Mitwirkungspflicht des Miterben bei Veräußerung eines Nachlassgrundstücks
Gericht
BGH
Art der Entscheidung
Urteil
Datum
28. 09. 2005
Aktenzeichen
IV ZR 82/04
1. Zu den mitwirkungspflichtigen Verwaltungsmaßregeln gemäß § 2038 Abs. 1 Satz 2 BGB zählen grundsätzlich auch Verfügungen über einzelne Nachlassgegenstände.
2. Die Beurteilung, ob eine Veränderung wesentlich i.S. von §§ 745 Abs. 3 Satz 1, 2038 Abs. 2 Satz 1 BGB ist, richtet sich nach dem gesamten Nachlass und nicht den einzelnen davon betroffenen Nachlassgegenständen.
3. In der bloßen Umstrukturierung des Nachlasses durch die mit dem Verkauf eines Nachlassgrundstückes verbundene Verschiebung des Verhältnisses von Grund- zu Barvermögen liegt allein noch keine wesentliche Veränderung des Gesamtnachlasses.
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 16. Zivilsenats
des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main
vom 25. März 2004 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung,
auch über die Kosten des Revisionsverfahrens,
an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Parteien streiten um Schadensersatz wegen Verletzung von
Mitwirkungspflichten gemäß § 2038 Abs. 1 Satz 2 BGB bei der Veräußerung
eines Nachlassgrundstückes.
Sie sind zusammen mit ihrem unter Betreuung stehenden Bruder
Mitglieder einer Erbengemeinschaft nach ihrem am 14. März 2002 verstorbenen
Vater. Zum Nachlass mit einem Gesamtwert von über
800.000 € gehörte neben Barvermögen und weiteren Immobilien ein Ferienhaus
in D. . Noch zu Lebzeiten ihres Vaters beauftragte die
Klägerin in ihrer Eigenschaft als seine Betreuerin im Juni 2001 einen
Immobilienmakler mit dem Verkauf dieses Anwesens. Nach mehr als 40
erfolglosen Veräußerungsversuchen boten im April 2002 Interessenten
einen Kaufpreis von 144.000 €, der dem Schätzwert des örtlichen Gutachterausschusses
vom März 2001 entsprach. Die Klägerin drängte wegen
des angeblich fortschreitenden Verfalls verbunden mit unwirtschaftlichen
Verwaltungsmaßnahmen auf einen Verkauf. Ihrer Aufforderung,
dem zuzustimmen, kam die Beklagte nicht nach, weil sie damals noch an
einer Eigennutzung interessiert gewesen sein will. Die Einzelheiten der
unter Einschaltung des Immobilienmaklers darüber geführten Gespräche
sind umstritten. Die Kaufinteressenten sahen schließlich von einem Erwerb
des Ferienhauses ab. Im Oktober 2003 wurde es zu einem Preis
von 100.000 € verkauft.
Die Klägerin will festgestellt wissen, dass die Beklagte der Erbengemeinschaft
den Schaden zu ersetzen hat, der durch den nicht erfolgten
Verkauf im Juni 2002 entstanden ist. Das Landgericht hat der Klage
stattgegeben. Die Berufung der Beklagten hatte Erfolg. Mit der Revision
verfolgt die Klägerin die Wiederherstellung der Entscheidung des Landgerichts.
Entscheidungsgründe:
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen
Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I. Das Berufungsgericht, dessen Urteil in NJW-RR 2004, 1518 abgedruckt
ist, meint, eine Mitwirkungspflicht der Beklagten habe nicht bestanden,
da die geplante Veräußerung des Ferienhauses keine Verwaltungsmaßnahme
im Sinne des § 2038 Abs. 1 Satz 2 BGB gewesen wäre.
Es fehle an den nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteil
vom 22. Februar 1965 - III ZR 208/63 - FamRZ 1965, 267) erforderlichen
besonderen Umständen, die ausnahmsweise eine Verfügung über
einen Nachlassgegenstand als Verwaltungsmaßnahme erscheinen ließen.
