Zugaben auf Zeitschriften - Zeitschrift mit Sonnenbrille
Gericht
BGH
Art der Entscheidung
Urteil
Datum
22. 09. 2005
Aktenzeichen
I ZR 28/03
Von einer unangemessenen unsachlichen Beeinflussung der Entscheidungsfreiheit von Verbrauchern nach § 4 Nr. 1 UWG ist regelmäßig nicht allein deshalb auszugehen, weil dem Produkt eine im Verhältnis zum Verkaufspreis wertvolle Zugabe ohne zusätzliches Entgelt beigefügt wird.
Eine Ausnutzung der geschäftlichen Unerfahrenheit von Kindern und Jugendlichen i.S. von § 4 Nr. 2 UWG ist nicht gegeben, wenn eine Jugendzeitschrift zusammen mit einer Sonnenbrille abgegeben wird.
Für die Frage, ob bei einem kombinierten Produkt i.S. von § 30 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 GWB die Zeitschrift im Vordergrund steht, kommt es nicht darauf an, ob die Nebenware als Zusatz den Inhalt der Zeitschrift ergänzt oder ob es sich um eine branchenfremde Zugabe handelt.
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Hanseatischen
Oberlandesgerichts Hamburg, 5. Zivilsenat, vom 5. Dezember
2002 aufgehoben.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts
Hamburg, Kammer 07 für Handelssachen, vom 8. Januar 2002
wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten der Rechtsmittel zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin gibt die monatlich erscheinende Zeitschrift "B.
M. " heraus, deren verkaufte Auflage Mitte 2001 225.000 Exemplare betrug.
Zielgruppe der Zeitschrift, die im Jahre 2001 zu einem gebundenen Verlagspreis
von 4,30 DM angeboten wurde, sind Mädchen und junge Frauen.
Die Beklagte ist Herausgeberin der Zeitschrift "1.", die sich an weibliche
Teenager richtet. Der gebundene Verlagspreis betrug im Jahre 2001 4,50 DM.
Die Auflage lag im zweiten Halbjahr 2001 jeweils bei etwa 181.000 Exemplaren.
Die August-Ausgabe 2001 ihrer Zeitschrift brachte die Beklagte mit einer
auf der Titelseite befestigten Sonnenbrille heraus, die in den Farben "Schwarz"
und "Lila" erhältlich war. Den normalen Kaufpreis von 4,50 DM für die Zeitschrift
behielt die Beklagte bei. Im Zusammenhang mit der Sonnenbrille heißt es auf
dem Titelblatt u.a.: "Extra! Designer-Brille". Auf Seite 3 des Heftes befindet sich
ein redaktioneller Beitrag, in dem die Leserin Tipps zur Verwendung der Brille
erhält.
Nach Schluss der mündlichen Verhandlung in erster Instanz gab die Beklagte
mit Schriftsatz vom 11. Dezember 2001 folgende strafbewehrte Unterlassungserklärung
ab:
"Wir, die N. Verlag GmbH (Beklagte) verpflichten uns gegen-
über G. (Klägerin) es bei Meidung einer Ver-
tragsstrafe, die für jeden Einzelfall der Zuwiderhandlung von G.
angemessen festzusetzen und bei Streit über die An-
gemessenheit vom Landgericht Hamburg zu überprüfen ist, zu unterlassen,
die zusammen mit der Zeitschrift '1.' Heft 0108 (August 2001)
feilgehaltene und vertriebene Brille als 'Designerbrille' zu bezeichnen."
Diese Erklärung nahm die Klägerin mit Schreiben vom 6. März 2002 an.
Die Klägerin hält den Verkauf der Zeitschrift zusammen mit der Sonnenbrille
unter dem Gesichtspunkt des übertriebenen Anlockens für wettbewerbswidrig.
Sie hat vorgetragen, der reguläre Kaufpreis einer vergleichbaren Sonnenbrille
betrage etwa 30 DM, weshalb ein großer Teil der angesprochenen
Zielgruppe die Zeitschrift ausschließlich wegen der Sonnenbrille erworben habe.
Die Wiederholungsgefahr sei durch die Unterlassungserklärung vom
11. Dezember 2001 nicht entfallen, da diese sich lediglich auf die Verwendung
der Bezeichnung "Designerbrille" beschränke. Die Beklagte spiegele eine besondere
Hochwertigkeit der Brille vor. Das Verhalten der Beklagten verstoße
zudem gegen das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen, weil ein Gegenstand,
der keiner Preisbindung unterliegen dürfe, zusammen mit einer
preisgebundenen Zeitschrift abgegeben werde.
