Steuerberaterhaftung bei ungewisser Rechtslage
Gericht
BGH
Art der Entscheidung
Urteil
Datum
20. 10. 2005
Aktenzeichen
IX ZR 127/04
Ist die Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs einer Steuernorm (hier der verdeckten Gewinnausschüttung) offen und für die vom Steuerpflichtigen zu treffende Entscheidung bedeutsam, muss der verantwortliche Berater grundsätzlich auf das mit der ungewissen Beurteilung der Rechtslage verbundene Risiko hinweisen.
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 6. Zivilsenats
des Oberlandesgerichts Rostock vom 16. Juni 2004 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht
zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin ist ein ehemaliger volkseigener Betrieb, der 1990 in eine
GmbH im Anteilsbesitz der Treuhandanstalt umgewandelt wurde. Die Geschäftsführung
der GmbH übernahm der bisherige Betriebsdirektor R. .
Am 12. Februar 1991 trat die Treuhandanstalt R. und neun anderen
Erwerbern je 10 v.H. des Anteilsbesitzes an der Klägerin ab. Im Anstellungsvertrag
vom 21. Februar 1991 gewährte die Klägerin R. , der seinerzeit
61 Jahre alt war, eine Pensionszusage, auf welche sie Rückstellungen bildete
und dem Begünstigten von 1994 bis 1998 insgesamt rund 360.000 DM zahlte.
Bei Gewährung der Pensionszusage wurde die Klägerin von dem verstorbenen
Ehemann und Rechtsvorgänger der Beklagten beraten, der die Klägerin von
1990 bis 1996 steuerlich betreute.
Im Anschluss an eine Betriebsprüfung bei der Klägerin bewertete das
zuständige Finanzamt die Pensionszahlungen an R. im Prüfungszeitraum
infolge seines Alters bei Erhalt der Zusage als verdeckte Gewinnausschüttungen
und erkannte die hierfür gebildeten Rückstellungen steuerrechtlich
nicht an. Einspruch und Klage gegen die 1998 nach den Prüfungsfeststellungen
geänderten Steuerbescheide blieben erfolglos.
Die Klägerin hat dem Rechtsvorgänger der Beklagten (im Folgenden:
Steuerberater) zur Last gelegt, dass er 1991 auf die Frage nach steuergünstigen
Gestaltungsmöglichkeiten die vermeintlich gewinnmindernde Pensionszusage
an R. empfohlen und auch später die hierfür gebildeten Bilanzrückstellungen
sowie den Gesamtleistungsumfang an R. gebilligt habe.
Die Klägerin hat behauptet, dass sie R. die Pensionszusage nicht gewährt
hätte, wäre sie von dem Beklagten pflichtgemäß darauf hingewiesen
worden, dass diese Leistung nach dem hohen Alter von R. bei Erteilung
der Zusage steuerrechtlich eine verdeckte Gewinnausschüttung sei. Damit
wären auch die Belastungen aus der Nachversteuerung jener (verdeckt ausgeschütteten)
Gewinne einschließlich Solidarzuschlägen und Steuerzinsen vermieden
worden, wenn der Steuerberater sich pflichtgemäß verhalten hätte.
Außerdem wären unter dieser Voraussetzung die Kosten des erfolglosen Klageverfahrens
nicht angefallen. Die Beklagte hat das gesamte Klagevorbringen
zum Haftungstatbestand bestritten.
Die Klägerin ist in beiden Tatsacheninstanzen unterlegen. Mit der zugelassenen
Revision verfolgt sie ihr Schadensersatzbegehren im zuletzt erhobenen
Umfang von 370.315,21 € (724.273,60 DM) nebst Zinsen weiter.
Entscheidungsgründe:
Die Revision ist begründet. Die Klage kann nicht allein nach dem Vorbringen
der Klägerin abgewiesen bleiben. Feststellungen zum Haftungstatbestand
sind in den Tatsacheninstanzen nicht getroffen worden. Infolgedessen ist
die Sache nach § 563 Abs. 1 ZPO an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
I.
