Sturz auf einer Treppe im Flughafengebäude

Gericht

AG Frankfurt a.M.


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

22. 12. 2004


Aktenzeichen

29 C 2484/04-69


Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

Die Klage ist unbegründet.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Ersatz von Arztkosten.

Einen Anspruch aus Art. 17 des Warschauer Abkommens (im Folgenden abgekürzt: WA) hat die Klägerin nicht.

Der Unfall, so er sich denn zugetragen hat, mag beim Ein- oder Aussteigen der Klägerin passiert sein. Es hat sich dabei aber keine luftfahrttypische Gefahr realisiert. Ansprüche nach Art. 17 WA sind auf Unfälle beschränkt, in denen sich eine luftfahrttypische Gefahr realisiert, da ansonsten die Haftung des Luftfahrtunternehmers über Gebühr und ohne sachlichen Grund überspannt und verschärft würde. Andernfalls würde auch der Sinn des Abkommens verfehlt. Dieses soll den Luftfahrtunternehmer einer strikten Haftung für diejenigen Risiken unterziehen, denen er seine Passagiere gerade als Luftfahrtunternehmer aussetzt.

Ob sich eine solche luftfahrttypische Gefahr realisiert, ist in Abgrenzung dieser Gefahr von Gefahren vorzunehmen, die das Leben generell "bereithält" und die einem allgemeinen Lebensrisiko zuzuordnen sind. Die geschilderte Zweckrichtung des Warschauer Abkommens hat sich auch unmittelbar im Wortlaut der Haftungsnorm niedergeschlagen. Denn Art. 17 WA fordert deutlich, dass der Schaden entweder an Bord des Luftfahrtzeugs oder beim Ein- oder Aussteigen entstanden ist. Indem das Ein- oder Aussteigen haftungsrechtlich dem Bord des Flugfahrzeugs gleichgestellt ist, wird deutlich zum Ausdruck gebracht, dass der Schadensfall beim Ein- oder Aussteigen einen engen sachlichen Bezug gerade zum Beförderungsmittel Luftfahrzeug haben muss (ausführlich Schmid, in: Giemulla/ Schmid, Warschauer Abkommen, Loseblattkommentar, [Stand: Juni 2003], Art. 17 Rn. 19-35a; Ruhwedel, Der Luftbeförderungsvertrag [3. Aufl.], Rn. 330-340).

Wenn sich ein Vorgang - wie hier - dem äußerlichen Bilde sowohl im allgemeinen Leben, als auch beim Ein- oder Aussteigen in ein Luftfahrzeug zutragen kann, kommt es für die präzise Zuordnung darauf an, ob der Vorgang ausreichende Verbindung gerade zum Betrieb eines Luftfahrzeugs hat. Demgemäss verwirklicht sich bei Unfällen auf Treppen allenfalls dann eine luftfahrttypische Gefahr, wenn diese Treppe in einem engen und unmittelbarem sachlichen Zusammenhang mit dem Betrieb des Luftfahrzeugs steht, wobei der allgemeine Zusammenhang, dass die Treppe genommen werden muss, um letztlich an Bord des Flugzeugs zu gelangen, nicht ausreichend ist.

Misst man den von der Klägerin vorgetragenen – und von der Beklagten nach § 138 Abs. 4 zulässigerweise mit Nichtwissen bestrittenen (die Behauptung der Beklagten, keine ihrer Mitarbeiter habe den Unfall beobachtet, blieb von der Klägerin unwidersprochen) - Unfallverlauf an diesen Grundsätzen, hat sich hier keine luftfahrttypische Gefahr realisiert. Bei der streitgegenständlichen Treppe handelt es sich um eine Treppe, die den Schalter Nummer A 65 über 30 nach unten führende Stufen mit der unteren Ebene des Flughafens verbindet. Dass die Beklagte diese Treppe gehen musste, um letztlich in das Flugzeug zu gelangen, stellt keinen ausreichenden sachlichen Zusammenhang zu den Gefahren des Luftverkehrs her. Anders wäre der Fall möglicherweise zu beurteilen, wenn es sich bei der Treppe um eine Gangway-Treppe gehandelt hätte, die nur bei Luftfahrzeugen eingesetzt wird und die insofern dem Luftverkehr eigentümlich ist. Dies ist bei der streitgegenständlichen Treppe nicht der Fall. Es handelt sich nach dem - unwidersprochen gebliebenen – Vortrag der Beklagten um eine feste Betontreppe innerhalb des Flughafengebäudes. Treppen dieser Art sind auch in größeren Gebäuden und Bahnhöfen anzutreffen und daher gerade nicht auf den Luftverkehr beschränkt.

Es kann daher dahinstehen, ob Ansprüche der Klägerin nicht bereits nach Art. 29 WA verfristet sind, da sie ihre Ansprüche nicht innerhalb von zwei Jahren nach dem Schadensereignis vom 22.6.2002 klageweise geltend gemacht hat, wie die Beklagte ausführt ... . Auch dahinstehen kann, ob ein Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe geeignet ist, die Ausschlussfrist des Art. 29 WA zu unterbrechen, da ansonsten von ihr nicht zu vertretende Verzögerungen im Bewilligungsverfahren ohne sachlichen Grund zu Lasten der Klägerin gingen, wie diese meint ... .

