Auskunftsverlangen über Insolvenzreife des Arbeitgebers

Gericht

BGH


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

02. 06. 2005


Aktenzeichen

IX ZR 221/03


Leitsatz des Gerichts

Ein Arbeitnehmer, dessen Beschäftigungsverhältnis bei der Schuldnerin bereits vor Stellung des Insolvenzantrags beendet worden ist, kann von dem Insolvenzverwalter zur Klärung eines gegen den Geschäftsführer oder sonstige Dritte gerichteten Anspruchs grundsätzlich keine Auskunft über den Zeitpunkt der Insolvenzreife der Schuldnerin verlangen.

Tenor

Die Revision gegen das Urteil der 12. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 12. September 2003 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand


Tatbestand:

Der Beklagte ist Verwalter in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der C. GmbH (fortan: Schuldnerin). Das Verfahren war auf Antrag der Schuldnerin vom 12. März 2001 am 28. Mai 2001 eröffnet worden. Wenige Tage vor Antragstellung schlossen der Kläger und die Schuldnerin einen "Aufhebungsvertrag zum Arbeitsvertrag vom 30.08.2000". Dieser sah die Aufhebung des Beschäftigungsverhältnisses zwischen dem Kläger und der Schuldnerin zum 9. März 2001 gegen Zahlung einer Abfindung, eines anteiligen Bruttogehalts für die Tätigkeit vom 1. März 2001 bis zum 9. März 2001 sowie Ersatz von Mobiltelefonkosten vor. Insgesamt ergab sich zugunsten des Klägers ein Ausgleichsbetrag von 12.521,07 DM, der zum 30. März 2001 fällig sein sollte.

Zu dem Anlaß der Vertragsaufhebung haben die Parteien keinen Vortrag gehalten.

Der Kläger meint, ihm stände gegen die Schuldnerin aus dem Aufhebungsvertrag eine Forderung einschließlich Zinsen in Höhe von 6.481,49 € zu, die er nach Eintritt der Insolvenzreife erworben habe. Es sei zu vermuten, daß die Verantwortlichen der Schuldnerin die Insolvenzantragstellung verschleppt hätten. Sie hafteten ihm deshalb aus § 64 Abs. 1 GmbHG, § 823 Abs. 2 BGB auf Schadensersatz. Zur Vorbereitung einer entsprechenden Klage gegen die Geschäftsführerin der Schuldnerin verlangt er von dem Beklagten Auskunft über den genauen Zeitpunkt des Eintritts der Insolvenzreife, hilfsweise, ob bei Abschluß des Aufhebungsvertrages bereits Insolvenzreife vorgelegen habe, und äußerst hilfsweise die Eintragung eines Vermerks über den Zeitpunkt der Insolvenzreife in der Insolvenzakte.

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit seiner - zugelassenen - Revision verfolgt der Kläger sein Auskunftsbegehren weiter.

Entscheidungsgründe


Entscheidungsgründe:

Die Revision hat keinen Erfolg.

I.

Nach Ansicht des Berufungsgerichts fehlt es an einer Anspruchsgrundlage für die begehrte Auskunft. Daß der Kläger für sein weiteres Vorgehen auf eine Auskunft angewiesen sei, reiche für eine entsprechende Pflicht des beklagten Insolvenzverwalters nicht aus. Aus § 92 InsO ergebe sich ein solcher Anspruch ebenfalls nicht; deshalb könne dahinstehen, ob diese Vorschrift den Insolvenzverwalter zur Festlegung des genauen Zeitpunkts der Insolvenzreife verpflichte. Soweit der Kläger seine Ansprüche auf die Verschleppung des Insolvenzantrags stütze, richte sich der Anspruch allein gegen die Geschäftsführerin der Schuldnerin. Zwischen den Parteien des vorliegenden Rechtsstreits bestehe weder ein Auskunftsvertrag noch eine sonstige Sonderverbindung. Schließlich ergebe sich aus Treu und Glauben (§ 242 BGB) keine Auskunftsverpflichtung, zumal der Beklagte den genauen Zeitpunkt der Insolvenzreife im Rahmen seiner Tätigkeit nicht festgestellt habe. Auch für den zweiten Hilfsantrag sei keine Anspruchsgrundlage ersichtlich.

II.

Dies hält rechtlicher Überprüfung im Ergebnis stand.

1. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts und dem in dem Berufungsurteil zulässigerweise in Bezug genommenen klägerischen Vortrag will der Kläger seine offen gebliebenen Forderungen aus dem Aufhebungsvertrag vom 7. März 2001 als Schadensersatzanspruch gegen die zur Stellung des Insolvenzantrags verpflichtete Geschäftsführerin der Schuldnerin und gegebenenfalls andere hierfür verantwortliche Personen weiterverfolgen. Der gegen den Beklagten erhobene Auskunftsanspruch dient sonach allein der Vorberei- tung einer auf § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 64 Abs. 1 GmbHG gestützten Schadensersatzklage wegen der in dem Aufhebungsvertrag von der Schuldnerin eingegangenen Zahlungsverpflichtungen über insgesamt 6.481,49 € (einschließlich Zinsen).

Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ist weiter davon auszugehen, daß das Beschäftigungsverhältnis zum 9. März 2001 und mithin vor der Stellung des Insolvenzantrags am 12. März 2001 wirksam beendet worden ist. 2. Bei dieser Sachlage kann offenbleiben, ob dem Gläubiger ein Auskunftsanspruch über die Insolvenzreife der Schuldnerin dem Grunde nach zusteht und in welchem Ausmaß Auskunft geschuldet ist. Der Senat braucht auch nicht zu entscheiden, ob es sich bei der geforderten Auskunft über den Zeitpunkt der Insolvenzreife der Schuldnerin noch um die Mitteilung von tatsächlichen Angaben oder schon um die Erstattung eines Gutachtens (vgl. § 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Halbs. 2 InsO) handelt, welches nicht Gegenstand eines Auskunftsanspruchs sein kann oder dessen Erstattung - im Rahmen eines Auskunftsersuchens - für den Insolvenzverwalter jedenfalls unzumutbar ist (zur Zumutbarkeit der Auskunft vgl. BGHZ 126, 109, 113; BGH, Urt. v. 11. Mai 2000 - IX ZR 262/98, WM 2000, 1209, 1212).

3. Die Klage scheitert schon an der fehlenden Passivlegitimation des beklagten Insolvenzverwalters für die Erfüllung der geltend gemachten Ansprüche. a) Vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens war ein etwaiger Auskunftsanspruch gegen die Schuldnerin als (ehemalige) Arbeitgeberin des Klägers zu richten. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann die Parteien des Arbeitsvertrages im bestehenden Arbeitsverhältnis eine arbeitsvertragliche Nebenpflicht zu Auskünften aus § 242 BGB auch dann treffen, wenn dies gesetzlich oder vertraglich nicht besonders geregelt ist. Vorausgesetzt wird, daß der Berechtigte in entschuldbarer Weise über Bestehen und Umfang seines Rechts im Ungewissen ist und der Verpflichtete die zur Beseitigung der Ungewißheit erforderlichen tatsächlichen Angaben unschwer machen kann (vgl. BAGE 96, 274, 278; BAG DB 1996, 634; 1996, 2182; siehe ferner MünchKomm-BGB/Krüger, 4. Aufl. [Bd. 2a] § 260 Rn. 22).

b) Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens und der Bestellung des Beklagten zum Insolvenzverwalter ist der Anspruch auf Auskunftserteilung nicht gegen den Beklagten, sondern weiterhin gegen die Schuldnerin zu richten. aa) Die Passivlegitimation des beklagten Insolvenzverwalters folgt zunächst nicht aus seiner Rechtsstellung als Arbeitgeber.

(1) Nach § 80 Abs. 1 InsO geht durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens das Recht des Schuldners, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und über es zu verfügen, auf den Insolvenzverwalter über. Dies gilt jedoch nicht für die Arbeitgeberstellung eines zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung bereits beendeten Arbeitsverhältnisses (BAG ZIP 2004, 1974, 1975). § 108 Abs. 1 InsO stellt insoweit klar, daß die dort genannten Dauerschuldverhältnisse, zu denen ausdrücklich auch Dienstverhältnisse gezählt werden, mit Wirkung für die Insolvenzmasse fortbestehen. Durch die Formulierung "Fortbestehen" wird deutlich, daß hiervon nicht Arbeitsverhältnisse betrof- - 8 - fen sind, die vor dem Übergang des Verwaltungs- und Verfügungsrechts bereits beendet waren. Dementsprechend regelt § 108 Abs. 2 InsO, daß Ansprüche aus Dienstverhältnissen für die Zeit vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vom Arbeitnehmer nur als Insolvenzgläubiger gegen den Insolvenzverwalter geltend zu machen sind (BAG aaO S. 1975 f).

(2) Im vorliegenden Fall ist die Aufhebung des Beschäftigungsverhältnisses schon vor Einreichung des Insolvenzantrags erfolgt. Deshalb kommt es nicht darauf an, wie die Fälle zu beurteilen sind, in denen zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses bereits ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt war (vgl. hierzu BAG aaO S. 1976 f).

bb) Bei dem geltend gemachten Auskunftsanspruch handelt es sich auch nicht um eine Insolvenzforderung, die der Kläger als Insolvenzgläubiger (§ 38 InsO) gegen den beklagten Insolvenzverwalter richten kann.

