Fortbestand eines Unterhaltsvergleichs bei Neuheirat
Gericht
BGH
Datum
10. 08. 2005
Aktenzeichen
XII ZR 73/05
Wenn die Parteien eines Unterhaltsvergleichs mit der Vereinbarung eines Abfindungsbetrages eine abschließende Regelung treffen wollten, ist der Fortbestand der unterhaltsrelevanten Umstände nicht Geschäftsgrundlage dieser Vereinbarung. Bei dieser Vereinbarung bleibt es folglich auch dann, wenn der Abfindungsbetrag in Raten gezahlt werden sollte und die Unterhaltsberechtigte vor der Fälligkeit der letzten Rate neu heiratet.
Der Antrag des Klägers, die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil
des 1. Senats für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt
am Main vom 7. April 2005 gegen Sicherheitsleistung in Höhe
von 10.000 € einstweilen einzustellen, wird zurückgewiesen.
Streitwert: 13.500 €
Gründe:
I.
Die Parteien sind geschiedene Ehegatten. Sie streiten um die Zulässigkeit
der Zwangsvollstreckung aus zwei Vergleichen vom 7. Januar und
11. November 2003.
Am 7. Januar 2003 schlossen die Parteien im Ehescheidungsverfahren
einen umfassenden Scheidungsfolgenvergleich und vereinbarten zum nachehelichen
Unterhalt folgendes:
"…
6. Zum nachehelichen Unterhalt verpflichtet sich der Antragsteller an die
Antragsgegnerin Abfindungsbeträge zu leisten in Höhe von
13.500,-- Euro für 2003, 13.500,-- Euro für 2004 und 3.000,-- Euro für
2005. Die Beträge sind fällig in 2003 mit monatlich 800,-- Euro am
01.02., 01.03. und 01.04., in Höhe des Restbetrages für 2003 am
01.05.2003, mit insgesamt 13.500,-- Euro für 2004 am 01.01.2004 und
in Höhe der restlichen 3.000,-- Euro für 2005 am 01.01.2005.
Durch Zahlung dieser Beträge ist der Gesamtanspruch der Antragsgegnerin
auf nachehelichen Unterhalt abgegolten. Die Parteien erklären
bereits jetzt den Verzicht auf nachehelichen Unterhalt, auch für
den Fall der Not und Gesetzesänderung und nehmen den Verzicht
gegenseitig an.
…"
Nachdem der Kläger mit der Behauptung, die Beklagte lebe mit einem
neuen Partner zusammen, in einem weiteren gerichtlichen Verfahren die Feststellung
beantragt hatte, dass er nicht mehr zu Unterhaltsleistungen aus dem
geschlossenen Vergleich verpflichtet sei, schlossen die Parteien am 11. November
2003 einen Abänderungsvergleich. Danach entfällt die ursprünglich
vorgesehene Zahlungsverpflichtung des Klägers in Höhe von 3.000 € für das
Jahr 2005. Die Fälligkeitsregelung für den nur noch geschuldeten Gesamtbetrag
für das Jahr 2004 in Höhe von 13.500 € wurde dahin abgeändert, dass der
Kläger jeweils 6.750 € zum 1. Januar und zum 1. Juli 2004 schuldete.
Kurz darauf heiratete die Beklagte ihren Lebensgefährten.
Auf Antrag des Klägers hat das Amtsgericht die Zwangsvollstreckung
aus den Vergleichen vom 7. Januar und 11. November 2003 gegen Zahlung
einer Sicherheitsleistung in Höhe von 13.500 € einstweilen eingestellt und mit
Urteil vom 29. Juni 2004 die Zwangsvollstreckung aus dem Vergleich vom
11. November 2003 für unzulässig erklärt, weil der Anspruch der Beklagten auf
nachehelichen Unterhalt infolge ihrer Wiederverheiratung erloschen sei. Auf die
Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht, dessen Entscheidung in
FamRZ 2005, 1253 ff. mit Anm. Bergschneider veröffentlicht ist, die Klage abgewiesen
und die Revision wegen der Abweichung von einem Urteil des Oberlandesgerichts
Hamburg (FamRZ 2002, 234 ff.) zugelassen. Das Berufungsurteil
ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte hat am 29. April 2005 beim Amtsgericht einen Pfändungs-
und Überweisungsbeschluss erwirkt, aufgrund dessen eine Drittschuldnerin am
23. Mai 2005 3.500 € an sie geleistet hat. Auf Antrag des Klägers hat das
Amtsgericht die Zwangsvollstreckung aus dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss
mit Beschluss vom 31. Mai 2005 für die Dauer von sechs Wochen ab
Zugang des Beschlusses einstweilen eingestellt und dem Kläger aufgegeben,
eine Sicherheitsleistung in Höhe von 13.900 € nachzuweisen. Der Kläger hat
diese Sicherheit zur Abwendung der Zwangsvollstreckung beim Amtsgericht
hinterlegt.
