Eigenmächtige Hausratsteilung als Verwirkungsgrund

Gericht

OLG Schleswig


Art der Entscheidung

Berufungsurteil


Datum

06. 02. 2004


Aktenzeichen

10 UF 91/02


Leitsatz des Gerichts

Fährt ein Ehepartner trotz Trennungsabsicht mit dem anderen Ehepartner in einen gemeinsamen Urlaub und organisiert die Auflösung des gemeinsamen Hausrats in Abwesenheit während dieser Zeit, so dass der andere keinerlei Eingriffsmöglichkeiten hat, kann dies einen eklatanten Vertrauensmissbrauch darstellen und zur teilweisen Verwirkung von Unterhaltsansprüchen führen.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Die Parteien streiten um nachehelichen Unterhalt. Sie haben am 26. 12. 1967 geheiratet. Ihre Ehe ist durch seit dem 22. 4. 1997 rechtskräftiges Scheidungsurteil vom 5. 3. 1997 geschieden. Aus der Ehe sind zwei Kinder hervorgegangen, der am 31. 1. 1969 geborene A und die am 18. 4. 1972 geborene C. Die Trennung der Parteien erfolgte im Juli 1994 nach einem gemeinsamen Urlaub. Der Bekl. trägt vor, die Kl. habe ihren Unterhaltsanspruch verwirkt. Sie habe fast den gesamten Haushalt im Werte von 150000 DM während des gemeinsamen Urlaubs aus dem Haus schaffen lassen. Außerdem lebe die Kl. mit Herrn T zusammen. Die Kl. hat entgegnet, es habe sich überwiegend um in ihrem Alleineigentum bzw. dem Eigentum ihrer Mutter stehenden Gegenstände gehandelt. Die eigenmächtige Mitnahme von Hausratsgegenständen rechtfertige auch nicht die teilweise Versagung von Unterhalt. Zu berücksichtigen sei, dass die Kl. wegen der Persönlichkeit des Bekl. so habe vorgehen müssen. Anderenfalls habe sie auf freiwilliger Basis vom Bekl. keine Hausratsgegenstände erhalten können. Das Verhältnis zu Herrn T sei nicht als eheähnlich zu qualifizieren. Die Traueranzeige für die verstorbene Lebensgefährtin des Sohnes der Kl., in der die Kl. und Herr T bezeichnet sind als „Friedel H mit Kurt“, stamme nicht von ihr, sondern von ihrem Sohn A.

Das AG - FamG - hat den Unterhaltsanspruch der Kl. wegen Vorliegens von Verwirkungstatbeständen reduziert. Die Berufung der Kl. hatte keinen Erfolg.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

II. … 3. Verwirkung: Die Kl. hat den Unterhaltsanspruch gem. § 1579 BGB teilweise verwirkt.

Der Kl. fällt ein offensichtlich schwerwiegendes, eindeutig bei ihr liegendes Fehlverhalten gegenüber dem Bekl. in Gestalt der eigenmächtig vollzogenen Hausratsteilung zur Last. Dadurch ist der Tatbestand des § 1579 Nr. 6 BGB erfüllt. Verstöße i.S. des § 1579 Nr. 6 BGB erfordern ein gegen die eheliche Treuepflicht und Solidarität gerichtetes Verhalten (vgl. Palandt/Brudermüller, BGB, 63. Aufl., § 1579 Rdnr. 24). Die aus der Ehe folgende Pflicht zur Solidarität gilt bis zur Trennung und auch über die Scheidung hinaus. Sie äußert sich in einer gegenseitigen Rücksichtnahme auf die berechtigten Interessen des Ehepartners. Im Falle der Trennung gehört dazu auch, dass die Auflösung der ehelichen Gemeinschaft unter Berücksichtigung der hierfür aufgestellten gesetzlichen Regelungen erfolgt. Die Hausratsteilung ist durch die HausratsVO geregelt und greift immer dann Platz, wenn die Ehepartner eine einvernehmliche Lösung nicht erzielen können.

Wenn die Kl. also fürchtete, sich nicht außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens mit dem Bekl. über eine Aufteilung des gemeinsamen Haushaltes zu einigen, so hätte sie den hierfür vorgesehenen Lösungsweg, nämlich Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens nach der HausratsVO wählen müssen. Statt dessen hat sie vor bzw. während des letzten gemeinsamen Urlaubs die Auflösung des gemeinsamen Haushaltes organisiert und in diesem Zusammenhang sichergestellt, dass sie die Gegenstände in ihren Besitz bringt, auf die es ihr besonders ankommt.

