Investigativer Journalismus: Aufnahmen

Gericht

LG Essen


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

12. 01. 2006


Aktenzeichen

4 O 487/05


Tenor

Die Verfügungsbeklagten werden verurteilt, bei Meidung eines Ordnungsgeldes von bis zu 50.000,00 €, an dessen Stelle im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ordnungshaft bis zu 6 Monaten tritt, oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, es zu unterlassen, sämtliche Bild- und Tonaufzeichnungen, die die Antragsgegner zu 2) und 3) am 11.12.2005 in dem Seminarraum ... von der Vortragsveranstaltung der Verfügungsklägerin gefertigt haben, in jeglicher Form zu veröffentlichen, vervielfältigen oder in jeglicher Weise sonst zu verbreiten oder zu verwerten.

Die weitergehenden Anträge werden zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden zu 2/3 der Verfügungsklägerin und zu 1/3 den Verfügungsbeklagten auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der / die jeweilige Vollstreckungsschuldner/in darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der 1 die jeweilige Vollstreckungsgläubiger/in vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von jeweils 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand


Tatbestand:

Die Verfügungsklägerin führte am 11.12.2005 in den Räumen des Hotels ... in ... eine Vortragsveranstaltung durch. Dozenten waren Herr ... und der Vater des Geschäftsführers der Verfügungsklägerin, Herr ... . Auf Veranlassung des Verfügungsbeklagten zu 1) suchten die Verfügungsbeklagten zu 2) und 3) die Tagung auf, wo sie ungefragt Filmaufnahmen von den Dozenten und Teilnehmern anfertigten. Hierbei wurde die Filmkamera vom Verfügungsbeklagten zu 2) gehalten und der Verfügungsbeklagte zu 3) trug ein Mikrofon. Die beiden wurden von den Dozenten der Veranstaltung verwiesen. Später am Tag suchte der Vater des Geschäftsführers der Verfügungsklägerin mit einem Rechtsanwalt die Polizeiwache in Gladbeck auf. Dort wurden sie vom Verfügungsbeklagten zu 2) erwartet, der wiederum Filmaufnahmen von beiden Personen anfertigte.

Der Verfügungsbeklagte zu 3) ist Mitglied des Vereins ... .

Die Verfügungsklägerin behauptet, die Verfügungsbeklagten seien bei der Anfertigung der Aufnahmen gewaltsam vorgegangen und hätten Aufforderungen, sofort die Örtlichkeit zu verlassen, missachtet.

Der Verfügungsbeklagte zu 3) versuche seit mehreren Jahren, die ... GmbH in Zusammenhang mit einem Verein ... zu bringen und beide zu diskreditieren, vermutlich weil es sich zumindest bei dem Verein um ein Konkurrenzunternehmen des Vereins des Verfügungsbeklagten zu 3) handele. Tatsächlich bestehe kein geschäftlicher Zusammenhang zwischen der ... GmbH und dem ... . Sie meint, sie sei in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht, dem Recht am eigenen Wort und Bild sowie dem Recht auf Schutz des Namens und Bildes zu Werbezwecken verletzt. Es sei zu befürchten, dass die bei dem Vorfall gefertigten Aufzeichnungen dazu verwandt werden sollen, die ... GmbH öffentlich im Zusammenhang mit dem Verein ... zu diskreditieren. Dies ergebe sich aus der bereits erfolgten Diskreditierung in der Vergangenheit und der brutalen Vorgehensweise bei der Beschaffung der Aufnahmen.

Die Verfügungsklägerin beantragt,

  1. den Verfügungsbeklagten bei Meidung eines Ordnungsgeldes von bis zu 50.000,- €, an dessen Stelle im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ordnungshaft bis zu 6 Monaten tritt, oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu verbieten, sämtliche derjenigen Bild- und Tonaufzeichnungen, die die Verfügungsbeklagten zu 2) und 3) am 11.12.2005 auf dem gesamten Gelände des ... in der ... sowie im gesamten Umfeld des Gebäudes der Polizeiinspektion ... des Polizeipräsidiums Recklinghausen von Personen, die zu der Antragstellerin und deren Veranstaltung gehören, gefertigt haben und die eine solchen Aufzeichnungen darstellen, bei denen die Personen nur als Beiwerk neben einer Landschaft oder sonstigen Örtlichkeit erscheint oder deren Fertigung und Veröffentlichung in sonstiger Weise gerechtfertigt ist - z.B. i.S.d. § 23 Abs. KunstUrhG - in jeglicher Form zu veröffentlichen, vervielfältigen oder in jeglicher Weise sonst zu verbreiten oder zu verwerten,

