Ausschluss des Versorgungsausgleichs wegen grober Unbilligkeit bei fehlender Haushaltstätigkeit des nicht erwerbstätigen Ehegatten
Gericht
BGH
Art der Entscheidung
Beschluss über weitere Beschwerde
Datum
24. 03. 2004
Aktenzeichen
XII ZB 27/99
Zum Ausschluss des Versorgungsausgleichs wegen grober Unbilligkeit (§ 1587c Nr. 1 BGB), wenn der ausgleichsberechtigte Ehegatte während der Ehezeit weder erwerbstätig war, noch den gemeinsamen Haushalt überwiegend versorgt, sondern auf Kosten des anderen Ehegatten eine Berufsausbildung absolviert hat, die es ihm ermöglicht, sich im Rahmen einer späteren Berufsausübung eine eigene Alterssicherung zu verschaffen.
Auszüge aus dem Sachverhalt:
Die Parteien haben am 12. 7. 1985 geheiratet. Der Scheidungsantrag der Ehefrau (Ast.; geboren am 5. 1. 1954) ist dem Ehemann (Ag.; geboren am 13. 12. 1957) am 12. 3. 1996 zugestellt worden. Das AG - FamG - hat durch Urteil die Ehe geschieden (insoweit rechtskräftig), nachdem der Versorgungsausgleich abgetrennt worden war. Im Weiteren hat das AG den Versorgungsausgleich durch Beschluss gem. § 1587c Nr. 1 BGB ausgeschlossen. Dabei hat es nach den Auskünften der weiteren Bet. zu 1 und 2 beamtenrechtliche Versorgungsanwartschaften der Ehefrau beim Landesamt für Besoldung und Versorgung Nordrhein-Westfalen (LBV; weiterer Bet. zu 2) in Höhe von monatlich 971,03 DM sowie gesetzliche Rentenanwartschaften des Ehemanns bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA; weitere Bet. zu 1) in Höhe von monatlich 151,05 DM, bezogen auf den 29. 2. 1996, zu Grunde gelegt. Auf die Beschwerde des Ehemanns hat das OLG die Entscheidung des AG dahin gehend abgeändert, dass zu Lasten der für die Ehefrau beim LBV bestehenden Anwartschaften auf dem Versicherungskonto des Ehemanns bei der BfA monatliche Rentenanwartschaften in Höhe von 377,92 DM, bezogen auf den 29. 2. 1996, begründet werden.
Mit der zugelassenen weiteren Beschwerde möchte die Ehefrau die Wiederherstellung der amtsgerichtlichen Entscheidung erreichen. Der Ehemann beantragte die Zurückweisung der weiteren Beschwerde. Die weiteren Bet. haben sich im Verfahren der weiteren Beschwerde nicht geäußert. Das Rechtsmittel hatte Erfolg und führte zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückweisung der Beschwerde des Ag.
Auszüge aus den Gründen:
1. Das OLG hat ausgeführt, dass die Anwendung der Härteklausel nach § 1587c Nr. 1 BGB vorliegend nicht gerechtfertigt sei, weil unter Berücksichtigung aller hier zu bewertenden Umstände die Durchführung des Versorgungsausgleichs nicht als grob unbillig erscheine. Zwar habe die Ehefrau dem Ehemann das Studium finanziert und - als Ausgleichspflichtige - den größeren Anteil an der Hausarbeit und der Kinderbetreuung wahrgenommen. Die Besonderheiten des vorliegenden Falls lägen jedoch darin, dass die Ehefrau das Studium des Ehemanns nur bis zu seinem erfolgreichen Abschluss im Februar 1992 finanziert habe. Von September 1992 bis Dezember 1993 habe der Ehemann eine eigene Erwerbstätigkeit ausgeübt. Anschließende Zeiten der Arbeitslosigkeit seien unschädlich. Der Ehemann habe sich während seines Studiums nach seinen Kräften auch um Haushalt und Kinderbetreuung gekümmert, woraus die Ehefrau jedenfalls insoweit auf eine partnerschaftliche Gesinnung des Ehemanns habe schließen können. Im Übrigen habe der Ehemann in gewissem Umfang zum Lebensunterhalt der Familie beigetragen, wenn er auch aus der Nachbetrachtung heraus offensichtlich den finanziellen Erfolg seiner zeitweiligen Berufstätigkeiten während seines Studiums überschätze. Schließlich seien dem Ehemann durch seine Übersiedlung nach Deutschland ebenfalls berufliche Nachteile entstanden.
