Unwirksame Haftungsbegrenzung bei Schadensverursachung

Gericht

BGH


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

15. 09. 2005


Aktenzeichen

I ZR 58/03


Leitsatz des Gerichts

Die in Ziff. 24 ADSp (Fassung 1998) enthaltene Haftungsbegrenzung bei grob fahrlässiger oder vorsätzlicher Schadensverursachung durch einfache Erfüllungsgehilfen ist im Falle der Verletzung vertragswesentlicher Pflichten gemäß § 9 Abs. 2 Nr. 2 AGBG a.F. unwirksam, weil sie unangemessen von der gesetzlichen Haftungsregelung in § 475 HGB, § 278 BGB abweicht.

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 28. Januar 2003 wird auf Kosten des Beklagten mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Tenor der Verurteilung wie folgt lautet:

Die nachfolgenden Forderungen - insgesamt 53.058,80 € zuzüglich der bis zur Anmeldung entstandenen Zinsen und Kosten - werden zur Insolvenztabelle festgestellt:

Klägerin zu 1 8.661,13 €
Klägerin zu 2 8.661,13 €
Klägerin zu 3 8.661,13 €
Klägerin zu 4 14.290,86 €
Klägerin zu 5 4.330,57 €
Klägerin zu 6 6.495,84 €
Klägerin zu 7 4.330,57 €
Klägerin zu 8 1.732,24 €
Klägerin zu 9 3.897,52 €
Klägerin zu 10 1.732,24 €
Klägerin zu 11 1.732,24 €
Klägerin zu 12 14.290,86 €
Klägerin zu 13 866,14 €
Klägerin zu 14 433,05 €
Klägerin zu 15 2.165,29 €
Klägerin zu 16 4.330,57 €

Von Rechts wegen

Tatbestand


Tatbestand:

Die Klägerinnen sind Transportversicherer der W. GmbH in Hamburg (im Folgenden: Versicherungsnehmerin). Sie machen aus übergegangenem Recht ihrer Versicherungsnehmerin Schadensersatz wegen des Verlustes von 445 Kartons mit jeweils vier Bohrschrauber-Sets gegen den Beklagten geltend, der Verwalter in dem während des Revisionsverfahrens eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der früheren Beklagten D. Beteiligungs GmbH & Co. (im Folgenden: Schuldnerin) ist.

Die Versicherungsnehmerin kaufte in Fernost 40.794 Kartons mit je vier Akku-Bohrschrauber-Sets, die im Zeitraum von April bis Juni 1999 in acht Partien per Schiff in Rotterdam angeliefert wurden. Mit der Durchführung der Beförderung der Ware von Rotterdam zu ihren Abnehmern in Deutschland beauftragte die Versicherungsnehmerin die Schuldnerin entsprechend deren Angebot vom 14. Oktober 1998. Die Bohrschrauber wurden zunächst vom Rotterdamer Hafen zum Lager der D. E. BV (im Folgenden: D. Ex.) in Breda/Niederlande gebracht. Von dort sollte das Gut in der Zeit vom 5. bis zum 8. Juli 1999 in Teilpartien an die A. -Niederlassungen in Deutschland aus- geliefert werden.

Am 7. Juli 1999 stellte die D. Ex. eine Lagerdifferenz von 441 Kar- tons fest und teilte diesen Fehlbestand der Versicherungsnehmerin mit. Nach einem von der Versicherungsnehmerin in Auftrag gegebenen Gutachten soll eine Lagerdifferenz von insgesamt 450 Kartons bestanden haben.

Die Klägerinnen sind der Auffassung, die Schuldnerin hafte als Lagerhalterin, da sie mit der Versicherungsnehmerin einen kombinierten Transport- und Lagervertrag geschlossen habe.

Die Klägerinnen haben ursprünglich beantragt, die Schuldnerin zu verurteilen, an sie insgesamt 53.058,80 € (= 103.774 DM) nebst Zinsen zu zahlen.

