Kostenmietermittlung bei Dachflächenvermietung für Mobilfunkantennen - Außerordentliche Bewirtschaftung
Gericht
BGH
Art der Entscheidung
Urteil
Datum
02. 11. 2005
Aktenzeichen
VIII ZR 310/04
Einnahmen des Vermieters aus der Vermietung von Dachflächen zum Betrieb einer Mobilfunkantenne stellen keine Erträge im Sinne des § 31 Abs. 1 Satz 1 II. BV dar. Sie sind in einer Wirtschaftlichkeitsberechnung im preisgebundenen Wohnraum nicht zu berücksichtigen.
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil der 15. Zivilkammer
des Landgerichts München I vom 22. September 2004 aufgehoben.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Amtsgerichts
München vom 10. Februar 2004 wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten der Rechtsmittelverfahren zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Kläger ist Mieter einer preisgebundenen Wohnung in M. , deren
Vermieter die Beklagten sind. Die Anwesen H. straße , in dem sich
die Wohnung des Klägers befindet, und P. straße bilden eine Wirtschaftseinheit.
Mit Schreiben vom 7. Dezember 2001 errechneten die Beklagten für die
von dem Kläger bewohnte Wohnung eine monatliche Kostenmiete von 4,22 €
pro Quadratmeter ab dem 1. Januar 2002. Dem Schreiben war zur Begründung
eine Wirtschaftlichkeitsberechnung für das Rechnungsjahr 2001 beigefügt, aus
der sich die von den Beklagten geforderte Miete ergab. Die Beklagten hatten
bereits seit mehreren Jahren Teile der Flachdächer der beiden Anwesen einem
Mobilfunkbetreiber zur Verfügung gestellt, der hierauf Mobilfunkantennen errichtete
und betrieb. Die Beklagten erzielten hieraus Einnahmen, die in der Wirtschaftlichkeitsberechnung
als Erträge nicht aufgeführt wurden und sich somit
nach der Berechnung der Beklagten auf die Höhe der geforderten Kostenmiete
nicht auswirkten.
Mit der Klage hat der Kläger verlangt, die Beklagten zur Vorlage einer
Wirtschaftlichkeitsberechnung für das Jahr 2001 unter Berücksichtigung von
Einnahmen aus dem Betrieb der errichteten Mobilfunkantennen zu verurteilen.
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat
das Landgericht das angefochtene Urteil abgeändert und die Beklagten antragsgemäß
verurteilt. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision
verfolgen die Beklagten ihr Ziel einer Klageabweisung weiter.
Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt:
Der Kläger habe einen Anspruch auf Erstellung einer neuen Wirtschaftlichkeitsberechnung
unter Berücksichtigung der Einnahmen aus dem Betrieb
der auf den Hausdächern installierten Mobilfunkantennen. Diese Einnahmen
seien als Erträge nach § 31 der Zweiten Berechnungsverordnung (II. BV) anzusetzen.
Dafür spreche der Wortlaut des § 31 Abs. 1 II. BV. Durch die Vermietung
der Dachflächen finde eine grundstücksbezogene Nutzung und damit eine
ordentliche Bewirtschaftung im Sinne der Vorschriften statt. Die Einnahmen
seien auch nachhaltig erzielt worden, denn die Antennen seien bereits 1997
oder 1998 auf den Dächern errichtet worden. Aufgrund der erforderlichen Investitionen
sei ein kurzfristiger Abbau nicht zu erwarten. Gleichgültig sei, ob die
Erzielung der Einnahmen durch Mobilfunkantennen als Regelfall oder als Ausnahme
anzusehen sei, denn § 31 II. BV stelle nicht darauf ab, ob Vermieter regelmäßig
derartige Einnahmen erzielten. Eine Verpflichtung des Vermieters zur
Vermietung von Dachflächen an Mobilfunkbetreiber bestehe zwar nicht. Dies
schließe aber nicht aus, dass im Falle einer tatsächlichen Vermietung die Einnahmen
und gegebenenfalls anfallende Kosten auch zu berücksichtigen seien.
