Beseitigungs- und Wiederherstellungsanspruch der Wohnungseigentümer gegen nicht zustimmungsbedürftige bauliche Veränderung - Mehrheitsbeschlußbestandskraft

Gericht

BayObLG


Art der Entscheidung

Beschluss über weitere Beschwerde


Datum

29. 08. 1996


Aktenzeichen

2Z BR 51/96


Leitsatz des Gerichts

Der bestandskräftige Mehrheitsbeschluß der Wohnungseigentümer, wonach eine bauliche Veränderung rückgängig zu machen und der ursprüngliche Zustand wiederherzustellen ist, ist auch dann bindend, wenn es sich nicht um eine zustimmungsbedürftige bauliche Veränderung gehandelt hat. Der Beseitigungs- und Wiederherstellungsanspruch gegen den Handlungsstörer wird allerdings durch Treu und Glauben begrenzt.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Der Ag. war bei Einleitung des Verfahrens Eigentümer eines im Erdgeschoß eines größeren Hauses gelegenen und an die Streithelferin vermieteten Ladens; dieser gehört jetzt der Streithelferin. Der Ast. und die weiteren Bet. sind die übrigen Wohnungseigentümer der Wohnanlage. Die Streithelferin ließ zu der Zeit, als sie noch Mieterin des Ladens war, mit Zustimmung des Ag. die weißen fassadenputzbündig eingesetzten Rahmen der Schaufenster entfernen und neue, gelbe Fensterrahmen einbauen, die über die Fassade vorstehen und auf die Metalleisten aufgesetzt sind. Daraufhin beschlossen die Wohnungseigentümer am 29. 7. 1993: "Die WEG beschließt mehrheitlich ..., daß bzgl. durchgeführter Renovierungsarbeiten (Streichen der Fensterrahmen, Anbringen von Werbeschildern und Erneuerung der Fensterrahmen) der ursprüngliche Zustand wiederhergestellt wird. Sollte dies nicht erfolgen, wird Firma ... (= Verwalterin) beauftragt und bevollmächtigt, Anwaltskanzlei ... mit der Durchsetzung der Maßnahme zu beauftragen." Dieser Beschluß wurde bestandskräftig.

Das AG hat den Ag. antragsgemäß verpflichtet, die Fensterrahmen zu beseitigen und durch weiße Fensterrahmen in fassadenputzbündiger Ausführung zu ersetzen. Das LG hat auf die sofortigen Beschwerden des Ag. und der Streithelferin in Nr. 1 den Beschluß des AG dahin abgeändert, daß es den Ag. verpflichtet hat, die Fensterrahmen fachgerecht mit weißer Farbe zu versehen; in Nrn. 2 und 3 hat es den Antrag im übrigen abgewiesen und die weitergehende sofortige Beschwerde zurückgewiesen. Die sofortige weitere Beschwerde hatte Erfolg.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

1. Das LG hat, soweit es für das Rechtsbeschwerdeverfahren noch von Bedeutung ist, ausgeführt:

Die Veräußerung seines Teileigentums durch den Ag. nach Rechtshängigkeit führe zwar dazu, daß der Veräußerer das Verfahren entsprechend § 265 II ZPO in Verfahrensstandschaft für die Streithelferin fortführe. Dergeltend gemachte Anspruch auf Wiederherstellung der Fassadenputzbündigkeit der Fensterrahmen, wie sie vor der Fenstersanierung bestanden habe, sei aber nicht begründet. Das Auswechseln der Fensterrahmen stelle zwar eine Veränderung des Gemeinschaftseigentums dar. Der Ag. sei auch als Störer anzusehen, da er sich das Handeln der Streithelferin und der von ihr mit der Fenstersanierung beauftragten Handwerker zurechnen lassen müsse. Der Anspruch greife aber nicht durch, weil dadurch, daß die Fensterrahmen - wie aus den übergebenen Fotografien ersichtlich sei - geringfügig über die Fassade vorstünden, den übrigen Wohnungs- und Teileigentümern keine Nachteile i.S. des § 14 Nr. 1 WEG erwüchsen. Die Abweichung gegenüber dem vorherigen Zustand stelle für sich genommen eine unerhebliche Beeinträchtigung dar, die nur bei Betrachtung aus der Nähe optisch wahrzunehmen sei. Der geltend gemachte Anspruch sei auch nicht aufgrund des bestandskräftigen Eigentümerbeschlusses vom 29. 7. 1993 begründet. Dieser Beschluß habe zwar die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands der Fensterrahmen zum Gegenstand, es ergebe sich aus ihm aber keine Verpflichtung des Ag., die betreffenden Arbeiten am Gemeinschaftseigentum selbst vornehmen lassen zu müssen.