Die Schuldnerin ist dem entgegengetreten und hat gemeint, zwischen ihr und der Versicherungsnehmerin sei ein Speditionsvertrag geschlossen worden. Eine Haftung wegen der bei der D. Ex. eingetretenen Verluste komme nicht in Betracht, weil die Lagerhalterin nicht ihre Erfüllungsgehilfin gewesen sei. Jedenfalls könne sie sich auf eine in den vereinbarten ADSp enthaltene Haftungsbegrenzung berufen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Schuldnerin antragsgemäß verurteilt und die Revision zugelassen.

Die Klägerinnen haben ihre Forderungen einschließlich der bis zum Tag der Anmeldung entstandenen Zinsen und Kosten zur Insolvenztabelle angemeldet. Der Beklagte hat diese nach einer Prüfung bestritten.

Die Klägerinnen verfolgen nach Aufnahme des Verfahrens ihre Klage mit der Maßgabe weiter, dass die von ihnen geltend gemachten Forderungen einschließlich der bis zum Tag der Anmeldung entstandenen Zinsen und Kosten zur Insolvenztabelle festzustellen sind.

Mit seiner Revision, deren Zurückweisung die Klägerinnen beantragen, begehrt der Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe


Entscheidungsgründe:

I. Das Berufungsgericht hat angenommen, die Klägerinnen könnten aus übergegangenem Recht (§ 67 VVG) ihrer Versicherungsnehmerin gemäß § 475 HGB, § 278 BGB Schadensersatz in Höhe von 53.058,80 € wegen des Verlustes von 445 Kartons mit je vier Akku-Bohrschrauber-Sets in den Lagerhallen der D. Ex. von der Schuldnerin verlangen. Dazu hat es ausgeführt:

Die Versicherungsnehmerin und die Schuldnerin hätten auf der Grundlage des Angebots der Schuldnerin vom 14. Oktober 1998 einen kombinierten Fracht-/Lagervertrag geschlossen, wie sich aus der Vertragsauslegung gemäß §§ 133, 157 BGB ergebe. Die Anfrage der Versicherungsnehmerin vom 7. Oktober 1998 sei dahin zu verstehen gewesen, dass sie ein Angebot der Schuldnerin zum Abschluss eines Frachtvertrages erwartet habe, auf Grund dessen die Schuldnerin Transport und Verwahrung des Gutes und nicht lediglich die Organisation des Transportes und Verwahrung des Gutes geschuldet habe. Für diese Annahme spreche der eindeutige Ausdruck "Frachtofferte" ebenso wie die Angabe fester Vergütungen für Transport und Lagerung. In Beantwortung der Anfrage der Versicherungsnehmerin habe die Schuldnerin am 14. Oktober 1998 "für die Durchführung der oben genannten Aktion" ein Angebot unterbreitet, ohne dabei klarzustellen, dass es sich nicht um eine Frachtofferte habe handeln sollen. Daher habe die Versicherungsnehmerin dieses Angebot als ein solches zum Abschluss eines Frachtvertrages verstehen dürfen.

Eine Haftung nach den Bestimmungen der CMR komme allerdings nicht in Betracht, weil der Teilverlust der Ware nicht bei einer verkehrsbedingten Zwischenlagerung eingetreten sei. Das Gut sei vielmehr während der von der Versicherungsnehmerin verfügten längerfristigen Lagerung der Ware abhanden gekommen. Eine nicht verkehrsbedingte längere Lagerung sei nach den Regeln des gemischten Vertrages gemäß §§ 466 ff. HGB zu behandeln, da hier das Lagerelement überwiege.

Direkte Vertragsbeziehungen zwischen der Versicherungsnehmerin und der D. Ex. hätten nicht bestanden. Der Vertrag über die Lagerung sei vielmehr ebenso wie der Frachtvertrag zwischen der Versicherungsnehmerin und der Schuldnerin geschlossen worden mit der Folge, dass die D. Ex. die Stellung eines Erfüllungsgehilfen der Schuldnerin in Bezug auf die Lagerung der Ware gehabt habe.

Die Schuldnerin habe nicht den ihr obliegenden Entlastungsbeweis geführt, dass der Verlust des Gutes weder auf ihrem noch auf dem Verschulden der D. Ex. beruht habe. Nach den Feststellungen des Havarie- Sachverständigen S. könnten die abhanden gekommenen Kartons nur von Mitarbeitern der D. Ex. während der normalen Arbeitszeit aus den Lagerhallen entwendet worden sein.