Im Hinblick auf die von der Beklagten am 11. Dezember 2001 abgegebene
Unterwerfungserklärung hat die Klägerin in der Berufungsinstanz gegenüber
ihrem in erster Instanz verfolgten Unterlassungsantrag das Wort "Designerbrille"
durch "Sonnenbrille" ersetzt.
Auf den zuletzt gestellten Antrag der Klägerin hat das Berufungsgericht
(OLG Hamburg MD 2003, 789) unter Abänderung des die Klage abweisenden
Urteils des Landgerichts wie folgt erkannt:
I. Die Beklagte wird verurteilt,
1. es unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu unterlassen,
die Zeitschrift "1." zusammen mit einer auf der Titelseite befestigten
Sonnenbrille zu einem auf dem Heft aufgedruckten Einzelverkaufspreis
von 4,50 DM anzubieten, anzukündigen und zu ver-
treiben und/oder anbieten, ankündigen oder vertreiben zu lassen,
wenn dies geschieht wie in der Heftfolge Nr. 0108 August 2001
mit einer auf dem Heft befestigten schwarzen oder lilafarbenen
Sonnenbrille, wie aus den Anlagen A und B beigefügten Ablichtungen
ersichtlich;
2. der Klägerin Auskunft darüber zu erteilen, in welchem Umfang sie
die Zeitschrift "1." Heftfolge Nr. 0108 August 2001 gemäß Ziffer
I. 1. angeboten, angekündigt oder vertrieben hat, aufgeschlüsselt
nach Zeitraum und Anzahl der verkauften Exemplare;
II. es wird festgestellt, dass die Beklagte der Klägerin sämtlichen Schaden
zu ersetzen hat, der ihr durch die Handlungen gemäß Ziffer I. 1.
entstanden ist oder noch entstehen wird.
Hiergegen richtet sich die - vom Senat zugelassene - Revision der Beklagten,
mit der sie ihren Antrag auf Zurückweisung der Berufung weiterverfolgt.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe:
I. Das Berufungsgericht hat dem Unterlassungsantrag, dem Antrag auf
Auskunftserteilung und dem Antrag auf Feststellung der Schadensersatzverpflichtung
der Beklagten gemäß § 1 UWG a.F., § 242 BGB stattgegeben. Zur
Begründung hat es ausgeführt:
Die Abgabe der Zeitschrift "1." zusammen mit der Sonnenbrille sei unter
dem Gesichtspunkt des übertriebenen Anlockens auch nach der Abschaffung
der Zugabeverordnung wettbewerbswidrig. Durch die zusätzliche Abgabe der
Brille trete die Rationalität der Nachfrageentscheidung in den Hintergrund. Die
Brille verfüge - unabhängig von ihrem wahren Wert - über eine hohe Anlockwirkung.
Dies gelte umso mehr, als die Mitglieder der angesprochenen Zielgruppe,
12-20-Jährige, geschäftlich noch unerfahren seien. Die Frage, ob auch ein Verstoß
gegen das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen vorliege, könne
danach offen bleiben.
II. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben
Erfolg. Sie führen zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückweisung
der gegen das landgerichtliche Urteil gerichteten Berufung der Klägerin.
1. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, die beanstandete Abgabe der
Zeitschrift "1." zusammen mit einer Sonnenbrille stelle ein übertriebenes Anlocken
dar und sei deshalb unlauter, hält sowohl nach altem (§ 1 UWG a.F.) als
auch nach neuem Recht (§§ 3, 4 Nr. 1 und Nr. 2 UWG) im Ergebnis der rechtlichen
Nachprüfung nicht stand.
a) Nach Aufhebung der Zugabeverordnung ist es einem Unternehmen
nicht mehr verwehrt, die Abgabe von zwei keine Funktionseinheit bildenden
Produkten in einer Weise miteinander zu verbinden, dass bei Erwerb des einen
Produkts das andere ohne Berechnung abgegeben wird (vgl. BGHZ 151, 84, 86
- Kopplungsangebot I; BGH, Urt. v. 13.6.2002 - I ZR 71/01, GRUR 2002, 979,
980 = WRP 2002, 1259 - Kopplungsangebot II; BGHZ 154, 105, 108 - Gesamtpreisangebot;
BGH, Urt. v. 10.4.2003 - I ZR 291/00, GRUR 2003, 890, 891 =
WRP 2003, 1217 - Buchclub-Kopplungsangebot).