  2. anzuordnen, dass die Verfügungsbeklagten sämtliche existenten vorgenannten Bild- und Tonaufzeichnungen im Original, sowie sämtliche existenten hiervon gefertigten Vervielfältigungen jeglicher Art an einen von der Verfügungsklägerin zu beauftragenden Gerichtsvollzieher herauszugeben haben,

  3. bei Meidung eines Ordnungsgeldes von bis zu 50.000,- €, an dessen Stelle im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ordnungshaft bis zu 6 Monaten tritt, oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, für jeden einzelnen Fall der Zuwiderhandlung anzuordnen, dass die Verfügungsbeklagten für den Fall, dass sie die in den Anträgen zu I. und 11. bezeichneten Bild- und Tonaufnahmen bereits an jegliche Dritte weitergegeben haben, unverzüglich - erforderlichenfalls gerichtlich - diesen gegenüber ihre Rechte als Urheber der vorgenannten Aufzeichnungen i.S.d. §§ 2, 4 Abs. 1, 7, 8, 9, 12, 15, 16, 17, 18, 19, 20, 21, 22 UrhG dergestalt geltend zu machen haben, dass jegliche Dritte die vorgenannten Aufzeichnungen in keiner der im Antrag zu I. bezeichneten oder jeglicher Weise sonst veröffentlichen, vervielfältigen, verbreiten oder verwerten darf und sämtliche bei jeglichen Dritten befindlichen existenten Originale der vorgenannten Aufzeichnungen sowie sämtliche existente hiervon gefertigten Vervielfältigungen jeglicher Art an die Verfügungsbeklagten - erforderlichenfalls nach § 42 UrhG - herauszugeben sind und von den Verfügungsbeklagten sodann an einen von der Verfügungsklägerin zu beauftragenden Gerichtsvollzieher herauszugeben sind oder wahlweise auch von jeglichen Dritten direkt an einen von der Verfügungsklägerin zu beauftragenden Gerichtsvollzieher herauszugeben sind.

Die Verfügungsbeklagten beantragen,

den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.

Die Verfügungsbeklagten wenden hiergegen ein:

Das angerufene Gericht sei schon örtlich nicht zuständig, da keine unerlaubte Handlung ersichtlich sei. Der Verfügungsklägerin stehe ein eigenes Recht am eigenen Bild als juristische Person nicht zu. Sie sei auch nicht berechtigt, Rechte anderer Personen gelten zu machen. Eigene Unternehmenspersönlichkeitsrechte der Verfügungsklägerin seien nicht verletzt. Aus den Aufnahmen sei die Verfügungsklägerin selbst nicht erkennbar. Die Klageanträge zu 2) und 3) seien im einstweiligen Rechtschutz schon nicht durchsetzbar. Der Verfügungsbeklagte zu 3) sei schon nicht passivlegitimiert, weil er weder selbst Aufnahmen gefertigt habe noch für die Verwendung des Materials verantwortlich sei.

Die Anfertigung der Aufnahmen sei auch nicht rechtswidrig, sondern im Rahmen journalistischer Recherche erfolgt. Es sei lediglich um das Sammeln von Informationen gegangen. Einen Hausfriedensbruch oder gar körperliche Gewaltanwendung seien nicht erfolgt. Ob eine Ausstrahlung des Materials letztlich zulässig sei, könne noch gar nicht entschieden werden, aber möglicherweise handele es sich bei der Verfügungsklägerin sogar um eine relative Person der Zeitgeschichte. Im übrigen bediene sich die Verfügungsklägerin durchaus unseriöser Mittel, um Schuldnern das Geld aus der Tasche zu ziehen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des wechselseitigen Vortrages wird auf die zur Akte gereichten Schriftsätze der Parteien Bezug genommen.

