Fotos von Ex-Geliebter und unehelichem Sohn Roberto Blanco: Keine Geldentschädigung

Gericht

OLG Nürnberg


Art der Entscheidung

Berufungsurteil


Datum

07. 03. 2006


Aktenzeichen

3 U 1969/05


Tenor

  1. Die Berufung der Kläger gegen das Endurteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 10.8.2005 wird zurückgewiesen.

  2. Die Kosten des Berufungsverfahrens haben die Kläger zu tragen.

  3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.


Beschluss:

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 15.000,-- EURO festgesetzt.

Entscheidungsgründe


Gründe:

I.

Die Parteien streiten um immateriellen Schadensersatz wegen der Presseberichterstattung der Beklagten über die Kläger.

Die Klägerin zu 1) führte eine intime Beziehung mit dem Schlagersänger ... . Der am 18.10.2000 geborene Kläger zu 2) ist das gemeinsame Kind der Klägerin zu 1) und des Schlagersängers ... .

Die Beklagte gibt die Zeitschrift ... heraus.

Am 20.12.2001 veröffentlichte die Beklagte in der Zeitschrift ... einen Artikel mit der Überschrift "Ein bißchen Spass - auf Kosten seiner Frau". Darin berichtete die Beklagte über die Beziehung der Klägerin zu 1) zu Herrn ... . Sie druckte Fotos ab, auf denen u.a. die Klägerin zu 1) und der Kläger zu 2) abgebildet waren.

Am 8.7.2004 erschien in der Zeitschrift ... ein weiterer Artikel unter der Überschrift "Ehefrau mit eisernen Nerven". Die Beklagte veröffentlichte darin ohne Einwilligung der Kläger ein Foto, welches beide Kläger gemeinsam mit Herrn ... zeigt. Das Foto war während eines bekannten Tennisturniers ... aufgenommen worden und zeigte die Kläger mit Herrn ... auf der sog. "VIP-Tribüne" .

Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sachvortrags wird auf den Tatbestand des Ersturteils verwiesen.

Beide Kläger haben in erster Instanz beantragt, die Beklagte zu verurteilen, ihnen zum Ausgleich der durch die Bild- und Textberichterstattungen entstandenen

Schäden einen Betrag zu bezahlen, dessen Höhe sie in das Ermessen des Gerichts stellten.

Die Beklagten haben Klageabweisung beantragt.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf das Urteil vom 10.8.2005 wird Bezug genommen.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Kläger.

Sie verfolgen unter Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrages ihr Klagebegehren weiter.

Die Beklagte verteidigt das Ersturteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens.


II.

Die Berufung der Kläger ist zulässig, jedoch nicht begründet.

1. Die Ansprüche wegen der Berichterstattung vom 20.12.2001 sind jedenfalls verjährt.

a. Gemäß § 852 BGB a.F., § 48 UrhG beträgt die Verjährungsfrist 3 Jahre ab Kenntniserlangung von Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen.

Die Verjährung beginnt dabei mit dem Tag der Kenntniserlangung, nicht gem. § 201 BGB a.F. mit dem Schluss des Jahres, denn § 201 BGB a.F. bezieht sich nur auf die Verjährungsfristen der §§ 196, 197 BGB, nicht auf die des § 852 BGB a.F.

Wenn das Landgericht den Beginn der Verjährung trotz Kenntnis der Kläger mit Erscheinen des Artikels (20.12.2001) auf den 31.12.2001 festlegt, sind dies schon 10 Tage zugunsten der Kläger gerechnet.

b. Die Verjährung war längstens bis zum 14.2.2005 gehemmt. Gem. § 852 Abs. 2 BGB a.F., § 203 BGB n.F. ist die Verjährung gehemmt, wenn Verhandlungen über den zu leistenden Schadensersatz schweben und zwar solange, bis ein Teil die Fortsetzung der Verhandlungen verweigert.