Daher könne dahinstehen, ob die Veräußerung als Verwaltungsmaßnahme
ordnungsgemäß gewesen wäre.
Jedenfalls hätte darin aber eine wesentliche Veränderung gelegen,
die gemäß §§ 2038 Abs. 2 Satz 1, 745 Abs. 3 BGB nicht beschlossen
oder verlangt werden könne. Dabei könne offen bleiben, ob auf die Veränderung
des einzelnen Nachlassgegenstandes oder die des gesamten
Nachlasses abzustellen sei, da die Veräußerung eines Nachlassgrundstückes
im Werte von 144.000 € auch den Gesamtnachlass mit einem
Wert von 800.000 € wesentlich verändert hätte.
II. Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
1. Zutreffend und von der Revision auch nicht angegriffen hat das
Berufungsgericht die Feststellungsklage für zulässig angesehen, selbst
wenn der Klägerin durch den Verkauf des Ferienhauses noch in der Berufungsinstanz
eine Bezifferung des Schadens möglich gewesen sein
mag. Ist eine Feststellungsklage gemäß § 256 ZPO - wie hier - in zuläs-
siger Weise erhoben worden, braucht ein Kläger nach der Rechtsprechung
des Bundesgerichtshofs nicht nachträglich zur Leistungsklage
überzugehen, wenn dies im Lauf des Rechtsstreits möglich wird (vgl.
BGH, Urteile vom 17. Oktober 2003 - V ZR 84/02 - NJW-RR 2004, 79 unter
B II 1; 4. Juni 1996 - VI ZR 123/95 - NJW 1996, 2725 unter II c;
15. November 1977 - VI ZR 107/76 - NJW 1978, 210 unter I 2 a und
ständig).
Ebenso wenig ist die Auslegung des Klageantrags durch das Berufungsgericht
zu beanstanden, dass es der Klägerin um die Verweigerung
der Zustimmung zur Auflassung gegangen sei, da sie die Übereignung
- anders als den im Antrag lediglich genannten Verkauf - nicht kraft
Mehrheitsbeschluss hätte erreichen können.
2. Richtig ist auch der materiell-rechtliche Ansatz des Berufungsgerichts.
Eine Schadensersatzpflicht der Beklagten im Zusammenhang
mit der von der Klägerin betriebenen Veräußerung des Ferienhauses im
Frühjahr 2002 setzt voraus, dass sie mit der nicht erteilten Zustimmung
und der dadurch bewirkten Absage der Kaufinteressenten schuldhaft die
ihr als Mitglied der Erbengemeinschaft obliegende Pflicht gegenüber den
übrigen Miterben verletzt hat, bei Maßregeln mitzuwirken, die zur ordnungsgemäßen
Verwaltung erforderlich sind (§§ 280 Abs. 1, § 2038
Abs. 1 Satz 2 BGB).
Die Annahme des Berufungsgerichts, eine solche Mitwirkungspflicht
der Beklagten scheide bereits deswegen aus, weil ohne besondere
Umstände vom Regelfall auszugehen sei, dass Verfügungen keine
Verwaltungsmaßnahmen sind, trifft dagegen nicht zu. Sie beruht auf ei-
nem Missverständnis der von ihm im Ausgangspunkt allerdings zu Recht
herangezogenen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, die den Begriff
der Verwaltungsmaßregel näher bestimmt (a). Auch seine hilfsweise
angestellten Erwägungen, die Veräußerung des Ferienhauses hätte eine
von der Minderheit nicht hinzunehmende wesentliche Veränderung des
Nachlasses bedeutet, sind nicht frei von Rechtsfehlern (b).
