Nutzungsentschädigung bei nahezu wertlos gewordener Leasingsache

Gericht

BGH


Art der Entscheidung

Revisionsurteil


Datum

13. 04. 2005


Aktenzeichen

VIII ZR 377/03


Leitsatz des Gerichts

Das Verlangen des Leasinggebers nach Zahlung einer Nutzungsentschädigung in Höhe der vereinbarten Leasingrate wegen Vorenthaltung der vom Leasingnehmer vertragswidrig nicht zurückgegebenen Leasingsache ist erst dann als unzulässige Rechtsausübung anzusehen, wenn der Zeitwert des Leasingobjekts alters- oder gebrauchsbedingt so weit abgesunken ist, daß eine Nutzungsentschädigung in Höhe der vereinbarten monatlichen Leasingrate zu dem verbliebenen Verkehrs- oder Gebrauchswert der Leasingsache völlig außer Verhältnis steht.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 18. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 25. November 2003 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.

Von Rechts wegen

Tatbestand


Tatbestand:

Die Klägerin, eine Leasinggesellschaft, schloß im Juli 1996 mit der Beklagten einen Finanzierungsleasingvertrag (Vollamortisationsvertrag) über sechs Bügelmaschinen des Typs "Hosentopper" ab. Der Vertrag hatte eine Laufzeit von 36 Monaten. Die Anschaffungskosten der Leasinggegenstände sind mit netto 55.500 DM angegeben. Die monatliche Leasingrate belief sich auf netto 1.550 DM. Außerdem war eine Mietsonderzahlung in Höhe von netto 11.100 DM vereinbart.

Die Beklagte erklärte mit Schreiben vom 14. August 1999, den Leasingvertrag zu kündigen, und bat um Mitteilung des "Rückkaufswerts" bis zum 31. August 1999. Eine Einigung über den Verkauf der Leasinggegenstände an die Beklagte kam nicht zustande. Die Beklagte stellte mit Ablauf des Monats November 1999 die Zahlung der Leasingraten ein. Die Leasinggegenstände gab sie trotz mehrfacher Aufforderung nicht an die Klägerin zurück. Sie beruft sich auf eine - von der Klägerin bestrittene - Vereinbarung, derzufolge sie die Leasinggegenstände nach Vertragsablauf gegen Zahlung einer Leasingrate zu Eigentum erwerben könne. Im Verlaufe des Rechtsstreits hat sie darüber hinaus behauptet, die Maschinen seien nach vier Jahren Einsatz im Drei-Schicht- Betrieb in einem ihrer Betriebe in Tunesien verschlissen gewesen und im April 2000 in Tunesien verschrottet worden.

Die Klägerin, die dies alles bestreitet, begehrt von der Beklagten gemäß Nr. 12 Abs. 2 ihrer Allgemeinen Leasingbedingungen, wonach der Leasingnehmer bei Nichtrückgabe des Leasingobjekts für jeden angefangenen Monat der nicht erfolgten Rückgabe die im Leasingvertrag vereinbarte Leasingrate als Nutzungsentschädigung zu zahlen hat, wegen Vorenthaltung der zurückzugebenden Leasingobjekte eine Nutzungsvergütung in Höhe der vereinbarten monatlichen Leasingrate für die Monate Dezember 1999 bis einschließlich August 2002, insgesamt 30.336,90 € (33 Monatsraten zu je 919,30 €).

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten hatte keinen Erfolg. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt sie ihr Klageabweisungsbegehren weiter.

Entscheidungsgründe


Entscheidungsgründe:

Die Revision ist nicht begründet. Sie ist daher zurückzuweisen.


I.

Das Berufungsgericht hat im wesentlichen ausgeführt: Die Beklagte schulde die von der Klägerin geforderte Nutzungsvergütung für 33 Monate, weil sie die sechs Bügelmaschinen "Hosentopper" bisher nicht zurückgegeben habe. Der Anspruch der Klägerin auf Zahlung einer Nutzungsentschädigung in Höhe der vereinbarten Leasingraten ergebe sich zum einen aus dem Leasingvertrag, der in Nr. 12 Abs. 2 der Allgemeinen Leasingbedingungen der Klägerin einen Entschädigungsanspruch in diesem Umfang bis zur Rückgabe der Leasinggegenstände vorsehe, in gleicher Weise aber auch aus § 557 Abs. 1 BGB a.F. Das Zustandekommen einer Vereinbarung zwischen den Parteien dahin, daß die Beklagte nach Beendigung des Leasingvertrages die geleasten Gegenstände gegen Zahlung einer Monatsrate übernehmen könne, habe die Beklagte nicht nachzuweisen vermocht. Die von der Beklagten geschuldete Nutzungsvergütung belaufe sich auf die volle Höhe der vereinbarten Leasingraten. Dafür sei es ohne Bedeutung, daß es sich bei dem zugrundeliegenden Leasingvertrag um einen Vollamortisationsvertrag handele. Unerheblich sei ferner, ob die Beklagte aus den vorenthaltenen Leasingobjekten weiter Nutzen ziehen könne. Allein die Beendigung der Gebrauchsfähigkeit aufgrund altersbedingter Abnutzung könne zum Erlöschen des Anspruchs führen. Die Beklagte habe jedoch nicht nachgewiesen, daß dieser Zustand bei den sechs Bügelmaschinen "Hosentopper" erreicht worden sei.