Für Verhandlungen genügt jeder Meinungsaustausch über den Schadensfall, wenn nicht sofort erkennbar die Verhandlung über die Ersatzpflicht oder jeder Ersatz abgelehnt wird. Es genügen Erklärungen, die den Geschädigten zu der Annahme berechtigen, der Verpflichtete lasse sich jedenfalls auf Erörterungen über die Berechtigung von Schadensersatz ein (Palandt/Thomas, BGB, 61. Auflage, § 852 BGB, RdNr. 18). .

Der mit Schriftsatz der Kläger vom 6.8.2004 geltend gemachte Schadensersatzanspruch wurde mit Schriftsatz der Beklagten vom 18.8.2004 abgelehnt. Daher kann, wie das Landgericht zutreffend feststellt, von Verhandlungen erst ab dem Telefonat des Klägervertreters vom 23.8.2004 ausgegangen werden. Das daraufhin am 3.9.2004 unterbreitete Angebot auf Zahlung von 1.000,-- EURO ging den Klägern am 6.9.2004 zu, den von ihnen beauftragten Rechtsanwälten per Fax aber schon am 3.9.2004 (Anlage BB 3).

Die Hemmung endet durch Verweigerung der Fortsetzung der Verhandlungen. Lässt der Gläubiger die Verhandlungen einschlafen, z.B. durch Schweigen, sind sie in dem Zeitpunkt beendet, in dem der nächste Schritt nach Treu und Glauben zu erwarten gewesen wäre (BGH, NJW 1986, 1337; Palandt/Heinrichs, BGB, 65.Auflage,§ 203 RdNr. 4).

Der nächste Schritt der Klägerseite war spätestens binnen Monatsfrist bis 3.10./6.10.2004 zu erwarten, weshalb die Hemmung allenfalls 43/45 Tage betrug.

Verjährung trat damit spätestens am 14.2.2005 ein. Die Klage vom 24.2.2005 konnte die abgelaufene Verjährung nicht mehr unterbrechen.

2. Auch eine Geldentschädigung wegen der Berichterstattung vom 8.7.2004 steht den Klägern nicht zu, weil jedenfalls keine schwerwiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechts der Kläger gegeben ist.

a) Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH begründet die Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts einen Anspruch auf Geldentschädigung, wenn es sich um einen schwerwiegenden Eingriff handelt und die Beeinträchtigung nicht in anderer Weise befriedigt ausgeglichen werden kann. Ob eine so schwerwiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechts vorliegt, dass die Zahlung einer Geldentschädigung erforderlich ist, kann nur aufgrund der gesamten Umstände des Einzelfalls beurteilt werden. Hierbei sind insbesondere die Bedeutung und die Tragweite des Eingriffs, ferner Anlass und Beweggrund des Handelnden sowie der Grad seines Verschuldens zu berücksichtigen (BGH, Urteil vom 6.12.2005, VI ZR 264/04; BGHZ 128, 1 ff; Wenzel, Das Recht der Wort- und Bilderstattung, 5. Auflage, Art. 14 RdNr. 101).

b)Dabei geht der Senat davon aus, dass jedenfalls beim Kläger zu 2) durch die streitgegenständliche Berichterstattung eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts gegeben ist.

Grundsätzlich dürfen Bildnisse nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden (§ 22 Satz 1 KunstUrhG).

Ohne die nach § 22 KunstUrhG erforderliche Einwilligung dürfen u.a. Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte verbreitet und zur Schau gestellt werden (§ 23 Abs. 1 Nr. 1 KunstUrhG).

Eine ausdrückliche Einwilligung der Kläger zur Verbreitung des streitgegenständlichen Fotos ist vorliegend nicht gegeben.

In Betracht kommt somit allenfalls eine konkludente Einwilligung dadurch, dass die Kläger zusammen mit Herrn ... ein öffentliches Tennisturnier besuchten, sich dort in der VIP-Lounge zeigten und bekannt war, dass das Turnier vom Fernsehen übertragen wird und Presseberichterstattung stattfinden wird (Wenzel, a.a.O., Kapitel 7 RdNr. 63).