Der Kläger hat gegen das Berufungsurteil Revision eingelegt. Er beantragt
nunmehr bei noch offener (verlängerter) Frist zur Revisionsbegründung,
die Zwangsvollstreckung aus dem Berufungsurteil gegen Sicherheitsleistung in
Höhe von 10.000 € einstweilen einzustellen.
II.
1. Der Antrag des Klägers auf Einstellung der Zwangsvollstreckung aus
dem Berufungsurteil ist schon deswegen unbegründet, weil aus diesem
- klagabweisenden - Urteil in der Hauptsache nicht gegen ihn vollstreckt werden
kann. Soweit eine Vollstreckung aus der Kostenentscheidung des Berufungsurteils
möglich ist, scheidet eine einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung
nach § 719 Abs. 2 ZPO aus, weil nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs
eine Einstellung nicht in Betracht kommt, wenn es der Schuldner
- wie hier - versäumt hat, in der Berufungsinstanz einen Antrag nach § 712 ZPO
zu stellen (Senatsbeschluss vom 24. November 1999 - XII ZR 69/99 - NJW-RR
2000, 746 m.w.N.).
2. Eine einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung käme aber
auch dann nicht in Betracht, wenn der Antrag des Klägers als Antrag auf einstweilige
Einstellung der Zwangsvollstreckung aus den Vergleichen vom
7. Januar und 11. November 2003 auszulegen wäre (§ 769 ZPO).
Zwar fehlt einem solchen Antrag nicht schon deswegen das Rechtsschutzbedürfnis,
weil das Amtsgericht die Zwangsvollstreckung aus diesen
Vergleichen mit Beschluss vom 2. Februar 2004 gegen Sicherheitsleistung
einstweilen eingestellt hatte. Denn diese Entscheidung galt nur bis zur Verkündung
des erstinstanzlichen Urteils (vgl. Zöller/Herget ZPO 25. Aufl. § 769
Rdn. 9 m.w.N.) und ist jedenfalls durch das klagabweisende Berufungsurteil
entfallen.
Eine einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung nach § 769 Abs. 1
ZPO kommt aber deswegen nicht in Betracht, weil das Rechtsmittel des Klägers
keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat.
a) Wenn die Parteien eines Unterhaltsvergleichs mit der Vereinbarung
eines Abfindungsbetrages eine restlose und endgültige Regelung wollten, liegt
darin regelmäßig auch ein Ausschluss weiterer Ansprüche für nicht vorhersehbare
Veränderungen (BGHZ 2, 379, 385 f.). Die abschließende Wirkung auf der
Grundlage einer bloßen Prognose ist dann wesentlicher Inhalt der vertraglichen
Vereinbarung und nicht bloß dessen Geschäftsgrundlage. Gleiches gilt dann
auch umgekehrt für die Nachforderung noch ausstehender Abfindungsansprüche
und für die Rückzahlung schon geleisteter Beträge.
Eine andere rechtliche Beurteilung ist allenfalls für solche Fälle denkbar,
in denen der Kapitalbetrag keine Abfindung, sondern eine bloße Vorauszahlung,
also eine bloße Kapitalisierung, sein soll. Dann wird durch die Unterhaltsvereinbarung
lediglich der gesetzliche Unterhaltsanspruch konkretisiert (vgl.
insoweit Senatsbeschluss vom 28. November 1984 - IVb ZB 782/81 - FamRZ
1985, 263), während im Falle einer endgültigen, abschließenden Regelung an
die Stelle des durch den Unterhaltsverzicht abbedungenen gesetzlichen Unterhalts
eine eigenständige vertragliche Unterhaltsvereinbarung tritt (BGHZ aaO,
386).
