Geschäftsführerbestellung unter auflösender Bedingung
Gericht
BGH
Art der Entscheidung
Urteil
Datum
24. 10. 2005
Aktenzeichen
II ZR 55/04
Der Geschäftsführer einer GmbH kann unter einer auflösenden Bedingung bestellt werden. Sieht der Bestellungsakt vor, dass das Amt endet, wenn der Geschäftsführer ab einem bestimmten Zeitpunkt der GmbH nicht seine volle Arbeitskraft zur Verfügung stellt, so verliert der Geschäftsführer automatisch sein Amt, wenn er zu dem genannten Zeitpunkt diese Voraussetzung nicht erfüllt, etwa weil er außerdem einer weiteren Tätigkeit nachgeht.
Die Revision gegen das Urteil des 14. Zivilsenats des Oberlandesgerichts
Stuttgart vom 11. Februar 2004 wird auf Kosten der
Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die familiär geprägte W. GmbH & Co. KG hat die klagende GmbH (Klägerin
zu 2) als Komplementärin. An ihr sind neben weiteren Personen der Kläger
zu 1 und der Beklagte zu 1 sowie dessen Mutter, die Beklagte zu 2, beteiligt.
Durch Gesellschafterbeschluss vom 25. März 1994 wurde - neben dem
Kläger zu 1 - der Beklagte zu 1 zum Geschäftsführer der Klägerin zu 2 bestellt.
Weiter heißt es in dem Beschluss:
"Stellt der Geschäftsführer J. N. (Beklagter zu 1) ab dem
31.12.1996 nicht seine volle Arbeitskraft zur Verfügung, so scheidet
er als Geschäftsführer aus der W. Verwaltungsgesellschaft
mbH (Klägerin zu 2) aus; insoweit ist seine Bestellung zum Geschäftsführer
befristet."
Hintergrund dieser Regelung war, dass der Beklagte zu 1 als Geschäftsführer
der L. GmbH tätig war und ihm die Möglichkeit eröffnet werden sollte,
sein Engagement in der anderen Gesellschaft nicht abrupt, sondern mit einer
längeren Übergangsfrist zu beenden. Dementsprechend wurde dem Beklagten
zu 1 in dem Geschäftsführerdienstvertrag die Befugnis eingeräumt, seine bislang
ausgeübte Tätigkeit als Geschäftsführer der L. GmbH bis zum
31. Dezember 1996 in eingeschränktem Umfang fortzusetzen. Tatsächlich
nahm der Beklagte zu 1 über diesen Zeitpunkt hinaus bis Februar 2003 die
Funktion des Geschäftsführers der L. GmbH wahr.
Mit ihrer Klage begehren die Kläger die Feststellung, dass der Beklagte
zu 1 nicht mehr Geschäftsführer der Klägerin zu 2 ist. Das Oberlandesgericht
hat der - erstinstanzlich abgewiesenen - Klage auf die Berufung der Kläger
stattgegeben. Mit ihrer - von dem Senat zugelassenen - Revision verfolgen die
Beklagten ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe:
Die Revision der Beklagten ist nicht begründet.
I. Das Oberlandesgericht (ZIP 2004, 951), das die Feststellungsklage als
zulässig erachtet, meint, der Beklagte zu 1 sei nicht mehr Geschäftsführer der
Klägerin zu 2. Der Beklagte zu 1 sei unter der auflösenden Bedingung zum Geschäftsführer
der Klägerin zu 2 bestellt worden, ihr ab dem 31. Dezember 1996
seine volle Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen. Diese Bedingung sei zwischenzeitlich
eingetreten, weil der Beklagte zu 1 seine Tätigkeit bei der L.
GmbH nicht aufgegeben habe. Die Bestellung eines Geschäftsführers unter
einer auflösenden Bedingung unterliege keinen Wirksamkeitsbedenken, weil sie
die Rechtsstellung Dritter nicht beeinträchtige.
II. Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Prüfung stand.
1. Zutreffend hat das Berufungsgericht die Feststellungsklage für zulässig
gehalten.
a) Ob der Beklagte zu 1 infolge des Eintritts einer auflösenden Bedingung
sein Geschäftsführeramt bei der Klägerin zu 2 verloren hat, kann nur im
Rahmen einer Feststellungsklage (§ 256 ZPO) geklärt werden. Eine Anfechtung
des Gesellschafterbeschlusses vom 25. März 1994 über die Bestellung des Beklagten
zu 1 zum Geschäftsführer der Klägerin zu 2 kommt nicht in Betracht,
weil die Parteien übereinstimmend von der Wirksamkeit dieses Beschlusses
ausgehen und ihr Streit allein dessen inhaltliche Tragweite betrifft (vgl. Sen.Urt.
v. 1. März 1999 - II ZR 205/98, ZIP 1999, 656 = WM 1999, 796).
b) Die Feststellungsklage der Klägerin zu 2 ist gegen den Beklagten zu 1
ohne weiteres zulässig, weil sie ein rechtliches Interesse an der verbindlichen
Klärung hat, ob der Beklagte zu 1 noch ihr Geschäftsführungs- und Vertretungsorgan
ist (vgl. Sen.Urt. v. 20. Juni 2005 - II ZR 18/03, ZIP 2005, 1365 f.
zum umgekehrten Fall der Feststellungsklage des Geschäftsführers).