Das Verhalten der Kl. stellt sich nicht allein wegen des Umfangs an Gegenständen, die sie auf diese Weise in ihren Besitz gebracht hat, als schwerwiegend dar. Die Kl. hat mit der Berufungsbegründung die einzelnen von ihr aus dem Haus geschafften Gegenstände bezeichnet. Es besteht insoweit weitgehende Übereinstimmung mit der vom Bekl. in erster Instanz vorgelegten Liste an Hausratsgegenständen. Es kommt auch nicht allein entscheidend darauf an, welchen Wert diese Gegenstände in ihrer Gesamtheit hatten. Insoweit begegnet nämlich die von dem Bekl. vorgenommene Bewertung deswegen Bedenken, weil allein der fortgeschaffte, ca. 30 bis 40 Jahre alte Perserteppich nach seinen Angaben 30000 DM Wert gewesen sein soll.

Das Fehlverhalten der Kl. erlangt hier deswegen einen besonderen Schweregrad, weil sie den Zeitpunkt der Hausratsteilung so gewählt hat, dass der Bekl. keinerlei Möglichkeiten zum Eingriff hatte. Sie hat auch sein Vertrauen darauf, dass die Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft nicht unmittelbar bevorsteht, ausgenutzt und dadurch aufrechterhalten, dass sie trotz der von ihr gehegten Trennungsabsicht und der diesbezüglich schon getroffenen Vorkehrungen mit ihm in den Urlaub gefahren ist. Dieser eklatante Vertrauensmissbrauch wird auch nicht dadurch aufgewogen, dass es sich bei den von ihr beanspruchten Gegenständen angeblich um solche gehandelt hat, die in ihrem Alleineigentum bzw. in dem Eigentum ihrer Mutter gestanden hätten. Im Rahmen der Hausratsteilung ist dieser Umstand lediglich ein Aspekt, der die Zuordnung an den einen oder anderen Ehepartner unter Billigkeitsgesichtspunkten rechtfertigt.

Ein weiterer Verwirkungsgrund folgt aus § 1579 Nr. 7 BGB. Die Kl. unterhält eine eheähnliche Beziehung seit Ende 1994 zu Herrn T. Zwar leben die Kl. und Herr T in getrennten Wohnungen. Maßgebend im Rahmen des § 1579 Nr. 7 BGB für die Beurteilung des Vorliegens einer eheähnlichen Gemeinschaft ist jedoch, ob sich die Beziehung des geschiedenen Ehegatten zu seinem neuen Partner in einem solchen Maße verfestigt hat, dass damit gleichsam ein nichteheliches Zusammenleben an die Stelle einer Ehe getreten ist (vgl. BGH, NJW-RR 1994, 1154 = FamRZ 1995, 540 [542]). Die Verfestigung setzt in zeitlicher Hinsicht eine gewisse Mindestdauer voraus, die nach der Rechtsprechung des BGH nicht unter 2 bis 3 Jahren liegt (vgl. NJW 1997, 1891 = FamRZ 1997, 671 [672]). Insoweit ist das Zeitmoment hier erfüllt. Ferner muss die Beziehung nach dem Erscheinungsbild in der Öffentlichkeit sich als solchermaßen verfestigte Verbindung darstellen (vgl. BGH, NJW 1989, 1083 [1086]). Von einer solchen eheähnlichen, nach dem Erscheinungsbild in der Öffentlichkeit verfestigten Beziehung geht der Senat aus.

Die Kl. hat angegeben, dass Herr T häufiger bzw. regelmäßig ein bis zwei Nächte während der Woche bei ihr verbringt und sie mit ihm regelmäßig, wenn auch kurze Urlaube macht. Dass nach ihrem Vortrag sie und auch Herr T jeweils einen eigenen Freundeskreis am jeweiligen Wohnort unterhalten, steht der Annahme einer solchen Beziehung nicht entgegen. Unterschiedliche Freundeskreise sind auch innerhalb einer Ehe nicht ungewöhnlich. Die Eingehung einer Ehe führt auch nicht gleichermaßen dazu, dass die bisherigen Freundeskreise miteinander gleichsam verschmelzen. Entscheidend ist, dass in einer Traueranzeige für die verstorbene Lebensgefährtin des Sohnes der Kl. die Kl. und Herr T bezeichnet sind als „Friedel H mit Kurt“. Diese Wendung lässt nach außen zu Tage treten, dass die Kl. sich mit Herrn T im Sinne einer Lebenspartnerschaft verbunden fühlt und beide die Akzeptanz und Kenntnisnahme dieser Partnerschaft von Dritten erwarten. Dem steht auch nicht der Einwand der Kl. entgegen, dass der Text der Traueranzeige nicht von ihr stamme und ihr Sohn angesichts seiner damaligen Gemütsverfassung nicht über die genaue Formulierung nachgedacht habe. Gerade dieser Umstand spricht dafür, dass der Sohn bei der Abfassung der Traueranzeige die Verhältnisse so wiedergegeben hat, wie er sie für sich verinnerlicht hat, nämlich dergestalt, dass „Friedel H und Kurt“ zusammengehören. Nichts anderes charakterisiert aber eine eheähnliche Gemeinschaft.