Es liegt im Wesen einer Abfindung, dass sie Elemente eines Vergleichs
enthält. Wer statt laufender Unterhaltsbeträge einen festen Abfindungsbetrag
wählt, nimmt das Risiko in Kauf, dass die für die Berechnung maßgebenden
Faktoren auf Schätzungen und unsicheren Prognosen beruhen. Deswegen gewährt
das Gesetz dem Unterhaltsberechtigten regelmäßig Unterhalt in Form
einer monatlich im Voraus zu entrichtenden Geldrente (§ 1585 Abs. 1 BGB) und
räumt ihm nur unter besonderen Voraussetzungen ausnahmsweise einen Anspruch
auf Abfindung in Kapital ein (§ 1585 Abs. 2 BGB). Entscheidet sich der
Unterhaltsberechtigte gleichwohl für eine Abfindung, dann deshalb, weil ihm
dies, aus welchen Gründen auch immer, bei Abwägung solcher Risiken vorteilhafter
erscheint. Darin liegt auch sein Verzicht darauf, dass ihm günstige
zukünftige Entwicklungen der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse
berücksichtigt werden. Der Unterhaltspflichtige will und darf sich, wenn er aufgrund
einer wirksamen Vereinbarung eine Kapitalabfindung leisten muss, andererseits
darauf verlassen, dass mit der Erfüllung der Unterhaltsanspruch ein für
allemal erledigt ist. Auch für ihn bestehende Unsicherheiten der künftigen Entwicklung
sind regelmäßig in die Berechnung der Abfindungssumme eingeflossen
(vgl. BGH Urteil vom 8. Januar 1981 - VI ZR 128/79 - NJW 1981, 818, 820
= BGHZ 79, 187, 192 f.).
Entsprechend geht auch die weit überwiegende Auffassung in der Literatur
davon aus, dass bei einer Abfindungsvereinbarung eine Anpassung an veränderte
Umstände, z.B. an eine Wiederverheiratung der Unterhaltsberechtigten,
ausscheidet (Wendl/Pauling Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen
Praxis 6. Aufl. § 6 Rdn. 614; Göppinger/Wax/Hoffmann Unterhaltsrecht 8. Aufl.
Rdn. 1378 f.; Johannsen/Henrich/Büttner Eherecht 4. Aufl. § 1585 Rdn. 12;
Luthin Handbuch des Unterhaltsrechts 10. Aufl. Rdn. 2264; MünchKomm/
Maurer 4. Aufl. § 1586 Rdn. 7; FA-FamR/Gerhardt 5. Aufl. Kap. 6 Rdn. 470; vgl.
auch OLG Koblenz FamRZ 2002, 1040). Soweit das Oberlandesgericht Hamburg
in dem vom Berufungsgericht zitierten Urteil (FamRZ 2002, 234) zu dem
abweichenden Ergebnis gelangt ist, dass ein beim Tode des Unterhaltsberechtigten
noch nicht erfüllter Anspruch auf Abfindung für künftigen Unterhalt erloschen
und daher auch nicht vererbbar ist, beruht dies auf einer Auslegung des
dortigen Einzelfalles, der neben dem nachehelichen Ehegattenunterhalt auch
Ansprüche auf Trennungsunterhalt umfasste, auf die gemäß §§ 1360 a Abs. 3,
1614 Abs. 1 BGB ohnehin nicht endgültig verzichtet werden konnte. Dieser Gesichtspunkt
ist jedenfalls nicht auf Vergleiche übertragbar, die - wie hier - einen
wirksamen Verzicht auf den gesetzlich geschuldeten Unterhaltsanspruch beinhalten.