Das Berufungsgericht hat angenommen, dem steuerlichen Berater der
Klägerin könne nach damaligen Stand der Rechtsprechung und der einschlägigen
Verwaltungsvorschriften nicht vorgeworfen werden, die Klägerin über die
steuerlichen Folgen der Pensionszusage an R. im Februar 1991 fehlerhaft
beraten zu haben. Die Altersgrenze von 60 Jahren für die Erteilung
steuerrechtlich anerkennungsfähiger Pensionszusagen an nicht beherrschende
Gesellschafter-Geschäftsführer habe nur untergeordnete Bedeutung.
R. habe sich trotz seines Alters nach § 1 Abs. 1 BetrAVG unverfallbare
Versorgungsansprüche entsprechend einer erwarteten Mindesttätigkeit von
weiteren drei Jahren und seiner langjährigen Betriebszugehörigkeit noch erdienen
können. Der Bundesfinanzhof habe erst mit Urteil vom 24. Januar 1996
(BFHE 180, 272, 273 f = BStBl. II 1997, 440) das Erteilungsalter von 60 Jahren
für die Gewährung von Pensionszusagen, jenseits deren verdeckte Gewinnausschüttungen
zu vermuten seien, auf nicht beherrschende Gesellschafter-
Geschäftsführer ausgedehnt. Allein das Alter R. bei Erteilung der
Pensionszusage sei daher kein zwingender Anlass gewesen, der Klägerin Anfang
1991 von einer solchen Zusage abzuraten oder sie auf das Risiko einer
Nichtabsetzbarkeit der Pensionsrückstellungen hinzuweisen. Das hält rechtlicher
Nachprüfung nicht vollen Umfangs stand.
II.
Das Berufungsgericht geht zutreffend davon aus, dass der verstorbene
Ehemann der Beklagten die Klägerin Anfang 1991 über die steuerlichen Folgen
einer Pensionszusage an R. nach damaligem Stand der Steuerrechtsprechung
sowie der einschlägigen Steuerrichtlinien und Erlasse beraten
musste (vgl. BGHZ 145, 256, 263). Dazu war der Steuerberater schon aufgrund
des ihm übertragenen Dauermandates verpflichtet (vgl. BGHZ 129, 386, 396;
BGH, Urt. v. 20. November 1997 - IX ZR 62/97, WM 1998, 299, 300; v. 18. Juli
2001 - IX ZR 246/00, WM 2001, 1868, 1869). Erst recht musste sich der Steuerberater
dieser Frage eingehend widmen, wenn die Klägerin ihn um Prüfung
der Möglichkeit gebeten hatte, durch Pensionszusagen an die Geschäftsführer
eine Verringerung der Steuerlast zu erzielen.
1. Ohne Rechtsfehler hat sich das Berufungsgericht auch gegen Vorstellungen
der Klägerin gewendet, der Steuerberater habe ihr gegenüber bereits
im Februar 1991 die bestimmte Prognose abgeben müssen, die erwogene Zu-
sage an R. habe steuerrechtlich als verdeckte Gewinnausschüttung
von vornherein keine Aussicht auf Anerkennung. Denn dies war im Beratungszeitpunkt
nicht einmal wahrscheinlich. Es fehlte an hinreichend deutlichen
Anzeichen, die den Steuerberater verpflichtet hätten, auf eine bereits absehbare
bestimmte Entwicklung der höchstrichterlichen Rechtsprechung, wie sie hier
zwischen 1992 und 1996 eingetreten ist, hinzuweisen (vgl. BGH, Urt. v.
30. September 1993 - IX ZR 211/92, WM 1993, 2129, 2130 f; zur Hinweispflicht
des Steuerberaters bei erkennbarer Entwicklung der Gesetzgebung vgl. auch
BGH, Urt. v. 15. Juli 2004 - IX ZR 472/00, ZIP 2004, 2058, 2059).
