Persönlichkeitsverletzung bei Verwendung eines manipulierten Fotos
Gericht
BGH
Art der Entscheidung
Urteil
Datum
08. 11. 2005
Aktenzeichen
VI ZR 64/05
Zur Frage der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch Verwendung eines technisch manipulierten Fotos einer Person im Rahmen einer satirischen Bilddarstellung.
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 7. Zivilsenats
des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg vom 12. Februar
2002 aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung
- auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an
das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Kläger begehrt von der Beklagten Unterlassung der Verbreitung einer
Bilddarstellung im Rahmen einer Fotomontage.
Im Jahre 2000 berichtete die Beklagte in einer bei ihr verlegten Zeitschrift
über die wirtschaftliche und finanzielle Situation der Deutschen Telekom AG,
deren Vorstandsvorsitzender der Kläger damals war. Sie illustrierte den Artikel
mit der Ablichtung eines Mannes in einem Geschäftsanzug, der auf einem
bröckelnden, magentafarbenen, dem Firmenemblem der Telekom entnommenen
großen "T" sitzt und unbeschwert nach oben sieht. Die fotografische Abbildung
des Kopfes des Klägers ist im Zuge einer Fotomontage auf den Oberkörper
eines anderen Mannes gesetzt worden. Dabei ist die Abbildung des Kopfes
technisch in einem zwischen den Parteien streitigen Umfang bearbeitet worden.
Unstreitig wurde der Kopf allerdings um ca. 5 % gestreckt. Die Beklagte verwandte
das Motiv auch zur weiteren Illustration des Artikels und wiederholte es
in einer späteren Ausgabe.
Der Kläger verlangt Unterlassung, weil sein Gesicht bei der Herstellung
der Fotomontage mittels unterschwelliger Manipulation negativ verändert worden
sei. Es wirke - so der Kläger - infolge des technischen Eingriffs insgesamt
länger, Wangen und Kinn seien fleischiger und breiter, der Kinnbereich fülliger
und die Hautfarbe blasser als auf der Originalaufnahme. Der Kopf sei zudem im
Verhältnis zum Körper insgesamt zu klein und sitze zu tief auf den Schultern, so
dass der Hals kürzer und dicker erscheine.
Das Landgericht hat der Unterlassungsklage stattgegeben. Das Oberlandesgericht
hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Auf die Nichtzulassungsbeschwerde
der Beklagten hat der erkennende Senat die Revision zugelassen
und in seinem Urteil vom 30. September 2003 - VI ZR 89/02 - BGHZ
156, 206 auf die Rechtsmittel der Beklagten das Urteil des Oberlandesgerichts
aufgehoben und dasjenige des Landgerichts abgeändert und die Klage abgewiesen.
Auf die hiergegen gerichtete Verfassungsbeschwerde des Klägers hat
das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 14. Februar 2005
- 1 BvR 240/04 - (NJW 2005, 3271) dieses Urteil aufgehoben und die Sache an
den Bundesgerichtshof zurückverwiesen.
Entscheidungsgründe:
I.
Nach Auffassung des Berufungsgerichts hat der Kläger gegen die Beklagte
einen Anspruch auf Unterlassung aus einer entsprechenden Anwendung
der §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB wegen rechtswidriger Verletzung
seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG). Die Beklagte
könne sich für die satirische Darstellung grundsätzlich auf den Schutz
der Meinungsfreiheit berufen. Sie habe das allgemeine Persönlichkeitsrecht des
Beschwerdeführers jedoch in rechtswidriger Weise verletzt, indem sie seinen
Kopf mittels unterschwelliger Manipulation negativ verändert abgebildet habe.
Durch das satirische Gewand unterfalle die angegriffene Fotomontage zwar im
Grundsatz auch dem Kunstbegriff des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG. Jedoch sei die
Veränderung der Darstellung des Klägers als unzutreffende Tatsachenbehauptung
nicht mehr gerechtfertigt. Die nicht satiretypische, aber wirklichkeitsnahe
Darstellung des Kopfes des Klägers sei einer gesonderten Betrachtung zugänglich.
II.
Die Beurteilung des Berufungsgerichts hält auch auf der Grundlage der
Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 14. Februar 2005
- 1 BvR 240/04 - (aaO) revisionsrechtlicher Überprüfung nicht in allen Punkten
stand.
