Unwirksame Haftungsbegrenzung bei Schadensverursachung
Gericht
BGH
Art der Entscheidung
Urteil
Datum
15. 09. 2005
Aktenzeichen
I ZR 58/03
Die in Ziff. 24 ADSp (Fassung 1998) enthaltene Haftungsbegrenzung bei grob fahrlässiger oder vorsätzlicher Schadensverursachung durch einfache Erfüllungsgehilfen ist im Falle der Verletzung vertragswesentlicher Pflichten gemäß § 9 Abs. 2 Nr. 2 AGBG a.F. unwirksam, weil sie unangemessen von der gesetzlichen Haftungsregelung in § 475 HGB, § 278 BGB abweicht.
Tatbestand:
Die Klägerinnen sind Transportversicherer der W.
GmbH in Hamburg (im Folgenden: Versicherungsnehmerin). Sie machen aus
übergegangenem Recht ihrer Versicherungsnehmerin Schadensersatz wegen
des Verlustes von 445 Kartons mit jeweils vier Bohrschrauber-Sets gegen den
Beklagten geltend, der Verwalter in dem während des Revisionsverfahrens eröffneten
Insolvenzverfahren über das Vermögen der früheren Beklagten D.
Beteiligungs GmbH & Co. (im Folgenden: Schuldnerin) ist.
Die Versicherungsnehmerin kaufte in Fernost 40.794 Kartons mit je vier
Akku-Bohrschrauber-Sets, die im Zeitraum von April bis Juni 1999 in acht Partien
per Schiff in Rotterdam angeliefert wurden. Mit der Durchführung der Beförderung
der Ware von Rotterdam zu ihren Abnehmern in Deutschland beauftragte
die Versicherungsnehmerin die Schuldnerin entsprechend deren Angebot
vom 14. Oktober 1998. Die Bohrschrauber wurden zunächst vom Rotterdamer
Hafen zum Lager der D. E. BV (im Folgenden: D. Ex.) in
Breda/Niederlande gebracht. Von dort sollte das Gut in der Zeit vom 5. bis zum
8. Juli 1999 in Teilpartien an die A. -Niederlassungen in Deutschland aus-
geliefert werden.
Am 7. Juli 1999 stellte die D. Ex. eine Lagerdifferenz von 441 Kar-
tons fest und teilte diesen Fehlbestand der Versicherungsnehmerin mit. Nach
einem von der Versicherungsnehmerin in Auftrag gegebenen Gutachten soll
eine Lagerdifferenz von insgesamt 450 Kartons bestanden haben.
Die Klägerinnen sind der Auffassung, die Schuldnerin hafte als Lagerhalterin,
da sie mit der Versicherungsnehmerin einen kombinierten Transport- und
Lagervertrag geschlossen habe.
Die Klägerinnen haben ursprünglich beantragt,
die Schuldnerin zu verurteilen, an sie insgesamt 53.058,80 € (=
103.774 DM) nebst Zinsen zu zahlen.
Die Schuldnerin ist dem entgegengetreten und hat gemeint, zwischen ihr
und der Versicherungsnehmerin sei ein Speditionsvertrag geschlossen worden.
Eine Haftung wegen der bei der D. Ex. eingetretenen Verluste komme
nicht in Betracht, weil die Lagerhalterin nicht ihre Erfüllungsgehilfin gewesen
sei. Jedenfalls könne sie sich auf eine in den vereinbarten ADSp enthaltene
Haftungsbegrenzung berufen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die
Schuldnerin antragsgemäß verurteilt und die Revision zugelassen.
Die Klägerinnen haben ihre Forderungen einschließlich der bis zum Tag
der Anmeldung entstandenen Zinsen und Kosten zur Insolvenztabelle angemeldet.
Der Beklagte hat diese nach einer Prüfung bestritten.
Die Klägerinnen verfolgen nach Aufnahme des Verfahrens ihre Klage mit
der Maßgabe weiter, dass die von ihnen geltend gemachten Forderungen einschließlich
der bis zum Tag der Anmeldung entstandenen Zinsen und Kosten
zur Insolvenztabelle festzustellen sind.