Unerheblich sei der Umstand, dass die Einnahmen im Zeitpunkt der Bewilligung
der Förderung nicht in die Wirtschaftlichkeitsberechnung eingestellt worden seien.
Schließlich sei zu bedenken, dass die Mieter jedenfalls den psychologischen
Beeinträchtigungen durch die Funkantennen ausgesetzt seien und die
Berücksichtigung der Einnahmen im Rahmen der Kostenmiete auch aus diesem
Grund sachgerecht erscheine.
II.
Diese Ausführungen halten der revisionsrechtlichen Nachprüfung in dem
entscheidenden Punkt nicht stand.
Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagten auf Erstellung einer
neuen Wirtschaftlichkeitsberechnung für das Jahr 2001 unter Berücksichtigung
der Einnahmen aus den auf beiden Gebäudedächern errichteten Mobilfunkantennen.
Es kann dahinstehen, ob ein Mieter von preisgebundenem Wohnraum
bei der Ermittlung der Kostenmiete anhand einer Wirtschaftlichkeitsberechnung
einen Anspruch auf Berichtigung der Berechnung hat, wenn diese falsch oder
unvollständig ist. Die von den Beklagten beigefügte Wirtschaftlichkeitsberechnung
ist ordnungsgemäß. Die aus der Vermietung von Dachflächen zum Betrieb einer Mobilfunkantenne erzielten Einnahmen des Vermieters stellen keine
Erträge im Sinne des § 31 II. BV dar und sind somit in einer Wirtschaftlichkeitsberechnung
nicht anzurechnen (LG Frankfurt/M, zitiert nach Hitpaß, ZMR 2002,
572, 577; LG Berlin, GE 2005, 1062; AG Schöneberg, GE 2005, 245; Hitpaß
aaO; anderer Ansicht AG Marburg, zitiert nach Hitpaß aaO, S. 576; Schmidt-
Futterer/Eisenschmid, Mietrecht, 8. Aufl., § 535 Rdnr. 379; Heix in Fischer-
Dieskau/Pergande/Schwender, Wohnungsbaurecht, Bd. IV, Stand März 2005
§ 31 II. BV, Anm. 3.2.; Maciejewski, MM 2001, 439, 440).
Nach § 2 Abs. 1 II. BV sind in einer Wirtschaftlichkeitsberechnung, die
nach §§ 8 bis 9 WoBindG in Verbindung mit §§ 3 bis 10 NMV eine Grundlage
für die Ermittlung der Kostenmiete bildet, die laufenden Aufwendungen für das
Gebäude oder die jeweilige Wirtschaftseinheit zu ermitteln und den Erträgen
gegenüber zu stellen. Erträge sind gemäß § 31 Abs. 1 Satz 1 II. BV die Einnahmen
aus Miet- und Pachtverträgen sowie Vergütungen, die bei ordentlicher
Bewirtschaftung des Gebäudes oder der Wirtschaftseinheit nachhaltig erzielt
werden können. Diese Bestimmung ist nach ihrem Wortlaut unter Berücksichtigung
der Systematik der Vorschriften der Zweiten Berechnungsverordnung und
dem Sinn und Zweck der Aufstellung einer Wirtschaftlichkeitsberechnung dahingehend
auszulegen, dass nur Einnahmen zu berücksichtigen sind, die im
Rahmen der ordentlichen Bewirtschaftung des Grundstücks oder der Wirtschaftseinheit
erzielt werden und denen anrechenbare laufende Aufwendungen
(§ 18 Abs. 1 II. BV) gegenüberstehen. Dies ist bei der Vermietung von Dachflächen
zum Betrieb von Mobilfunkantennen nicht der Fall.