Die vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen rechtfertigen nicht
die Zuerkennung eines Unterlassungsanspruchs nach §§ 823, 1004 BGB, 22 f.
KUG wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch Verbreitung
der beanstandeten Fotomontage.
1. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sichert
das allgemeine Persönlichkeitsrecht, dass der Einzelne selbst darüber
bestimmen darf, wie er sich in der Öffentlichkeit darstellt (vgl. BVerfGE 35, 202,
220 f.; 63, 131, 142; 101, 361, 380; und vom 14. Februar 2005 - 1 BvR 240/04 -
aaO, 3272). Das Recht am eigenen Bild als Ausprägung dieses allgemeinen
Persönlichkeitsrechts schützt den Grundrechtsträger daher vor der Verbreitung
seines Bildes, sofern eine Einwilligung oder ein sonstiger Rechtsfertigungsgrund
- etwa nach §§ 23 f. KUG - fehlt. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht
schützt auch vor der Verbreitung eines technisch manipulierten Bildes, das den
Anschein erweckt, ein authentisches Abbild einer Person zu sein (BVerfG, Beschluss
vom 14. Februar 2005 - 1 BvR 240/04 - aaO).
2. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht unterliegt wegen des Vorbehalts
in Art. 2 Abs. 1 GG jedoch Einschränkungen.
a) Nach der vorgenannten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts
ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass der erkennende Senat
die Bildaussage im vorliegenden Fall in den verfassungsrechtlichen Schutz aus
Art. 5 Abs. 1 GG einbezogen und die Bilddarstellung als Illustration einer Wortberichtserstattung
über ein die Öffentlichkeit interessierendes Thema gedeutet
hat, nämlich den Zustand der Deutschen Telekom und die darauf bezogene
Verantwortlichkeit des Klägers. Die bildliche Darstellung nimmt daher am grundrechtlichen
Schutz des Berichts teil, dessen Illustration sie dient.
b) Ebenfalls nicht beanstandet hat das Bundesverfassungsgericht, dass
der erkennende Senat bei der rechtlichen Bewertung die Fotomontage als satirische
Darstellung eingeordnet und daher die Rechtsprechung des Bundesver-
fassungsgerichts herangezogen hat, nach der für die Erfassung des eigentlichen
Inhalts die Darstellung von ihrer satirischen Einkleidung zu befreien ist,
um sodann den dahinter liegenden Aussagegehalt der Darstellung zu ermitteln
(vgl. BVerfGE 75, 369, 377 f.; 86, 1, 12; vom 14. Februar 2005 - 1 BvR 240/04 -
aaO, 3272). Dies hat der erkennende Senat vorliegend in Übereinstimmung mit
den Vorinstanzen dahin getan, dass die Darstellung des Klägers symbolisieren
solle, der Kläger throne unbeschwert über den Problemen der Deutschen Telekom.
c) Das Bundesverfassungsgericht beanstandet jedoch die Auffassung
des erkennenden Senats, dass die Darstellung des Kopfes und die an ihr vorgenommene
Manipulation nicht gesondert zu bewerten seien, sondern eine
Gesamtbetrachtung der Fotomontage im Rahmen der Satire zu erfolgen habe.
aa) Der Schutz des Persönlichkeitsrechts vor technischen insbesondere
nicht erkennbaren Manipulationen entfalle nicht allein deshalb, weil die veränderte
Abbildung in einen satirisch-verzerrenden Kontext gestellt werde. Die
Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur rechtlichen Beurteilung
satirischer Darstellungen wolle den Persönlichkeitsschutz in solchen Situationen
nicht grundsätzlich beschränken oder gar ausschalten. Sie wolle lediglich
sichern, dass etwas nicht deshalb von vornherein aus dem Schutz der mit dem
Persönlichkeitsrecht kollidierenden Kommunikationsgrundrechte herausfalle,
weil es in einen Kontext geordnet sei, der - wie es bei satirischen Darstellungen
der Fall sei - mit Übertreibungen, Verzerrungen und Verfremdungen als Stilmittel
arbeite. Die Gesamtbetrachtung solle maßgebend werden, wenn bei einer
Aufspaltung einzelner Aussagen der Schutz der Gesamtaussage oder der der
Einzelaussage als Bestandteil der Gesamtaussage beeinträchtigt werde. Deshalb
solle zunächst der Aussagekern erfasst und daraufhin überprüft werden,
ob er mit Art. 5 GG unter Berücksichtigung des grundrechtlichen Persönlich-
keitsschutzes vereinbar sei. Der ermittelte Aussagekern sei, soweit er eine Wertung
ausdrücke, daraufhin zu überprüfen, ob eine Schmähkritik vorliege. Enthalte
er demgegenüber eine Tatsachenmitteilung, so sei zu klären, ob sie wahr
oder auf sonstige Weise gerechtfertigt sei.