b) Damit ist indessen nicht gesagt, wovon auch das Berufungsgericht zu
Recht ausgegangen ist, dass derartige Kopplungsangebote uneingeschränkt
zulässig wären. Ein missbräuchliches und damit wettbewerbsrechtlich unzulässiges
Kopplungsangebot ist grundsätzlich anzunehmen, wenn über den tatsächlichen
Wert des Angebots getäuscht wird oder unzureichende Informationen
gegeben werden (vgl. BGHZ 151, 84, 89 - Kopplungsangebot I; BGH
GRUR 2002, 979, 981 - Kopplungsangebot II). Es besteht allerdings keine generelle
Pflicht, den Wert einer Zugabe anzugeben (vgl. BGHZ 151, 84, 89
- Kopplungsangebot I; BGHZ 154, 105, 109 - Gesamtpreisangebot). Ein Missbrauch
kann im Einzelfall auch dann vorliegen, wenn die Anlockwirkung so groß
ist, dass bei einem verständigen Verbraucher ausnahmsweise die Rationalität
der Nachfrageentscheidung vollständig in den Hintergrund tritt (BGHZ 151, 84,
89 - Kopplungsangebot I; BGH GRUR 2003, 890, 891 - Buchclub-Kopplungsangebot).
c) Das Inkrafttreten des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb am
8. Juli 2004 hat an der Rechtslage nichts geändert. Der Gesetzgeber hat durch
die Vorschrift des § 4 Nr. 4 UWG Zugaben als grundsätzlich wettbewerbskonform
anerkannt. Eine restriktivere Handhabung der Zulässigkeit von Zugaben
im Rahmen von § 4 Nr. 1 UWG ist ersichtlich nicht gewollt, da die UWG-Reform
auch der Abschaffung des Rabattgesetzes und der Zugabeverordnung Rechnung
trägt (vgl. Begründung zum Regierungsentwurf, BT-Drucks. 15/1487,
S. 12).
d) Ausgehend hiervon liegt in der Abgabe der Zeitschrift "1." zusammen
mit einer Sonnenbrille keine unangemessene unsachliche Beeinflussung i.S.
von § 4 Nr. 1 UWG. Die damit verbundene Anlockwirkung ist gerade eine gewollte
Folge des Wettbewerbs. Die Annahme einer unangemessenen unsachlichen
Beeinflussung ist bei Kopplungsangeboten auf solche Fälle beschränkt, in
denen die Anlockwirkung so groß ist, dass auch bei einem verständigen
Verbraucher ausnahmsweise die Rationalität der Nachfrageentscheidung voll-
ständig in den Hintergrund tritt. Selbst wertvolle Zugaben brauchen nicht zu einer
irrationalen Nachfrageentscheidung zu führen (vgl. BGH, Urt. v. 9.6.2004
- I ZR 187/02, GRUR 2004, 960 f. = WRP 2004, 1359 - 500 DM-Gutschein für
Autokauf; Fezer/Steinbeck, UWG, § 4-1 Rdn. 202; Harte/Henning/Stuckel,
UWG, § 4 Nr. 1 Rdn. 45).
Allein die vom Berufungsgericht angenommene Attraktivität der Sonnenbrille
schließt die Rationalität der Nachfrageentscheidung nicht aus. Eine Zugabe
macht wirtschaftlich nur Sinn, wenn sie für die angesprochenen Verbraucher
interessant ist.
Eine übertriebene Anlockwirkung ist hier auch nicht deshalb anzunehmen,
weil es sich bei den angesprochenen Verkehrskreisen um Jugendliche
und junge Erwachsene im Alter zwischen 12 und 20 Jahren handelt. Zwar weist
das Berufungsgericht zu Recht darauf hin, dass es sich bei der Personengruppe
der Jugendlichen um Verbraucher handelt, die im Schnitt geschäftlich unerfahrener
sind als der Durchschnitt aller Verbraucher. Allerdings werden hier mit
einer Jugendzeitschrift und einer Sonnenbrille Produkte angeboten, die auch
von Jugendlichen regelmäßig nachgefragt werden. Bei derartigen Produkten
kann eine ausreichende Kenntnis des Markts und der Werthaltigkeit der Angebote
vorausgesetzt werden. Der Preis von 4,50 DM bewegt sich nach der Lebenserfahrung
im Rahmen des Taschengelds der angesprochenen jugendlichen
Verbraucher. Selbst wenn die Zeitschrift nur deshalb erworben wird, um in
den Besitz der Sonnenbrille zu gelangen, sind mit dem Kauf keine nennenswerten
wirtschaftlichen Belastungen verbunden. Es ist auch nicht ersichtlich, warum
ein Jugendlicher eine Zeitschrift oder eine Sonnenbrille für 4,50 DM sollte
erwerben können, nicht aber auch für denselben Preis eine Zeitschrift mit Sonnenbrille.
