Zuständigkeit für die Abfertigung bei einem Code-share-Flug

Gericht

LG Frankfurt a.M.


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

27. 01. 2005


Aktenzeichen

2/26 O 416/03


Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

... Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Schadensersatzanspruch in Höhe von 7.625,57 EUR (§§ 241 Abs. 1, 280, 281 BGB).

Die Beurteilung des Schadensersatzanspruches richtet sich nach dem Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Die Regelungen des Warschauer Abkommens sind nicht anwendbar, da diese nur flugtypische Risiken abdecken, nicht jedoch allgemeine organisatorische Schwierigkeiten auf Seiten der Parteien.

Der Kläger ist für die Geltendmachung des vertraglichen Schadensersatzanspruchs aktiv legitimiert. Er buchte für sich und seine Familie bei der Beklagten Flüge von Frankfurt a.M. über Johannesburg nach Durban in Südafrika und zurück, wurde damit Vertragspartner der Beklagten und ist Anspruchsinhaber von insoweit bestehenden vertraglichen Ansprüchen.

Die Beklagte verletzte schuldhaft eine ihr nach dem geschlossenen Beförderungsvertrag obliegende Pflicht (§ 241 Abs. 1 BGB). Hiernach hatte die Beklagte den Kläger und seine Familie von Durban nach Frankfurt a.M. mit den vom Kläger gebuchten oder zumindest einem anderen zeitnahen Flug zu transportieren. Dieser Verpflichtung kam die Beklagte nicht nach, da der Kläger nur bis Johannesburg transportiert wurde. Ob die Anschlussbeförderung von Johannesburg nach Frankfurt a.M. unterblieb, weil der vom Kläger gebuchte Flug überbucht war, kann letztlich dahinstehen. Denn die Beklagte trifft im Hinblick auf den versäumten Flug eine organisatorische Pflichtverletzung und ein organisatorisches Verschulden.

Der Kläger hatte bei der Beklagten einen Flug von Durban nach Frankfurt a.M. mit Zwischenstop in Johannesburg gebucht und die Beklagte hatte entsprechend dafür zu sorgen, dass dem Kläger vom Organisationsablauf die Teilnahme an diesen beiden Flügen möglich ist. Dass der Kläger und seine Familie den Anschlussflug in Johannesburg versäumten, ist insoweit der Beklagten anzulasten. Sie kann sich nicht darauf berufen, dass der Kläger den Flug deshalb versäumte, weil dieser von der Lufthansa betrieben wurde und sich der Kläger daher zur Abfertigung in Johannesburg beim Lufthansa-Schalter hätte einfinden müssen. Zwar ist auf der Buchungsbestätigung vom 17.6.2003 vermerkt, dass der Flug von Johannesburg nach Frankfurt a.M. von DLH Lufthansa betrieben wird. Auch ist auf den Flugscheinen klein "DLH Lufthansa" gedruckt. Diese weisen aber als Fluglinie die Beklagte aus und tragen auch eine SA-Nummer der Beklagten. Jedenfalls geht weder aus der Buchungsbestätigung noch aus dem Flugschein hervor, dass sich der Kläger für die Abfertigung an einen Lufthansa-Schalter wenden musste. Auch musste der Kläger nicht damit rechnen, dass die Abfertigung für seinen Flug nicht von seiner Vertragspartnerin vorgenommen werden kann, sondern lediglich von einer anderen Fluglinie. Selbst wenn dem Kläger zum fraglichen Zeitpunkt klar war, dass es sich bei dem streitgegenständlichen Anschlussflug um einen "code-share"-Flug handelte, so musste er nicht davon ausgehen, dass er sich damit auch zwingend an den anderen Fluglinienpartner zu wenden hat. Denn die Beklagte gesteht zu, dass es bei "code-share"-Flügen möglich ist, seine Bordkarten direkt von der Beklagten zu bekommen - wenn auch nicht immer. Diesbezügliche Unklarheiten gehen jedoch zu Lasten der Beklagten. Denn diese war Vertragspartnerin des Klägers, so dass der Kläger sich zu Recht zunächst an diese wandte. Weder die Mitarbeiter der Beklagten in Durban noch in Johannesburg wiesen den Kläger darauf hin, dass er sich für die Abfertigung in Johannesburg zur Lufthansa zu begeben hatte. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist das Gericht davon überzeugt, dass dem Kläger und seiner Familie in Durban mitgeteilt wurde, sie könnten sich am Schalter der Beklagten abfertigen lassen. Dies erklärte nicht nur glaubhaft der Kläger bei seiner Anhörung in der mündlichen Verhandlung. Auch die Zeugin R. gab in ihrer Vernehmung an, dass in Durban darüber gesprochen wurde, dass sie sich beim SAA-Schalter anstellen sollten. Sie war sich sicher, dass ihnen gesagt wurde, dass sie die Bordkarten beim SAA-Schalter abholen sollen.