1. Nach dem Wortlaut der Vorschrift des § 31 Abs. 1 Satz 1 II. BV sind
Erträge nur diejenigen Einnahmen aus Miet- und Pachtverträgen, die bei ordentlicher
Bewirtschaftung des Gebäudes oder der Wirtschaftseinheit nachhaltig
erzielt werden können. Die Vermietung von Dachflächen zum Betrieb von
Mobilfunkantennen zählt nicht zur ordentlichen Bewirtschaftung eines Gebäudes.
Soweit der Vermieter hieraus Einkünfte erzielt, stellen diese Einnahmen
nach dem Wortlaut des § 31 Abs. 1 Satz 1 II. BV keine Erträge dar.
2. Ferner ergibt sich aus der Systematik der Vorschriften der Zweiten Berechnungsverordnung,
wie die Revision zu Recht vorbringt, dass nicht sämtliche
Einnahmen des Vermieters zugunsten des Mieters bei der Ermittlung der
Höhe der Kostenmiete anzurechnen sind, sondern nur solche, die aus der ordentlichen
Bewirtschaftung des Gebäudes herrühren und denen anrechenbare
Aufwendungen gegenüberstehen.
a) Dies folgt schon aus der Vorschrift des § 31 Abs. 1 Satz 2 II. BV. Danach
fließen bestimmte Einnahmen, die der Vermieter aufgrund von Sonderleistungen
im Verhältnis zu einzelnen Mietern erzielt und denen keine laufenden
Aufwendungen zuzuordnen sind, in die Wirtschaftlichkeitsberechnung nicht ein.
Zuschläge nach § 26 NMV (etwa für eine gewerbliche Tätigkeit des Mieters in
den Mieträumen oder für eine Untervermietung) werden deshalb nicht in die
Berechnung eingestellt, weil sie für besondere Vorteile und Nutzungen des Mieters
vorgesehen sind, denen keine allgemein für das Gebäude maßgeblichen
laufenden Aufwendungen entsprechen (Heix aaO, § 31, Anm. 6.2.). Über den
Wortlaut des § 31 Abs. 1 Satz 2 II. BV hinaus werden ferner Vergütungen im
Sinne des § 27 NMV nicht angerechnet, soweit sie dem Mieter als Person abverlangt
werden (wie laufende Leistungen zur persönlichen Betreuung und Versorgung
des Mieters) und ebenfalls nicht mit der ordentlichen Bewirtschaftung
des Gebäudes zusammenhängen (Heix aaO, § 31, Anm. 6.3.). Werden jedoch
- wie ausgeführt - bestimmte Sonderleistungen des Vermieters allein in dem
Verhältnis zu dem betreffenden Mieter abgerechnet und in der Wirtschaftlichkeitsberechnung
nicht berücksichtigt, so muss dies erst recht für die Einnahmen
aus Verträgen mit Dritten gelten, wenn die Vereinbarung - wie im vorliegenden
Fall - nicht auf die ordentliche Bewirtschaftung des Gebäudes gerichtet ist und
ihnen, wie unter b) dazulegen ist, keine anrechenbaren Aufwendungen für das
Gebäude entsprechen.
