Prinzessin Caroline von Hannover
Gericht
OLG Hamburg
Art der Entscheidung
Berufungsurteil
Datum
31. 01. 2006
Aktenzeichen
7 U 82/05
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Hamburg, Zivilkammer 24, vom 01.07.2005 – 324 O 869/04 – abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin tragt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe:
gemäß § 540 Abs. 1 S. 1 Ziff. 1 u. 2 ZPO:
1. Mit dem angefochtenen Urteil, auf dessen Inhalt zur weiteren Sachdarstellung ergänzend Bezug genommen wird, hat das Landgericht die Beklagte verurteilt, es zu unterlassen, ein Foto, das die Klägerin und ihren Ehemann in den Ferien zeigt, erneut zu veröffentlichen.
Die Klägerin ist einer breiten Öffentlichkeit als Tochter des ehemaligen Fürsten von Monaco bekannt. Die Beklagte verlegt die Zeitschrift "7 Tage": In deren Ausgabe Nr. 13/02 wurde berichtet, dass die Klägerin und ihr Ehemann ihre auf der Insel Larnu in Kenia belegene Villa vermieten. Illustriert war die Berichterstattung u.a. mit der angegriffenen Fotografie, die die Klägerin zusammen mit ihrem Ehemann bei einem Spaziergang auf einer öffentlichen Straße unter Leuten zeigt. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den als Anlage K 1 überreichten Artikel verwiesen.
Das Landgericht hat zur Begründung seines Urteils ausgeführt, dass die Verbreitung des Fotos nach den §§ 22, 23 KUG unzulässig sei. Bei der Abwägung der zu schützenden Interessen der abgebildeten Person und des vermuteten Informationsinteresses der Öffentlichkeit überwiege der Schutz des Privatlebens, der sich insbesondere auch aus der Regelung des Art. 8 Abs. 1 EMRK ergebe. Die deutschen Gerichte hätten die EMRK in der Auslegung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) zu beachten, auch wenn das Bundesverfassungsgericht die Grenzen des Privatsphärenschutzes enger gezogen habe. Die Bindung deutscher Gerichte an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts aus § 31 Abs. 1 BVerfGG stehe dem nicht entgegen, denn eine Bindung an die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts bestehe nur insoweit, als dieses Gesetze für verfassungswidrig oder verfassungsgemäß erkläre. Die Rechtsprechung des EGMR zum Umfang des Privatsphärenschutzes (Urteil vorn 24. Juni 2004; dt. Übersetzung in NJW 2004, 2647ff.) lasse sich in das Gefüge der von unbestimmten Rechtsbegriffen gekennzeichneten Regelung des Umfangs des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nach Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG, § 23 Abs. 2 KUG Art. 8 EMRK einfügen; höherrangige Normen, insbesondere die grundgesetzlich geschützte Informationsfreiheit, stünden dem nicht entgegen. Folglich sei bei der Abwägung des Schutzes des Privatlebens gegen die Presse- und Informationsfreiheit im Rahmen des Bildnisrechts nach der Entscheidung des EGMR (EGMR, a.a.O.; Rdnr. 78) darauf abzustellen, ob die Fotoaufnahmen zu einer öffentlichen Diskussion über eine Frage allgemeinen Interesses beitragen. Da eine solche Frage bei der streitgegenständlichen Berichterstattung nicht im Raum gestanden habe, sei dem Schutz der Privatsphäre des Klägers der Vorrang einzuräumen.
Die Beklagte bekämpft die Verurteilung mit der form- und fristgemäß eingereichten Berufung und macht dabei geltend, dass die in Frage stehende Bildveröffentlichung entsprechend der langjährigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes und des Bundesverfassungsgerichtes zulässig sei. Mit Rücksicht auf das auch für die Unterhaltungspresse streitende Grundrecht der Pressefreiheit gemäß Art. 5 GG sei diese nämlich ohne weiteres berechtigt, die Öffentlichkeit durch Bildnisse darüber zu informieren, wie Prominente sich privat verhalten, wie sie leben und wie sie in der Öffentlichkeit auftreten würden. Eine Grenze sei nur dort zu ziehen, wo sich der Prominente ersichtlich zurückgezogen habe, also für sich allein gelassen werden wolle. Um eine solche Ausnahmesituation handele es sich hier indes nicht, zumal sich die Klägerin und ihr Ehemann im Zeitpunkt der Erstellung der Fotografie - dies ist unstreitig - auf einer öffentlichen Straße unter vielen Leuten im Urlaub befunden hätten. An dieser auf höherrangigem Verfassungsrecht beruhenden Zulässigkeit der Veröffentlichung könnten die Regelungen in Art. 8 EMRK und die Entscheidung des EGMR vom 26.4.2004 nichts ändern.
