Dt. Presserat darf Maßnahmen ergreifen

Gericht

LG Bonn


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

26. 01. 2006


Aktenzeichen

9 O 420/05


Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand


Tatbestand:

Die Klägerin, Herausgeberin der Zeitschrift ..., berichtet seit mehr als 20 Jahren über Testergebnisse aufgrund von Untersuchungen von Waren und/oder Dienstleistungen aller Art, soweit sie für Verbraucher von Relevanz sind. Dies erfolgt unter anderem auch unter dem Blickwinkel gesundheitlicher und ökologischer Verträglichkeit der getesteten Produkte und/oder Dienstleistungen.

In dem Heft ... veröffentlichte diese unter dem Artikel "...", einen Artikel über von ihr durchgeführte Tests von Laboratorien, die sogenannte anonyme Vaterschaftsteste ohne die Zustimmung der Mutter und ohne Kontrolle der Identität des Probeeinsenders durchführten. Zur Durchführung des Tests wurden 11 Anbietern Testproben von zwei Probanden zur Verfügung gestellt. Hierbei handelte es sich einmal um Vater und Sohn, bei den weiteren Proben um zwei Brüder. Getestet wurde unter anderem, ob die jeweiligen Laboratorien in der Lage waren, zu erkennen, dass es sich bei den genommenen Proben zum Teil um Vater und Sohn handeln konnte. Die jeweiligen Laboratorien lieferten sodann ihre Testergebnisse an die Klägerin zurück. Diese Untersuchungsergebnisse wurden im Auftrage der Klägerin durch den Betreiber und Laborleiter des nicht am Test beteiligten Instituts ... geprüft. Unter anderem war eines der getesteten Laboratorien die Firma ... mit Sitz in ..., für die in der Testpublikation keine Bewertung abgegeben worden ist. Mit Schreiben vom 15.2.2004 wandte sich die Firma ... an den Beklagten unter Hinweis auf den Artikel ... und rügte einen Verstoß gegen Ziffer 7. des Pressekodexes. Zur Begründung dieses Vorwurfes wies die Firma ... unter anderem darauf hin, dass Herr ... zugleich Vorsitzender der Interessengemeinschaft der Sachverständigen für Abstammungsgutachten e.V. sei, aus deren Verband kein Labor getestet worden sei.

Mit Rücksicht auf den Umstand, dass der Gutachter ... selbst Abstammungsgutachten anbiete, welches dem inkriminierten Artikel nicht zu entnehmen sei, begehrt die Klägerin das Verbot, es zu behaupten und/oder zu verbreiten, sie habe durch die Veröffentlichung des Artikel ... gegen journalistische Sorgfaltspflichten des Pressekodexes verstoßen. Darüber hinaus begehrt die Klägerin die Verurteilung der Beklagten, die sie im Wege des Schadensersatzes auf Naturalrestitution in Anspruch nimmt, die ihr gegenüber ausgesprochene Mißbilligung zurückzunehmen und festzustellen, dass er - der Beklagte - verpflichtet ist, den ihr entstandenen materiellen Schaden zu ersetzen, der ihr aus der streitbefangenen Mißbilligung entstanden ist und entstehen wird, zu ersetzen.

Die Klägerin beantragt,

  1. dem Beklagten bei Meidung eines von Gerichts für jeden Fall des Zuwiderhandelns festzusetzenden Ordnungsgeldes und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, eine Ordnungshaft oder eine Ordnungshaft bis zu 6 Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens 250.000,00 Euro, Ordnungshaft insgesamt höchstens 2 Jahre), zu vollziehen an dem Vorstandsvorsitzenden, zu verbieten zu behaupten und/oder zu verbreiten, sie - die Klägerin - habe durch die Veröffentlichung des Artikels ... gegen ihre journalistische Sorgfaltspflicht gemäß Ziffer 2 des Pressekodex des Beklagten verstoßen;

  2. den Beklagten zu verurteilen, im Wege des Schadensersatzes durch Naturalrestitution die ihr gegenüber ausgesprochenen Mißbilligung zurückzunehmen;

  3. festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, ihr denjenigen materiellen Schaden zu ersetzen, der ihr aus der in Ziffer 1. genannten Behauptung und deren Verbreitung entstanden ist und zukünftig entstehen wird.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte vertritt die Auffassung, dass die streitbefangenen Bewertungen Meinungsäußerungen seien. Die Mißbilligung der Testberichterstattung sei kein Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der Klägerin im Sinne der §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 BGB. Schon aus diesem Grunde sei ein Unterlassungs- und Schadensersatzanspruch, als auch der Anspruch auf Feststellung der Schadensersatzpflicht ausgeschlossen. Der Beschwerdeausschuß des Beklagten übe auch keine staatliche oder sonstige öffentliche Gewalt aus, die unzulässig wäre. Vielmehr sei der Beklagte - welches zwischen den Parteien unstreitig ist - eine Selbstkontrolleinrichtung der Presse, die seit 1956 nach dem Vorbild des britischen Presserates in Bonn gegründet worden sei. Insoweit sei maßgeblich, dass sich der Beklagte ausschließlich aus Angehörigen der Presse zusammensetze, keiner staatlichen Einflußnahme unterliege und in der Äußerung von Meinungen frei sei, die Presseveröffentlichungen betreffen.