Dies gilt auch mit Blick auf den Umstand, dass die Sonnenbrille in
zwei verschiedenen Farben angeboten wird und deshalb nicht auszuschließen
ist, dass einzelne Jugendliche die Zeitschrift zweimal kaufen.
e) Auch ein Verstoß gegen §§ 3, 4 Nr. 2 UWG ist im Streitfall nicht gegeben.
Nach dieser Vorschrift sind Wettbewerbshandlungen unlauter, die geeignet
sind, die geschäftliche Unerfahrenheit von Kindern und Jugendlichen auszunutzen.
Durch die Bestimmung sollen u.a. besonders schutzwürdige Verbraucher
vor der Ausnutzung ihrer Unerfahrenheit bewahrt werden (vgl. Begründung
zum Regierungsentwurf, BT-Drucks. 15/1487, S. 17). Die Unlauterkeitstatbestände
des § 4 Nr. 1 und des § 4 Nr. 2 UWG sind selbständig nebeneinander
anwendbar, auch wenn sich ihre Voraussetzungen im Einzelfall überschneiden
und die Wertungen des § 4 Nr. 2 UWG auch bei der Auslegung des
§ 4 Nr. 1 UWG zu berücksichtigen sind (Baumbach/Hefermehl/Köhler, Wettbewerbsrecht,
23. Aufl., § 4 UWG Rdn. 2.17; Fezer/Scherer aaO § 4-2 Rdn. 9;
Ekey/Klippel/Plaß, Wettbewerbsrecht, 2. Aufl., § 4 UWG Rdn. 7 f.; Harte/
Henning/Stuckel aaO § 4 Nr. 1 Rdn. 2; enger: Fezer/Steinbeck aaO § 4-1
Rdn. 7).
Im vorliegenden Fall fehlt es an einer Ausnutzung der Unerfahrenheit von
Kindern und Jugendlichen. Diese können das aus der Kombination der Zeitschrift
mit einer Sonnenbrille bestehende Angebot im Hinblick auf seine wirtschaftliche
Bedeutung, seine Preiswürdigkeit und die mit dem Geschäft verbundenen
finanziellen Belastungen hinreichend überblicken (vgl. Abschn. II 1d).
2. Das Urteil stellt sich hinsichtlich des Unterlassungsanspruchs auch
nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO).
a) Das beanstandete Angebot der Beklagten ist nicht unter dem Gesichtspunkt
der unzureichenden Information über den Wert der Zugabe unlauter.
Die Beklagte hat in dem Angebot nicht den Eindruck einer besonderen
Hochwertigkeit der Brille erweckt. Das Heft enthält über die nicht mehr angegriffene
Verwendung des Begriffs "Designerbrille" hinaus keine nähere Beschreibung
der Brille, die auf einen besonderen Wert schließen lässt. Auch der angesprochenen
Zielgruppe Jugendlicher und jüngerer Erwachsener ist bei einem
Kaufpreis von 4,50 DM für das Heft und die Brille klar, dass es sich nicht um
eine besonders wertvolle Sonnenbrille handelt.
Die Beklagte war auch nicht verpflichtet, über den Wert der Zugabe konkrete
Angaben zu machen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats zu
§ 1 UWG a.F. besteht keine generelle Pflicht, den Wert einer Zugabe anzugeben,
es sei denn, der Verbraucher wird andernfalls über den Wert des tatsächlichen
Angebots getäuscht oder unzureichend informiert (vgl. BGHZ 151,
84, 89 - Kopplungsangebot I; BGHZ 154, 105, 108 f. - Gesamtpreisangebot).
Dies gilt entsprechend auch für § 4 Nr. 1 und § 5 Abs. 2 Satz 2 UWG
(vgl. Fezer/Steinbeck aaO § 4-1 Rdn. 177 f.; abweichend: Baumbach/Hefermehl/
Köhler aaO § 4 UWG Rdn. 1.59), weil der Gesetzgeber mit Ausnahme der
in § 4 Nr. 4 UWG geregelten Pflicht, die Bedingungen für die Inanspruchnahme
der Zugabe anzugeben, bewusst auf weitere Informationspflichten verzichtet
hat (vgl. Begründung zum Regierungsentwurf BT-Drucks. 15/1487, S. 19). Im
vorliegenden Fall waren die Verbraucher auch ohne nähere Angaben ausreichend
informiert. Die Brille war auf der Vorderseite des Hefts abgebildet und
befestigt. Die Kundin konnte daher bereits vor dem Kauf erkennen, was sie als
Zugabe erhielt.
b) Der preisgebundene Verkauf der Zeitschrift zusammen mit der Sonnenbrille
verstößt nicht gegen § 4 Nr. 11 UWG i.V. mit § 1 GWB.
