Kein „Schmerzensgeld” für Veröffentlichung eines zweiten Artikels

Gericht

AG Hamburg-Barmbek


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

03. 03. 2006


Aktenzeichen

820 C 247/05


Tenor

- Die Klage wird abgewiesen.

- Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

- Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor Der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand


Tatbestand:

Die Klägerin begehrt von dem Beklagten die Zahlung von Schmerzensgeld wegen einer angeblich ungenehmigten Veröffentlichung eines nicht der Wahrheit entsprechenden Zeitungsartikels.

Im November 2000 ließ sich die Klägerin in der berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik Ludwigshafen operieren zwecks Entfernung eines Weichteiltumors im Bereich des Abdomens, nebenbei wurde Fett abgesaugt. In der Folge kam es zu massiven postoperativen Beschwerden, die diverse Nachbehandlungen in unterschiedlichen Krankenhäusern erforderten. Die Klägerin begab sich unter anderem im Jahre 2004 in die Klinik in ..., die eine alternative Heilungsmethode mit Fliegenlarven anwandte. Der Beklagte, der als freier Journalist tätig ist, nahm Kontakt zu der Klägerin auf. Er beabsichtigte einen Bericht über alternative Heilungsmethoden und die Krankengeschichte der Klägerin zu verfassen. Jedenfalls vereinbarten die Parteien eine Veröffentlichung in der Zeitschrift ... . Der Artikel erschien in der Weihnachtsausgabe 2004 der genannten Zeitschrift. Der Name der Klägerin wurde verändert. Inhaltlich wird auf die Anlage zum Protokoll vom 3.2.2006 Bezug genommen. Diesen Artikel nebst Fotos billigte die Klägerin. Der Beklagte bot den Artikel weiterhin der Zeitschrift ... an. Eine Veröffentlichung erfolgte in der Ausgabe der Zeitschrift vom 12.2.2005. Inhaltlich wird auf die Anlage K 2, Bl. 24 d. A. verwiesen. Mit Schreiben vom 14.3.2005 forderte die Klägerin den Beklagten zur Unterlassung weiterer Veröffentlichungen auf und stellte Schadenersatzforderungen in Aussicht. Auf die Anlage zum Protokoll vom 3.2.2006 wird Bezug genommen. Mit Schreiben vom 23.5.2005 forderte die Klägerin den Beklagten auf, an sie Schmerzensgeld in Höhe von 10.000,-- EUR zu zahlen. Dieses Ansinnen wies der Beklagte zurück. Einen reduzierten Schmerzensgeldanspruch macht die Klägerin mit dieser Klage geltend.

Die Klägerin trägt vor, im Sommer 2000 sei der Beklagte auf sie zu gekommen, um in der Zeitschrift ... einen Artikel über ihre Krankengeschichte zu veröffentlichen. Nach anfänglichem Zögern habe sie zugestimmt, um anderen Betroffenen zu helfen. Sie habe ihre Zustimmung aber an die Bedingung geknüpft, dass der Beklagte keinen Namen von behandelnden Ärzten bzw. Kliniken nenne, nur die von ihr genannten Fakten verwende und es nur eine Veröffentlichung in der Zeitschrift ... geben werde. Der Bericht sei absprachegemäß abgedruckt worden. Der zweite Artikel, auf den sie von einer Freundin aufmerksam gemacht worden sei, habe gegen alle Bedingungen verstoßen. Er habe die Namen der Klinik und des behandelnden Arztes enthalten und sei gespickt mit Verzerrungen und teilweise Unwahrheiten gewesen. So habe der Bericht mit der Schilderung ihrer Heilung geendet, die tatsächlich aber gar nicht eingetreten sei. Zwar habe sie durch die Madenbehandlung zunächst eine leichte Besserung verspürt. Sie habe dem Beklagten jedoch nicht berichtet, die Wunde sei nach ca. zwei Wochen fast verschlossen gewesen. Das entspreche auch weiterhin nicht den Tatsachen. Die Wunde sei weiterhin offen und sie befinde sich nach wie vor in einem lebensbedrohlichen Zustand. Ihr Prozessbevollmächtigter sei dieserhalb auch beauftragt, Ersatzansprüche gegenüber der erstbehandelnden Klinik in Ludwigshafen geltend zu machen.

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an sie 5.000,-- EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der Deutschen Bundesbank seit dem 2.6.2005 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er trägt vor, er habe sich im September 2004 an die Klinik in Bietigheim gewandt auf der Suche nach einer Patientin für einen Bericht über ärztliche Kunstfehler. Von der Klinik sei ihm die Klägerin genannt worden. Sie habe ohne Zögern berichtet und mehrfach geäußert "Ich habe Maden im Bauch und könnte Bäume ausreißen". Einem Verbot der Nennung von Namen des Arztes oder der Klinik hätte er niemals zugestimmt. Diese seien bereits in der Rohfassung und im ersten Bericht genannt worden. Die Klägerin habe weiteren Veröffentlichungen zugestimmt, selbstverständlich nicht in Blättern wie den ... oder ähnlichen. Er habe danach die Rohfassung (Anlage B 2, Bl. 44 ff d.A.) verfasst und der Zeitschrift ... angeboten. Dort sei ein Platz in der entsprechenden Ausgabe bestimmt und danach der Artikel auf Zeile geschrieben worden. Mit der Endfassung habe er nichts mehr zu tun gehabt. Selbiges gelte auch für die Veröffentlichung in der Zeitschrift ... .