Die Schuldnerin könne sich nicht mit Erfolg auf die summenmäßige Haftungsbegrenzung gemäß Ziffer 24 ADSp berufen. Diese Regelung sei nach § 9 AGBG a.F. unwirksam, da sie eine Haftungsbeschränkung auch für den Fall enthalte, dass vertragswesentliche Pflichten (Kardinalpflichten) von Erfüllungsgehilfen vorsätzlich oder grob fahrlässig verletzt worden seien. Zu den Kardinalpflichten des Lagerhalters gehöre insbesondere die Sicherung des Gutes gegen Diebstahl.

Die Schuldnerin habe den entstandenen Schaden in der von den Klägerinnen geltend gemachten Höhe zu ersetzen. Es sei von dem unstreitigen Verlust von 441 Kartons zu je vier Bohrschrauber-Sets auszugehen. Der Verlust von weiteren vier Kartons ergebe sich aus dem von der Versicherungsnehmerin in Auftrag gegebenen Gutachten des Havarie-Sachverständigen S. . Der Beklagte habe nicht dargetan, weshalb die detaillierten Angaben des Gutachters unzutreffend sein sollten.

II. Die Revision hat keinen Erfolg.

Den Klägerinnen steht gemäß § 67 VVG, § 475 HGB, § 278 BGB, §§ 80, 180 Abs. 2 InsO aus übergegangenem Recht ihrer Versicherungsnehmerin gegen den Beklagten als Verwalter über das Vermögen der Schuldnerin der nunmehr erhobene Anspruch auf Feststellung der geltend gemachten Forderungen zur Insolvenztabelle zu. Das Berufungsgericht hat ohne Rechtsverstoß einen Schadensersatzanspruch der Versicherungsnehmerin gegen die Schuldnerin in Höhe von insgesamt 53.058,80 € wegen des Verlustes von 445 Kartons mit je vier Akku-Bohrschrauber-Sets für begründet erachtet.

Der Anpassung des Klagebegehrens an die infolge der Eröffnung des Insolvenzverfahrens eingetretene neue verfahrensrechtliche Situation stehen rechtliche Bedenken nicht entgegen. Die Klägerinnen sind auch berechtigt, die bis zum Tag der Forderungsanmeldung entstandenen Zinsen und Kosten zur Insolvenztabelle feststellen zu lassen.

1. Das Berufungsgericht ist rechtsfehlerfrei zu der Annahme gelangt, dass es sich bei dem zwischen der Versicherungsnehmerin und der Schuldnerin geschlossenen Vertrag um einen kombinierten Fracht-/Lagervertrag gehandelt hat.

a) Die Revision rügt ohne Erfolg, das Berufungsgericht hätte seine rechtliche Einordnung des zwischen der Schuldnerin und der Versicherungsnehmerin zustande gekommenen Vertragsverhältnisses nicht ohne erneute Verneh- mung der erstinstanzlich angehörten Zeugen vornehmen dürfen. Während das Landgericht aufgrund der Zeugenaussagen in Verbindung mit den vorgelegten Dokumenten zu der Überzeugung gelangt sei, es liege ein Speditionsvertrag vor, habe das Berufungsgericht ohne die Zeugen erneut zu vernehmen verfahrensfehlerhaft eine abweichende Würdigung vorgenommen. Dem kann nicht beigetreten werden.

aa) Gemäß § 398 Abs. 1 ZPO steht es grundsätzlich im Ermessen des Berufungsgerichts, ob es einen in erster Instanz gehörten Zeugen erneut vernimmt. Dieses Ermessen ist allerdings pflichtgebunden. Eine erneute Vernehmung ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs insbesondere dann erforderlich, wenn das Berufungsgericht die Glaubwürdigkeit eines Zeugen anders beurteilen oder die protokollierte Aussage anders verstehen oder würdigen will als die Vorinstanz (vgl. BGH, Urt. v. 19.2.1998 - I ZR 20/96, NJW-RR 1998, 1601, 1602 m.w.N.). So liegt der Fall hier aber nicht.

bb) Das Berufungsgericht hat unter Wiedergabe von Äußerungen der vom Landgericht vernommenen Zeugen K. , G. und R. darge- legt, diese hätten im konkreten Fall nicht zwischen Fracht und Spedition im Sinne des Handelsgesetzbuches zu unterscheiden vermocht. Darin liegt schon deshalb kein Widerspruch zu der vom Landgericht vorgenommenen Würdigung, weil dieses entgegen dem Vorbringen der Revision nicht aufgrund der Zeugenaussagen zu der Feststellung gelangt ist, es liege ein Speditionsvertrag vor.