II.

Diese Beurteilung hält den Angriffen der Revision stand.

1. Ein Anspruch auf Nutzungsentschädigung läßt sich entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts allerdings nicht aus Nr. 12 Abs. 2 der Allgemeinen Leasingbedingungen der Klägerin herleiten; denn die Klausel ist, wie der Senat mit Urteil vom 7. Januar 2004 (VIII ZR 103/03, WM 2004, 1187), das dem Berufungsgericht bei seiner Entscheidung noch nicht bekannt sein konnte, für eine gleich lautende Klausel entschieden hat, wegen unangemessener Benachteiligung des Leasingnehmers nach § 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG (jetzt § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB) unwirksam. Das ist jedoch unschädlich, da sich der eingeklagte Anspruch, wie auch das Berufungsgericht richtig gesehen hat, schon unmittelbar aus dem Gesetz ergibt.

2. Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats, die auch das Berufungsgericht seiner Entscheidung zugrunde legt, ist § 557 Abs. 1 BGB a.F. (jetzt: § 546a BGB) auf Finanzierungsleasingverträge anwendbar (BGHZ 107, 123, 126 ff.; zuletzt Senatsurteil vom 7. Januar 2004 aaO unter II 2 a). Das gilt auch für Vollamortisationsverträge, bei denen - wie hier - der Leasingnehmer bereits alle vereinbarten Leasingraten gezahlt hat (BGHZ aaO S. 127 f.), und unabhängig davon, ob und inwieweit dem Leasinggeber aus der Vorenthaltung des Leasingguts ein Schaden erwachsen ist und ob der Leasingnehmer aus dem vorenthaltenen Leasinggegenstand einen entsprechenden Nutzen hat ziehen können (BGHZ aaO S. 128 f.). An dieser Rechtsprechung hält der Senat ungeachtet der in Teilen des Schrifttums geübten Kritik (vgl. zuletzt Staudinger/ Stoffels, BGB (2004), Leasing Rdnr. 286 m.w.Nachw.) fest.

3. Die Voraussetzungen, an deren Vorliegen § 557 BGB a.F. (§ 546a BGB) einen Anspruch auf Nutzungsentschädigung knüpft, sind nach den Feststellungen des Berufungsgerichts erfüllt. Der Vertrag für die sechs Bügelmaschinen endete mit Ablauf des Monats Juli 1999. Eine Rückgabe der Leasingobjekte ist jedenfalls bis August 2002 unstreitig nicht erfolgt. Da die Klägerin die Leasinggegenstände mehrfach zurückgefordert hat, erfüllt deren Nichtrückgabe durch die Beklagte den Tatbestand des "Vorenthaltens" im Sinne des § 557 BGB a.F., § 546a BGB (Senatsurteil vom 7. Januar 2004 aaO).

4. Ein Anspruch der Klägerin auf Nutzungsentschädigung bestünde allerdings dann nicht, wenn der Beklagten die Rückgabe der Leasinggegenstände unmöglich wäre; denn der Begriff des Vorenthaltens setzt voraus, daß der Mieter die Sache nicht zurückgibt, obwohl er dazu imstande wäre (Staudinger/ Rolfs, BGB (2003), § 546a Rdnr. 15 m.w.Nachw.; vgl. auch BGHZ 90, 145, 148 f.). Das Berufungsgericht hat jedoch nicht festzustellen vermocht, daß der Beklagten die Rückgabe der sechs Bügelgeräte in dem hier in Rede stehenden Zeitraum unmöglich gewesen wäre. Die von der Revision gegen die tatrichterliche Würdigung erhobenen Verfahrensrügen (§ 286 ZPO) sind nicht berechtigt.