Die Körperschaftsteuerrichtlinien nach dem Stand vom 17. Dezember
1990 (vgl. KStR 1985, BStBl. I 1986, Sondernr. 1, 53 und KStÄR 1990, BStBl. I
1990, Sondernr. 5, Abschnitte 31, 32 und 36) enthielten keine Vorschriften zur
steuerrechtlichen Behandlung von Pensionszusagen an nicht beherrschende
Gesellschafter-Geschäftsführer im Rahmen von § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG. Auch
für die Erdienbarkeit und Angemessenheit von Pensionszusagen an beherrschende
Gesellschafter-Geschäftsführer wurde nur darauf hingewiesen, dass
der Dauer der tatsächlichen oder zu erwartenden Dienstleistung bis zur vertraglich
vorgesehenen Altersgrenze besondere Bedeutung zukomme (vgl. A 36
Abs. 1 Satz 3 KStÄR 1990). Eine allgemein ausschließende Altersgrenze für
den Zeitpunkt der Zusage mit der Vollendung des 60. Lebensjahres wegen des
altersbedingt steigenden Risikos einer kurzfristigen Inanspruchnahme (vgl.
BFHE 176, 413, 415 = BStBl. II 1995, 861) findet sich hier noch nicht. Diese
typisierende Betrachtung, die auch dem vorliegenden Steuerfall zugrunde lag
(FG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 21. Juni 2000 - 1 K 364/99, n.v.), ist vom
Bundesfinanzhof im Ergebnis ersichtlich erstmals im Urteil vom 20. Mai 1992
(BFH/NV 1993, 52) für einen beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer
angestellt worden. Die in dieser Entscheidung angeführten Belegstellen deuteten
noch nicht klar auf die 1992 vollzogene Weiterentwicklung der Rechtsprechung
hin. Das Urteil des Finanzgerichts Saarland vom 10. September 1986
(EFG 1986, 619) betraf wegen der familiären Verflechtung der Beteiligten, der
bereits erkannten Krankheit des Geschäftsführers und der bestehenden Vertragsbindung
einen dem Streitfall nicht vergleichbaren Sachverhalt. Nichts anderes
gilt für die in der Folgeentscheidung vom 21. Dezember 1994 (BFHE
176, aaO) zitierte ältere Rechtsprechung, auf die sich zum Teil auch die Klägerin
beruft.
In dem Urteil des Bundesfinanzhofs vom 9. Oktober 1985 (BFHE 144,
561 = BStBl. II 1986, 51) ging es um das Rentenversprechen für den gelegentlich
mitarbeitenden 63-jährigen Vater des Inhabers, der den Betrieb erst knapp
zwei Jahre zuvor an seinen Sohn abgegeben hatte. Auch das Urteil des Bundesfinanzhofs
vom 13. April 1988 (BFH/NV 1989, 395) betraf einen Sachverhalt,
der durch familiäre Verflechtungen zwischen dem 69 Jahre alten Pensionsempfänger
und den Gesellschaftern (seinen Kindern) gekennzeichnet war
sowie durch ein krankheitsbedingt deutlich erhöhtes Dienstunfähigkeitsrisiko.
Die Ausführungen von Streck (KStG 3. Aufl. 1991, § 8 Rn. 150 Pensionszusage
Anm. 6) bezogen sich auf beherrschende Gesellschafter-Geschäftsführer und
betonten allgemein das mit steigendem Alter wachsende Risiko verdeckter
Gewinnausschüttungen, wobei ab 55 Jahren äußerste Vorsicht geboten sei.
Eine abstrakt typisierende Altersgrenze von 60 Jahren für den Erteilungszeitpunkt
von Pensionszusagen war dort weder für beherrschende noch für nicht
beherrschende Gesellschafter-Geschäftsführer genannt.
Es gab danach für den Steuerberater im Februar 1991 keine hinreichenden
Anhaltspunkte, nach denen er die tatsächliche Entwicklung in der Rechtsprechung
des Bundesfinanzhofs von 1992 bis 1996 hätte vorhersehen können
und die Klägerin auf entsprechende Folgen bereits hinweisen müssen.