Zulässigkeitsbedenken bestehen ebenfalls nicht, soweit die Feststellung im Verhältnis
des Klägers zu 1 zu den Beklagten zu 1 und 2 als Gesellschafter der Klägerin
zu 2 begehrt wird. Da für die Rechtsbeziehungen der Gesellschafter von erheblicher
Bedeutung ist, wer das Amt des Geschäftsführers innehat, kann diese
Frage auch im Verhältnis der Gesellschafter zueinander durch eine Feststellungsklage
geklärt werden (BGHZ 121, 257 f. m.w.Nachw.), zumal sich das
Problem der Rechtskrafterstreckung des Urteils auf die GmbH (BGHZ aaO)
wegen der Beteiligung der Klägerin zu 2 am vorliegenden Rechtsstreit nicht
stellt. Wegen des gleich gelagerten Klärungsinteresses begegnet die Zulässig-
keit der Feststellungsklage auch im Verhältnis der Klägerin zu 2 zu der Beklagten
zu 2 keinen Bedenken.
c) Die Klägerin zu 2 wird im vorliegenden Rechtsstreit zutreffend durch
ihren Geschäftsführer, den Kläger zu 1, vertreten. Solange die Gesellschaft
nicht von ihrer Befugnis nach § 46 Nr. 8 2. Alternative GmbHG Gebrauch
macht, kann sie im Rechtsstreit gegen einen früheren Geschäftsführer durch
die amtierenden Geschäftsführer vertreten werden (Sen.Urt. v. 24. Februar
1992 - II ZR 79/91, ZIP 1992, 760 = WM 1992, 731).
2. Auch in der Sache ist dem Berufungsgericht zu folgen, dass der unter
einer auflösenden Bedingung zum Geschäftsführer der Klägerin zu 2 bestellte
Beklagte zu 1 dieses Amt mit Eintritt der Bedingung verloren hat.
a) Der Beklagte zu 1 ist unter einer auflösenden Bedingung (§ 158 BGB)
zum Geschäftsführer der Klägerin zu 2 berufen worden, weil er als Geschäftsführer
ausscheiden sollte, sofern er der GmbH "ab dem 31. Dezember 1996
nicht seine volle Arbeitskraft zur Verfügung" stellt.
Durch diese Gestaltung wurde eine Befristung mit einer Bedingung kombiniert,
weil die auflösende Bedingung erst nach einem bestimmten Zeitablauf
Rechtswirkungen zeitigen sollte. Eine solche Regelung ist rechtlich nicht zu beanstanden
(Staudinger/Bork, BGB 2003, § 163 Rdn. 4). Die Bestellung des Beklagten
zu 1 als Geschäftsführer der Klägerin zu 2 sollte nach Maßgabe des
Gesellschafterbeschlusses vom 25. März 1994 - ungeachtet seiner tatsächlichen
Arbeitsleistung - bis zum 31. Dezember 1996 fortdauern, sodann aber erlöschen,
falls der Beklagte zu 1 der Klägerin zu 2 nicht seine volle Arbeitskraft
widmet. Die auflösende Bedingung ist eingetreten, weil der Beklagte zu 1 seine
Tätigkeit als Geschäftsführer der L. GmbH bis in das Jahr 2003 fortgesetzt
hat. Dabei kann dahinstehen, ob die auflösende Bedingung bereits am
1. Januar 1997 oder - wie das Berufungsgericht, das von einer Fristverlängerung
ausgeht, meint - am 30. Juni bzw. 25. August 1998 eingetreten ist.
b) Die Bestellung eines Geschäftsführers unter einer auflösenden Bedingung
ist entgegen der Auffassung der Revision zulässig. Das Schrifttum lehnt
eine in dieser Weise gestaltete Bestellung des Geschäftsführers überwiegend
mit der Begründung als unzulässig ab, die Rechtssicherheit erfordere, dass für
jedermann deutlich sei, welche Person die im öffentlichen Interesse stehenden
Pflichten aus §§ 41, 43 Abs. 3, 64 GmbHG zu erfüllen habe (Hommelhoff/
Kleindiek in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG 16. Aufl. § 6 Rdn. 25; Scholz/
Uwe H. Schneider, GmbHG 9. Aufl. § 6 Rdn. 27; Roth/Altmeppen, GmbHG
5. Aufl. § 6 Rdn. 34; Michalski/Heyder, GmbHG 2002 § 6 Rdn. 83; Rowedder/
Schmidt-Leithoff, GmbHG 4. Aufl. § 6 Rdn. 29; Marschner-Barner/Diekmann in:
MünchHdbGesR Bd. 3 2. Aufl. § 42 Rdn. 39). Dies überzeugt den Senat nicht.