a) Unter den Begriff gemeinschaftliche Verwaltung des Nachlasses
im Sinne von § 2038 Abs. 1 BGB fallen alle Maßregeln zur Verwahrung,
Sicherung, Erhaltung und Vermehrung sowie zur Gewinnung der Nutzungen
und Bestreitung der laufenden Verbindlichkeiten (BGH, Urteil vom
22. Februar 1965 aaO unter 3; Beschluss vom 29. Januar 1952 - V BLw
16/51 - LM Nr. 2 zu § 2038 BGB). Dazu zählen grundsätzlich auch Verfügungen
über Nachlassgegenstände, nur muss neben der Ordnungsmäßigkeit
die Erforderlichkeit einer solchen Verwaltungsmaßnahme
durch besondere Umstände belegt sein, um eine Mitwirkungspflicht zu
begründen.
aa) Das ergibt sich aus dem Wortlaut, der systematischen Stellung
und Entstehungsgeschichte dieser Vorschrift.
§ 2038 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 BGB spricht sehr viel umfassender
als etwa § 2040 Abs. 1 BGB, der sich nur auf Verfügungen bezieht, von
"Maßregeln". Die systematische Stellung des engeren § 2040 Abs. 1
BGB, der dem weitergehenden § 2038 Abs. 1 BGB nachfolgt, unterstützt
ein solches Verständnis, das auch durch die Entstehungsgeschichte belegt
wird. Nach den Motiven zum BGB umfasst die Verwaltung - ähnlich
weit - die gesamte tatsächliche und rechtliche Verfügung über das ver-
waltete Gut, schließt also Veräußerungen, zu denen der Verwalter berechtigt
ist, nicht aus (Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen
Gesetzbuch V. Band S. 337 zu § 1978 Abs. 1). Auch § 180 ZVG,
der jedem Erben das Recht einräumt, zur Vorbereitung der Auseinandersetzung
der Erbengemeinschaft selbständig einen Antrag auf Teilungsversteigerung
zu stellen (vgl. BGH, Urteil vom 19. November 1998 - IX
ZR 284/97 - NJW-RR 1999, 504 unter II 2; MünchKomm-BGB/Heldrich,
4. Aufl. § 2042 Rdn. 65) verdeutlicht, dass Verfügungen, die einer Erbauseinandersetzung
vorangehen und sie eventuell vorbereiten sollen
- einschließlich solcher über Nachlassgrundbesitz -, Verwaltungsmaßnahmen
sein können (vgl. BGHZ 101, 24, 26 f.; 140, 63, 68 f.; ebenso
Lange/Kuchinke, Erbrecht 5. Aufl. § 43 I 3 a; Staudinger/Werner, BGB
[2002] § 2038 Rdn. 6 f.).
bb) Die vom Berufungsgericht missverstandene Formulierung im
Urteil des Bundesgerichtshofs vom 22. Februar 1965 (aaO unter 3), dass
unter Umständen zur Verwaltung auch Verfügungshandlungen erforderlich
werden können, sollte lediglich das gesetzliche Gebot der Erforderlichkeit
einer konkreten Verwaltungsmaßnahme hervorheben, ersichtlich
aber nicht den Kreis der möglichen mitwirkungspflichtigen Verwaltungsmaßregeln
einschränken. Eine Veräußerung wird danach nicht erst durch
besondere Umstände zur Verwaltungsmaßnahme, vielmehr bedarf es
besonderer Umstände, damit sie im Rahmen ordnungsgemäßer Verwaltung
als erforderlich bewertet werden kann.
cc) Die Annahme einer Verwaltungsmaßnahme scheitert schließlich nicht daran,
dass es sich bei der vorgesehenen Veräußerung des Ferienhauses im
Juni 2002 um eine damit unvereinbare Teilauseinandersetzung gehandelt
hätte (vgl. BGH, Urteil vom 22. Februar 1965 aaO).
Anhaltspunkte für eine (gegebenenfalls sogar unzulässige) Teilauseinandersetzung
gibt es nach den Angaben zu dem Veräußerungsgeschäft
nicht; nicht einmal der Erlös sollte sogleich verteilt werden. Die
beabsichtigte schlichte freihändige Veräußerung des Nachlassgrundstückes
könnte sich allenfalls als eine insoweit unschädliche, die Erbauseinandersetzung
lediglich vorbereitende Maßnahme darstellen, die ihre Eigenschaft
als Verwaltungsmaßregel nicht in Frage stellt.
