Der Zwangsverwalter ist befugt, von dem Schuldner (Grundstückseigentümer) die Überlassung einer vor der Beschlagnahme von einem Mieter des Objekts geleisteten Mietkaution zu verlangen.
Gericht
BGH
Art der Entscheidung
Urteil
Datum
14. 04. 2005
Aktenzeichen
V ZB 6/05
Der Zwangsverwalter ist befugt, von dem Schuldner (Grundstückseigentümer) die Überlassung einer vor der Beschlagnahme von einem Mieter des Objekts geleisteten Mietkaution zu verlangen. Der Beschluß über die Anordnung der Zwangsverwaltung stellt zusammen mit der Ermächtigung des Zwangsverwalters zur Besitzergreifung einen Vollstreckungstitel dar, aufgrund dessen wegen dieses Anspruchs nach § 883 ZPO vollstreckt werden kann.
Auf die Rechtsmittel des Zwangsverwalters werden der Beschluß der 5. Zivilkammer des Landgerichts Tübingen vom 21. Januar 2004 aufgehoben und der Beschluß des Amtsgerichts Calw vom 16. Juli 2003 abgeändert.
Der Gerichtsvollzieher wird angewiesen, den Vollstreckungsauftrag des Zwangsverwalters nicht aus den bisherigen Gründen abzulehnen. Die Kosten der Rechtsmittelverfahren hat der Schuldner zu tragen. Beschwerdewert: 582,87 €
Entscheidungsgründe:
I.
Der Rechtsbeschwerdeführer ist Zwangsverwalter des eingangs bezeichneten
Wohnungseigentums, welches im Eigentum des Schuldners steht.
Das Amtsgericht erteilte ihm einen Zwangsverwalterausweis, der den Beschluß
betreffend die Anordnung der Zwangsvollstreckung inhaltlich wiedergibt und
nach dessen Inhalt der Rechtsbeschwerdeführer ermächtigt ist, sich selbst den
Besitz zu verschaffen. Die Eigentumswohnung ist vermietet. Ausweislich des
dem Rechtsbeschwerdeführer vorliegenden Mietvertrages haben die Mieter
eine Mietkaution in Höhe von 1.140 DM zu leisten.
Der Rechtsbeschwerdeführer erteilte unter Vorlage des Zwangsverwalterausweises
dem zuständigen Gerichtvollzieher den Auftrag zur "Wegnahme
der Mietkaution in Höhe von 1.140,-- DM ... und ... Aushändigung derselben an
mich" und für den Fall, daß die Kaution nicht ausfindig zu machen sein sollte,
den weiteren Auftrag, dem Schuldner die eidesstattliche Versicherung über
deren Verbleib abzunehmen. Der Gerichtsvollzieher hat die Durchführung des
Auftrags abgelehnt. Zur Begründung hat er ausgeführt, es fehle ein vollstreckbarer
Titel; die Vorlage des Zwangsverwalterausweises reiche nicht aus.
Das Amtsgericht hat die dagegen erhobene Erinnerung des Zwangsverwalters
zurückgewiesen. Seine dagegen gerichtete sofortige Beschwerde ist
ohne Erfolg geblieben. Das Landgericht hat in der Beschwerdeentscheidung die
Rechtsbeschwerde zugelassen. Mit dieser verfolgt der Rechtsbeschwerdeführer
seinen Antrag weiter.
II.
Das gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO statthafte und auch im
übrigen zulässige Rechtsmittel hat Erfolg.
1. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt: Der Beschluß über die Anordnung
der Zwangsverwaltung könne nicht als ausreichender Vollstreckungstitel
für die Wegnahme jeglicher Kaution, die der Mieter geleistet habe, und für jegliche
in Betracht kommenden Hilfspfändungen angesehen werden. Eine dahin
gehende Auffassung entferne sich allzu sehr von der im Gesetz angeordneten
Besitzeinweisung des Zwangsverwalters (§ 150 Abs. 2 ZVG). Dabei sei zu berücksichtigen,
daß je nach den Umständen nicht nur eine Herausgabevollstrekkung,
etwa bei Vorhandensein eines Sparbuchs, sondern je nach Anlage der
Kaution auch andere Arten der Vollstreckung oder bei pflichtwidriger Einverleibung
der Kaution in das Vermögen des Schuldners sogar die Vollstreckung
wegen einer Geldersatzforderung in Betracht komme.