Dabei muss nicht erörtert werden, ob ein Verstoß gegen das Verbot der
Preisbindung nach § 1 GWB einen Anspruch nach §§ 3, 4 Nr. 11 UWG begründen
kann (bejahend: Harte/Henning/v. Jagow aaO § 4 Nr. 11 Rdn. 133; zu § 1
UWG a.F.: BGHZ 28, 208, 223 - 4711-Preisempfehlung; BGH, Urt. v. 21.2.1978
- KZR 7/76, GRUR 1978, 445, 446 = WRP 1978, 371 - 4 zum Preis von 3; Urt.
v. 6.10.1992 - KZR 21/91, GRUR 1993, 137, 138 - Zinssubvention; a.A. Baumbach/
Hefermehl/Köhler aaO § 4 UWG Rdn. 11.12). Denn ein Verstoß gegen
Vorschriften des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen ist im Streitfall
nicht gegeben.
Nach § 30 Abs. 1 GWB, der § 15 Abs. 1 GWB in der vom 1. Oktober
2002 bis 30. Juni 2005 geltenden Fassung entspricht, ist § 1 GWB nicht auf
vertikale Preisbindungen anwendbar, durch die ein Unternehmen, das Zeitungen
oder Zeitschriften herstellt, die Abnehmer dieser Erzeugnisse rechtlich oder
wirtschaftlich bindet, bei der Weiterveräußerung bestimmte Preise zu vereinbaren
und ihren Abnehmern die gleiche Bindung bis zur Weiterveräußerung an
den letzten Verbraucher aufzuerlegen. Dies gilt nach § 30 Abs. 1 Satz 2
Halbs. 2 GWB (§ 15 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 GWB a.F.) auch für kombinierte
Produkte, bei denen eine Zeitung oder Zeitschrift im Vordergrund steht. Davon
ist im vorliegenden Fall auszugehen. Die Vorschrift des § 30 Abs. 1 Satz 2
Halbs. 2 GWB unterscheidet nicht danach, ob die beigefügte Nebenware als
Zusatz den Inhalt der Zeitschrift ergänzt oder es sich um eine branchenfremde
Zugabe handelt (vgl. Klosterfelde/Metzlaff in Langen/Bunte, Kommentar zum
deutschen und europäischen Kartellrecht, 9. Aufl., § 15 GWB Rdn. 20; Waldenberger,
NJW 2002, 2914, 2918; Freytag/Gerlinger, WRP 2004, 537, 540; a.A.
Bechtold, GWB, 3. Aufl., § 15 Rdn. 9; Franzen/Wallenfels/Russ, Preisbindungsgesetz,
4. Aufl., § 15 GWB Rdn. 5; zu § 16 GWB a.F.: OLG Hamburg NJW
1998, 1085, 1086). Maßgeblich für die Auslegung der Vorschrift ist ihr Zweck.
Die Vorschrift dient dem Schutz der Pressefreiheit, wozu auch der Vertrieb von
Presseprodukten gehört. Geschützt werden soll das historisch gewachsene,
zeitungs- und zeitschriftenspezifische Vertriebssystem, wonach die Presseerzeugnisse
zu einheitlichen Preisen überall erhältlich sind, damit sich die Bürger
in allen Teilen des Landes unter den gleichen Voraussetzungen eine eigene
Meinung bilden können (vgl. Begründung zum Regierungsentwurf eines Gesetzes
zur Regelung der Preisbindung bei Verlagserzeugnissen BTDrucks.
14/9196, S. 14; vgl. auch zum Gesetzeszweck der vor dem
30. September 2002 geltenden Fassung der §§ 14, 15 GWB: BGHZ 135, 74, 77
- NJW auf CD-ROM). Ausgehend hiervon ist danach zu unterscheiden, ob sich
das Produkt nach Ankündigung, Aufmachung und Vertriebsweg aus Sicht des
Verbrauchers insgesamt noch als Presseerzeugnis darstellt (vgl. Freytag/
Gerlinger, WRP 2004, 537, 540). Dies ist vorliegend zu bejahen, da die
Zeitschrift über den normalen Vertriebsweg vertrieben wurde und die Sonnenbrille
ersichtlich nur als kostenlose Zugabe der Steigerung der Attraktivität des
Presseerzeugnisses dienen sollte.
3. Da das Verhalten der Beklagten wettbewerbsrechtlich nicht unlauter
ist, können die Verurteilung zur Auskunftserteilung und die Feststellung der
Schadensersatzverpflichtung ebenfalls nicht aufrechterhalten werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO.
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