Vielmehr ist in Übereinstimmung mit der Gegenauffassung die Bestellung eines
Geschäftsführers unter einer auflösenden Bedingung zulässig (Lutter/
Hommelhoff aaO § 38 Rdn. 40; Baumbach/Hueck/Zöllner, GmbHG 17. Aufl.
§ 38 Rdn. 38 b; Rowedder/Schmidt-Leithoff/Koppensteiner aaO § 38 Rdn. 39),
weil dadurch Belange der Rechtssicherheit nicht in stärkerem Maße als bei
einer anderen Form der Abberufung berührt werden.
aa) § 158 BGB sieht ausdrücklich die Möglichkeit vor, die Wirksamkeit
eines Rechtsgeschäfts von einer aufschiebenden oder auflösenden Bedingung
abhängig zu machen. Mit Hilfe einer Bedingung können die rechtsgeschäftlich
Handelnden für spätere Entwicklungen durch eine darauf abgestimmte Regelung
Vorsorge treffen. Die Bedingung ist danach ein wichtiges Instrument der
Vertragsgestaltung. Den mit der Vereinbarung einer Bedingung verbundenen
Schwebezustand und die sich daraus ergebenden Unwägbarkeiten nimmt der
Gesetzgeber grundsätzlich in Kauf. Lediglich bestimmte Rechtsgeschäfte (Beispiele:
Auflassung, § 925 Abs. 2 BGB; Eheschließung, § 1311 Satz 2 BGB) und
die Ausübung von Gestaltungsrechten (Beispiel: § 388 Satz 2 BGB) hat der
Gesetzgeber der Verknüpfung mit einer Bedingung entzogen. Die Bestellung
zum Geschäftsführer einer GmbH wird erst mit der Annahme des Amtes wirksam;
sie gehört nicht zu den "bedingungsfeindlichen" Rechtsgeschäften und
kann daher an eine auflösende Bedingung geknüpft werden.
bb) Die auflösend bedingte Bestellung eines Geschäftsführers ist nicht
deswegen mit besonderen Unsicherheitsfaktoren behaftet, weil die Frage, ob
die Bedingung eingetreten ist oder nicht, kontrovers beurteilt werden kann.
Auch in anderen Fällen kann die Abberufung eines Geschäftsführers mit ähnlichen
rechtlichen Zweifeln behaftet sein: Kann der Geschäftsführer wegen einer
entsprechenden Satzungsgestaltung nach § 38 Abs. 2 GmbHG nur aus wichtigem
Grund abberufen werden, kommt es häufig zu gegensätzlichen Beurteilungen,
ob der dem Geschäftsführer gemachte Vorwurf seinem Schweregrad nach
eine sofortige Abberufung rechtfertigt (vgl. etwa die Nachweise bei Scholz/Uwe
H. Schneider aaO § 38 Rdn. 43-53) oder fehlerfrei festgestellt worden ist (vgl.
Sen.Urt. v. 20. Februar 1995 - II ZR 9/94, ZIP 1995, 560, 562 = WM 1995, 709).
Ebenso können Unstimmigkeiten entstehen, ob sich die zunächst befristete Bestellung
verlängert hat und deshalb nur durch einen Widerruf beendet werden
kann. Nicht anders verhält es sich bei der Prüfung, ob die Organstellung des
Geschäftsführers wegen Amtsunfähigkeit entfallen ist (vgl. BGHZ 115, 78, 80),
ob eine wirksame Amtsniederlegung stattgefunden hat (vgl. BGHZ 121, 257,
260) oder ob mit der Beendigung des Dienstvertrages der Verlust der Organstellung
einhergeht (vgl. BGHZ 112, 103, 115). Diese Beispiele rechtlicher
Zweifelsfälle bei der Abberufung eines Geschäftsführers veranschaulichen,
dass die Unsicherheit des Bedingungseintritts der Bestellung eines Geschäftsführers
unter einer auflösenden Bedingung nicht entgegensteht.
cc) Gläubigerschutzbelange wie auch die berechtigten Interessen der
Gesellschaft verbieten ebenfalls nicht die Bestellung unter einer auflösenden
Bedingung. Wird der Geschäftsführer nach Eintritt der Bedingung rechtsgeschäftlich
tätig, kann der redliche Geschäftsverkehr auf die Eintragung in das
Handelsregister (§ 15 HGB) und die danach fortbestehende Vertretungsmacht
vertrauen, zumal eine Bedingung nicht eintragungsfähig ist (MünchKomm/
Westermann, BGB 4. Aufl. § 158 Rdn. 34). Schließlich unterliegt der nach Bedingungseintritt
tätig bleibende "faktische" Geschäftsführer dem Pflichtenkreis
eines ordentlichen Geschäftsführers und haftet etwa bei einer Missachtung der
Insolvenzantragspflicht (§ 64 Abs. 1 GmbHG; vgl. Sen.Urt. v. 11. Juli 2005
- II ZR 235/03, ZIP 2005, 1550 und v. 27. Juni 2005 - II ZR 113/03, ZIP 2005,
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