2. Unrichtig ist dagegen die Auffassung des Berufungsgerichts, dass der
Steuerberater bei pflichtmäßiger Prüfung der Rechtslage im Februar 1991 das
Risiko habe vernachlässigen dürfen, eine Pensionszusage der Klägerin an
R. könne als verdeckte Gewinnausschüttung gewertet werden und damit
mangels betrieblicher Veranlassung weder nach § 6a EStG rückstellbar
noch nach § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG, § 7 Abs. 1 GewStG einkommens- und steuermindernd
sein. Vielmehr musste der Steuerberater die Klägerin im Februar
1991 angesichts der bestehenden objektiven Ungewissheit der Rechtslage auf
dieses Risiko hinweisen.
a) Zweck der Steuerberatung ist es, die dem Auftraggeber fehlende
Sach- und Rechtskunde auf diesem Gebiet zu ersetzen. Die pflichtmäßige
Steuerberatung verlangt daher sachgerechte Hinweise über die Art, die Größe
und die mögliche Höhe eines Steuerrisikos, um den Auftraggeber in die Lage
zu versetzen, eigenverantwortlich seine Rechte und Interessen wahren und
eine Fehlentscheidung vermeiden zu können (vgl. BGHZ 129, aaO; BGH, Urt.
v. 4. Juni 1996 - IX ZR 246/95, WM 1996, 1841, 1843). Der Auftraggeber muss
imstande sein, nach den erteilten Hinweisen seine Interessen und die erheblichen
Steuerrisiken selbst abzuwägen. Kann ein solches Risiko möglicherweise
die Entscheidung eines vernünftigen Auftraggebers beeinflussen, so darf es
von dem verantwortlichen Berater nicht verschwiegen werden.
Dagegen ist ein allgemeines Steuerrisiko zu vernachlässigen, wenn die
interessengerechte Gestaltung durch eine gefestigte Rechtsprechung und Verwaltungspraxis
abgesichert ist, ohne dass bereits Anzeichen für eine Änderung
dieser Rechtsauffassung oder des zugrunde liegenden Gesetzes erkennbar
sind. Auch kann es sein, dass sich eine in der Steuerpraxis offene Frage be-
bereits aus dem Gesetz heraus eindeutig beantworten lässt. An einer solchen
Rechtsklarheit fehlt es, wenn die einschlägige Steuerrechtsvorschrift einen unbestimmten
Rechtsbegriff enthält, dessen Anwendung Verwaltungspraxis und
Steuerrechtsprechung durch wertungsabhängige Entscheidungen erst noch für
die vorliegende Fallgestaltung rechtsfortbildend klären müssen. Ein derartiges
Risiko kann im Allgemeinen nur dann als unbedeutend angesehen werden,
wenn der fragliche Einzelfall im Rahmen ernsthafter Möglichkeiten der Normkonkretisierung
praktisch außerhalb der Gefahrenzone liegt.
b) Im Februar 1991 stand der Steuerberater der Klägerin bei Prüfung der
Frage, ob die erwogene Pensionszusage an R. als verdeckte Gewinnausschüttung
gemäß § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG gewertet werden könnte, vor einer
solchen nicht unerheblichen Rechtsunsicherheit.
Die betriebliche Veranlassung von Leistungen an Geschäftsführer-
Gesellschafter ist in der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs seit jeher verneint
und stattdessen die Ursache im Gesellschaftsverhältnis angenommen
worden, wenn sie ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter einem
Nichtgesellschafter versagt hätte (vgl. BFH BStBl. 1962 III, 243, 244; BFHE 89,
208, 210 = BStBl. 1967 III, 626; BFHE 176, 413, 414 f; BFHE 180, 272, 273).
Dieser Fremdvergleich der Leistungen ist sowohl bei Begünstigung eines beherrschenden
Gesellschafters möglich als auch bei derjenigen eines nicht beherrschenden
Gesellschafters. Allerdings gelten für diesen Vergleich graduell
unterschiedliche Maßstäbe, weil für einen nicht beherrschenden Gesellschafter-
Geschäftsführer das sogenannte Nachzahlungsverbot nicht eingreift (vgl.