Mit seiner Revision, deren Zurückweisung die Klägerinnen beantragen,
begehrt der Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe:
I. Das Berufungsgericht hat angenommen, die Klägerinnen könnten aus
übergegangenem Recht (§ 67 VVG) ihrer Versicherungsnehmerin gemäß § 475
HGB, § 278 BGB Schadensersatz in Höhe von 53.058,80 € wegen des Verlustes
von 445 Kartons mit je vier Akku-Bohrschrauber-Sets in den Lagerhallen der
D. Ex. von der Schuldnerin verlangen. Dazu hat es ausgeführt:
Die Versicherungsnehmerin und die Schuldnerin hätten auf der Grundlage
des Angebots der Schuldnerin vom 14. Oktober 1998 einen kombinierten
Fracht-/Lagervertrag geschlossen, wie sich aus der Vertragsauslegung gemäß
§§ 133, 157 BGB ergebe. Die Anfrage der Versicherungsnehmerin vom
7. Oktober 1998 sei dahin zu verstehen gewesen, dass sie ein Angebot der
Schuldnerin zum Abschluss eines Frachtvertrages erwartet habe, auf Grund
dessen die Schuldnerin Transport und Verwahrung des Gutes und nicht lediglich
die Organisation des Transportes und Verwahrung des Gutes geschuldet
habe. Für diese Annahme spreche der eindeutige Ausdruck "Frachtofferte" ebenso
wie die Angabe fester Vergütungen für Transport und Lagerung. In Beantwortung
der Anfrage der Versicherungsnehmerin habe die Schuldnerin am
14. Oktober 1998 "für die Durchführung der oben genannten Aktion" ein Angebot
unterbreitet, ohne dabei klarzustellen, dass es sich nicht um eine Frachtofferte
habe handeln sollen. Daher habe die Versicherungsnehmerin dieses Angebot
als ein solches zum Abschluss eines Frachtvertrages verstehen dürfen.
Eine Haftung nach den Bestimmungen der CMR komme allerdings nicht
in Betracht, weil der Teilverlust der Ware nicht bei einer verkehrsbedingten Zwischenlagerung
eingetreten sei. Das Gut sei vielmehr während der von der Versicherungsnehmerin
verfügten längerfristigen Lagerung der Ware abhanden
gekommen. Eine nicht verkehrsbedingte längere Lagerung sei nach den Regeln
des gemischten Vertrages gemäß §§ 466 ff. HGB zu behandeln, da hier das
Lagerelement überwiege.
Direkte Vertragsbeziehungen zwischen der Versicherungsnehmerin und
der D. Ex. hätten nicht bestanden. Der Vertrag über die Lagerung sei
vielmehr ebenso wie der Frachtvertrag zwischen der Versicherungsnehmerin
und der Schuldnerin geschlossen worden mit der Folge, dass die D. Ex.
die Stellung eines Erfüllungsgehilfen der Schuldnerin in Bezug auf die Lagerung
der Ware gehabt habe.
Die Schuldnerin habe nicht den ihr obliegenden Entlastungsbeweis geführt,
dass der Verlust des Gutes weder auf ihrem noch auf dem Verschulden
der D. Ex. beruht habe. Nach den Feststellungen des Havarie-
Sachverständigen S. könnten die abhanden gekommenen Kartons nur
von Mitarbeitern der D. Ex. während der normalen Arbeitszeit aus den
Lagerhallen entwendet worden sein.
Die Schuldnerin könne sich nicht mit Erfolg auf die summenmäßige Haftungsbegrenzung
gemäß Ziffer 24 ADSp berufen. Diese Regelung sei nach § 9
AGBG a.F. unwirksam, da sie eine Haftungsbeschränkung auch für den Fall
enthalte, dass vertragswesentliche Pflichten (Kardinalpflichten) von Erfüllungsgehilfen
vorsätzlich oder grob fahrlässig verletzt worden seien. Zu den Kardinalpflichten
des Lagerhalters gehöre insbesondere die Sicherung des Gutes
gegen Diebstahl.
