Bauvertragsrisiko bei Ausfiihrung nach Regeln der Technik/Herstellerangaben
Gericht
BGH
Art der Entscheidung
Urteil
Datum
10. 11. 2005
Aktenzeichen
VII ZR 147/04
Die von der vertraglich vereinbarten Beschaffenheit abweichende Leistung des Unternehmers ist auch dann mangelhaft, wenn ihn kein Verschulden trifft, etwa weil die Ausführung den für diese Zeit anerkannten Regeln der Technik entspricht oder weil er nach allgemeinem Fachwissen auf Herstellerangaben und sonstige Informationen vertrauen konnte.
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 4. Zivilsenats
des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 5. Mai 2004 im
Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Beklagte zur Zahlung
eines 36.635,01 € nebst Zinsen überschreitenden Betrages
verurteilt worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens,
an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin verlangt von der Beklagten restlichen Werklohn nach Kündigung
eines Bauvertrages. Die Beklagte rechnet mit Gegenforderungen auf.
Die Beklagte beauftragte die Klägerin als Nachunternehmerin mit der Lieferung
und Montage von Kunststofffenstern und Türen inklusive Verglasung für
eine Wohnhausanlage. Die VOB/B wurde vereinbart. Die Beklagte rügte u.a.
eine unzureichende Entwässerung in den Terrassentüren und forderte die Klä-
gerin unter Androhung der Kündigung mit Frist bis zum 27. Juli 1996 zu Mängelbeseitigungsmaßnahmen
auf. Sie sprach am 5. August 1996 eine Teilkündigung
bezüglich der Häuser H und I aus. Mit Schreiben vom 12. August 1996
kündigte sie den Vertrag bezüglich der übrigen Häuser.
Die Klägerin hat mit ihrer Klage restlichen Werklohn geltend gemacht.
Die Parteien streiten darüber, ob die Terrassentüren mangelfrei hergestellt waren,
obwohl nach der Behauptung der Beklagten die Gefahr der Wasserhinterläufigkeit
bestand. Für die nachträgliche Anbringung von Z-Profilen macht die
Klägerin Werklohn in Höhe von 23.812,93 DM geltend. Die Beklagte ist der Auffassung,
es handele sich um Mängelbeseitigungskosten und hält die Werklohnklage
insoweit für unbegründet. Außerdem hat sie gegen den Werklohnanspruch
u.a. mit dem Anspruch auf Erstattung der infolge der Kündigung entstandenen
Fertigstellungsmehrkosten in Höhe von 65.003,06 DM und mit einem
Anspruch auf Erstattung weiterer Mängelbeseitigungskosten für den nachträglichen
Einbau von Entwässerungsröhrchen durch eine Drittfirma in Höhe von
9.927,15 DM aufgerechnet. Das Landgericht hat die Beklagte zur Zahlung von
155.071,34 DM Werklohn verurteilt. Das Berufungsgericht hat auf die Berufung
der Beklagten und die Anschlussberufung der Klägerin auf Zahlung von
170.395,00 DM (87.121,58 €) erkannt. Der Senat hat die Revision der Beklagten
zugelassen, soweit der Werklohnanspruch für die Anbringung der Z-Profile
bejaht und die Aufrechnung mit dem Anspruch auf Ersatz der kündigungsbedingten
Fertigstellungsmehrkosten sowie mit dem Kostenerstattungsanspruch
wegen der nachträglichen Anbringung der Entwässerungsröhrchen verneint
worden ist. In diesem Umfang verfolgt die Beklagte ihre Anträge auf Abweisung
der Klage weiter.
Entscheidungsgründe:
Die Revision der Beklagten hat Erfolg. Sie führt im Umfang der Anfechtung
zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache
an das Berufungsgericht.
Das für das Schuldverhältnis maßgebliche Recht richtet sich nach den
bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Gesetzen (Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB).
I.
Das Berufungsgericht ermittelt unter Einbeziehung des Anspruchs für die
Anbringung der Z-Profile einen Restwerklohnanspruch der Klägerin in Höhe von
230.503,42 DM. Aufrechenbare Gegenansprüche stünden der Beklagten nur in
Höhe eines Betrages von 60.108,42 DM zu.
Die Forderung auf Ersatz der Fertigstellungsmehrkosten sei unbegründet.
Eine wirksame Kündigung nach § 8 Nr. 3 VOB/B liege nicht vor. Die Kündigung
könne nicht auf Mängel der Terrassentüren gestützt werden. Ein Kündigungsgrund
könne nur bejaht werden, wenn keine hinreichend wasserdichte
Verbindung zwischen dem Kunststoffmaterial der Fenstertür-Rahmen sowie
dem Aluminiummaterial der Schwellen bestanden hätte. Von einer Mangelhaftigkeit
der Leistung sei nicht auszugehen. Die Klägerin habe ein Fenstersystem
eingebaut, das zertifiziert gewesen sei. Die Herstellerin habe das verwendete
Schwellenprofil und die Abdichtung mit Silikon empfohlen. Bei den Fensterherstellern
habe der Eindruck entstehen können, dass auch insoweit ein Prüfzeugnis
erteilt worden sei. Die Klägerin habe ihr Vertrauen darauf, mit dem benutzten
Material eine ausreichende Dichtung herstellen zu können, auch auf ein
Prüfzeugnis des Süddeutschen Kunststoffzentrums stützen können. Spätere
Erkenntnisse seien nicht für die Frage verwertbar, ob die Klägerin zuvor im Jahre
1996 ordnungsgemäß gearbeitet habe.