Die Veräußerungspläne der Klägerin betrafen daher eine gemäß
§ 2038 Abs. 1 Satz 2 BGB grundsätzlich mitwirkungspflichtige Verwaltungsmaßregel.
b) Die Beklagte war auch nicht deswegen von ihrer Mitwirkungspflicht
entbunden, weil in der Veräußerung eine "wesentliche Veränderung
des Gegenstandes" gelegen hätte, die gemäß §§ 2038 Abs. 2
Satz 1, 745 Abs. 3 Satz 1 BGB nicht verlangt werden kann.
aa) Das Berufungsgericht hat die höchstrichterlich noch nicht entschiedene
Frage offen gelassen, ob mit Gegenstand im Sinne des § 745
Abs. 3 Satz 1 BGB der gesamte Nachlass (so die wohl herrschende Meinung,
vgl. MünchKomm-BGB/Heldrich, 4. Aufl. § 2038 Rdn. 30; Ann, Die
Erbengemeinschaft S. 22 f.; Brox, Erbrecht 21. Aufl. Rdn. 492; Staudinger/
Langhein, BGB [2002] § 745 Rdn. 10, 42; Palandt/Edenhofer, BGB
64. Aufl. § 2038 Rdn. 6; Muscheler, ZEV 1997, 169, 225; Lange/Kuchinke,
aaO § 43 I 3 b) oder auch bzw. nur der konkrete einzelne Nachlassgegenstand
gemeint ist (LG Hannover NJW-RR 1990, 454; Soer-
gel/Wolf, BGB 13. Aufl. § 2038 Rdn. 9; Schlüter, Erbrecht 15. Aufl.
Rdn. 672; Staudinger/Werner, aaO § 2038 Rdn. 13).
Der Senat schließt sich der erstgenannten Auffassung an. Für die
Wesentlichkeit einer Veränderung ist auf den gesamten Nachlass abzustellen,
anderenfalls läge in jeder Verfügung über einen Nachlassgegenstand
eine wesentliche Veränderung; derartige Maßnahmen wären
mithin nie ordnungsgemäß. Das wäre indes mit Wortlaut und Entstehungsgeschichte
der Mitwirkungsregelungen unvereinbar, die - wie vorstehend
unter 2 a) ausgeführt - Verfügungen in den Katalog der möglichen
Verwaltungsmaßregeln grundsätzlich mit einbeziehen.
Gestützt wird dies durch die Gesetzgebungsmotive zur Bruchteilsgemeinschaft.
Die Frage nach dem Gegenstand der Gemeinschaft soll
sich aus "den Vorschriften über die in Frage kommenden Rechtsinstitute"
ergeben (Mugdan, aaO II. Band S. 488). Dies ist aus dem Kontext der
maßgeblichen Verweisung des § 2038 Abs. 2 Satz 1 BGB der gesamte
Nachlass. So regelt § 2038 Abs. 1 BGB - anders als etwa § 2040 Abs. 1
BGB - nicht (nur) die Verwaltung eines einzelnen Nachlassgegenstandes,
sondern die Verwaltung des Nachlasses insgesamt (Muscheler, aaO
171). Auch zur Erhaltung notwendige Maßregeln im Sinne des § 2038
Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 BGB können sowohl solche sein, die auf Erhaltung
des Nachlasses in seiner Gesamtheit abzielen, als auch solche, die
nur der Erhaltung bestimmter einzelner Nachlassgegenstände dienen
(BGHZ 6, 76, 80 f.). Damit umfasst die Verweisung des § 2038 Abs. 2
Satz 1 BGB auf § 745 Abs. 3 BGB ebenso den Nachlass als Ganzen (vgl.