2. Die Entscheidung des LG hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Der Ag. ist nach § 1004 I 1 BGB, §§ 15 III , 22 I WEG i.V. mit dem bestandskräftigen Eigentümerbeschluß vom 29. 7. 1993 verpflichtet, die Fensterrahmen fassadenputzbündig wiederherstellen zu lassen.

a) Der Ag. hat mit der Fenstersanierung eine bauliche Veränderung am gemeinschaftlichen Eigentum vorgenommen. Die Fensterrahmen gehören zum Gemeinschaftseigentum (vgl. BayObLG, NJW-RR 1996, 140 m.w. Nachw.). Dies ergibt sich hier im übrigen auch aus der Gemeinschaftsordnung, in der es heißt, daß nur die Innenfenster einschließlich deren Verglasung, soweit sie nicht mit den Außenfenstern fest verbunden sind, zum Sondereigentum gehören. Handlungsstörer i.S. des § 1004 I 1 BGB ist der Ag. selbst, weil er sich die mit seiner Zustimmung von seiner Mieterin in Auftrag gegebene Erneuerung der Fensterrahmen zurechnen lassen muß (vgl. Palandt/Bassenge, BGB, 55. Aufl., § 1004 Rdnr. 17).

b) Der Beseitigungs- und Wiederherstellungsanspruch nach den genannten Vorschriften setzt grundsätzlich voraus, daß die beanstandete bauliche Veränderung über die ordnungsmäßige Instandhaltung oder Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums hinausgeht und der Ast. über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus einen Nachteil erleidet (§§ 22 I 2, 14 Nr. 1 WEG). Hier kann aber offenbleiben, ob diese Voraussetzungen gegeben sind. Die Wohnungseigentümer haben nämlich am 29. 7. 1993 beschlossen, daß die Erneuerung der Fensterrahmen nicht hingenommen und deren ursprünglicher Zustand wiederhergestellt werden muß. Dieser Beschluß ist bestandskräftig geworden; auch der Ag. hat ihn nicht angefochten. Nach diesem Beschluß kommt es entgegen § 22 I WEG nicht darauf an, ob die in ihm bezeichnete bauliche Veränderung über eine ordnungsmäßige Instandhaltung oder Instandsetzung hinausgeht und ob durch sie der Ast. benachteiligt wird. Der Eigentümerbeschluß begründet konstitutiv die Verpflichtung des Ag. zur Wiederherstellung des früheren Zustands. Er kann sich gegenüber dem Beseitigungs- und Wiederherstellungsverlangen des Ast. somit nicht darauf berufen, der Anspruch sei nur dann begründet, wenn die von ihm durchgeführten Maßnahmen als zustimmungsbedürftige bauliche Veränderungen einzustufen seien (vgl. BayObLGZ 1994, 339 (343) = NJW-RR 1995, 395; Palandt/Bassenge, § 10 WEG Rdnr. 19 m.w. Nachw.).

c) Der geltend gemachte Anspruch wird allerdings durch §§ 226 , 242 BGB begrenzt. Hinreichende Anhaltspunkte dafür, daß das Verlangen rechtsmißbräuchlich sei, liegen jedoch nicht vor.

Das LG ist zwar aufgrund der übergebenen Fotografien des früheren und jetzigen Zustands zum Ergebnis gekommen, daß die Abweichung der Fensterrahmen unerheblich sei und nur bei Betrachtung aus der Nähe optisch wahrgenommen werden könne. Demgegenüber hat jedoch das AG aufgrund eines Augenscheinsfestgestellt, daß die aus der Fassade hervorspringenden Fensterrahmen ein völlig anderes Bild der Hausfront ergeben als eine fassadenputzbündige Konstruktion; es ist zu dem Ergebnis gekommen, daß eine nachteilige optische Abweichung von dem ursprünglichen Zustand vorliege. Offenbleiben kann, welcher Auffassung der Vorzug zu geben ist. Die unterschiedliche Beurteilung durch AG und LG zeigt aber, daß die Frage, ob eine nachteilige optische Veränderung des Gesamteindrucks der Wohnanlage vorliegt, nicht ohne weiteres verneint werden kann. Dies würde aber ein Vorwurf des Rechtsmißbrauchs zumindest voraussetzen.

Rechtsgebiete

Grundstücks- und Wohnungseigentumsrecht

Normen

BGB §§ 1004 I, 226, 242; WEG §§ 10 I, 15 III, 22 I