Rechtsanwalt muss nicht den Mandanten auf Befolgung seines Rates drängen
Gericht
BGH
Art der Entscheidung
Revisionsurteil
Datum
22. 09. 2005
Aktenzeichen
IX ZR 205/01
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg vom 28. Juni 2001 aufgehoben, soweit zu seinem Nachteil erkannt worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Berufung der Kläger gegen das Urteil der 12. Zivilkammer des Landgerichts Hamburg vom 16. Juni 2000 zurückgewiesen.
Die Kläger haben die Kosten beider Rechtsmittelinstanzen zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die klagenden Eheleute gründeten zum 1. Januar 1984 eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (im folgenden: GbR) zur gemeinsamen Tätigkeit als Unternehmensberater. Geschäftsführer wurde der als Politologe vorgebildete Kläger zu 2. Die Klägerin zu 1 verfügt über eine Universitätsausbildung als Philologin. Sie hielt ihren Gesellschaftsanteil treuhänderisch für den Kläger zu 2. Die Einkünfte der Gesellschafter wurden als Einnahmen aus freiberuflicher Tätigkeit erklärt. Aufgrund einer Betriebsprüfung zog das Finanzamt die Kläger 1995 für die Erhebungszeiträume 1985 bis 1993 zur Gewerbesteuer heran. Der Einspruch der Kläger gegen diese Gewerbesteuerbescheide wurde 1997 zurückgewiesen.
Die Kläger haben behauptet, der beklagte Steuerbevollmächtigte habe sie bei der Gesellschaftsgründung und bei späteren Anlässen im Rahmen seines Dauermandates steuerlich unzureichend beraten. Zwar sei darüber gesprochen worden, dass die Tätigkeit der Klägerin zu 1 möglicherweise nicht als Ausübung eines freien Berufes gewertet werden könne. Mit keinem Wort habe der Beklagte jedoch darauf hingewiesen, dass allein deshalb für die gesamten Einkünfte aus der unternehmensberatenden Tätigkeit der Gesellschafter, auch soweit sie der Kläger zu 2 erzielt habe, die Gewerbesteuerpflicht gedroht habe. Vielmehr habe der Beklagte in Aussicht gestellt, mit der treuhänderischen Außengesellschaft die Kläger vollen Umfanges gewerbesteuerfrei zu halten. Der Beklagte hat erwidert, die Kläger bei verschiedenen Anlässen über das so genannte steuerliche Infektionsrisiko gewerblicher Tätigkeit innerhalb der GbR aufgeklärt zu haben.
Das Landgericht hat die wegen der 1995 festgesetzten Gewerbesteuern erhobene Schadensersatzklage abgewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung der Kläger hatte in Höhe von 245.869,77 DM Erfolg. Mit seiner Revision erstrebt der Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Entscheidungsgründe:
Die Revision rügt zutreffend Rechtsfehler des Berufungsurteils. Die Klage ist, wie bereits vom Landgericht erkannt, vollen Umfanges abzuweisen.
I.
Das Berufungsgericht hat angenommen, der Beklagte habe auf den Vorwurf unzureichender steuerlicher Beratung zwar im einzelnen erwidert. Sein eigener Vortrag ergebe jedoch vertragswidriges Verschulden. Schon der Entwurf von Steuererklärungen, in denen die Einkünfte der Gesellschafter als solche aus freiberuflicher Tätigkeit behandelt worden seien, belege eine Pflichtverletzung. Der Beklagte müsse deshalb darlegen und beweisen, dass er die Kläger "entsprechend" belehrt habe. Seinem gesamten Vorbringen könne jedoch nicht entnommen werden, dass er die Kläger mit dem erforderlichen Nachdruck auf das Risiko der Abfärbung gewerblicher Tätigkeit innerhalb der GbR hingewiesen habe. Durch den Beratungsmangel sei den Klägern auch eine vermeidbare Gewerbesteuerlast aufgebürdet worden; denn die Tätigkeit des Klägers sei im Gegensatz zu der seiner Ehefrau von der Finanzverwaltung als freiberuflich gewertet worden. Entgegen der Auffassung des Beklagten, auch der Kläger selbst übe eine gewerbliche Tätigkeit aus, bestehe kein Anlass, an den abweichenden Feststellungen der Finanzverwaltung zu zweifeln.
II.
Das Berufungsurteil hält in den bezeichneten Punkten rechtlicher Prüfung nicht stand.