bb) Die rechtliche Beurteilung beschränke sich jedoch nicht auf den Aussagekern.
Vielmehr sei auch die Einkleidung der Aussage gesondert daraufhin
zu überprüfen, ob sie eine Kundgabe der Missachtung der Person enthalte (vgl.
BVerfGE 75, 369, 378; 86, 1, 12) oder auf andere Weise das Persönlichkeitsrecht
verletze. Dabei sei zu beachten, dass die Maßstäbe für die Beurteilung
der Einkleidung insoweit andere und im Regelfall weniger streng als bei der Beurteilung
des Aussagekerns seien, als der gewählten Darstellungsart die Verfremdung
wesenseigen sei (vgl. BVerfGE 75, 369, 378). Der verfassungsrechtliche
Schutz der Einkleidung einer Aussage in eine Fotomontage entfalle aber
nicht vollständig, wenn die isolierbaren Einzelteile je für sich betrachtet entstellend
wirkten. Soweit das Gesicht des Klägers durch technische Manipulation
verändert sei, erlange dieser Teil der grafischen Umsetzung der Aussage eigenständige
Persönlichkeitsrelevanz.
cc) Das fotografische Abbild des Kopfes enthalte durch die technische
Manipulation eine unrichtige Aussage, auch wenn der Beschwerdeführer trotz
der Manipulation noch identifizierbar sei. Wie weit ein solcher Eingriff im Kontext
einer satirischen Darstellung hinzunehmen sei, hänge auch davon ab, ob
der Betrachter der Abbildung die manipulative Veränderung erkennen und deswegen
gar nicht zu der irrigen Einschätzung kommen könne, der Abgebildete
sähe in Wirklichkeit so aus. Eine Erkennbarkeit der Entstellung sei etwa einer
karikaturhaften Zeichnung meist eigen. So aber liege es hier nicht. Das für die
Montage benutzte Bild des Kopfes beanspruche eine fotografische Abbildung
zu sein und gebe dem Betrachter keinen Anhaltspunkt für die Manipulation der
Gesichtszüge. Ein solcher Anhalt folge auch nicht daraus, dass die übrige Darstellung
deutlich erkennbar den Charakter des Fiktiven habe. Für die Abbildung
des Kopfes gelte dies gerade nicht.
Das fotografische Abbild ohne Verwendung von Worten übermittele Informationen
über die abgelichtete Person. Fotos suggerierten Authentizität und
die Betrachter gingen davon aus, dass die abgebildete Person in Wirklichkeit so
aussehe. Diese Annahme aber treffe bei einer das Aussehen verändernden
Bildmanipulation, wie sie heute relativ einfach mit technischen Mitteln herbeigeführt
werden könne, nicht zu. Der Träger des Persönlichkeitsrechts habe zwar
kein Recht darauf, von Dritten nur so wahrgenommen zu werden, wie er sich
selbst gerne sehen möchte (vgl. BVerfGE 97, 125, 148 f.; 97, 391, 403; st.