BFHE 69, 299, 302 = BStBl. 1959 III, 374 - Beteiligung unter 25 v.H.; BFHE
180, 272, 274 m.w.N.). Der besondere Verdachtsgrund gegen einen beherr-
schenden Gesellschafter-Geschäftsführer, der Leistungen an sich ebenso auf
der Ebene des Dienstverhältnisses (betrieblich) als auch auf der des Gesellschaftsverhältnisses
(Gewinnausschüttung) erbringen kann, kommt für einen
Minderheitsgesellschafter von 10 v.H., wie R. , nicht in Betracht.
Der Steuerberater musste aber berücksichtigen, dass es bei der Feststellung
verdeckter Gewinnausschüttungen in dem maßgeblichen Fremdvergleich
Beurteilungsunschärfen gab. Die Klägerin hätte einem Geschäftsführer
ohne Unternehmensbeteiligung im Alter von 61 Jahren möglicherweise nicht
die gleiche Pensionszusage angeboten, wie sie R. erhalten hat. Es
konnte erheblichen Zweifeln begegnen, ob die zukünftigen Dienste von
R. für die Klägerin derart wertvoll waren, dass hierdurch die beträchtliche
Vermögensminderung der übernommenen Pensionslast aufgewogen wurde.
Mit steigendem Alter des Begünstigten im Zusagezeitpunkt erhöhte sich für
die Klägerin die Gefahr, dass sich im Gesamtleistungsaustausch ihre Pensionszusage
als übergewichtig und unangemessen erwies. Der Steuerberater
der Klägerin durfte danach nicht darauf vertrauen, dass der Einzelfall unter
dem Gesichtspunkt einer verdeckten Gewinnausschüttung rechtlich unbedenklich
sei, wie sich dies beispielsweise hätte annehmen lassen, wenn R.
10 Jahre jünger gewesen wäre.
Der Bundesfinanzhof hatte im Februar 1991 auch noch nicht - insoweit
risikomindernd - festgestellt, dass im allgemeinen für die Erdienbarkeit von
Pensionszusagen an nicht beherrschende Gesellschafter-Geschäftsführer auf
die Merkmale von § 1 Abs. 1 BetrAVG zurückgegriffen werden könne (vgl. dazu
erst BFHE 176, 413, 415 und BFHE 180, 272, 274). Die Rechtslage war danach
insgesamt zu dieser Zeit nicht soweit geklärt und unbedenklich, dass der
Steuerberater der Klägerin auf den Hinweis hätte verzichten dürfen, dass die
Pensionszusage an R. möglicherweise (noch nicht wahrscheinlich)
als verdeckte Gewinnausschüttung beurteilt werden könnte.
3. Der Steuerberater war entgegen klägerischer Ansicht nicht imstande,
das erkennbare Risiko einer verdeckten Gewinnausschüttung durch Rücksprache
mit dem zuständigen Finanzamt auszuschalten. Verbindliche Zusagen soll
die Finanzverwaltung nach § 204 AO nur im Anschluss an eine Außenprüfung
abgeben, die hier erst 1997 stattgefunden hat. Zu anderweitigen Zusicherungen,
welche die Finanzverwaltung im Einzelfall nach Treu und Glauben binden
können, ist sie nicht verpflichtet. Dass hier für den Steuerberater gleichwohl die
Möglichkeit bestand, eine solche Zusicherung herbeizuführen, ist bisher weder
festgestellt noch behauptet worden. Angesichts der ungeklärten Rechtslage bei
der Fallgruppe nicht beherrschender Gesellschafter-Geschäftsführer lag eine
entsprechende Bereitschaft des Finanzamtes fern. Eine vertiefte Würdigung
der einigungsbedingten Besonderheiten und der Umstände des Einzelfalls ließ
sich auf diesem Wege voraussichtlich ohnehin nicht erreichen. Eine bloße
Auskunft der Finanzverwaltung hätte mangels Bindungswirkung die Klägerin
vor dem späteren Verlauf nicht geschützt.