b) Aus den Vorschriften über die Erstellung der Wirtschaftlichkeitsberechnung
in § 2 Abs. 1, § 3 Nr. 4 II. BV ergibt sich, dass Erträge nicht unbegrenzt
zu berücksichtigen sind, sondern nur, soweit ihnen laufende Aufwendungen
entsprechen (Hitpaß aaO, S. 577; vgl. auch Heix aaO, § 31, Anm. 6.3. zu
Vergütungen). Nach § 2 Abs. 1 II. BV sind die laufenden Aufwendungen zu ermitteln
und den Erträgen gegenüber zu stellen. Hat der Vermieter Aufwendungen
für die Einrichtung einer Mobilfunkantenne oder für die Bereitstellung einer
entsprechenden Dachfläche an den Mobilfunkbetreiber, wären dies keine laufenden
Aufwendungen im Sinne des § 18 Abs. 1 Satz 1 II. BV. Denn derartige
Aufwendungen sind weder Kapitalkosten nach § 19 II. BV noch Bewirtschaftungskosten
nach § 24 II. BV. Letztere Kosten beziehen sich nicht auf den gesamten
Aufwand des Vermieters, den dieser zur Unterhaltung des Gebäudes
erbringt. Anrechenbar sind nur solche Kosten, die zur Bewirtschaftung des Gebäudes
nach den Grundsätzen einer ordentlichen Bewirtschaftung erforderlich
sind. Dies betrifft nach § 24 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit §§ 26 bis 28 II. BV
nur Kosten, deren zugrunde liegender Aufwand dem Mieter unmittelbar oder
mittelbar zugute kommt und dem Zweck der sozialen Wohnraumförderung im
Sinne des § 1 Abs. 1 WoFG dient. Die Verwertung von Teilen des Grundstückes
oder Gebäudes zum Betrieb von Mobilfunkantennen steht mit der sozialen
Wohnraumförderung in keinem Zusammenhang. Sie betrifft auch keine Rechte
oder Pflichten des Vermieters aus den abgeschlossenen Mietverträgen mit Mietern
von preisgebundenem Wohnraum. Entstehen dem Vermieter Kosten für die
Vermietung von Dachflächen an Dritte, sind dies daher keine anrechenbaren
laufenden Aufwendungen im Sinne des § 18 Abs. 1 Satz 1 II. BV. Deshalb sind
auch die entsprechenden Erträge des Vermieters aus einer Tätigkeit wie der
Vermietung von Dachflächen an Mobilfunkbetreiber, die über die erforderliche
Bewirtschaftung des Grundstücks hinausgeht, nicht in der Wirtschaftlichkeitsberechnung
aufzuführen.
3. Das gefundene Ergebnis entspricht auch dem Sinn und Zweck der Erstellung
einer Wirtschaftlichkeitsberechnung. Diese Berechnung soll dazu dienen,
bei der Bestimmung des Mietpreises, insbesondere der Kostenmiete, die
Interessen von Mieter und Vermieter sachgemäß abzugrenzen und nach festen
Regeln zu gewährleisten, dass einerseits der Vermieter das ihm wirtschaftlich
Gebührende erhält, ohne dass andererseits der Mieter mehr als das danach für
den Vermieter Notwendige zahlen muss. Die Bestimmungen über die Aufstellung
einer Wirtschaftlichkeitsberechnung sollen auch dem Schutz des Mieters
dienen (Senat, Urteil vom 24. Februar 1971, VIII ZR 152/69, WM 1971, 452 unter
II 1 c). Diesem Gedanken entspricht es, wenn nicht sämtliche vom Vermieter
im Zusammenhang mit der Unterhaltung des Hauses entstehenden Kosten und
erzielten Erträge in die Wirtschaftlichkeitsberechnung eingestellt werden, sondern
nur solche Aufwendungen und Erträge, die im Rahmen der ordentlichen
Bewirtschaftung von Gebäuden des sozialen Wohnungsbaus entstehen und für
den Mieter durch die Begrenzung in den Vorschriften der §§ 18 f. II. BV vorhersehbar
und kalkulierbar sind. Dies ist hier, wie ausgeführt, nicht der Fall.
III.
Das angegriffene Urteil kann somit keinen Bestand haben. Der Rechtsstreit
ist zur Endentscheidung reif, da es keiner weiteren tatsächlichen Feststellungen
bedarf. Daher ist das Berufungsurteil aufzuheben, und die Berufung des
Klägers gegen das erstinstanzliche Urteil ist zurückzuweisen (§§ 562 Abs. 1,
563 Abs. 3 ZPO).
Dr. Deppert
Dr. Beyer
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