Die Schuldnerin habe den entstandenen Schaden in der von den Klägerinnen
geltend gemachten Höhe zu ersetzen. Es sei von dem unstreitigen Verlust
von 441 Kartons zu je vier Bohrschrauber-Sets auszugehen. Der Verlust
von weiteren vier Kartons ergebe sich aus dem von der Versicherungsnehmerin
in Auftrag gegebenen Gutachten des Havarie-Sachverständigen S. . Der
Beklagte habe nicht dargetan, weshalb die detaillierten Angaben des Gutachters
unzutreffend sein sollten.
II. Die Revision hat keinen Erfolg.
Den Klägerinnen steht gemäß § 67 VVG, § 475 HGB, § 278 BGB, §§ 80,
180 Abs. 2 InsO aus übergegangenem Recht ihrer Versicherungsnehmerin gegen
den Beklagten als Verwalter über das Vermögen der Schuldnerin der nunmehr
erhobene Anspruch auf Feststellung der geltend gemachten Forderungen
zur Insolvenztabelle zu. Das Berufungsgericht hat ohne Rechtsverstoß einen
Schadensersatzanspruch der Versicherungsnehmerin gegen die Schuldnerin in
Höhe von insgesamt 53.058,80 € wegen des Verlustes von 445 Kartons mit je
vier Akku-Bohrschrauber-Sets für begründet erachtet.
Der Anpassung des Klagebegehrens an die infolge der Eröffnung des Insolvenzverfahrens
eingetretene neue verfahrensrechtliche Situation stehen
rechtliche Bedenken nicht entgegen. Die Klägerinnen sind auch berechtigt, die
bis zum Tag der Forderungsanmeldung entstandenen Zinsen und Kosten zur
Insolvenztabelle feststellen zu lassen.
1. Das Berufungsgericht ist rechtsfehlerfrei zu der Annahme gelangt,
dass es sich bei dem zwischen der Versicherungsnehmerin und der Schuldnerin
geschlossenen Vertrag um einen kombinierten Fracht-/Lagervertrag gehandelt
hat.
a) Die Revision rügt ohne Erfolg, das Berufungsgericht hätte seine rechtliche
Einordnung des zwischen der Schuldnerin und der Versicherungsnehmerin
zustande gekommenen Vertragsverhältnisses nicht ohne erneute Verneh-
mung der erstinstanzlich angehörten Zeugen vornehmen dürfen. Während das
Landgericht aufgrund der Zeugenaussagen in Verbindung mit den vorgelegten
Dokumenten zu der Überzeugung gelangt sei, es liege ein Speditionsvertrag
vor, habe das Berufungsgericht ohne die Zeugen erneut zu vernehmen verfahrensfehlerhaft eine abweichende Würdigung vorgenommen. Dem kann nicht
beigetreten werden.
aa) Gemäß § 398 Abs. 1 ZPO steht es grundsätzlich im Ermessen des
Berufungsgerichts, ob es einen in erster Instanz gehörten Zeugen erneut vernimmt.
Dieses Ermessen ist allerdings pflichtgebunden. Eine erneute Vernehmung
ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs insbesondere dann
erforderlich, wenn das Berufungsgericht die Glaubwürdigkeit eines Zeugen anders
beurteilen oder die protokollierte Aussage anders verstehen oder würdigen
will als die Vorinstanz (vgl. BGH, Urt. v. 19.2.1998 - I ZR 20/96, NJW-RR 1998,
1601, 1602 m.w.N.). So liegt der Fall hier aber nicht.
bb) Das Berufungsgericht hat unter Wiedergabe von Äußerungen der
vom Landgericht vernommenen Zeugen K. , G. und R. darge-
legt, diese hätten im konkreten Fall nicht zwischen Fracht und Spedition im Sinne
des Handelsgesetzbuches zu unterscheiden vermocht. Darin liegt schon
deshalb kein Widerspruch zu der vom Landgericht vorgenommenen Würdigung,
weil dieses entgegen dem Vorbringen der Revision nicht aufgrund der Zeugenaussagen
zu der Feststellung gelangt ist, es liege ein Speditionsvertrag vor.