III.
Der Rechtsstreit ist nicht zur Endentscheidung reif (§ 563 Abs. 3 ZPO).
1. Der bisherige Sachvortrag der Klägerin zur haftungsausfüllenden
Kausalität ist wesentlich von der unzutreffenden Annahme mitbestimmt, dass
der Steuerberater von der Pensionszusage an R. habe abraten müssen,
weil sie als verdeckte Gewinnausschüttung zu beurteilen sei. Nur aus der
nachträglichen Betrachtung hat die Klägerin bisher auch das 1991 eingegangene
Steuerrisiko bewertet. Vortrag der Klägerin dazu, wie sie sich auf den
lediglich gebotenen Risikohinweis des Steuerberaters aus damaliger Sicht verhalten
hätte, fehlt. Auch die Beklagte hat sich dazu nicht geäußert. Objektiv
konnte es aus der Sicht vom Februar 1991 für die Klägerin möglicherweise
vernünftig sein, die in einer pflichtmäßigen Beratung aufgezeigte Beurteilungsunsicherheit
in Kauf zu nehmen. Möglicherweise konnte es ebenso vertretbar
sein, statt der steuerrechtlich nicht risikolosen Pensionszusage an R.
bestimmte andere steuerrechtliche Gestaltungen einzuleiten. Die Zurückverweisung
ermöglicht der Klägerin, ihren Sachvortrag zur haftungsausfüllenden
Kausalität auf die von dem Beklagten allenfalls zu vertretende Pflichtverletzung
durch unterlassenen Risikohinweis abzustellen. Im Bestreitensfall würde das
Berufungsgericht Feststellungen zur Auswirkung dieser Pflichtverletzung nach
§ 287 ZPO zu treffen haben, ohne dass der Klägerin hierbei weitere Beweiserleichterungen
zugute kommen können.
Das Berufungsgericht brauchte bisher die behauptete Untätigkeit des
Steuerberaters nach der Pensionszusage an R. im Februar 1991 rechtlich
nicht weiter zu prüfen, weil die Klägerin zu den Folgen dieses Verhaltens
und zu dem (weiteren) Schaden nach Erteilung der Pensionszusage im Februar
1991 vor Schluss der mündlichen Berufungsverhandlung nichts ausgeführt
hat. Erst in ihrem nachgereichten Schriftsatz vom 8. Juni 2004 hat sie behauptet,
schon bei einem Hinweis auf das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 21. Dezember
1994 wären umgehend alle Zahlungen an R. eingestellt, die
Rückstellung aufgelöst und die ausgeschütteten Beträge nachversteuert wor-
den. Selbst dieses Vorbringen war unzureichend, weil verdeckte Gewinnausschüttungen
an Gesellschafter-Geschäftsführer zivilrechtlich in der Regel wirksam
sind und die Klägerin nicht dargelegt hat, aufgrund welcher Umstände sie
sich auf eine veränderte steuerrechtliche Risikobeurteilung hin in den Jahren
1995 oder 1996 von der R. gegebenen Pensionszusage rechtlich zulässig
hätte lösen können und welcher Teil des Schadens dabei abwendbar
gewesen wäre. Die Zurückverweisung gibt der Klägerin die Möglichkeit, ihren
Vortrag auch dazu zu ergänzen.
2. Der Beklagten gibt die Zurückverweisung Gelegenheit, ihrerseits darzulegen,
ob und wie ihr verstorbener Ehemann im Februar 1991 die Klägerin
über das Risiko der verdeckten Gewinnausschüttung aufgeklärt hat (zur sekundären
Darlegungslast des steuerlichen Beraters in diesem Zusammenhang
vgl. BGH, Urt. v. 4. Juni 1996 - IX ZR 246/95, WM 1996, 1841, 1842; v.
22. September 2005 - IX ZR 205/01, Umdruck S. 6).
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