Es besteht auch kein Anhaltspunkt dafür, dass die Kl. im Sinne der Rechtsprechung des BGH (NJW 2002, 217 = FPR 2002, 56 = FamRZ 2002, 23 [25]) ihre Beziehung zu Herrn T bewusst auf Distanz hält. Im Übrigen kommt es nach der vorzitierten Entscheidung darauf auch dann nicht an, wenn die allein subjektiv in Anspruch genommene Distanz zu dem neuen Partner in der tatsächlichen Lebensgestaltung nicht zum Ausdruck kommt. So liegt der Fall hier, wie sich insbesondere aus der in Bezug genommenen Traueranzeige und auch aus der übrigen Lebensgestaltung - häufigere Urlaube, regelmäßiges Übernachten während der Woche - ergibt. …

Gem. § 1579 BGB ist der Unterhaltsanspruch zu versagen, herabzusetzen oder zeitlich zu begrenzen, soweit die Inanspruchnahme des Verpflichteten grob unbillig wäre. Auf Seiten des Bekl. ist im Rahmen der Billigkeitsabwägung zu berücksichtigen, dass er in guten wirtschaftlichen Verhältnissen lebt. Andererseits ist auf Seiten der Kl. zu berücksichtigen, dass sie mit ihren Einkünften aus Erwerbstätigkeit nur knapp den kleinen Selbstbehaltsbetrag von 1400 DM bzw. 1600 DM/820 Euro erreicht. Andererseits hat sie während der Ehe neben ihrer Mitarbeit in der Firma die beiden aus der Ehe hervorgegangenen Kinder betreut und großgezogen. Auch ist zu berücksichtigen, dass die Ehe der Parteien nahezu 30 Jahre gedauert hat.

Gegen eine dauerhafte Verwirkung des Unterhaltsanspruchs auf Grund der eigenmächtigen Hausratsverteilung spricht, dass die Parteien sich im weiteren Verlauf der Auseinandersetzung ihrer Ehe hinsichtlich der Hausratsteilung geeinigt haben. Zwar ist das genaue Ergebnis nicht bekannt, andererseits hat der Bekl. auch nicht vorgetragen, in welchem Umfange ihm ein Nachteil entstanden ist. Beide Parteien haben zu den von der Kl. mitgenommenen Gegenständen vorgetragen. Die Aufstellungen sind nahezu deckungsgleich. Lediglich die Wertangaben differieren erheblich. Von einem Wert in Höhe von 150000 DM dürfte nicht auszugehen sein. Allein der vom Bekl. angegebene Wert des ca. 30 bis 40 Jahre alten Perserteppichs mit 30000 DM dürfte deutlich übersetzt sein. Im Übrigen fehlt es auch an Sachvortrag des Bekl. dazu, welche Hausratsgegenstände ihm verblieben sind. Möglicherweise sind ihm Gegenstände von gleichem Wert verblieben. Vor diesem Hintergrund ist es jedenfalls nicht gerechtfertigt, auf Grund der Hausratsteilung zu einer dauerhaften, wenn auch nur teilweisen Herabsetzung des Unterhaltsanspruches zu gelangen. Im Hinblick auf die eher beengten wirtschaftlichen Verhältnisse der Kl. ist es gerechtfertigt, den Unterhaltsanspruch der Kl. zeitlich begrenzt auf das erste Jahr des geltend gemachten nachehelichen Unterhalts der Höhe nach um 1/3 zu kürzen.

Anders verhält es sich im Hinblick auf den Verwirkungsgrund wegen der eheähnlichen Gemeinschaft zu Herrn T. Hier ist insbesondere zu berücksichtigen, dass der Verwirkungstatbestand darauf beruht, dass die Beziehung eheähnlichen Charakter gewonnen hat, so dass der dem nachehelichen Unterhaltsanspruch zu Grunde liegende Rechtfertigungsgrund der Fortdauer der aus dem Eheband folgenden Fürsorgepflicht der Ehepartner füreinander stärker und auch dauerhaft in den Hintergrund tritt. Dass die Kl. möglicherweise in dieser neuen Beziehung in wirtschaftlicher Hinsicht kein Äquivalent findet, kann im Rahmen der Abwägung keine entscheidende Rolle spielen. Maßgebend ist, dass die jetzige eheähnliche Beziehung die frühere Ehe in den Hintergrund drängt. Deswegen ist es sachgerecht, wegen dieses Verwirkungstatbestandes den an sich gegebenen Unterhaltsanspruch dauerhaft um ½ zu reduzieren. Auch in der Gesamtschau werden die Interessen der Kl. an der Aufrechterhaltung des nachehelichen Unterhaltsanspruches nicht unangemessen beeinträchtigt. Zusammen mit dem Erwerbseinkommen verfügt die Kl. jedenfalls ab Mai 1998 dann über Einkünfte, die deutlich über dem großen Selbstbehaltsbetrag liegen und ungefähr 2/3 des dem Bekl. verbleibenden Gesamteinkommens ausmachen.

Rechtsgebiete

Unterhaltsrecht

Normen

BGB § 1579 Nrn. 6, 7