Die Beklagte kann sich auch nicht damit entlasten, dass nach der Anzeigetafel in der Schalterhalle in Johannesburg die Abfertigung für den Flug nach Frankfurt a.M. an den Schaltern 100 - 104 (Lufthansa-Schalter) stattfinden sollte. Zwar war von dem Kläger zu erwarten, dass er sich bei Ankunft in Johannesburg anhand der Anzeigetafel noch einmal vergewissert, dass er die Bordkarten für den Weiterflug tatsächlich am SAA-Schalter abholen kann. Dass er dies nicht tat, kann jedoch die Beklagte nicht entlasten, sondern allenfalls ein Mitverschulden des Klägers begründen. Denn nachdem der Kläger in Johannesburg an dem SAA-Schalter ankam, hätten die Mitarbeiter der Beklagten ihn sofort darauf hinweisen müssen, dass er sich für die Bordkarten an den Lufthansa-Schalter zu wenden hat. Dies wurde jedoch versäumt. Im Gegenteil, die Mitarbeiterin der Beklagten versuchte eine halbe Stunde lang, den Kläger abzufertigen. Dieses Verhalten der Mitarbeiterin begründete beim Kläger das berechtigte Vertrauen, dass die SAA für seine Abfertigung zuständig und kompetent ist.

Die Fristsetzung zur Leistungserfüllung bzw. Nacherfüllung (§ 281 Abs.1 BGB) war entbehrlich, da die Beklagte die Beförderung des Klägers auf ihre Kosten endgültig und ernsthaft verweigerte (§ 281 Abs. 2 BGB).

Den Kläger trifft allerdings ein Mitverschulden (§ 254 BGB). So hätte er bei Ankunft in Johannesburg auf die Anzeigetafel in der Abflughalle schauen können und müssen, die nach den Ausführungen der Beklagten, den vorgelegten Photos und zur Überzeugung des Gerichts auch am fraglichen Tag als Abfertigungsschalter für den Flug nach Frankfurt a.M. die Schalter 100 -104 und damit Lufthansa-Schalter anzeigten. Sofern der Kläger vorträgt, er habe auf die Anzeigetafel nicht geachtet, weil man ihm in Durban mitgeteilt habe, er solle zum SAA-Schalter, vermag dies nicht zu überzeugen. Denn der Kläger wusste als erklärter Vielflieger, dass sich aus flugorganisatorischen Gründen Abfertigungsschalter, Flugsteige etc. im Laufe der Zeit auch immer ändern können, dass also eine Information, die noch in Durban ihre Richtigkeit hat, bei Ankunft in Johannesburg überholt sein kann. Von einem erfahrenen Flieger war daher erst recht zu erwarten, dass er in Johannesburg auf die Anzeigetafel schaut und seine Informationen aus Durban verifiziert. Dieses Mitverschulden des Klägers wertet das Gericht mit 25 %.

Der Ansicht der Beklagten, das Versäumnis des Klägers, sich an der Anzeigetafel zu informieren, wiege so schwer, dass die Haftung der Beklagten dahinter zurücktrete, kann nicht gefolgt werden. Denn durch das Verhalten der Mitarbeiter der Beklagten in Johannesburg am SAA-Schalter wurde dem Kläger suggeriert, er befinde sich am richtigen Schalter zur Abfertigung nach Johannesburg. Damit wurde ein neues Vertrauen in die Aussage der Mitarbeiter der Beklagten geschaffen, auf das sich der Kläger verlassen durfte. Denn während er an dem SAA-Schalter in Johannesburg über eine halbe Stunde bedient wurde, musste er nicht noch auf die Anzeigetafel schauen.