Aus den gleichen Gründen scheitert ein Anspruch der Klägerin aus Art. 1 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 2027/97 des Rates über die Haftung von Luftfahrtunternehmen bei Unfällen vom 9.10.1997 (im Folgenden abgekürzt: VO (EG) 2027/97).

Auch die Haftung der Luftfahrtunternehmen nach dieser Verordnung ist auf Unfälle beschränkt, in denen sich eine luftverkehrstypische Gefahr realisiert. Dies belegt deutlich der Wortlaut von Art. 1 VO (EG) 2027/97, der in seiner entscheidenden Passage Art. 17 WA nachgebildet ist, wenn dort die Haftung auf Unfälle beschränkt wird, bei denen sich der Schaden, "an Bord eines Flugzeugs oder beim Ein- oder Ausstieg ereignet hat". Damit ist sichergestellt, dass nicht allgemeine Lebensrisiken auf den Luftfahrtunternehmer abgewälzt werden. Dass sich die Verordnung insoweit auch ausdrücklich an dem Warschauer Abkommen orientieren wollte, zeigen die Eingangserwägungen der Verordnung. Darin wird unter Ziff. 3 bis 5 die Notwendigkeit einer EG-Verordnung nicht etwa damit begründet, man wolle eine ungenügende sachliche Haftung des Warschauer Abkommens kompensieren. Alleiniger Grund waren vielmehr nur die - als unzureichend empfundenen - höhenmäßigen Haftungsgrenzen des Warschauer Abkommens. Ausweislich Ziff. 4 der Erwägungen sollte weiter die Beschränkung des Warschauer Abkommens auf internationale Luftbeförderungen überwunden werden, da "im Lufwerkehrsbinnenmarkt ... nicht mehr zwischen nationalen und internationalen Flügen unterschieden" werde und deshalb "im nationalen und internationalen Luftverkehr dieselben Bestimmungen über Höhe und Art der Haftung gelten" sollten. Auch die Haftung nach der Verordnung sollte aber auf luftverkehrstypische Gefahren beschränkt bleiben.

Die Klägerin hat auch keinen Anspruch aus § 44 Abs. l LuftVG.

Dieses Gesetz ist sachlich nicht anwendbar. § 51 LuftVG stellt ausdrücklich klar, dass auf Schäden bei internationalen Luftbeförderungen das Warschauer Abkommen stattfindet, soweit das Übereinkommen in der Bundesrepublik Deutschland in Kraft getreten und auf die Luftbeförderung anzuwenden ist. Beides ist hier der Fall.

Die Klägerin kann die Arztkosten auch nicht als Schaden nach den §§ 280 Abs. 1 Satz 1, 241 Abs. 2 BGB ersetzt verlangen.

Die Beklagte hat gegenüber der Klägerin keine Pflicht verletzt. Zwar ist auch der Luftfahrtunternehmer im Rahmen des Luftbeförderungsvertrags mit dem Passagier diesem gegenüber verpflichtet, dessen Rechtsgüter nicht zu schädigen und ihn insbesondere wohlbehalten zu befördern. Diese Pflicht hat die Beklagte im konkreten Fall aber nicht verletzt. Die Klägerin mag von der Treppe gefallen sein. Auf eine Pflichtverletzung der Klägerin ist dies aber nicht zurückzuführen.

Die Klägerin trägt eine Pflichtverletzung der Beklagten schon nicht substantiiert vor. ...

Dieser Vortrag ist ohne Substanz. Die Beschreibung des Zustands der Treppe ist im Wesentlichen tautologisch. Anstelle genau vorzutragen, weshalb der Zustand der Treppe nicht verkehrssicher gewesen se, wird die Beschreibung "nicht verkehrssicher" durch die Beschreibung "gefährlich" ersetzt. Damit ist mit Blick auf die Anforderungen an einen substantiierten Vortrag nichts gewonnen. Es ist genau zu begründen, woraus sich die Gefährlichkeit, fehlende Verkehrssicherheit etc. ergeben soll. ...

Weiter wird nicht vorgetragen, weshalb das angebliche Festhaken sogleich zu einem über 30 Treppenstufen andauernden Fall führen konnte. ...

Soweit die Klägerin vorträgt, die Beklagte habe sich "der Fluggäste besonders annehmen und sie gegebenenfalls die Treppe hinunterbegleiten müssen" ..., ist dieser Vortrag ebenfalls nicht geeignet, eine Pflichtverletzung der Beklagten darzulegen. Da die Klägerin schon nicht substantiiert vorgetragen hat, dass der Zustand der Treppe einen gefahrlosen Abstieg vereitelte, war auch kein "Begleiten", das wohl - auch hier ist der Vortrag unpräzise - durch Stützen oder Halten der Klägerin durch Bedienstete der Beklagten erfolgen sollte, erforderlich.

Da schon ein verkehrswidriger Zustand der Treppe nicht substantiiert vorgetragen ist, kann offen bleiben, ob die Beklagte als Luftfahrtunternehmen überhaupt für den Zustand der Treppe vertraglich verantwortlich ist ... .

Anspruch auf Schmerzensgeld hat die Klägerin ebenfalls nicht.

Nach § 253 Abs. 2 BGB wäre erforderlich, dass die Beklagte für die Körperverletzung dem Grunde nach haftet. Dies ist nicht der Fall. ...

Rechtsgebiete

Reiserecht