Rspr.), wohl aber ein Recht, dass ein fotografisch erstelltes Abbild nicht manipulativ
entstellt sei, wenn es Dritten ohne Einwilligung des Abgebildeten zugänglich
gemacht werde. Die Bildaussage werde jedenfalls dann unzutreffend,
wenn das Foto über rein reproduktionstechnisch bedingte und für den Aussagegehalt
unbedeutende Veränderungen hinaus verändert werde. Solche Manipulationen
berührten das Persönlichkeitsrecht, einerlei ob sie in guter oder in
verletzender Absicht vorgenommen würden oder ob Betrachter die Veränderung
als vorteilhaft oder nachteilig für den Dargestellten bewerteten. Stets werde
die in der bildhaften Darstellung in der Regel mitschwingende Tatsachenbehauptung
über die Realität des Abgebildeten unzutreffend.
dd) Die Unwahrheit der Aussage habe Auswirkungen auf die Reichweite
des Schutzes durch die Meinungsfreiheit. Die unrichtige Information, die der
verfassungsrechtlich vorausgesetzten Möglichkeit zutreffender Meinungsbildung
nicht dienen könne, sei unter dem Blickwinkel der Meinungsfreiheit kein
schützenswertes Gut (vgl. BVerfGE 54, 208, 219; 61, 1, 8; 94, 1, 8). So liege es
auch bei der Verwendung von fotografischen Abbildungen in satirischen Kon-
texten, wenn die Manipulation dem Betrachter nicht erkennbar sei, so dass er
die Veränderung nicht als Teil der für satirische Darstellungen typischen Verfremdungen
und Verzerrungen deuten und damit für seine Meinungsbildung
bewertend einordnen könne. In einer Situation, in der der manipulierte Teil der
Abbildung nicht als "Teil-" oder "Nebenaussage" der Bilddarstellung zurücktrete,
sondern einen davon ablösbaren eigenständigen Aussagegehalt habe, bedürfe
es einer eigenständigen Beurteilung unter dem Aspekt des Persönlichkeitsschutzes.
d) Ob im vorliegenden Fall eine über technisch unvermeidbare Änderungen
hinausreichende Manipulation der Gesichtszüge des Klägers erfolgt sei und
ob sie dem Betrachter erkennbar gewesen sei, sei durch die Instanzgerichte
nicht abschließend geklärt. Der Kläger habe vorgetragen, es liege eine mehrfach
gestufte Bildmanipulation vor, wohingegen die Beklagte nur eingeräumt
habe, dass das verwandte Foto des Gesichts des Beschwerdeführers aus technischen
Gründen der Fotokollage um 5 % in der Länge gestreckt sei. Das Landgericht
und das Oberlandesgericht hätten gleichwohl eine tiefgreifende Manipulation
des ursprünglich verwandten Bildes und eine schwerwiegende Veränderung
der Bildaussage zum Nachteil des Klägers angenommen. Der Bundesgerichtshof
habe die rechtliche Einordnung der Veränderung des Bildes auf der
Grundlage seiner Rechtsauffassung offen lassen können. Ebenso habe er nicht
abschließend gefragt, ob die Veränderungen derart geringfügig seien, dass sie
nur bei besonders aufmerksamer Betrachtung unter Vergleich mit dem Originalfoto
des Klägers erkennbar seien und deshalb das Persönlichkeitsrecht nicht
nennenswert hätten verletzen können.
4. Auf dieser Grundlage durfte das Berufungsgericht nach den getroffenen
Feststellungen noch keine das Persönlichkeitsrecht des Klägers verletzende
Manipulation des ursprünglich verwendeten Originalfotos annehmen. Dies
wäre allerdings dann der Fall, wenn - entsprechend der Behauptung des Klägers
- eine für den Betrachter nicht erkennbare mehrfach gestufte Bildmanipulation
vorläge, die über technisch unvermeidbare Änderungen hinausreicht. Die
Bildaussage wird jedenfalls dann unzutreffend, wenn das Foto über rein reproduktionstechnisch
bedingte und für den Aussagegehalt unbedeutende Veränderungen
hinaus verändert wurde. Das Berufungsgericht wird mithin die hiernach
noch erforderlichen Feststellungen nachzuholen haben. Vorher kann nicht abschließend
beurteilt werden, ob die Veränderungen des tatsächlichen Aussehens
des Klägers derart geringfügig sind, dass sie nur bei besonders aufmerksamer
Betrachtung unter Vergleich mit dem Originalfoto erkennbar sind und
deshalb das Persönlichkeitsrecht nicht nennenswert verletzen. Denn der Träger
des Persönlichkeitsrechts hat kein Recht darauf, von Dritten nur so wahrgenommen
zu werden, wie er sich selbst gerne sehen möchte (vgl. BVerfGE 97,
125, 148 f.; 97, 391, 403; st. Rspr.).
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