Das Landgericht hat die rechtliche Einordnung des zwischen der Schuldnerin und der Versicherungsnehmerin geschlossenen Vertrages als Speditions- oder Frachtvertrag ausdrücklich offen gelassen. Eine Haftung der Schuldnerin für die hier in Rede stehenden Verluste hat das Landgericht verneint, weil diese nicht während der Obhutszeit der Schuldnerin eingetreten seien, da die D. Ex. nicht Erfüllungsgehilfin der Schuldnerin gewesen sei. Denn bei der von der Ver- sicherungsnehmerin verfügten Einlagerung der Ware habe es sich nicht um eine transportbedingte, sondern um eine disponierte Lagerung gehandelt. Den dafür erforderlichen Lagervertrag habe die Schuldnerin mit der D. Ex. zwar im eigenen Namen, aber für Rechnung der Versicherungsnehmerin geschlossen. Soweit das Landgericht in diesem Zusammenhang eine Würdigung der Aussagen der Zeugen G. und R. vorgenommen hat, ist das Beru- fungsgericht hiervon nicht abgewichen. Die Revision erhebt insoweit auch keine Beanstandungen.

b) Ohne Erfolg bleibt auch die Rüge der Revision, dem Berufungsgericht seien bei der Auslegung der Angebotsnachfrage der Versicherungsnehmerin vom 7. Oktober 1998 und des Angebots der Schuldnerin vom 14. Oktober 1998 revisible Rechtsfehler unterlaufen, indem es sich aus der Zusammenarbeit der Vertragsparteien ergebende Indizien für das Zustandekommen eines Speditionsvertrags unberücksichtigt gelassen habe.

Die Auslegung von Individualvereinbarungen ist grundsätzlich dem Tatrichter vorbehalten. Das Revisionsgericht kann die Vertragsauslegung nur darauf hin überprüfen, ob sie gegen gesetzliche Auslegungsregeln oder Denkgesetze verstößt, erfahrungswidrig ist oder wesentlichen Tatsachenstoff außer Acht lässt. Solche Rechtsfehler werden von der Revision nicht aufgezeigt und lassen sich dem Berufungsurteil auch nicht entnehmen.

aa) Soweit sich die Revision gegen die Auslegung der Anfrage der Versicherungsnehmerin vom 7. Oktober 1998 wendet, setzt sie in revisionsrechtlich unzulässiger Weise ihre eigene Auslegung an die Stelle derjenigen des Tatrichters. Die Annahme des Berufungsgerichts, aufgrund der Formulierung "Fracht- offerte" und der Anfrage nach "Komplettpreisen" habe die Versicherungsnehmerin ein Angebot zum Abschluss eines Fracht- und Lagervertrages erwartet, erweist sich weder als erfahrungswidrig noch als unzutreffende rechtliche Würdigung und lässt auch keinen wesentlichen Tatsachenstoff außer Acht. Der Umstand, dass die Versicherungsnehmerin und die Schuldnerin zum Zeitpunkt der Anfrage bereits in einer langjährigen Geschäftsbeziehung standen, lässt entgegen der Auffassung der Revision keinen zwingenden Rückschluss auf das Vorliegen eines Speditionsvertrags zu.

bb) Bei dem vom Berufungsgericht rechtsfehlerfrei zugrunde gelegten Verständnis der Anfrage der Versicherungsnehmerin konnte das Angebot der Schuldnerin nur als ein solches zum Abschluss eines Fracht- und Lagervertrages verstanden werden. Die Zusätze "Distribution" und "Logistikservice" zum Firmenschlagwort "D. " der Schuldnerin im linken oberen Feld ihres An- gebotsschreibens vom 14. Oktober 1998 begründeten entgegen der Ansicht der Revision kein von der konkreten Anfrage abweichendes Verständnis der Vertragsofferte. Denn das Angebot der Schuldnerin nimmt ausdrücklich auf die Anfrage der Versicherungsnehmerin Bezug, ohne Abweichungen kenntlich zu machen. Die Zusätze verdeutlichen dann allenfalls, dass das Unternehmen Transport- und/oder Speditionsleistungen erbringt.