Dabei ist jedoch davon auszugehen, dass nach der Rechtsprechung des BGH selbst bei einer Einwilligung in die Berichterstattung durch die Teilnahme an einem Sportwettbewerb grundsätzlich kein Einverständnis für eine Veröffentlichung in anderem Zusammenhang gegeben ist (BGH NJW 2005, 56).

Vorliegend befasste sich die Berichterstattung der Beklagten nicht mit dem Sportereignis als solchem, sondern betraf ausschließlich den persönlichen Bereich der Kläger und des ... .

Bei Kindern kommt darüber hinaus dem Schutzbedürfnis bei Abwägung des Persönlichkeitsrechtes des Betroffenen und dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit besondere Bedeutung zu. Das Recht jedes Kindes auf Entwicklung zur Persönlichkeit umfasst sowohl die Privatsphäre als auch die kindgemäße Entwicklung außerhalb der Privatsphäre in öffentlichen Räumen. Dies gilt auch für Kinder, deren Eltern von zeitgeschichtlicher Bedeutung sind (BVerfG NJW 2000, 1021; 2000, 2191).

Nachdem weder eine ausdrückliche, noch eine konkludente Einwilligung der Kläger in die Berichterstattung vorliegt, beim Beklagten zu 2) es sich darüber hinaus um ein Kind im Alter von 3 1/2 Jahren handelte und insoweit ein Informationsinteresse der Öffentlichkeit nicht ersichtlich ist, liegt jedenfalls beim Beklagten zu 2) ein Eingriff in das Persönlichkeitsrecht vor.

Ob ein solcher auch bei der Klägerin zu 1) gegeben ist, oder ob sie als sog. relative Person der Zeitgeschichte die Berichterstattung zu dulden hat (kritisch: Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, NJW 2004, 2647; NJW 2005, 2480) braucht vom Senat nicht zu entschieden zu werden.

c) Ein Anspruch beider Kläger scheitert jedenfalls daran, dass es sich bei der Berichterstattung vom 8.7.2004 jedenfalls nicht um einen so schwerwiegenden Eingriff handelt, der die Zahlung einer Geldentschädigung erforderlich macht.

Bei der insoweit anzustellenden Abwägung ist zu berücksichtigen, dass die Kläger sich trotz der ihnen bekannten Berichterstattung durch Presse, Funk und Fernsehen entschlossen haben, das öffentliche Tennisturnier zu besuchen. Es handelt sich nicht um ein Foto aus der Privatsphäre. Das Foto ist auch nicht kompromittierend. Es handelt sich auch nicht um ein sog. Paparazzifoto. Darüber hinaus hatte die Klägerin bereits vorher die Öffentlichkeit gesucht, indem sie "ihre Geschichte" gegen Honorar anderen Presseorganen zur Verfügung stellte. Schließlich ist zu sehen, dass es sich um eine einmalige Berichterstattung durch die Beklagte handelte. Die Berichterstattung vom 20.12.2001 ist insoweit nicht mehr zu berücksichtigen, da hier Verjährung eingetreten ist.

Dahinstehen kann, ob die Kläger und ... vorher ausdrücklich eine Presseberichterstattung untersagt hatten. Denn selbst wenn. dies der Fall gewesen wäre, führt dies nicht dazu, dass die Schwelle zur schwerwiegenden Persönlichkeitsverletzung überschritten wird.


III.

1. Kosten: § 97 Abs. 1 ZPO.

2. Vorläufige Vollstreckbarkeit: §§ 708 Nr. 6, 711, 713ZPO.

3. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gern. § 543 ZPO liegen nicht vor.

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Verkündet am 7.3.2006
...
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

Vorinstanzen

LG Nürnberg-Fürth, 3 O 1961/05

Rechtsgebiete

Presserecht