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Tatsachenvortrag der Parteien in den gewechselten Schriftsätzen nebst Anlagen sowie in der Verhandlung am 3.2.2006 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe


Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Schmerzensgeldanspruch gegen den Beklagten wegen einer Verletzung des Persönlichkeitsrechts gemäß § 823 BGB.

Weder in einer ggfs. absprachewidrigen Zweitveröffentlichung noch in einer ggfs unwahren Tatsachenbehauptung hinsichtlich des Heilungserfolges liegt ein für einen Schmerzensgeldanspruch erforderlicher schwerwiegender, schuldhafter Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der Klägerin.

Soweit die Klägerin darauf abhebt, sie habe den Beklagten lediglich zu einer Veröffentlichung autorisiert, läge selbst in einer ungenehmigten Zweitveröffentlichung keine Verletzung des Persönlichkeitsrechts der Klägerin. Die Klägerin hat die Veröffentlichung des ersten Artikels gewünscht und nach dessen Vorliegen inhaltlich und hinsichtlich der verwendeten Fotos ausdrücklich für gut befunden. Der zweite Artikel berichtet sinngemäß über den Verlauf ihrer Erkrankung und die Behandlung im Krankenhaus ... das gleiche wie der erste Artikel. Inhaltliche, sinnentstellende Veränderungen sind nicht ersichtlich. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die jeweiligen Artikel, Anlage K 2, Bl. 24 d. A. und die Anlage zum Protokoll vom 3.2.2006 Bezug genommen. Mithin wird durch den zweiten Bericht nichts Neues der interessierten Öffentlichkeit bekannt, was diese nicht durch die Veröffentlichung des ersten Artikels - ohne Rechtsverletzung - bereits wusste.

Insofern bleibt auch unklar, weshalb die Klägerin rügt, der Beklagte habe sich nicht an die Bedingung gehalten, den Namen des behandelnden Arztes und der Klinik nicht zu nennen. Beides ist sowohl in der vorgelegten Rohfassung als auch in der ersten Veröffentlichung enthalten gewesen und von der Klägerin ausdrücklich mit Schreiben vom 14.3.2005 gebilligt worden.

Eine andere Betrachtungsweise könnte unter Umständen geboten sein, wenn die Veröffentlichungen zeitlich weit auseinander gelegen hätten und die Klägerin nach langer Zeit erneut mit einer für abgeschlossen gehaltenen Krankengeschichte konfrontiert wäre. Das ist hier aber nicht der Fall. Die erste Veröffentlichung liegt ca. sechs Wochen vor der zweiten. In der Darstellung die Klägerin, der Beklagte habe sich im Sommer 2000 an sie gewandt, liegt offensichtlich ein Versehen, da die Behandlung in der Klinik ... nach allen anderen auch von der Klägerin eingereichten Unterlagen und Angaben im Jahre 2004 stattgefunden hat.

Soweit die Klägerin unwahre Darstellungen ihrer Geschichte rügt, lässt sich dieser Vortrag im wesentlichen bei dem Vergleich der beiden Berichte, von denen wie ausgeführt der erste von ihr für richtig befunden worden ist, nicht verifizieren. Allein der letzte Absatz der zweiten Veröffentlichung "Heute geht es der Schwäbin einfach blendend. Zu sehen ist lediglich noch eine kleine, gut verwachsene Narbe am Bauch." weicht von der Erstdarstellung auch sinngemäß ab und könnte eine unwahre Behauptung sein. Auch daraus ergibt sich aber kein Schmerzensgeldanspruch. Insofern stellt sich bereits die Frage, inwiefern eine positive Berichterstattung überhaupt eine schwerwiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechts darstellen kann. Andererseits gibt es gerade dafür eine andere Ausgleichsmöglichkeit nämlich zum Beispiel die Gegendarstellung oder Richtigstellung. Darüber hinaus fehlt es an einem unabwendbaren Bedürfnis für eine Entschädigung der Klägerin in Geld, um ihr Genugtuung zu verschaffen und dem Präventionsgedanken Rechnung zu tragen. Selbst wenn eine positive falsche Berichterstattung die Aussichten der Klägerin, Schadensersatz für einen ärztlichen Kunstfehler der Erstbehandler zu erzielen, schmälerte, ergibt sich daraus ein Bedürfnis auf Ersatz eines immateriellen Schadens nicht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Rechtsgebiete

Presserecht