Die Beklagte beantragt,
das landgerichtliche Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil and führt aus, dass die Entscheidung im Einklang mit Art. 8 EMRK und der Entscheidung des EGMR vom 24.6.2004, durch welche der EGMR der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur sogenannten örtlichen Abgeschiedenheit ohnehin eine klare Absage erteilt habe, stünde.
Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
2. Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache Erfolg. Die Beklagte hat nicht in rechtswidriger Weise in das durch die §§ 22, 23 Abs. 2 KUG geschützte Recht der Klägerin am eigenen Bild eingegriffen. Zwar hat die Klägerin unstreitig eine Einwilligung zur Anfertigung und Veröffentlichung des Fotos nicht erteilt. Der Beklagten steht indes der Rechtfertigungsgrund gemäß § 23 Abs. 1 Ziff. 1 KUG zur Seite. Als Person des öffentlichen Lebens muss die Klägerin es grundsätzlich hinnehmen, dass Fotografien, auf denen sie abgebildet ist, auch ohne ihre Einwilligung verbreitet werden. Dieses Recht zur Veröffentlichung findet erst dann seine Grenze, wenn die fragliche Aufnahme die Privatsphäre der Klägerin berührt und das Interesse der Klägerin am Schutze ihrer Privatsphäre gegenüber dem Informationsinteresse der Allgemeinheit überwiegt (§ 23 Abs. 2 KUG). Bei dieser Abwägung ist einerseits der sich aus Art. 1 Abs. 1. Art. 2 Abs. 1 GG ergebende Persönlichkeitsrechtsschutz und andererseits die in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG enthaltene Gewährleistung der Pressefreiheit zu beachten. Unter Berücksichtigung vorstehender Grundsätze ist die hier in Rede stehende Bildveröffentlichung als rechtmäßig einzustufen.
Die Klägerin macht allerdings mit Recht geltend, dass im Rahmen der vorzunehmenden Abwägung der widerstreitenden Interessen auch der sich aus Art. 8 EMRK ergebende Schutz der Privatsphäre zu berücksichtigen und bei der Bestimmung der Grenzen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts heranzuziehen ist. Die Gewährleistungen der EMRK beeinflussen die Auslegung der Grundrechte des Grundgesetzes, und zwar in der Weise, dass die EMRK in der Auslegung des EGMR als Auslegungshilfe für die Bestimmung von Inhalt und Reichweite der Grundrechte und rechtsstaatlichen Grundsätze des Grundgesetzes dient, sofern dies nicht zu einer Einschränkung oder Minderung des Grundrechtsschutzes nach dem Grundgesetz führt (BVerfG, NJW 2004. 3407, 3409ff.). Dementsprechend müssen sich die Gerichte mit Urteilen des EGMR auseinandersetzen und sie in die nationale Rechtsordnung einpassen. Im Fall eines Konflikts beansprucht indes das Grundgesetz weiter Vorrang (BVerfG. a.a.O.; Soehring/Seelmann-Eggebert, NJW 2005, 571, 577). In diesem Zusammenhang ist, worauf die Beklagte mit Recht hinweist, die Bindungswirkung zu beachten, die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zur Auslegung des Grundgesetzes zukommt.
Nach dem Urteil des EGMR vom 24. Juni 2004 (NJW 2004. 2647, 2651, Rdnr. 76) ist bei der Abwägung zwischen dem Schutz des Privatlebens und der Freiheit der Meinungsäußerung darauf abzustellen, ob Fotoaufnahmen und Presseartikel zu einer öffentlichen Diskussion über eine Frage allgemeinen Interesses beitragen. Eine solche Frage stand bei der Berichterstattung, deren Illustration die angegriffene Aufnahme diente, wie das Landgericht im Einzelnen zutreffend ausgeführt hat, nicht im Raum. Vielmehr diente der Artikel, der sich mit der Vermietung der Villa der Klägerin und ihres Ehemannes beschäftigt, in erster Linie dem Unterhaltungsinteresse der Leser.