1. Die Abfassung der Steuererklärungen für die Gesellschaft der Kläger mit der Angabe freiberuflicher Einkünfte war pflichtgemäß. Der Beklagte hatte hierbei die für seine Auftraggeber günstigere Rechtsauffassung zugrunde zu legen. Den Interessen der Kläger entsprach es, gegenüber der Finanzverwaltung den Standpunkt zu vertreten, die Tätigkeit innerhalb der Gesellschaft - auch diejenige der Klägerin zu 1 - sei insgesamt freiberuflich. Der Beklagte hat mit dem Entwurf der Steuererklärungen kein neues Risiko für die Kläger geschaffen, welches nicht ohnehin bestand. Die Vorstellung des Berufungsgerichts, der Beklagte müsse sich hier für eine indizierte Pflichtwidrigkeit entlasten, ähnlich wie dies im Falle eines Rechtsgutseingriffs durch Einwilligung des Verletzten nach gehöriger Aufklärung auf der Rechtsfertigungsebene in Frage kommt, entbehrt folglich der Grundlage.
2. Der Steuerberater ist - wie der Rechtsanwalt - zwar zur umfassenden Belehrung und Beratung seines Mandaten verpflichtet. Eine besondere Nachdrücklichkeit oder Eindringlichkeit der Beratung kann aber nicht gefordert werden, weil es hierfür keinen objektiven Maßstab gibt und die Bemängelung, der Beklagte habe im Prozess nicht genügend Tatsachen vorgetragen, aus denen sich eine besonders nachdrückliche und eindringliche Beratung ergebe, letztlich wieder zu einer unzulässigen Beweislastumkehr führt (BGH, Urt. v. 11. Mai 1995 - IX ZR 130/94, NJW 1995, 2842, 2843; v. 4. Juni 1996 - IX ZR 246/95, NJW 1996, 2571, 2572). Die rechtliche Beratung des Mandaten dient seiner Information für eine eigene freie Entscheidung. Der Berater muss nicht auf Befolgung seines Rates drängen und den Nachdruck seiner Hinweise steigern, wenn der Mandant sich für seine Vorschläge nicht aufgeschlossen zeigt (vgl. BGH, Urt. v. 4. Juni 1996, aaO). Die abweichende, nicht weiter begründete Ansicht des Berufungsgerichtes beanstandet die Revision mit Recht.
Der Beklagte ist nach seinem Vortrag der ihm obliegenden Hinweis- und Beratungspflicht gegenüber den Klägern gerecht geworden (zur Darlegungslast des steuerlichen Beraters in diesem Zusammenhang vgl. BGH, Urt. v. 4. Juni 1996, aaO). Der Beklagte wusste, dass die Kläger eine Gewerbesteuerlast nach Möglichkeit vermeiden wollten. Die Gründung einer stets gewerblichen GmbH (§ 2 Abs. 2 GewStG) hatte der Kläger deshalb verworfen. Der Beklagte hat dazu in seiner erstinstanzlichen Anhörung behauptet, er habe dem Kläger anlässlich der Gründung der Gesellschaft mit dessen Ehefrau aus steuerlichen Erwägungen von einer solchen Lösung abgeraten. Es seien in diesem Zusammenhang auch andere Gestaltungsalternativen, wie die zuvor bestehende Haupt- und Subunternehmerschaft der Kläger, erörtert worden. Den Betrag etwa entstehender Gewerbesteuern habe er dem Kläger allerdings erst in einem weiteren Beratungsgespräch am 2. April 1985 vorgestellt. Bei diesem Beratungsgespräch habe er, der Beklagte, nochmals auf die "Infizierung" der GbR durch eine eventuell gewerbliche Tätigkeit der Klägerin zu 1 hingewiesen und dem Kläger die einschlägigen Gewerbesteuerrichtlinien vorgelesen. Anlass dieses erneuten Hinweises seien die Einkommensteuerbescheide der Klägerin für die Jahre 1981 und 1982 gewesen, in denen ihre Tätigkeit von der Finanzverwaltung als gewerblich eingestuft worden sei.
Die in der Erklärung des Beklagten angeführte Zitatstelle der Gewerbesteuerrichtlinien kann nur Abschnitt 14 Abs. 2 Satz 6 GewStR 1984 (BStBl. I 1985, Sondernr. 1 S. 23) gewesen sein, in dem es heißt:
"Eine aus Angehörigen eines freien Berufs bestehende Personengesellschaft ist insgesamt gewerbesteuerpflichtig, wenn an der Gesellschaft auch eine berufsfremde Person als Mitunternehmer beteiligt ist."
