Benutzung des fremden Schutzrechts beruht (BGHZ 150, 32, 42 – Unikatrahmen,
zum Urheberrecht; 145, 366, 375 – Gemeinkostenanteil, zum Geschmacksmusterrecht).
Bei Kennzeichenrechtsverletzungen kommt daher häufig eine Herausgabe
des gesamten mit dem widerrechtlich gekennzeichneten Gegenstand erzielten
Gewinns nicht in Betracht, weil der geschäftliche Erfolg in vielen Fällen nicht aus-
schließlich oder noch nicht einmal überwiegend auf der Verwendung des fremden
Kennzeichens beruht. Ohne Rechtsfehler ist das Berufungsgericht davon ausgegangen,
dass gerade auch im Streitfall der erzielte Umsatz nur zu einem Bruchteil
auf der Verwendung des fremden Zeichens „noblesse“ beruhen kann. Denn die
fremde Kennzeichnung war im vorliegenden Fall nicht der einzige Herkunftshinweis;
vielmehr hat die Klägerin, die selbst als Herstellerin von Schneidwaren bekannt
und angesehen ist, ihre Waren stets mit ihren eigenen kennzeichnungskräftigen
Marken versehen und das fremde Zeichen hinzugefügt.
3. Beruht der vom Verletzer erzielte Gewinn nur zu einem kleinen Teil auf
der Schutzrechtsverletzung, kann der Schaden in Form einer Quote des Gewinns
nach § 287 ZPO geschätzt werden, wenn nicht ausnahmsweise jeglicher Anhaltspunkt
für eine Schätzung fehlt (vgl. BGHZ 119, 20, 30 f. – Tchibo/Rolex II, zum
wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz; 150, 32, 43 – Unikatrahmen, zum Urheberrecht;
Ingerl/Rohnke aaO Vor §§ 14-19 Rdn. 114).
4. Der Umstand, dass nicht der gesamte mit dem Absatz der widerrechtlich
gekennzeichneten Ware erzielte Gewinn herausverlangt werden kann, hat Auswirkungen
auch auf den Umfang des Auskunftsanspruchs. Dabei ist zu berücksichtigen,
dass der Verletzer regelmäßig ein Interesse hat, seine Kalkulation und seine
Gewinnspanne gegenüber dem Mitbewerber geheim zu halten. Zwar muss
dieses Interesse grundsätzlich zurückstehen, wenn der Verletzte auf die Angaben
angewiesen ist, um seinen Schaden zu berechnen. Kommt aber ohnehin nur eine
grobe Schätzung in Betracht, ist dem Verletzer eine Offenbarung von Geschäftsinterna
meist nicht zuzumuten, da diese Schätzung auch auf der Grundlage der
Umsätze und gegebenenfalls grob ermittelter Gewinne erfolgen kann (vgl. BGH
GRUR 1973, 375, 378 – Miss Petite, insoweit nicht in BGHZ 60, 206; Urt. v.
27.9.1990 – I ZR 87/89, GRUR 1991, 153, 155 = WRP 1991, 151 – Pizza & Pasta;
Ingerl/Rohnke aaO Vor §§ 14-19 Rdn. 138; Hacker in Ströbele/Hacker aaO § 14
Rdn. 322; Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 8. Aufl.,
Kap. 38 Rdn. 14 f. und Kap. 39 Rdn. 4). So verhält es sich im Streitfall.
5. Der Umstand, dass in Kennzeichenstreitsachen über den Verletzergewinn
häufig keine detaillierten Angaben gemacht zu werden brauchen, bedeutet
allerdings nicht, dass eine Anwendung der Grundsätze der Gemeinkostenanteil-
Entscheidung (BGHZ 145, 366) im Kennzeichenrecht ausgeschlossen wäre. Zum
einen kann auch im Fall einer Verletzung von Kennzeichenrechten der erzielte
Gewinn – etwa bei der Benutzung einer Prestigemarke oder einer dreidimensionale
Marke – fast ausschließlich auf der Verwendung des fremden Kennzeichens beruhen
(vgl. Ingerl/Rohnke aaO Vor §§ 14-19 Rdn. 114). Zum anderen kann der
Verletzer gegenüber einer – aus seiner Sicht ungünstigen – Schätzung einwenden,
keinen oder einen deutlich niedrigeren Gewinn mit den widerrechtlich gekennzeichneten
Gegenständen erzielt zu haben. In diesem Fall muss aber der
Verletzer von sich aus die Einzelheiten seiner Kalkulation offen legen, damit die
Richtigkeit seines Einwands überprüft werden kann. Bei dieser Überprüfung ist
von den Grundsätzen der Gemeinkostenanteil-Entscheidung auszugehen.
6. Unter diesen Umständen ist es von Rechts wegen nicht zu beanstanden,
dass das Berufungsgericht die erteilte Auskunft als ausreichend erachtet und
deswegen die weitere Zwangsvollstreckung aus dem Urteil für unzulässig erklärt
hat.
Im Ergebnis ohne Erfolg weist die Revision darauf hin, dass der Titel, aus
dem die Beklagte gegen die Klägerin vorgeht, ungeachtet der Besonderheiten, die
im Kennzeichenrecht für den Auskunftsanspruch gelten (dazu oben unter 4.), eine
Verpflichtung zur Auskunft „unter Nennung des erzielten Gewinns“ enthält. Dieser
Verpflichtung ist die Klägerin dadurch nachgekommen, dass sie den Bericht ihrer
Wirtschaftsprüfer vorgelegt hat, die für die Jahre 1983 bis 1996 den Umsatz und
den (geschätzten) Gewinn aufgelistet haben, den die Klägerin mit den das Markenrecht
der Beklagten verletzenden Produkten gemacht hat. Mit Recht weist das
Berufungsgericht darauf hin, dass die Klägerin nicht zur Rechnungslegung verurteilt
worden ist und von ihr keine Aufschlüsselung der einzelnen Kostenbeiträge
verlangt werden kann. Soweit die Beklagte die Richtigkeit der erteilten Auskunft
bestreitet, kann sie damit im Verfahren der Vollstreckungsgegenklage nicht gehört
werden.
7. Ebenfalls mit Recht hat das Berufungsgericht die Vollstreckungsgegenklage
auch insoweit für zulässig und begründet gehalten, als sich die Klägerin gegen
die Vollstreckung des festgesetzten Zwangsgeldes mit dem Erfüllungseinwand
zur Wehr setzen möchte. Unabhängig davon, ob dieser Einwand im Vollstreckungsverfahren
zuzulassen ist (vgl. dazu Zöller/Stöber, ZPO, 25. Aufl., § 888
Rdn. 11; ferner BGHZ 161, 67, 71 f. zu § 887 Abs. 1 ZPO), ist der Schuldner jedenfalls
nicht gehindert, ihn mit der Vollstreckungsgegenklage zu erheben (vgl.
BayObLG NZM 2000, 302 f.).
III. Danach ist die Revision der Beklagten mit der Kostenfolge aus § 97
Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
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