Dennoch ist entgegen der Auffassung des Landgerichts die Veröffentlichung des Fotos im Lichte der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 101, 361) als zulässig anzusehen. Der Auffassung des Landgerichts, dass eine Bindung an Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts nur insoweit bestehe, als dieses Gesetze für verfassungswidrig oder verfassungsmäßig erkläre, kann nicht gefolgt werden. Dem steht die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, wonach auch die tragenden Gründe seiner Entscheidungen, soweit sie Ausführungen zur Auslegung der Verfassung enthalten, binden (BVerfGE 1, 14, 37; 96, 375, 404), sowie des Bundesverwaltungsgerichts, wonach den Leitsätzen des Bundesverfassungsgerichts Bindungswirkung zukommt (BVerwGE 73, 263, 268; so auch Mann, NJW 2004, 3220; a.A.: Schlaich/Korioth, Das Bundesverfassungsgericht, 6. Aufl. 2004, Rn. 489; Bethge in Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG, Stand Juni 2001, § 31 Rn. 92), entgegen.
Zwar dürfte es zweifelhaft sein, ob es sich bei den Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts im Urteil vom 15. Dezember 1999 (BVerfGE 101. 361, 382ff.) zur sogenannten "Abgeschiedenheit" insgesamt um tragende Gründe der Entscheidung handelt und ob deshalb ein Verbot des streitgegenständlichen Fotos bereits mangels "abgeschiedener Situation" nicht in Betracht kommt. Bindungswirkung entfalten aber jedenfalls die Sätze, die das Bundesverfassungsgericht in jener Entscheidung zum Privatsphärenschutz im Sinne von Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG an von einer breiten Öffentlichkeit aufgesuchten Plätzen formuliert hat: "Plätzen, an denen sich der Einzelne unter vielen Menschen befindet, fehlt es von vornherein an den Voraussetzungen des Privatsphärenschutzes im Sinne von Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG. Sie können das Rückzugsbedürfnis nicht erfüllen und rechtfertigen deswegen auch nicht den grundrechtlichen Schutz, den dieses Bedürfnis aus Gründen der Persönlichkeitsentfaltung verdient." (BVerfGE 101, 361. 384). Deshalb, so das Bundesverfassungsgericht, gebe die Entscheidung des Bundesgerichtshofs hinsichtlich derjenigen Abbildungen, die die Beschwerdeführerin beim Gang zum Markt und mit einer Leibwächtern auf dem Markt zeigen, keinen Anlaß zur verfassungsrechtlichen Beanstandung (BVerfGE 101, 361, 395). Diese Rechtssätze stellen die Grundlage für die teilweise erfolgte Zurückweisung der Verfassungsbeschwerde dar und sind damit "tragende Gründe" der Entscheidung. Tragend für eine Entscheidung sind nämlich jene Rechtssätze, die nicht hinweggedacht werden können, ohne dass das konkrete Entscheidungergebnis nach dem in der Entscheidung zum Ausdruck gekommenen Gedankengang entfiele (BVerfG 96, 375, 404).
Danach muss die Person des öffentlichen Lebens, um ihrem Recht auf Achtung des Privatlebens gerecht zu werden, zwar davor geschützt werden, damit rechnen zu müssen, fast zu jeder Zeit und fast an jedem Ort fotografiert zu werden und dass derartige Aufnahmen veröffentlicht werden. Andererseits darf dieses berechtigte Interesse nicht dazu führen, dass jegliche Berichterstattung über Vorgänge außerhalb der offiziellen Auftritte der prominenten Person zu unterbleiben hat. Jedenfalls an Plätzen, die von einer breiten nicht weiter abgegrenzten Öffentlichkeit aufgesucht werden können und an denen sich der Einzelne unter vielen Menschen befindet, erfordert das Recht auf Privatsphäre es nicht, eine Fotoberichterstattung als unzulässig einzustufen. Um ein Bildnis mit einem solchen Abbildungsinhalt handelt es sich auch bei dem streitgegenständlichen Foto. Dieses zeigt nämlich - wie ausgeführt - die Klägerin während ihrer Ferien, wie diese sich zusammen mit ihrem Ehemann an einem nicht näher bezeichneten Ort auf öffentlicher Straße unter vielen Leuten aufhält. Unter diesen Umständen muss die Klägerin als Person des öffentlichen Interesses mit einer gewissen Aufmerksamkeit rechnen und kann auch nicht davon ausgehen, von den Medien unbeobachtet zu bleiben. Davon ausgehend ist bei der Beurteilung des streitgegenständlichen Fotos dem öffentlichen Interesse der Vorrang einzuräumen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO. Da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, ist die Revision gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Ziff. 1 ZPO zuzulassen.
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