Das Landgericht hat die rechtliche Einordnung des zwischen der Schuldnerin
und der Versicherungsnehmerin geschlossenen Vertrages als Speditions- oder
Frachtvertrag ausdrücklich offen gelassen. Eine Haftung der Schuldnerin für die
hier in Rede stehenden Verluste hat das Landgericht verneint, weil diese nicht
während der Obhutszeit der Schuldnerin eingetreten seien, da die D. Ex.
nicht Erfüllungsgehilfin der Schuldnerin gewesen sei. Denn bei der von der Ver-
sicherungsnehmerin verfügten Einlagerung der Ware habe es sich nicht um
eine transportbedingte, sondern um eine disponierte Lagerung gehandelt. Den
dafür erforderlichen Lagervertrag habe die Schuldnerin mit der D. Ex.
zwar im eigenen Namen, aber für Rechnung der Versicherungsnehmerin geschlossen.
Soweit das Landgericht in diesem Zusammenhang eine Würdigung der
Aussagen der Zeugen G. und R. vorgenommen hat, ist das Beru-
fungsgericht hiervon nicht abgewichen. Die Revision erhebt insoweit auch keine
Beanstandungen.
b) Ohne Erfolg bleibt auch die Rüge der Revision, dem Berufungsgericht
seien bei der Auslegung der Angebotsnachfrage der Versicherungsnehmerin
vom 7. Oktober 1998 und des Angebots der Schuldnerin vom 14. Oktober 1998
revisible Rechtsfehler unterlaufen, indem es sich aus der Zusammenarbeit der
Vertragsparteien ergebende Indizien für das Zustandekommen eines Speditionsvertrags
unberücksichtigt gelassen habe.
Die Auslegung von Individualvereinbarungen ist grundsätzlich dem Tatrichter
vorbehalten. Das Revisionsgericht kann die Vertragsauslegung nur darauf
hin überprüfen, ob sie gegen gesetzliche Auslegungsregeln oder Denkgesetze
verstößt, erfahrungswidrig ist oder wesentlichen Tatsachenstoff außer
Acht lässt. Solche Rechtsfehler werden von der Revision nicht aufgezeigt und
lassen sich dem Berufungsurteil auch nicht entnehmen.
aa) Soweit sich die Revision gegen die Auslegung der Anfrage der Versicherungsnehmerin vom 7. Oktober 1998 wendet, setzt sie in revisionsrechtlich
unzulässiger Weise ihre eigene Auslegung an die Stelle derjenigen des Tatrichters.
Die Annahme des Berufungsgerichts, aufgrund der Formulierung "Fracht-
offerte" und der Anfrage nach "Komplettpreisen" habe die Versicherungsnehmerin
ein Angebot zum Abschluss eines Fracht- und Lagervertrages erwartet,
erweist sich weder als erfahrungswidrig noch als unzutreffende rechtliche Würdigung
und lässt auch keinen wesentlichen Tatsachenstoff außer Acht. Der
Umstand, dass die Versicherungsnehmerin und die Schuldnerin zum Zeitpunkt
der Anfrage bereits in einer langjährigen Geschäftsbeziehung standen, lässt
entgegen der Auffassung der Revision keinen zwingenden Rückschluss auf das
Vorliegen eines Speditionsvertrags zu.
bb) Bei dem vom Berufungsgericht rechtsfehlerfrei zugrunde gelegten
Verständnis der Anfrage der Versicherungsnehmerin konnte das Angebot der
Schuldnerin nur als ein solches zum Abschluss eines Fracht- und Lagervertrages
verstanden werden. Die Zusätze "Distribution" und "Logistikservice" zum
Firmenschlagwort "D. " der Schuldnerin im linken oberen Feld ihres An-
gebotsschreibens vom 14. Oktober 1998 begründeten entgegen der Ansicht der
Revision kein von der konkreten Anfrage abweichendes Verständnis der Vertragsofferte.
Denn das Angebot der Schuldnerin nimmt ausdrücklich auf die Anfrage
der Versicherungsnehmerin Bezug, ohne Abweichungen kenntlich zu machen.