cc) Dem Auslegungsergebnis des Berufungsgerichts stehen auch nicht die von der Revision angeführten "Indizien" entgegen. Das Berufungsgericht hat in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise den Umstand, dass die Anzeige jeder einzelnen Einlagerung in der Zeit von April bis Juni 1999 durch die D. Ex. gegenüber der Versicherungsnehmerin erfolgt ist, als uner- heblich für das Vertragsverhältnis zwischen der Versicherungsnehmerin und der Schuldnerin angesehen. Dies ist als tatrichterliche Feststellung revisionsrechtlich nicht zu beanstanden und lässt sich auch mit dem Interesse an einer vereinfachten und beschleunigten Abwicklung des Lagergeschäfts erklären. Weder aus der Einlagerungsanzeige noch aus der Schadensmeldung der D. Ex. an die Versicherungsnehmerin ist zwingend auf ein eigenständiges Vertragsverhältnis zwischen diesen beiden Unternehmen zu schließen.

In revisionsrechtlich ebenfalls nicht zu beanstandender Weise hat das Berufungsgericht die Aussage der Zeugin K. nur dahingehend gewürdigt, dass sie zu der Unterscheidung zwischen einem Fracht- und Speditionsvertrag für den streitgegenständlichen Fall keine Angaben habe machen können. Soweit die Zeugin bekundet hat, sie "habe schon mal gesehen, dass Abrufaufträge an die Firma D. Ex. nach Holland gingen", mag dies auf eine verein- fachte Abwicklung im Einzelfall hinweisen, ermöglicht aber keinen zwingenden Rückschluss auf die rechtliche Einordnung des konkreten Vertragsverhältnisses zwischen der Versicherungsnehmerin und der Schuldnerin. Die nicht im Bereich der Auftragsbearbeitung, sondern der Schadensabwicklung bei der Versicherungsnehmerin tätige Zeugin K. hat vielmehr ausgesagt, ihr sei über den konkreten Schriftverkehr mit der D. Ex. nichts bekannt.

2. Auf der Grundlage seines Auslegungsergebnisses hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei und insoweit von der Revision auch unbeanstandet eine Haftung der Schuldnerin für die in Rede stehenden Verluste gemäß § 475 HGB, § 278 BGB angenommen. Im Rahmen des kombinierten Fracht-/Lagervertrags überwiegt das Lagerelement, weil der Teilverlust bei der von der Versicherungsnehmerin verfügten längerfristigen Lagerung eingetreten ist. Eine Haftung nach den Bestimmungen der CMR scheidet aus, weil es sich nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht um eine verkehrsbedingte Zwischenlagerung gehandelt hat (vgl. BGH, Urt. v. 6.10.1994 - I ZR 179/92, TranspR 1995, 106, 108 = VersR 1995, 320).

Die Schuldnerin haftet als Lagerhalterin gemäß § 475 HGB, § 278 BGB für das vermutete Verschulden der D. Ex. als ihrer Erfüllungsgehilfin. Einen Entlastungsbeweis hat die Schuldnerin nicht geführt, wie das Berufungsgericht ohne Rechtsfehler angenommen hat.