Mit Rücksicht auf den von der Klägerin geltend gemachten deliktischen Unterlassungsanspruch sei hervorzuheben, dass eine Wiederholungsgefahr nicht bestehe. Er - der Beklagte - habe sich im Rahmen eines zwischenzeitlich abgeschlossen Verfahrens einmalig über die Berichterstattung der Klägerin wertend geäußert, ohne dass insoweit die Gefahr einer Wiederholung der Mißbilligung bestehe. Eine solche werde ausgeschlossen, zumal der ihr zugrunde liegende Vorgang in der Vergangenheit liege und abschlossen sei.

Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe


Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet.

Die Klägerin hat unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt einen Anspruch auf das begehrte Verbot der Unterlassung, die mit der Klage verfolgte Rücknahme einer Erklärung und die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr denjenigen materiellen Schaden zu ersetzen, der ihr aus der mit Rücksicht auf die Mißbilligung der Veröffentlichung des Artikels ... aus der Ausgabe des ... entstanden ist oder noch entstehen wird.

Die Klage ist bereits deshalb insgesamt unbegründet, weil es sich bei den inkriminierten Äußerungen des Beklagten offensichtlich und inhaltlich eindeutig um Meinungsäußerungen handelt, die unter dem Schutz der Äußerungsfreiheit des Artikel 5 Abs. 1 GG stehen. Mangels der "rechtlichen" Unverbindlichkeit der ausgesprochenen Missbilligung und der Beschwerdeentscheidung greift der Beklagte auch nicht etwa hier in das staatliche Rechtsprechungsmonopol ein, so dass auch unter diesem Gesichtspunkt eine Verpflichtung und Haftung des Beklagten nicht in Betracht kommt. Daher ist unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nicht ersichtlich, dass der Beklagte verpflichtet wäre, die inkriminierten Äußerungen zu unterlassen und diese auch in der Zukunft zu verbreiten. Vielmehr muß nach dem beiderseitigen Vorbringen der Parteien davon ausgegangen werden, dass auch unter Berücksichtigung der rechtlichen Bewertungen anhand des Maßstabes der §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB, den Kriterien der journalistischen Sorgfaltspflicht des Pressekodex genügt worden ist. Ausreichende Anhaltspunkte, von dieser Beurteilung abzuweichen, sind von der Klägerin im Streitfall jedenfalls nicht schlüssig dargetan, erst recht fehlen Anhaltspunkte dafür, dass es sich bei den Äußerungen des Beklagten um eine (unzulässige) Diskriminierung aufgrund willkürlich herabsetzender Wertung (Stichwort: "Schmähkritik") handelte.

Darüber hinaus ist vorliegend im Hinblick auf den Klageantrag zu 1) eine Wiederholungsgefahr für die Abwehr künftiger Beeinträchtigungen nicht gegeben. Eine Wiederholungsgefahr ist Anspruchsvoraussetzung für die begehrte, künftige Unterlassung. Sie ist die auf Tatsachen gegründete objektiv ernstliche Besorgnis weiterer Störungen, wobei für die Beurteilung die letzte mündliche Tatsachenverhandlung ausschlaggebend ist (vgl. BGH NJW 1995, 132 m.w.N.). Zwar begründet eine vorangegangene rechtswidrige Beeinträchtigung - an der es nach der Auffassung der Kammer bereits fehlt - grundsätzliche eine tatsächliche Vermutung für eine Wiederholungsgefahr, an deren Widerlegung durch den Störer höhere Anforderungen zu stellen sind (vgl. BGHZ 140, 1 ff.); im Streitfall weist der Beklagte insoweit jedoch nachvollziehbar darauf hin, dass die von ihm erklärte Missbilligung nicht wiederholt werden wird. Die ist plausibel mit Rücksicht auf den Umstand, dass der veröffentlichte Artikel aus dem ... abgeschlossen ist und es insoweit keiner weiteren kritischen Bewertungen mehr bedarf, zumal diese getätigt sind und ersichtlich kein weiterer Anlass besteht, sie erneut zu veröffentlichen, so dass die Klage auch unter diesem Gesichtspunkt insoweit abzuweisen ist.

Der nicht nachgelassene Schriftsatz der Klägerin vom 16.01.2006 bietet der Kammer keinen Anlass, die mündliche Verhandlung gemäß § 156 ZPO wieder zu eröffnen

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 Satz 1 ZPO.

Rechtsgebiete

Presserecht