Die Zusätze verdeutlichen dann allenfalls, dass das Unternehmen Transport-
und/oder Speditionsleistungen erbringt.
cc) Dem Auslegungsergebnis des Berufungsgerichts stehen auch nicht
die von der Revision angeführten "Indizien" entgegen. Das Berufungsgericht hat
in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise den Umstand, dass die
Anzeige jeder einzelnen Einlagerung in der Zeit von April bis Juni 1999 durch
die D. Ex. gegenüber der Versicherungsnehmerin erfolgt ist, als uner-
heblich für das Vertragsverhältnis zwischen der Versicherungsnehmerin und
der Schuldnerin angesehen. Dies ist als tatrichterliche Feststellung revisionsrechtlich
nicht zu beanstanden und lässt sich auch mit dem Interesse an einer
vereinfachten und beschleunigten Abwicklung des Lagergeschäfts erklären.
Weder aus der Einlagerungsanzeige noch aus der Schadensmeldung der D.
Ex. an die Versicherungsnehmerin ist zwingend auf ein eigenständiges
Vertragsverhältnis zwischen diesen beiden Unternehmen zu schließen.
In revisionsrechtlich ebenfalls nicht zu beanstandender Weise hat das
Berufungsgericht die Aussage der Zeugin K. nur dahingehend gewürdigt,
dass sie zu der Unterscheidung zwischen einem Fracht- und Speditionsvertrag
für den streitgegenständlichen Fall keine Angaben habe machen können. Soweit
die Zeugin bekundet hat, sie "habe schon mal gesehen, dass Abrufaufträge
an die Firma D. Ex. nach Holland gingen", mag dies auf eine verein-
fachte Abwicklung im Einzelfall hinweisen, ermöglicht aber keinen zwingenden
Rückschluss auf die rechtliche Einordnung des konkreten Vertragsverhältnisses
zwischen der Versicherungsnehmerin und der Schuldnerin. Die nicht im Bereich
der Auftragsbearbeitung, sondern der Schadensabwicklung bei der Versicherungsnehmerin
tätige Zeugin K. hat vielmehr ausgesagt, ihr sei über den
konkreten Schriftverkehr mit der D. Ex. nichts bekannt.
2. Auf der Grundlage seines Auslegungsergebnisses hat das Berufungsgericht
rechtsfehlerfrei und insoweit von der Revision auch unbeanstandet eine
Haftung der Schuldnerin für die in Rede stehenden Verluste gemäß § 475 HGB,
§ 278 BGB angenommen. Im Rahmen des kombinierten Fracht-/Lagervertrags
überwiegt das Lagerelement, weil der Teilverlust bei der von der Versicherungsnehmerin
verfügten längerfristigen Lagerung eingetreten ist. Eine Haftung
nach den Bestimmungen der CMR scheidet aus, weil es sich nach den Feststellungen
des Berufungsgerichts nicht um eine verkehrsbedingte Zwischenlagerung
gehandelt hat (vgl. BGH, Urt. v. 6.10.1994 - I ZR 179/92, TranspR 1995,
106, 108 = VersR 1995, 320).
Die Schuldnerin haftet als Lagerhalterin gemäß § 475 HGB, § 278 BGB
für das vermutete Verschulden der D. Ex. als ihrer Erfüllungsgehilfin.
Einen Entlastungsbeweis hat die Schuldnerin nicht geführt, wie das Berufungsgericht
ohne Rechtsfehler angenommen hat.
3. Ohne Erfolg wendet sich die Revision auch gegen die Auffassung des
Berufungsgerichts, die Schuldnerin könne sich nicht auf die Haftungsbeschränkung
gemäß Ziff. 24 ADSp (in der Fassung 1998) berufen, selbst wenn diese
Bestimmung wirksam in das Vertragsverhältnis zwischen der Versicherungsnehmerin
und der Schuldnerin einbezogen worden sei.