Entscheidungsgründe


Entscheidungsgründe:

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist teilweise insoweit begründet aus §§ 935, 940 ff ZPO, 823 Abs. 1, 1004 BGB, als die Verfügungsklägerin von den Verfügungsbeklagten Unterlassung jeglicher Veröffentlichung und Verbreitung der von ihnen gefertigten Bild- und Tonaufzeichnungen, die unmittelbar in dem Seminarraum, den die Verfügungsklägerin angemietet hatte, angefertigt wurden, verlangt, im übrigen ist der Antrag nicht begründet.

Das Landgericht Essen ist für diesen Antrag örtlich zuständig nach § 32 ZPO, weil die Verfügungsklägerin einen Eingriff in ihren eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, mithin eine unerlaubte Handlung nach § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 2, 1 GG geltend macht.

Die Verfügungsklägerin hat gegen die Verfügungsbeklagten einen Unterlassungsanspruch, da die Anfertigung der Aufnahmen in dem Seminarraum rechtswidrig war und sie in ihrem Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb verletzt. Bereits die Herstellung von Bildaufnahmen kann unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls und einer Güter- und Interessenabwägung einen unzulässigen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Betroffenen darstellen, selbst wenn keine Verbreitungsabsicht besteht (BGH, Urteil v. 25.04.1995 - VI ZR 272/94, NJW 1995 Seite 1955 ff). Nach dem Pressekodex des deutschen Presserates dürfen zwar bei der Beschaffung von Nachrichten, Informationsmaterial und Bildern keine unlauteren Methoden angewandt werden. Allerdings fällt auch die Publikation rechtswidrig recherchierter Informationen grundsätzlich in den Schutzbereich von Art. 5 GG. Ob hierbei die Vorgehensweise noch von der Pressefreiheit gedeckt ist, ist auch danach zu beurteilen, ob etwa zu ermittelnde Geschäftspraktiken anders als durch die vorgenommene Art der Recherche nicht aufgedeckt werden können (OLG München, Urteil vom 20.01.2005 - 6 U 3236/04, AfP 2005 Seite 371 ff). Im vorliegenden Fall stellt sich das Vorgehen der Verfügungsbeklagten gegenüber dem Verfügungskläger jedoch im vorgenannten Sinne als rechtswidrig dar. Denn durch die Anfertigung der Aufnahmen in dem Seminarraum haben die Verfügungsbeklagten - da die Verfügungsbeklagten zu 2) und 3) im Auftrag des Verfügungsbeklagten zu 1) gehandelt haben, hat sich dieser das Verhalten der beiden anderen zuzurechnen lassen - die Verfügungsklägerin in ihrem Hausrecht verletzt, § 139 StGB. Die Verfügungsklägerin hatte den ... für ihre Vortragsveranstaltung angemietet. Diese richtete sich an eine begrenzte Teilnehmerzahl und war nicht an die Öffentlichkeit gerichtet. Zu dieser Veranstaltung nicht eingeladene Dritte waren daher nicht befugt, in diese Räumlichkeiten, deren Türen verschlossen waren, einzudringen und hierbei Bild- und Tonaufnahmen von den Dozenten und deren Teilnehmern anzufertigen. Hierzu hat die Verfügungsklägerin auch kein - stillschweigendes - Einverständnis erklärt, sondern vielmehr wurden die Verfügungsbeklagten zu 2) und 3) nach dem Überraschungsmoment ihres Auftrittes durch die Dozenten aus dem Raum gewiesen. Hiervon konnte sich die Kammer durch Inaugenscheinnahme des von den Verfügungsbeklagten überreichten Videobandes überzeugen. Die Verfügungsklägerin hat auch ein schutzwürdiges Interesse an einer Unterlassung der Aufnahmen. Denn die von ihr abgehaltene Veranstaltung richtete sich ausschließlich an die Teilnehmer und die dort vermittelten Inhalte sollten lediglich dieser begrenzten Personenzahl zugänglich gemacht werden. Aus diesem Grund erstreckt sich der Unterlassungsanspruch auch nicht auf einzelne Teile der gefertigten Aufnahmen, sondern betrifft sämtliche Aufnahmen, die innerhalb des Tagungsraumes angefertigt wurden.