Weil die Terrassentüren nicht mangelhaft gewesen seien, könne die Beklagte
nicht Ersatz der Kosten von 9.927,15 DM für den untauglichen Versuch
verlangen, mit Entwässerungsröhrchen den Mangel zu beseitigen.
Da sich im Nachhinein die Arbeit der Klägerin als mangelfrei und die Sanierung
durch die Drittfirma als unrichtige Sanierungsmethode herausgestellt
habe, die wiederum durch die Klägerin mittels Anbringung von Z-Profilen behoben
worden sei, stehe der Klägerin ein Anspruch auf Begleichung der diesbezüglichen
Rechnung in Höhe von 23.812,93 DM zu.
II.
Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Die Erwägungen des
Berufungsgerichts tragen nicht seine Entscheidung, die Terrassentüren seien
mangelfrei hergestellt worden.
Ein Werk ist gemäß §§ 13 Nr. 1 VOB/B a.F. mangelhaft, wenn es mit
Fehlern behaftet ist, die den Wert oder die Tauglichkeit zu dem gewöhnlichen
oder nach dem Vertrag vorausgesetzten Gebrauch aufheben oder mindern. Die
Leistung des Auftragnehmers ist nur vertragsgerecht, wenn sie die Beschaffenheit
aufweist, die für den vertraglich vorausgesetzten oder gewöhnlichen
Gebrauch erforderlich ist. Im Rahmen der getroffenen Vereinbarungen schuldet
der Auftragnehmer ein funktionstaugliches und zweckentsprechendes Werk
(BGH, Urteil vom 16. Juli 1998 - VII ZR 350/96, BGHZ 139, 244, 247 f.; Urteil
vom 11. November 1999 - VII ZR 403/98, BauR 2000, 411 = NZBau 2000, 74
= ZfBR 2000, 121). Das Berufungsgericht hat keine Feststellungen dazu getrof-
fen, ob die Terrassentüren mangelhaft waren. Es hat vielmehr allein darauf abgestellt,
dass die Klägerin etwaige Mängel des von ihr eingebauten Systems
nicht erkennen musste. Darauf kommt es nicht an. Inwieweit ein Mangel des
Werkes vorliegt, hängt nicht davon ab, ob der Unternehmer aufgrund der ihm
zugänglichen fachlichen Informationen darauf vertrauen konnte, dass die vertraglich
vereinbarte Beschaffenheit durch seine Leistung erfüllt wird. Die davon
abweichende Leistung des Unternehmers ist auch dann mangelhaft, wenn ihn
kein Verschulden trifft, etwa weil die Ausführung den für diese Zeit anerkannten
Regeln der Technik entspricht (BGH, Urteil vom 9. Juli 2002 - X ZR 242/99,
NZBau 2002, 611 = ZfBR 2003, 22) oder weil er nach allgemeinem Fachwissen
auf Herstellerangaben und sonstige Informationen vertrauen konnte.
III.
Die Frage, ob die Leistung der Klägerin mangelhaft war, kann im Umfang
der Aufhebung des Berufungsurteils entscheidungserheblich sein.
Die Ausführungen des Berufungsgerichts in einem anderen Zusammenhang,
etwaige Mängel berechtigten die Beklagte nicht, die geforderte Sicherheit
nach § 648a BGB zu verweigern, geben dem Senat Anlass für folgenden Hinweis:
Die Beklagte hat die Klägerin zur Beseitigung des Mangels mit Schreiben
vom 10. und 24. Juli 1996 aufgefordert und eine Frist bis zum 27. Juli 1996 unter
Androhung der Kündigung nach Fristablauf gesetzt. Am 31. Juli 1996 hat die
Klägerin dann zur Sicherheitsleistung gemäß § 648a BGB bis zum 9. August
1996 aufgefordert. Zu diesem Zeitpunkt war ein etwaiges, auf Mängel der Terrassentüren
gestütztes Kündigungsrecht der Beklagten nach § 8 Nr. 3 Abs. 1 in
Verbindung mit § 4 Nr. 7 VOB/B bereits entstanden. Die Klägerin war jedenfalls
bis zum Ablauf der von der Beklagten gesetzten Frist zur Mängelbeseitigung
verpflichtet, die vertragliche Leistung einschließlich der Nachbesserung unabhängig
davon zu erbringen, ob sie eine Sicherheit erhielt. Die durch die berechtigte
Kündigung bereits entstandenen Ansprüche auf Ersatz der Fertigstellungsmehrkosten
und etwaiger Mängelbeseitigungskosten bleiben durch das
Sicherungsbegehren unberührt (vgl. BGH, Urteil vom 9. November 2000 - VII
ZR 82/99, BGHZ 146, 24, 33).
Dressler
Hausmann
Wiebel
Kniffka
Bauner
Kanzlei Prof. Schweizer Rechtsanwaltsgesellschaft mbH © 2020
Impressum | Datenschutz | Cookie-Einstellungen