a) Gemäß Ziff. 24.1 der hier maßgeblichen ADSp ist die Haftung des
Spediteurs bei Verlust oder Beschädigung des Gutes (Güterschaden) im Falle
einer verfügten Lagerung grundsätzlich der Höhe nach begrenzt. Die Haftungsbegrenzungen gelten nach Ziff. 27.1 ADSp (in der Fassung 1998) allerdings
nicht, wenn der Schaden durch Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit des Spediteurs
oder seiner leitenden Angestellten verursacht worden ist.
b) Die in Ziff. 24 ADSp enthaltene Haftungsbegrenzung bei grob fahrlässiger
oder vorsätzlicher Schadensverursachung durch einfache Erfüllungsgehilfen
- hier der D. Ex. - ist entgegen der Auffassung der Revision bei Ver-
letzung vertragswesentlicher Pflichten gemäß § 9 AGBG a.F. unwirksam, weil
sie unangemessen von der gesetzlichen Haftungsregelung in § 475 HGB, § 278
BGB abweicht.
Gemäß Art. 229 § 5 EGBGB ist das AGBG a.F. anwendbar, da das
Schuldverhältnis zwischen der Versicherungsnehmerin und der Schuldnerin vor
dem 1. Januar 2001 begründet worden ist. Die in einem Verbrauchervertrag
gemäß § 11 Nr. 7 AGBG a.F. unwirksame Haftungsbegrenzung bei vorsätzli-
cher oder grob fahrlässiger Vertragsverletzung des Erfüllungsgehilfen des Verwenders
ist auch in einem Vertragsverhältnis zwischen Unternehmen gemäß
§ 9 AGBG a.F. unwirksam. Nach § 9 Abs. 1 AGBG a.F. sind Bestimmungen in
Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner
des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen
benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung ist gemäß § 9 Abs. 2
Nr. 2 AGBG a.F. im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung wesentliche
Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrages ergeben, so einschränkt,
dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist. Im Handelsverkehr
geltende Gewohnheiten und Gebräuche (§ 24 Satz 2 AGBG a.F.) stehen
der Verwerfung der hier streitigen Klausel nicht entgegen.
c) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs liegt eine unangemessene
Benachteiligung in diesem Sinne vor, wenn die formularmäßige Haftungsbegrenzung
bei grob fahrlässiger oder vorsätzlicher Schadensverursachung
durch Erfüllungsgehilfen des Klauselverwenders eingreift, sofern es sich
um die Verletzung von wesentlichen Vertragspflichten handelt und der Schadensersatzbetrag die voraussehbaren Schäden nicht abdeckt (vgl. BGHZ 89,
363, 367 ff.; BGH, Urt. v. 12.1.1994 - VIII ZR 165/92, ZIP 1994, 461, 465; Urt. v.
19.2.1998 - I ZR 233/95, TranspR 1998, 374, 376 f.). Eine formularmäßige Freizeichnung
darf vertragswesentliche Rechtspositionen des Vertragspartners des
Klauselverwenders nicht aushöhlen, weil sie ihm solche Rechte wegnimmt oder
einschränkt, die ihm der Vertrag nach seinem Inhalt und Zweck gerade zu gewähren
hat. Die Haftungsbeschränkung darf nicht dazu führen, dass der Klauselverwender
von Verpflichtungen befreit wird, deren Erfüllung die ordnungsgemäße
Durchführung des Vertrages überhaupt erst ermöglicht und auf deren
Einhaltung der Vertragspartner regelmäßig vertraut und vertrauen darf (vgl.
BGHZ 89, 363, 367 f.; BGH TranspR 1998, 374, 376 m.w.N.).
d) Ziff. 24 ADSp schränkt wesentliche Pflichten des Lagerhalters aus
dem Lagervertrag und damit die Rechte des Einlagerers unangemessen ein.