Die Beklagte hat für die von ihr zu beweisende Behauptung, die Maschinen seien im April 2000 in Tunesien verschrottet worden, keinen tauglichen Beweis angeboten. Der dafür benannte und vom Berufungsgericht vernommene Zeuge G. konnte, wie er selbst bekundet hat, zu dem Beweisthema aus eigener Wahrnehmung keine Angaben machen. Bei den von der Beklagten vorgelegten Dokumenten handelt es sich zum einen um eine von dem Zeugen G. verfaßte Erklärung über die angebliche Verschrottung, die lediglich mit einem "Visum" des tunesischen Zollamtes versehen ist, zum anderen um eine schriftliche Erklärung des Generaldirektors der tunesischen G. Textile Service s.a.r.l., nach deren Inhalt die Leasinggegenstände im April 2000 als Schrottware unter Überwachung des tunesischen Zollamtes gestellt worden sein sollen. Ein Urkundenbeweis für die behauptete Verschrottung der Leasinggegenstände ist mit diesen Schriftstücken nicht zu führen (§§ 415 ff. ZPO). Auch als Zeugenbeweis ist die schriftliche Erklärung des Generaldirektors des tunesischen Unternehmens nicht verwertbar. Zeugen, die die behauptete Tatsache der Verschrottung der Leasinggegenstände aus eigener Wahrnehmung bestätigen könnten, hat die Beklagte nicht benannt.

5. Ob die von der Beklagten nicht zurückgegebenen Bügelmaschinen nach vierjährigem Einsatz im Drei-Schicht-Betrieb "verschlissen" waren, ist für die Rückgabepflicht der Beklagten - und demzufolge ebenso für den Anspruch der Klägerin auf Nutzungsentschädigung wegen Vorenthaltung der zurückzugebenden Geräte - ohne Bedeutung. Das Verlangen der Klägerin nach Fortzahlung einer Nutzungsentschädigung in Höhe der vereinbarten Leasingrate wäre nur dann als unzulässige Rechtsausübung (§ 242 BGB) anzusehen, wenn der Zeitwert der Maschinen während des hier in Rede stehenden Zeitraums bis einschließlich August 2002 alters- oder gebrauchsbedingt so weit abgesunken wäre, daß eine Nutzungsentschädigung in Höhe der vereinbarten monatlichen Leasingrate zu dem verbliebenen Verkehrs- oder Gebrauchswert der Geräte völlig außer Verhältnis stünde (vgl. OLG Köln, NJW-RR 1993, 121). Einen so weitgehenden Wertverlust hat die Beklagte in den Tatsacheninstanzen nicht substantiiert vorgetragen. Ihre pauschale Behauptung, die Maschinen seien "durch die hohe Nutzung völlig verbraucht" und "bei einem Einsatz in Drei- Schicht-Betrieb über den Zeitraum von vier Jahren verschlissen" gewesen, läßt konkrete Rückschlüsse auf den Zustand, den Zeitwert oder die Gebrauchstauglichkeit der Maschinen nicht zu. Angesichts dessen kann auch dahingestellt bleiben, ob die Beklagte dem Anspruch der Klägerin auf Nutzungsentschädigung die in Nr. 8 Abs. 2 der Allgemeinen Leasingbedingungen der Klägerin enthaltene Regelung entgegenhalten kann, derzufolge der Leasingnehmer unter anderem im Falle des vorzeitigen Verschleißes des Leasingobjekts vor Vertragsablauf verlangen kann, daß der Leasingvertrag aufgehoben und ihm das Eigentum am Leasingobjekt Zug um Zug gegen Zahlung der noch ausstehenden Leasingraten, eines eventuell vereinbarten Restwertes und einer anfallenden Vorfälligkeitsentschädigung übertragen wird.

6. Ohne Erfolg bleiben schließlich die Verfahrensrügen, mit denen die Revision sich dagegen wendet, daß das Berufungsgericht sich bezüglich der Frage, ob zwischen den Parteien im Jahr 1996 telefonisch eine generelle Vereinbarung dahin getroffen wurde, daß die Beklagte Leasingobjekte nach Vertragsablauf gegen Zahlung einer Monatsrate erwerben könne, der Beweiswürdigung des Landgerichts angeschlossen hat. Von einer Begründung wird gemäß § 564 ZPO abgesehen.

Vorinstanzen

OLG München; LG München I

Rechtsgebiete

Allgemeines Zivilrecht

Normen

BGB §§ 242 Cd, 535, 546a; BGB a.F. § 557