2. Diese Erwägungen werden der Sachlage nicht gerecht. Zwar unterliegt es in erster Linie der tatrichterlichen Beurteilung, ob und inwieweit die Durchführung des Versorgungsausgleichs grob unbillig nach § 1587c Nr. 1 BGB erscheint. Die tatrichterliche Bewertung ist im Verfahren der weiteren Beschwerde nur daraufhin zu überprüfen, ob alle wesentlichen Umstände berücksichtigt worden sind und das Gericht sein Ermessen in einer dem Gesetzeszweck entsprechenden Weise ausgeübt hat (vgl. Senat, FPR 2003, 124 = FamRZ 2003, 437 [438]; FPR 2002, 86; NJW-RR 1989, 902 = FamRZ 1989, 1060 [1061]; NJW-RR 1988, 709 = FamRZ 1988, 600; NJW-RR 1987, 578 [579]; NJW-RR 1987, 324 = FamRZ 1978, 362 [364], und NJW 1984, 302 = FamRZ 1983, 1217 [1218]).
Dabei hat das OLG indes nicht ausreichend gewürdigt, dass die Ehefrau nicht nur für die gesamte Ausbildung des Ehemanns in Deutschland aufgekommen ist, sondern dass er auch nach Abschluss des Studiums lediglich für den Zeitraum von September 1992 bis Dezember 1993 einer eigenen Beschäftigung nachgegangen ist, während er ansonsten weiterhin vom Einkommen der Ehefrau gelebt hat, ohne sich seinerseits in angemessener Weise in den Dienst der Familie zu stellen. Nach den Feststellungen des OLG hat die Ehefrau sogar nach der Geburt der Tochter der Parteien am 10. 10. 1987 im Erziehungsurlaub (6. 12. 1987 bis 9. 10. 1988) weiter gearbeitet (vom 1. 2. 1988 bis 9. 10. 1988 als Teilzeitbeschäftigte), um den Unterhaltsbedarf der Familie sicherzustellen. Die Ehefrau hat während sieben der acht Jahre, die die Parteien nach der Eheschließung zusammengelebt haben, durch ihre Erwerbstätigkeit nahezu allein für den Unterhalt der Familie gesorgt. Die geringen und sehr unregelmäßigen Einkünfte, die der Ehemann während seines Studiums durch Gelegenheitsarbeiten erzielt hat, fallen demgegenüber nicht ins Gewicht. Die Ehefrau hat somit sowohl das Studium des Ehemanns finanziert als ihn auch in der anschließenden Zeit seiner Arbeitslosigkeit unterhalten. Auf der anderen Seite kann nach den Feststellungen des OLG nicht davon ausgegangen werden, dass der Ehemann etwa die Führung des Haushalts übernommen hätte. Die Mithilfe, die er geleistet hat, hat sich im Wesentlichen auf die Kindesbetreuung unmittelbar nach der Geburt der Tochter beschränkt. Denn er räumt selbst ein, dass in den Jahren 1990 bis 1992 eine Betreuerin für die Tochter herangezogen werden musste, da seine Examensvorbereitungen ihn daran gehindert hätten, die Tochter selbst zu versorgen. Entgegen der Auffassung des OLG kann die fehlende Haushaltstätigkeit des Ehemanns auch nicht etwa durch eine partnerschaftliche Gesinnung ausgeglichen werden.