Die Verfügungsbeklagten können sich demgegenüber nicht auf ihre Pressefreiheit aus Art. 5 GG berufen. Denn selbst wenn sie ein Interesse daran hatten, zur Aufdeckung etwaiger missbräuchlicher Vorgehensweisen der Verfügungsklägerin die Dozenten und Teilnehmer der Veranstaltung mit ihren Vorwürfen zu konfrontieren und hierdurch eine verwertbare Spontanreaktion zu erzielen, bestand kein zwingender Anlass, hierzu in eine geschlossene Veranstaltung einzudringen. Vielmehr hätte eine solche Konfrontation auch in vergleichbarer Weise außerhalb der Tagungsräumlichkeiten erfolgen können. Das Handeln der Verfügungsbeklagten stellt sich insoweit nicht als einzige Möglichkeit einer sonst nicht verfügbaren Informationsbeschaffung dar, sondern diente dem Zweck, für eine etwaige spätere Veröffentlichung über möglichst sensationelles Material zu verfügen. Dies kann jedoch im Rahmen des Schutzbereiches von Art. 5 GG nicht dazu führen, dass diese Vorgehensweise Vorrang vor den berechtigten Interessen der Verfügungsklägerin genießt.

Der Anspruch ist auch gegen den Verfügungsbeklagten zu 3) begründet. Der Verfügungsbeklagte zu 3) hat als Gehilfe bei der Erstellung der Aufnahmen mitgewirkt. Selbst wenn er nicht in Besitz der Aufnahmen ist, sieht die Kammer die Gefahr für begründet, dass er an einer späteren Veröffentlichung durchaus mitwirkt.

Die weitergehenden Anträge der Verfügungsklägerin sind nicht begründet. Soweit die Verfügungsklägerin Unterlassung auch einer Veröffentlichung etwaiger auf dem übrigen Gelände des ... gefertigter Aufnahmen verlangt, ist schon nicht glaubhaft gemacht, dass hier überhaupt Aufnahmen von den Dozenten oder Teilnehmern der Veranstaltung angefertigt wurden. Soweit Aufnahmen vor dem Polizeigebäude in Gladbeck angefertigt wurden, liegt kein Eingriff in die geschützte Sphäre der Verfügungsklägerin vor, so dass die Anfertigung der Aufnahmen als solches sich nicht als rechtswidrig darstellt. Ob eine etwaige spätere Veröffentlichung dieser Aufnahmen die Verfügungsklägerin in ihren Rechten verletzt, kann noch nicht festgestellt werden, da weder feststeht, dass insoweit eine Veröffentlichung erfolgen wird, noch wie diese aussehen würde.

Eine Anordnung der Herausgabe der Aufnahmen an einen Gerichtsvollzieher erscheint zur Wahrung der Rechte der Verfügungsklägerin im Eilverfahren nicht erforderlich. Denn zum einen ist weder ersichtlich, dass eine Veröffentlichung der Aufnahmen unmittelbar droht und zum anderen sich die Verfügungsbeklagten sich nicht bereits durch die mit einer Strafandrohung verbundene Unterlassungsverpflichtung hiervon abhalten lassen werden.

Der Antrag zu III. schließlich ist ebenfalls nicht begründet, da die Verfügungsklägerin nicht glaubhaft gemacht hat, dass bereits eine Weitergabe der Aufzeichnungen durch die Verfügungsbeklagten erfolgt ist. Insoweit wäre es Sache der Verfügungsklägerin, sich durch ein Auskunftsersuchen an die Verfügungsbeklagten hierüber zunächst Kenntnis zu verschaffen und sodann ggf. selbst eine Veröffentlichung zu verhindern. Ferner ist auch mangels Darlegung der rechtlichen Verhältnisse zwischen den Verfügungsbeklagten und etwaigen Dritten nicht ersichtlich, ob die Verfügungsbeklagten für den Fall der Weitergabe an Dritte von diesen überhaupt eine Rückgabe des Materials verlangen könnten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht auf Grund von §§ 708 Nr. 6,11,711 ZPO.

Rechtsgebiete

Presserecht