Zu Recht beansprucht der Kläger die Erstattung der Business-Class-Flüge. Auf Grund der Pflichtverletzung der Beklagten musste sich der Kläger selbst um Rückflüge für sich und seine Familie nach Frankfurt a.M. kümmern. Insoweit kann er von dem Gesamtpreis von 10.167,43 EUR unter Abzug der Mitverschuldensquote in Höhe von 25 % den Flugpreis für diese Flüge in Höhe von 7.625,57 EUR als Schaden geltend machen.

Bei der Buchung der Business-Class-Flüge verstieß der Kläger nicht gegen seine Schadensminderungspflicht. Vom Kläger war insoweit zu erwarten, dass er sich ernsthaft und auch unter Zuhilfenahme des Personals der Beklagten um die Buchung von Rückflügen bemüht, die zeitlich und preislich den ursprünglich gebuchten Flügen nach Frankfurt a.M. entsprechen. Dabei war es dem Kläger aber nicht zuzumuten, mit den Rückflügen bis zwei Tage nach dem geplanten Rückreisetermin, also bis zum 6.9.2003 zu warten.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Mitarbeiter der Beklagten dem Kläger und seiner Familie mitteilten, es gäbe keine freien Plätze mehr auf Flügen nach Frankfurt a.M. am gleichen oder folgenden Tag.

Der Kläger hat in seiner persönlichen Anhörung im Verhandlungstermin am 19.4.2004 glaubhaft geschildert, dass die Mitarbeiterin der Beklagten nicht bereit war, für ihn einen anderen Flug zu buchen oder sich sonst wie um ihn zu kümmern. In der Verhandlung am 20.12.2004 erläuterte er ergänzend, dass sowohl die Mitarbeiterin am Schalter als auch deren Vorgesetzte Frau G. mitgeteilt hätten, dass es keine Flüge mehr gebe. Die Mitarbeiter hätten ihnen auch nicht helfen wollen, da der Kläger angeblich nicht seine Umsteigezeiten eingehalten habe. Dies wurde auch von der Zeugin R. bestätigt. Sie sagte in ihrer Vernehmung glaubhaft aus, dass ihnen sowohl die Beklagtenmitarbeiterin am Schalter also, auch die Lufthansa-Dame und die zweite Beklagtenmitarbeiterin, Frau G., ihnen jeweils mitgeteilt hätten, dass es keine Flüge mehr am gleichen oder darauf folgenden Tag geben würde. Die Glaubhaftigkeit der Aussage wird nicht durch die von der Beklagten vorgelegten Passagierlisten der Flüge vom 4.9.2003 erschüttert, aus denen sich für zwei Flüge noch mehrere freie Plätze ergeben. Denn entscheidend ist nicht, ob es tatsächlich noch freie Plätze auf zeitnahen Flügen gab, sondern vielmehr das, was dem Kläger und seiner Familie mitgeteilt wurde. Im Übrigen stehen die sich aus den Passagierlisten zu entnehmenden freien Plätze nicht im Widerspruch zur Aussage der Zeugin R. Diese schilderte nämlich auch, dass die Mitarbeiterin der Beklagten nach ihren Beobachtungen gar nicht mehr in den Computer schauten, ob es noch freie Plätze gibt. An der Glaubwürdigkeit der Zeugin bestehen trotz ihrer Nähe zum Kläger keine Bedenken. Ihre Aussage war klar, differenziert, detailliert und in sich schlüssig. Dass die Mitarbeiter ihre Aussage tätigten, ohne vorher erneut die Passagierlisten zu überprüfen, kann nicht dem Kläger angelastet werden. Offenbar wollten sie auch nicht dem Kläger helfen. Insoweit durfte er sich auf die Aussage zweier Mitarbeiter verlassen. Nach den Informationen der Beklagtenmitarbeiter durfte sich der Kläger eigenständig um anderweitige Flüge kümmern. Dabei war er nicht verpflichtet, alle auf dem Flughafen in Johannesburg anwesenden Fluglinien nach freien und günstigen Flugplätzen zu befragen. Vielmehr durfte er sich auch des Centurion Services bedienen. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass sich der Kläger mit Familie und Gepäck auf einem Flughafen und nicht in einem Büro mit Telefon und entsprechender Adress- und Telefonliste befand. Außerdem war eine Mitarbeiterin der Beklagten bei dem Gespräch mit Centurion dabei und hätte - falls deren Informationen falsch waren - entsprechend intervenieren können. ...

Rechtsgebiete

Reiserecht