BGHZ 140, 63, 66 f.; MünchKomm-BGB/Heldrich, aaO; Brox, aaO; Muscheler,
aaO S. 225).
bb) Nicht gefolgt werden kann schließlich der Ansicht des Berufungsgerichts,
es liege eine wesentliche Veränderung des Nachlasses
vor, weil der Wert des Ferienhauses im Verhältnis zum Gesamtnachlass
erheblich sei. Eine wesentliche Veränderung setzt voraus, dass durch
die Verwaltungsmaßnahme die Zweckbestimmung oder Gestalt des
Nachlasses in einschneidender Weise geändert werden würde (BGHZ
101, 24, 28; BGH, Urteile vom 8. März 2004 - II ZR 5/02 - BGH-Report
2004, 970 unter II 2 b; 14. November 1994 - II ZR 209/93 - NJW-RR
1995, 267 unter II 2 a aa und ständig). In diesem Zusammenhang misst
das Berufungsgericht den wirtschaftlichen Auswirkungen der beabsichtigten
Veräußerung zu wenig Gewicht bei.
Durch den Verkauf des Grundstücks wäre der an die Erbengemeinschaft
zu zahlende Erlös im Wege der dinglichen Surrogation an die
Stelle der Immobilie getreten (§ 2041 Satz 1 BGB). Der Verkauf hätte also
nur die Zusammensetzung des Nachlasses verändert, ohne dessen
Substanzwert zu mindern. Zweck der §§ 2038 ff., 743 ff. BGB ist es hingegen,
Wertverluste des Nachlasses bis zu dessen Teilung zu vermeiden
(AnwKomm-BGB/Ann, § 2038 Rdn. 1). Vor diesem Hintergrund stellt sich
die geplante Veräußerung eines von mehreren Nachlassgrundstücken
als bloße Umstrukturierung des Gesamtnachlasses dar, mit der lediglich
das ursprünglich bestehende etwa gleichwertige Verhältnis von Barvermögen
und Grundbesitz zugunsten des Barvermögens verschoben werden
sollte. Bei einem Gesamtnachlasswert von über 800.000 € kann eine
solche Veränderung des Nachlassbestandes in Höhe des zu erzielenden
Kaufpreises von 144.000 € nicht als wesentlich gewertet werden; die
wirtschaftliche Grundlage der Erbengemeinschaft bliebe davon unberührt
(vgl. MünchKomm-BGB/K. Schmidt, aaO §§ 744, 745 Rdn. 25). Ebenso
wenig würde dadurch der Charakter des gesamten Nachlasses geändert
(vgl. BGHZ 140, 63, 69). Zum Nachlass gehörten mehrere Immobilien;
das streitgegenständliche Ferienhaus hat ihm also nicht das maßgebliche
Gepräge geben können.
Den Entzug der konkreten Nutzungsmöglichkeit durch den Verkauf
einer bestimmten Immobilie muss der einzelne Miterbe hingegen hinnehmen,
da die §§ 2038 Abs. 2 Satz 1, 745 Abs. 3 Satz 2 BGB nur die
Nutzungsquote garantierten, nicht aber die reale Eigennutzung (BGH,
Urteil vom 14. November 1994 aaO unter II 2 a bb).
3. Die Sache ist noch nicht zur Endentscheidung reif (§ 563 Abs. 3
ZPO).
Das Berufungsgericht hat - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig
- keine Feststellungen dazu getroffen, ob die Grundstücksveräußerung
als Verwaltungsmaßregel im Sinne des § 2038 Abs. 1 Satz 2
Halbs. 1 BGB ordnungsgemäß und auch erforderlich gewesen wäre. Das
wird nachzuholen sein. Der Senat weist insoweit vorsorglich auf folgende
Gesichtspunkte hin.
a) Die Ordnungsmäßigkeit einer Maßnahme ist aus objektiver Sicht
zu beurteilen (vgl. BGH, Urteil vom 20. Dezember 1982 - II ZR 13/82 -
NJW 1983, 932 unter II 4 d; KG OLGE 30, 184). Entscheidend ist der
Standpunkt eines vernünftig und wirtschaftlich denkenden Beurteilers
(BGH, Urteil vom 22. Februar 1965 aaO unter 3). Nach dem bisherigen
Parteivortrag wird insoweit insbesondere zu berücksichtigen sein, ob
dem von der Klägerin geforderten Verkauf gegenüber dem weiteren
Leerstand des Hauses oder den vom Berufungsgericht genannten anderen
Möglichkeiten - Sanierung, Vermietung oder Übernahme des Ferienhauses
durch einen Miteigentümer - aus wirtschaftlicher Sicht der Vorzug
zu geben gewesen wäre.