2. Dem kann nicht uneingeschränkt zugestimmt werden. Die angefochtene
Entscheidung ist von Rechtsfehlern beeinflußt.
a) Das Beschwerdegericht nimmt im Ansatz zutreffend an, daß der dem
Gerichtsvollzieher erteilte Auftrag zumindest auch darauf gerichtet ist, die Herausgabevollstreckung
wegen einer beim Schuldner gegenständlich vorhandenen
Kaution vorzunehmen. Der Antrag auf "Wegnahme der Mietkaution" bezweckt
ersichtlich (auch) den Zugriff auf einen gegenständlich noch vorhandenen,
gesondert aufbewahrten Geldbetrag, auf Unterlagen, die wie ein Sparbuch
den Zugriff auf die angelegte Geldsumme ermöglichen, oder auf eine Bürgschaftsurkunde.
Andernfalls wäre der zweite Teil des Antrags, dem Schuldner
die eidesstattliche Versicherung über den Verbleib der Kaution abzunehmen,
falls sie nicht vorgefunden wird, nicht verständlich.
Mit diesem Inhalt trägt der gestellte Antrag den mietrechtlichen Gegebenheiten
Rechnung. Für den Regelfall ist davon auszugehen, daß der Vermieter
eine vom Mieter überlassene Kaution entsprechend § 551 Abs. 3 BGB gesondert
angelegt hat und daß über diese Anlage bei dem Vermieter Unterlagen,
wie etwa ein Sparbuch, vorzufinden sind, die den Zugriff auf die Kaution ermöglichen.
Darüber, ob und inwieweit dies der Fall ist, hat der Zwangsverwalter
nach seinem Vortrag keine Kenntnis. Dies kann indes von dem Gerichtsvollzieher
bei einer Zwangsvollstreckung nach § 883 ZPO festgestellt werden. Findet
er die Kautionssumme oder darauf verweisende Unterlagen nicht vor, kann
nach § 883 Abs. 2 ZPO verfahren werden.
Ob der an den Gerichtsvollzieher gerichtete Antrag einen weitergehenden
Inhalt hat, kann derzeit dahinstehen. Zwar trifft es zu, daß etwa ein (ausschließlich)
auf die Pfändung einer Geldforderung gerichteter Antrag abzulehnen
wäre, weil der Beschluß über die Anordnung der Zwangsverwaltung nebst
der Ermächtigung zur Besitzergreifung kein Vollstreckungstitel ist, der die Pfändung
eines Geldbetrages in Höhe der Mietkaution aus dem Vermögen des
Vermieters erlaubt. Das Beschwerdegericht hat aber übersehen, daß ein verfahrensrechtlicher
Antrag nicht deshalb in vollem Umfang abgelehnt werden
darf, weil er in der einen oder anderen Richtung zu weit geht. Einem solchen
Antrag ist stattzugeben, soweit er gerechtfertigt ist, nur im übrigen ist er abzulehnen.
Im vorliegenden Fall darf deshalb ein zulässiger und begründeter Antrag
auf Vornahme der Herausgabevollstreckung nicht deshalb abgelehnt werden,
weil die Antragstellung (möglicherweise) eine weitere Vollstreckungsart
erfaßt, für die ein Vollstreckungstitel nicht vorliegt. Die denkbare Fallgestaltung,
daß ein rechtlich zulässiger und ein unzulässiger Teil des Antrags nicht sinnvoll
unterschieden werden können und deshalb nur eine Zurückweisung in vollem
Umfang in Betracht kommt, liegt hier nicht vor.
b) Für die danach erstrebte Vollstreckung gemäß § 883 ZPO stellt der
Beschluß über die Anordnung der Zwangsverwaltung nebst der Ermächtigung
zur Besitzergreifung eine ausreichende Vollstreckungsgrundlage dar.