3. Ohne Erfolg wendet sich die Revision auch gegen die Auffassung des Berufungsgerichts, die Schuldnerin könne sich nicht auf die Haftungsbeschränkung gemäß Ziff. 24 ADSp (in der Fassung 1998) berufen, selbst wenn diese Bestimmung wirksam in das Vertragsverhältnis zwischen der Versicherungsnehmerin und der Schuldnerin einbezogen worden sei.

a) Gemäß Ziff. 24.1 der hier maßgeblichen ADSp ist die Haftung des Spediteurs bei Verlust oder Beschädigung des Gutes (Güterschaden) im Falle einer verfügten Lagerung grundsätzlich der Höhe nach begrenzt. Die Haftungsbegrenzungen gelten nach Ziff. 27.1 ADSp (in der Fassung 1998) allerdings nicht, wenn der Schaden durch Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit des Spediteurs oder seiner leitenden Angestellten verursacht worden ist.

b) Die in Ziff. 24 ADSp enthaltene Haftungsbegrenzung bei grob fahrlässiger oder vorsätzlicher Schadensverursachung durch einfache Erfüllungsgehilfen - hier der D. Ex. - ist entgegen der Auffassung der Revision bei Ver- letzung vertragswesentlicher Pflichten gemäß § 9 AGBG a.F. unwirksam, weil sie unangemessen von der gesetzlichen Haftungsregelung in § 475 HGB, § 278 BGB abweicht.

Gemäß Art. 229 § 5 EGBGB ist das AGBG a.F. anwendbar, da das Schuldverhältnis zwischen der Versicherungsnehmerin und der Schuldnerin vor dem 1. Januar 2001 begründet worden ist. Die in einem Verbrauchervertrag gemäß § 11 Nr. 7 AGBG a.F. unwirksame Haftungsbegrenzung bei vorsätzli- cher oder grob fahrlässiger Vertragsverletzung des Erfüllungsgehilfen des Verwenders ist auch in einem Vertragsverhältnis zwischen Unternehmen gemäß § 9 AGBG a.F. unwirksam. Nach § 9 Abs. 1 AGBG a.F. sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung ist gemäß § 9 Abs. 2 Nr. 2 AGBG a.F. im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrages ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist. Im Handelsverkehr geltende Gewohnheiten und Gebräuche (§ 24 Satz 2 AGBG a.F.) stehen der Verwerfung der hier streitigen Klausel nicht entgegen.

c) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs liegt eine unangemessene Benachteiligung in diesem Sinne vor, wenn die formularmäßige Haftungsbegrenzung bei grob fahrlässiger oder vorsätzlicher Schadensverursachung durch Erfüllungsgehilfen des Klauselverwenders eingreift, sofern es sich um die Verletzung von wesentlichen Vertragspflichten handelt und der Schadensersatzbetrag die voraussehbaren Schäden nicht abdeckt (vgl. BGHZ 89, 363, 367 ff.; BGH, Urt. v. 12.1.1994 - VIII ZR 165/92, ZIP 1994, 461, 465; Urt. v. 19.2.1998 - I ZR 233/95, TranspR 1998, 374, 376 f.). Eine formularmäßige Freizeichnung darf vertragswesentliche Rechtspositionen des Vertragspartners des Klauselverwenders nicht aushöhlen, weil sie ihm solche Rechte wegnimmt oder einschränkt, die ihm der Vertrag nach seinem Inhalt und Zweck gerade zu gewähren hat. Die Haftungsbeschränkung darf nicht dazu führen, dass der Klauselverwender von Verpflichtungen befreit wird, deren Erfüllung die ordnungsgemäße Durchführung des Vertrages überhaupt erst ermöglicht und auf deren Einhaltung der Vertragspartner regelmäßig vertraut und vertrauen darf (vgl. BGHZ 89, 363, 367 f.; BGH TranspR 1998, 374, 376 m.w.N.).

d) Ziff. 24 ADSp schränkt wesentliche Pflichten des Lagerhalters aus dem Lagervertrag und damit die Rechte des Einlagerers unangemessen ein.