b) Nach der Auffassung des Berufungsgerichts wollten die Parteien den
Anspruch der Beklagten auf nachehelichen Ehegattenunterhalt durch einen Kapitalbetrag
endgültig abfinden. Diese Auslegung der Vergleiche liegt schon
deswegen nahe, weil die vom Kläger zu leistenden Beträge als "Abfindungsbe-
träge" bezeichnet wurden. Außerdem haben die Parteien in dem Vergleich vom
7. Januar 2003 ausdrücklich wechselseitig auf nachehelichen Ehegattenunterhalt
verzichtet und erklärt, dass mit den vereinbarten Zahlungen der Gesamtanspruch
der Beklagten auf nachehelichen Unterhalt abgegolten sein sollte. Das
wurde durch den späteren Wegfall des Abfindungsbetrages für 2005 und die
neue Fälligkeitsregelung für die Abfindungsbeträge für 2004 auch nicht abgeändert.
Gegen den Charakter einer endgültigen Abfindung des nachehelichen
Ehegattenunterhalts kann der Kläger auch nicht einwenden, dass die Parteien
eine Ratenzahlung der Abfindungsbeträge vereinbart haben. Die Bewilligung
von Ratenzahlung erfolgt regelmäßig im Interesse des Unterhaltsschuldners,
weil sie ihm die Zeit einräumt, sich auf die erst künftig fällig werdenden Teilbeträge
einzustellen. Zu Recht hat das Berufungsgericht hier in der Möglichkeit
des steuerlichen Realsplittings einen weiteren Grund gesehen, wonach die ratenweise
Aufteilung des Abfindungsbetrages allein im Interesse des Klägers
liegt. Denn sie ermöglicht es ihm, den gesamten Abfindungsbetrag - verteilt auf
mehrere Jahre - als Sonderausgabe steuerlich abzusetzen, weil die jährlichen
Abfindungsbeträge in Höhe von 13.500 € knapp unterhalb des Höchstbetrages
liegen, der im Wege des steuerlichen Realsplittings nach § 10 EStG mit jährlich
bis zu 13.805 € berücksichtigt werden kann. Nach den zutreffenden Feststellungen
des Berufungsgerichts erfolgte die Hinausschiebung der Fälligkeit von
Teilen des Abfindungsbetrages deswegen allein im Interesse des Klägers. Umstände,
die gegen eine endgültige und abschließende Unterhaltsvereinbarung
sprechen, lassen sich deswegen daraus nicht gewinnen.
3. Ebenfalls zu Recht ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass
der Kläger zur Anfechtung der Vergleiche berechtigt wäre, wenn die Beklagte
ihn bei Vertragsschluss über ihre Absicht, alsbald wieder zu heiraten, getäuscht
hätte. Dann käme unter Umständen auch ein Anspruch auf Schadensersatz
nach § 826 BGB in Betracht (vgl. Wendl/Pauling aaO; Luthin aaO). Solches hat
das Berufungsgericht auf der Grundlage des Sachvortrags der Parteien allerdings
nicht feststellen können. Zwar hat die Beklagte bereits am 20. Dezember
2003 und somit nur wenig mehr als einen Monat nach Abschluss des Abänderungsvergleichs
vom 11. November 2003 geheiratet. Außerdem war sie in diesem
Zeitpunkt schon im achten Monat schwanger, was allerdings dem im Verhandlungstermin
ebenfalls anwesenden Kläger nicht entgangen sein kann. Entscheidend
ist aber, dass die Zahlungsverpflichtung des Klägers schon auf dem
ursprünglichen Vergleich vom 7. Januar 2003 beruht, der in dem späteren Vergleich
vom 11. November 2003 lediglich hinsichtlich der Abfindungsrate für
2005 und der Fälligkeit für die Abfindungsrate für 2004 abgeändert wurde. Wollte
der Kläger seine Willenserklärung zum Abschluss des Abfindungsvergleiches
anfechten oder wollte er Schadensersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger
Schädigung verlangen, müsste er deswegen eine Heiratsabsicht der Beklagten
schon im Januar 2003 nachweisen. Dafür ist nach dem gegenwärtigen Sach-
und Streitstand aber nichts ersichtlich. Denn es ist durchaus nachvollziehbar,
dass die Beklagte sich erst infolge und gerade wegen des Scheidungsfolgenvergleichs
vom 7. Januar 2003 zur Schwangerschaft und zur erneuten Heirat
entschlossen hat.
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