Nach dem Wortlaut der Ziff. 24 ADSp ist die Haftung des Lagerhalters
auch in Fällen grob schuldhafter Verletzung von Schutz- und Obhutspflichten
durch seine Erfüllungsgehilfen auf einen Betrag begrenzt, der mit 10.000 DM an
typische Lagerschäden nicht annähernd heranreicht. Dies widerspricht, wie das
Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, dem gesetzlichen Leitbild der Haftung
des Lagerhalters auch für vermutetes Verschulden des Erfüllungsgehilfen
in § 475 HGB, § 278 BGB und höhlt die Rechtsposition des Einlagerers unangemessen
aus (vgl. Gass in Ebenroth/Boujong/Joost, HGB Bd. 2, 2001, Ziff. 24
ADSp Rdn. 9; Hensen in Ulmer/Brandner/Hensen, AGBG, 9. Aufl., § 11 Nr. 7
Rdn. 33 ff.; MünchKomm.BGB/Basedow, Bd. 1, 4. Aufl., § 23 AGBG Rdn. 38;
MünchKomm.HGB/Frantzioch, Aktualisierungsband Transportrecht, § 475 HGB
Rdn. 14; Koller, Transportrecht, 4. Aufl., Ziff. 24 ADSp Rdn. 10). Die ordnungsgemäße
Durchführung des Lagervertrags setzt die Sicherung des eingelagerten
Guts voraus, so dass der Einlagerer regelmäßig auf die Einhaltung von Schutz-
und Obhutspflichten - insbesondere die Sicherung gegen Diebstahl - auch
durch von dem Lagerhalter eingeschaltete Erfüllungsgehilfen vertraut und vertrauen
darf.
e) Das Berufungsgericht hat ohne Rechtsverstoß angenommen, dass der
Teilverlust der Ware durch ein vorsätzliches deliktisches Handeln der Mitarbeiter
der D. Ex., der Erfüllungsgehilfin der Schuldnerin, herbeigeführt wor-
den ist. Denn als Schadensursache kommt nach den Feststellungen des Berufungsgerichts,
die auf dem Gutachten des von der Versicherungsnehmerin beauftragten
Sachverständigen S. basieren, nur ein Diebstahl durch Mitar-
beiter der D. Ex. in Betracht. Andere Verlustursachen hat der Sachver-
ständige mit Blick auf die von ihm im Einzelnen festgestellten umfassenden Si-
cherungsvorkehrungen ausgeschlossen. Die Annahme des Berufungsgerichts,
auch die Schuldnerin habe keine anderen ernsthaft in Betracht kommenden
Verlustmöglichkeiten vorgetragen, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
Das Berufungsgericht hat bei seiner Beurteilung darauf abgestellt, dass eine
Nachfrage der Schuldnerin bei den von ihr belieferten A. -Filialen nicht erge-
ben habe, dass es aufgrund von Kommissionierungsfehlern zur Auslieferung
von Mehrmengen gekommen sei. Dagegen wendet sich die Revision ohne Erfolg,
da es nicht erfahrungswidrig ist, dass die Anlieferung von Mehrmengen auf
ausdrückliche Nachfrage bestätigt wird.
4. Ohne Erfolg bleibt schließlich auch die Rüge der Revision, das Berufungsgericht
habe den Klägerinnen zu Unrecht Schadensersatz für den Verlust
von 445 Kartons zuerkannt, obwohl die Schuldnerin bestritten habe, dass mehr
als 441 Kartons abhanden gekommen seien.
Das Berufungsgericht hat es als erwiesen angesehen, dass über die von
der D. Ex. in ihrer Strafanzeige angeführten 441 Kartons hinaus weitere
4 Kartons in Verlust geraten seien. Es hat insoweit das Ergebnis des von der
Versicherungsnehmerin in Auftrag gegebenen Gutachtens zugrunde gelegt,
nach dem 450 Kartons verloren gegangen seien. Die Schuldnerin habe den
Schadensumfang zwar bestritten, nicht aber vorgetragen, warum das Ergebnis
des Sachverständigen unzutreffend sei.
Diese Beurteilung ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Angesichts
der beschriebenen Recherchen und Überprüfungen des Sachverständigen zum
Schadensumfang hätte die Schuldnerin sich im Hinblick auf den in ihrem Verantwortungsbereich
eingetretenen Schadensumfang nicht auf ein einfaches
Bestreiten beschränken dürfen, um die Wirkung des § 138 Abs. 3 ZPO zu vermeiden.
III. Danach war die Revision mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
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