b) Die sich anschließend gegebenenfalls stellende Frage der Erforderlichkeit
ist danach zu beantworten, ob ohne den beabsichtigten
Verkauf eine wirtschaftliche Beeinträchtigung des Nachlasswertes zu besorgen
gewesen wäre (vgl. BGH, Urteil vom 12. Januar 1972 - IV ZR
1206/68 - LM Nr. 2/3 zu § 2120 BGB; vgl. ferner Urteil vom
17. September 1954 - V ZR 35/54 - LM Nr. 14 zu § 1004 BGB). Dafür
reicht der Umstand, dass der Landeswohlfahrtsverband H. als Kostenträger
für den unter Betreuung stehenden Bruder der Parteien und
Miterben zur Deckung seiner Kosten eine Veräußerung des streitgegenständlichen
Anwesens gewollt und bereits in anderem Zusammenhang
dem Bruder mit einer Teilungsversteigerung gedroht hat, allerdings nicht
aus. Dieser in der Berufungsinstanz erstmals gehaltene - unstreitige -
Sachvortrag der Klägerin hätte zwar grundsätzlich Berücksichtigung finden
müssen (BGHZ 161, 138, 141 ff.). Dem Landeswohlfahrtsverband
stand aber auch Barvermögen des Nachlasses in nicht unbeträchtlicher
Höhe zur Befriedigung seiner Geldforderung zur Verfügung. Bislang ist
kein Grund vorgetragen und auch sonst nicht ersichtlich, warum sich der
Landeswohlfahrtsverband nicht hieraus als für den Nachlass weniger einschneidende
Maßnahme - leichter und ohne etwaige wirtschaftliche
Nachteile bei einer Zwangsversteigerung des Grundstückes - befriedigen
könnte. Es besteht daher auch kein Anhalt, dass die Grundstückssub-
stanz wegen dieser Forderungen ohnehin nicht zu erhalten gewesen wäre
(vgl. BGHZ 159, 254, 258 f.).
c) Die Feststellung des Landgerichts, das von der Beklagten behauptete
Interesse an der Eigennutzung der Immobilie sei nur vorgeschoben
gewesen, steht einer neuerlichen Beweiserhebung insoweit
nicht entgegen. Schon die in der Berufungsbegründung der Beklagten
dargelegten Zweifel an der Richtigkeit der landgerichtlichen Feststellungen
geben Anlass für eine erneute Beweisaufnahme (§ 529 Abs. 1 Nr. 1
ZPO; vgl. BGH, Urteil vom 8. Juni 2004 - VI ZR 230/03 - NJW 2004, 2828
unter II 2 b bb (1) und (2), zur Veröffentlichung in BGHZ 159, 254 bestimmt).
In diesem Zusammenhang kann auch der Vorhalt der Beklagten
Bedeutung erlangen, die Klägerin habe vorschnell auf eine Veräußerung
gedrungen, dieser Verkauf sei übereilt gewesen.
d) Sollte eine Mitwirkungspflicht festzustellen sein, bedarf es der
weiteren Prüfung, ob die Beklagte ihr schuldhaft nicht nachgekommen
ist. Die Verkaufsbemühungen sind von der Klägerin lange vor dem Erbfall
eingeleitet worden. Der erst nach dem Erbfall damit in ihrer Eigenschaft
als Miterbin befassten Beklagten muss eine gewisse Überlegungsfrist
zugebilligt werden, wie aus ihrer Sicht mit der Immobilie verfahren
werden soll.
Terno
Dr. Schlichting
Wendt
Felsch
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