(1) Ansprüche auf eine nicht vertretbare Handlung des Schuldners, also eine Leistung, die nur durch ihn persönlich bewirkt und deshalb nicht aus seinem Vermögen beigetrieben werden kann, begründen keine Insolvenzforderungen. Sie sind überhaupt nur erzwingbar, soweit die Handlung ausschließlich vom Willen des Schuldners abhängt. Insoweit richtet sich der Zwang gegen die Person, nicht gegen das Vermögen des Schuldners (§ 888 ZPO). Der Anspruch auf eine Handlung, die nur durch persönliche Tätigkeit vollzogen werden kann, bildet wegen dieses Inhalts auch dann keine Insolvenzforderung, wenn der Anspruch einen berechenbaren Vermögenswert hat (vgl. Jaeger/ Henckel, InsO § 38 Rn. 69). Zu diesen Ansprüchen zählt auch der (unselbständige) Auskunftsanspruch, der nicht gemäß § 887 Abs. 2 ZPO in eine Geld- schuld umgewandelt wird, sondern nach § 888 ZPO zu vollstrecken ist (vgl. BGHZ 49, 11, 17; Jaeger/Henckel, aaO § 38 Rn. 69; MünchKomm- InsO/Ehricke, § 38 Rn. 46).

(2) Damit ist indes noch nicht entschieden, daß sich der Auskunftsanspruch notwendig und ausschließlich gegen den Insolvenzschuldner und nicht gegen den Insolvenzverwalter richtet (vgl. BGHZ 49, 11, 16). Ist die unvertretbare Handlung aufgrund einer Nebenpflicht geschuldet, die auf Vertrag oder gesetzlichem Schuldverhältnis beruht, so kommt es darauf an, wie das Rechtsverhältnis, dem die Nebenpflicht entspringt, haftungsrechtlich einzuordnen ist.

Dies gilt auch für den Anspruch auf Auskunft (vgl. Jaeger/Henckel, aaO § 38 Rn. 73). Der Bundesgerichtshof hat schon mehrfach entschieden, daß Auskunftsansprüche der Mobiliarkreditgeber über den Umfang des noch vorhandenen Sicherungsgutes oder dessen Verbleib gegen die Masse geltend gemacht werden und daher vom Insolvenzverwalter zu erfüllen sind (BGHZ 49, 11, 16; BGH, Urt. v. 11. Mai 2000 - IX ZR 262/98, WM 2000, 1209, 1212; für die Auskunft über das Vermieterpfandrecht: BGH, Urt. v. 4. Dezember 2003 - IX ZR 222/02, WM 2004, 295, 296; siehe ferner Jaeger/Henckel, aaO § 38 Rn. 73; MünchKomm-InsO/Ehricke, § 38 Rn. 46; Häsemeyer ZZP 80 (1967), 263, 276 f, 285).

Im vorliegenden Fall wird der Auskunftsanspruch nicht als Nebenpflicht aus einer Insolvenzforderung des Klägers hergeleitet. Als solche kommt nur der Zahlungsanspruch des Klägers gegen die Insolvenzschuldnerin aus dem Aufhebungsvertrag vom 7. März 2001 in Betracht. Auf diese Forderung bezieht sich - wie dargelegt - der Klageanspruch jedoch nicht. Der angebliche Schadensersatzanspruch gegen die Geschäftsführerin der Schuldnerin, der durch den Auskunftsanspruch geklärt werden soll, ist nicht auf eine Befriedigung aus der Insolvenzmasse (§ 38 InsO) gerichtet. Deshalb besteht der hierauf bezogene Auskunftsanspruch nur gegen die Schuldnerin persönlich (vgl. Jaeger/Henckel, aaO § 38 Rn. 73; MünchKomm-InsO/Ehricke, § 38 Rn. 46; Häsemeyer aaO S. 286).

cc) Die Revision kann schließlich nicht mit dem Argument durchdringen, dem Kläger dürfe der Kenntnisstand des Insolvenzverwalters, der Zugriff auf sämtliche relevanten Daten und Informationen habe, die für die Feststellung der Insolvenzreife von Bedeutung seien, nicht vorenthalten werden. Diese Auffassung läuft darauf hinaus, Gläubigern mit Ansprüchen gegen dritte Personen Auskunftsansprüche gegen den Insolvenzverwalter zuzubilligen, ohne daß hierfür die außerhalb des Insolvenzverfahrens allgemein anerkannten Voraussetzungen (vgl. hierzu MünchKomm-BGB/Krüger, aaO § 260 Rn. 12 ff) vorliegen. Hierfür gibt es keine Rechtsgrundlage (vgl. auch BAG ZIP 2004, 1974, 1976 vor b). Der Kläger wird hierdurch nicht unzumutbar benachteiligt. In dem in Aussicht genommenen Schadensersatzprozeß gegen die Geschäftsführerin der Schuldnerin kann er Tatsachen, aus denen auf die frühere Insolvenzreife der Schuldnerin zu schließen ist, in das Wissen des Beklagten stellen und ihn als Zeugen benennen.

Fischer
Raebel
Kayser
Cierniak
Lohmann

Vorinstanzen

LG Köln; AG Köln

Rechtsgebiete

Arbeitsrecht

Normen

InsO §§ 38, 108 Abs. 1; GmbHG § 64; BGB § 242 Bf