Einer Verlesung dieses Abschnitts hätte es nicht bedurft, wenn der Beklagte dem Kläger diese Infizierung oder Abfärbung deshalb als ausgeschlossen dargestellt hätte, weil die Klägerin als bloße Treuhänderin des Klägers keine Mitunternehmerin sei. Die entsprechende Behauptung der Kläger hat der Beklagte jedoch nicht eingeräumt.
Der Beklagte hat somit nach seiner Darstellung jedenfalls am 2. April 1985 die gebotene Aufklärung umfassend und verständlich gegeben. Wenn die Kläger das danach erkannte Gewerbesteuerrisiko nicht zum Anlass genommen haben, die GbR aufzulösen, fehlt nach ihrem eigenen Vortrag jeder Anhalt dafür, dass sie von einer Gründung der Gesellschaft 1984 bei gleich ausführlicher und deutlicher Belehrung abgesehen hätten. Ein etwaiges Klarstellungs- und Ergänzungsbedürfnis zu den Hinweisen des Beklagten anlässlich der Gesellschaftsgründung ist rechtlich ferner deshalb unerheblich, weil die Einkünfte innerhalb der GbR ohnehin erst für den Erhebungszeitraum 1985 zur Gewerbesteuer herangezogen worden sind. Eine vertiefte Erörterung der Möglichkeit, dass der Kläger zu 2 seine Ehefrau als Mitarbeiterin anstellte, war nach dem Vortrag des Beklagten nicht geboten. Denn die Kläger hatten danach zu erkennen gegeben, dass sie einer solchen Lösung mit Rücksicht auf dienen gegeben, dass sie einer solchen Lösung mit Rücksicht auf die Unterhaltsverpflichtungen des Klägers zu 2 und die dann entstehenden Sozialversicherungsabgaben nicht näher treten wollten. Nur bei sichtbarer Bereitschaft der Kläger, ihre Gegengründe zurück zu stellen, hätte der Beklagte auch diese Gestaltung näher beleuchten müssen.
Den Klägern oblag es demnach, für die von ihnen behauptete mangelhafte Beratung durch den Beklagten Beweis anzubieten und diesen Beweis zu erbringen (zur Beweislast vgl. BGH, Urt. v. 4. Juni 1996, aaO). Das ist nicht geschehen. Für eine Parteivernehmung von Amts wegen (§ 448 ZPO) hat das Berufungsgericht nach Würdigung der erstinstanzlichen Parteianhörung (§ 141 ZPO) keinen Anlass gesehen. Ein Grund zur Zurückverweisung besteht im Hinblick auf das Ergebnis dieser Anhörung auch dann nicht, wenn man zutreffend von einem rechtlich genügenden Verteidigungsvorbringen des Beklagten ausgeht.
3. Rechtlich nicht bedenkenfrei hat das Berufungsgericht außerdem einen Schaden der Kläger bejaht. Es hätte dazu selbst prüfen müssen, ob die Tätigkeit des Klägers, wie der Beklagte meint, nicht ohnehin gewerblich war (vgl. dazu etwa BFH BStBl II 1991, 769, 770; BFH/NV 1997, 559; BFH BStBl. II 2003, 25, 28 f und BFHE 183, 450 = BStBl. II, 1997, 687, 689; BFH/NV 2000, 839; FG Nürnberg DStRE 2003, 586, 587). Unter dieser Voraussetzung waren die Einkünfte des Klägers von Rechts wegen stets zur Gewerbesteuer heranzuziehen, ohne dass es auf eine Abfärbung gewerblicher Tätigkeit seiner Ehefrau innerhalb der GbR ankommen konnte. Auf die Beurteilung dieser Frage durch die Finanzverwaltung in der Zeit vor und nach dem Bestand der Gesellschaft kommt es im Verhältnis der Parteien nicht an. Der Senat braucht auf diese Steuerrechtsfrage nicht weiter einzugehen; denn die Klage ist schon deshalb abzuweisen, weil die behauptete Pflichtverletzung des Beklagten beweislos ist.
Kanzlei Prof. Schweizer Rechtsanwaltsgesellschaft mbH © 2020
Impressum | Datenschutz | Cookie-Einstellungen