Indem das OLG selbst unter diesen Umständen nicht von der Härteklausel des § 1587c Nr. 1 BGB Gebrauch gemacht hat, hat es an das Vorliegen einer groben Unbilligkeit im Sinne dieser Bestimmung zu strenge Anforderungen gestellt. Die Anwendung der Härteklausel kommt jeweils in Betracht, wenn auf Grund besonderer Verhältnisse die uneingeschränkte Durchführung des Versorgungsausgleichs dem Grundgedanken des Rechtsinstituts in unerträglicher Weise widersprechen würde (vgl. Senat, FPR 2002, 86; NJW-RR 1989, 902 = FamRZ 1989, 1060 [1061]; NJW-RR 1988, 709 = FamRZ 1988, 600; NJW-RR 1987, 578 [579] und NJW 1984, 302 = FamRZ 1983, 1217 [1218]; Wick, Der Versorgungsausgleich, 2004, Rdnr. 240). So liegt der Fall hier.
Der Gesetzgeber wollte mit dem Versorgungsausgleich vornehmlich die soziale Lage desjenigen Ehegatten verbessern, der wegen in der Ehe übernommener anderer Aufgaben Einschränkungen in seiner beruflichen Entfaltung auf sich genommen und dadurch ehebedingte Nachteile in seiner versorgungsrechtlichen Lage erlitten hat (st. Rspr. des Senats seit BGHZ 74, 38 [42ff.] = NJW 1979, 1289). Das trifft nicht auf einen Ehegatten zu, der während der Ehezeit weder erwerbstätig war, noch den Haushalt versorgt, sondern sich - wie hier der Ehemann - einer Ausbildung gewidmet hat, die es ihm zudem ermöglicht, sich im Rahmen einer späteren Berufsausübung eine Alterssicherung zu verschaffen. Er erleidet dann keine ehebedingten Nachteile im Aufbau eigener Versorgungsanwartschaften, sondern steht insoweit nicht anders da, als wenn er nicht geheiratet hätte. Allerdings vermag es für sich allein noch keine „grobe“ Unbilligkeit i.S. von § 1587c Nr. 1 BGB zu begründen, dass der Fall von der Grundkonstellation abweicht, die dem Gesetzgeber bei der Einführung des Versorgungsausgleichs vor Augen stand. Entscheidend ist vielmehr, wie der Senat bereits mehrfach ausgesprochen hat, der Umstand, dass der erwerbstätige Teil das Studium des anderen finanziert und ihm damit die Basis für ein eigenes berufliches Fortkommen und den Aufbau einer eigenen Altersversorgung verschafft hat. Es wäre grob unbillig, ihn ohne Rücksicht darauf dem Versorgungsausgleich zu unterwerfen, dass er sein Einkommen bereits in dieser Form für den anderen Ehegatten zur Verfügung gestellt hat. Dieser würde dann aus dem Einkommen des erwerbstätigen Teils gleichsam zum zweiten Mal Nutzen ziehen (vgl. Senat, NJW-RR 1989, 902 = FamRZ 1989, 1060 [1061]; NJW-RR 1988, 709 = FamRZ 1988, 600; NJW-RR 1987, 578 [579], und NJW 1984, 302 = FamRZ 1983, 1217 [1218]; Johannsen/Henrich/Hahne, EheR, 4. Aufl., § 1587c Rdnr. 21; Wick, Rdnr. 248).
Danach war vorliegend die Durchführung des Versorgungsausgleichs insgesamt auszuschließen. Von der Heirat im Juli 1985 bis zur Trennung der Parteien im Oktober 1993 lebte der Ehemann bis auf die Zeit ab September 1992 nahezu ausschließlich vom Einkommen der Ehefrau. Auch hatte er nach den Feststellungen des OLG weder die Haushaltsführung übernommen, noch sich überwiegend der Kindesbetreuung gewidmet. Unter diesen Umständen wäre es grob unbillig, wenn man die Ehefrau gleichwohl zusätzlich zum Versorgungsausgleich heranziehen würde.