Nach dem Wortlaut der Ziff. 24 ADSp ist die Haftung des Lagerhalters auch in Fällen grob schuldhafter Verletzung von Schutz- und Obhutspflichten durch seine Erfüllungsgehilfen auf einen Betrag begrenzt, der mit 10.000 DM an typische Lagerschäden nicht annähernd heranreicht. Dies widerspricht, wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, dem gesetzlichen Leitbild der Haftung des Lagerhalters auch für vermutetes Verschulden des Erfüllungsgehilfen in § 475 HGB, § 278 BGB und höhlt die Rechtsposition des Einlagerers unangemessen aus (vgl. Gass in Ebenroth/Boujong/Joost, HGB Bd. 2, 2001, Ziff. 24 ADSp Rdn. 9; Hensen in Ulmer/Brandner/Hensen, AGBG, 9. Aufl., § 11 Nr. 7 Rdn. 33 ff.; MünchKomm.BGB/Basedow, Bd. 1, 4. Aufl., § 23 AGBG Rdn. 38; MünchKomm.HGB/Frantzioch, Aktualisierungsband Transportrecht, § 475 HGB Rdn. 14; Koller, Transportrecht, 4. Aufl., Ziff. 24 ADSp Rdn. 10). Die ordnungsgemäße Durchführung des Lagervertrags setzt die Sicherung des eingelagerten Guts voraus, so dass der Einlagerer regelmäßig auf die Einhaltung von Schutz- und Obhutspflichten - insbesondere die Sicherung gegen Diebstahl - auch durch von dem Lagerhalter eingeschaltete Erfüllungsgehilfen vertraut und vertrauen darf.

e) Das Berufungsgericht hat ohne Rechtsverstoß angenommen, dass der Teilverlust der Ware durch ein vorsätzliches deliktisches Handeln der Mitarbeiter der D. Ex., der Erfüllungsgehilfin der Schuldnerin, herbeigeführt wor- den ist. Denn als Schadensursache kommt nach den Feststellungen des Berufungsgerichts, die auf dem Gutachten des von der Versicherungsnehmerin beauftragten Sachverständigen S. basieren, nur ein Diebstahl durch Mitar- beiter der D. Ex. in Betracht. Andere Verlustursachen hat der Sachver- ständige mit Blick auf die von ihm im Einzelnen festgestellten umfassenden Si- cherungsvorkehrungen ausgeschlossen. Die Annahme des Berufungsgerichts, auch die Schuldnerin habe keine anderen ernsthaft in Betracht kommenden Verlustmöglichkeiten vorgetragen, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Das Berufungsgericht hat bei seiner Beurteilung darauf abgestellt, dass eine Nachfrage der Schuldnerin bei den von ihr belieferten A. -Filialen nicht erge- ben habe, dass es aufgrund von Kommissionierungsfehlern zur Auslieferung von Mehrmengen gekommen sei. Dagegen wendet sich die Revision ohne Erfolg, da es nicht erfahrungswidrig ist, dass die Anlieferung von Mehrmengen auf ausdrückliche Nachfrage bestätigt wird.

4. Ohne Erfolg bleibt schließlich auch die Rüge der Revision, das Berufungsgericht habe den Klägerinnen zu Unrecht Schadensersatz für den Verlust von 445 Kartons zuerkannt, obwohl die Schuldnerin bestritten habe, dass mehr als 441 Kartons abhanden gekommen seien.

Das Berufungsgericht hat es als erwiesen angesehen, dass über die von der D. Ex. in ihrer Strafanzeige angeführten 441 Kartons hinaus weitere 4 Kartons in Verlust geraten seien. Es hat insoweit das Ergebnis des von der Versicherungsnehmerin in Auftrag gegebenen Gutachtens zugrunde gelegt, nach dem 450 Kartons verloren gegangen seien. Die Schuldnerin habe den Schadensumfang zwar bestritten, nicht aber vorgetragen, warum das Ergebnis des Sachverständigen unzutreffend sei.

Diese Beurteilung ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Angesichts der beschriebenen Recherchen und Überprüfungen des Sachverständigen zum Schadensumfang hätte die Schuldnerin sich im Hinblick auf den in ihrem Verantwortungsbereich eingetretenen Schadensumfang nicht auf ein einfaches Bestreiten beschränken dürfen, um die Wirkung des § 138 Abs. 3 ZPO zu vermeiden.

III. Danach war die Revision mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Ullmann
v. Ungern-Sternberg
Pokrant
Büscher
Bergmann

Vorinstanzen

LG Köln, Entscheidung vom 17.10.2001 - 91 O 114/00 -; OLG Köln, Entscheidung vom 28.01.2003 - 3 U 229/01 -

Rechtsgebiete

Allgemeines Zivilrecht

Normen

AGBG a.F. § 9 Abs. 2 Nr. 2; ADSp Ziffer 24 (Fassung 1998)