Dass der Ehemann nach seinen Angaben sein Studium in Frankreich bis 1985 hätte abschließen können, vermag keine andere Beurteilung zu rechtfertigen, da die Parteien erst im Juli 1985 geheiratet haben. Damit kann der Abbruch des Studiums in Frankreich nicht als ehebedingter Nachteil gewertet werden.
3. Einer Zurückverweisung der Sache an den Tatrichter bedarf es nicht. Der Senat sieht sich auf der Grundlage der Feststellungen des BerGer. zu einer abschließenden Entscheidung in der Lage. Zwar können die Voraussetzungen des § 1587c Nr. 1 BGB in der Regel erst dann geprüft werden, wenn ermittelt ist, welche Versorgungsanrechte die Ehegatten in der Ehezeit erworben haben. Denn erst dann wird eine Abwägung aller Umstände möglich sein (vgl. Johannsen/Henrich/Hahne, § 1587c Rdnr. 6 m.w. Nachw.).
Vorliegend berücksichtigen die Auskünfte der weiteren Bet. zu 1 und 2, die das BerGer. seinen Feststellungen zu Grunde gelegt hat, naturgemäß noch nicht die zwischenzeitlich eingetretenen Rechtsänderungen durch das Gesetz zur Reform des öffentlichen Dienstrechts vom 24. 2. 1997 (BGBl I, 322) und die Absenkung des Höchstruhegehaltssatzes nach § 14 I 1 BeamtVG in der Fassung des Art. 1 Nr. 11 des Versorgungsänderungsgesetzes 2001 vom 20. 12. 2001 (BGBl I, 3926) und den nordrhein-westfälischen Bemessungsfaktor von 50% für 2004 hinsichtlich der Sonderzuwendung (Gesetz über die Anpassung von Dienst- und Versorgungsbezügen in Bund und Ländern 2003/2004 sowie zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften vom 10. 9. 2003 - BGBl I, 1798 - i.V. mit § 6 I des Gesetzes über die Gewährung einer Sonderzahlung an Beamte, Richter und Versorgungsempfänger für das Land Nordrhein-Westfalen vom 20. 11. 2003 - GVBl, 696) sowie die Absenkung des Rentenniveaus in der gesetzlichen Rentenversicherung durch das Gesetz zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung und zur Förderung eines kapitalgedeckten Altersvorsorgevermögens (Altersvermögensgesetz/AVmG - vom 26. 6. 2001, BGBl I, 1310) und das Gesetz zur Ergänzung des Gesetzes zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung und zur Förderung eines kapitalgedeckten Altersvorsorgevermögens (Altersvermögensergänzungsgesetz/AVmEG - vom 21. 3. 2001, BGBl I, 403; zur Anwendung des zur Zeit der Entscheidung geltenden Versorgungsrechts, sofern es seinem zeitlichen Geltungswillen nach auch das ehezeitlich erworbene Versorgungsanrecht umfasst, vgl. etwa Senat, FamRZ 2003, 435 m.w. Nachw.).
Auch mit Rücksicht darauf, dass die zum Ruhegehalt gezahlte jährliche Sonderzuwendung als einheitlicher Bestandteil der Beamtenversorgung keiner Dynamisierung bedarf (vgl. Senat, NJW-RR 1999, 802 = FamRZ 1999, 713; NJWE-FER 2000, 195 = FamRZ 2000, 748 [749], und FamRZ 2003, 435 [437]; FPR 2003, 124 = FamRZ 2003, 437 [438]), wird auf Grund der genannten Rechtsänderungen weder eine gravierende Änderung des ermittelten Betrags noch eine Umkehr des Versorgungsausgleichs zu Gunsten der Ehefrau in Betracht kommen. Der Senat erachtet es deswegen für ausgeschlossen, dass das BeschwGer. bei den vorliegenden Gegebenheiten nach Ermittlung der zutreffenden Beträge sein Ermessen in anderer Weise ausübt, als den Versorgungsausgleich insgesamt auszuschließen, und entscheidet daher selbst abschließend.
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