aa) Die Zwangsverwaltung ist, wie sich insbesondere aus § 152 Abs. 1
ZVG ergibt, darauf gerichtet, die laufenden, aus der ordnungsgemäßen Nutzung
des Grundstücks stammenden Erträge zur Befriedigung des Gläubigers
einzusetzen, während dem Schuldner die Substanz des Vermögensgegenstandes
ungeschmälert erhalten bleibt. Zugleich soll sie den Gläubiger vor einer
Wertminderung des Objekts und sonstigen Beeinträchtigungen schützen (BGH,
Beschluß vom 10. Dezember 2004, IXa ZB 231/03, WM 2005, 244, 245). Nach
§ 150 Abs. 2 ZVG hat das Gericht zu diesem Zweck dem Verwalter durch einen
Gerichtsvollzieher oder durch einen sonstigen Beamten das Grundstück zu
übergeben oder ihm die Ermächtigung zu erteilen, sich selbst den Besitz zu
verschaffen. Geschieht - wie im vorliegenden Fall - letzteres, so ist der Anordnungsbeschluß
zusammen mit der Ermächtigung des Gerichts ein Vollstrekkungstitel
des Zwangsverwalters, mit dem die Herausgabe der von der Beschlagnahme
erfaßten Gegenstände erzwungen werden kann (Bötticher, ZVG,
3. Aufl., § 150 Rdn. 12; Depré/Mayer, Die Praxis der Zwangsverwaltung,
2. Aufl., Rdn. 448; Eickmann, Zwangsversteigerungs- und Zwangsverwaltungsrecht,
2. Aufl., S. 404; Haarmeyer/Wutzke/Förster/Hintzen, Zwangsverwaltung,
3. Aufl., § 148 ZVG Rdn. 13; § 150a Rdn. 21 f.; Knees, Immobiliarzwangsvollstreckung,
4. Aufl., S. 165; Stöber, ZVG, 17. Aufl., § 150 Rdn. 3.5b; Heinz,
DGVZ 1955, 17, 18).
bb) Der vorgenannte Zweck erfordert, daß die in § 150 Abs. 2 ZVG normierte
Herausgabepflicht nicht nur auf die von der Beschlagnahme erfaßten,
sondern auch auf die sonst für die Tätigkeit des Zwangsverwalters notwendigen
Gegenstände erstreckt wird. Weitgehend wird daher angenommen, daß der
Zwangsverwalter auch die Herausgabe von Urkunden, die ein Miet- oder Pachtverhältnis
betreffen, verlangen und notfalls mit Hilfe des Gerichtsvollziehers
durchsetzen kann (OLG München Rpfleger 2002, 373 - Pachtvertrag; AG
Stuttgart Rpfleger 1995, 375 - Mietvertrag; Depré/Mayer, aaO, Rdn. 485;
Eickmann, aaO; Haarmeyer/Wutzke/Förster/Hintzen, Zwangsverwaltung, aaO;
Knees, aaO; a.A. Stöber, aaO, Rdn. 3.9 m.w.N.).
cc) Nach richtiger Ansicht ist der Zwangsverwalter auch befugt, von dem
Schuldner die Überlassung einer vor der Beschlagnahme von einem Mieter des
Objekts geleisteten Mietkaution zu verlangen, wobei der Anordnungsbeschluß
und die Ermächtigung des Zwangsverwalters gemäß § 150 Abs. 2 ZVG einen
Vollstreckungstitel zur Durchsetzung auch dieses Anspruchs darstellen (Stöber,
aaO, § 152 Rdn. 9.13c; wohl auch Depré/Mayer, aaO, Rdn. 493). Dabei kommt
es nicht darauf an, ob sich die Beschlagnahme nach § 148 Abs. 1 Satz 1 ZVG
in Verbindung mit § 21 Abs. 2 ZVG unmittelbar auf den Anspruch auf Überlassung
der Mietkaution erstreckt (so Stöber, aaO, § 152 Rdn. 9.13b), obwohl die
Kaution, anders als Miet- und Pachtzahlungen (vgl. zum Begriff MünchKomm-
BGB/Eickmann, 4. Aufl., § 1123 Rdn. 6 f. m.w.N.), nicht für die Raumnutzung
entrichtet wird. Unerheblich ist auch, ob und inwieweit die die Rückgabe der
Mietkaution betreffenden Vereinbarungen ihre Grundlage in dem Mietverhältnis
oder in einer ergänzend getroffenen Sicherungsabrede haben (vgl. dazu BGHZ
141, 160, 166).
Entscheidend ist folgendes: Nach § 152 Abs. 2 ZVG ist, wenn das
Grundstück vor der Beschlagnahme einem Mieter oder Pächter überlassen wurde,
der Miet- oder Pachtvertrag auch dem Verwalter gegenüber wirksam. Der
Mieter hat die Mietkaution auf der Grundlage der im Mietvertrag getroffenen
Vereinbarungen gestellt. Sie sichert die Mietzinsansprüche, auf die sich die Beschlagnahme
nach § 148 Abs. 1 Satz 1 ZVG in Verbindung mit § 21 Abs. 2
ZVG erstreckt. Eine ordnungsgemäße Verwaltung des Grundbesitzes erfordert,
daß der Zwangsverwalter anstelle des Schuldners (Grundstückseigentümers),
dem die Verwaltung und Benutzung des Grundstücks durch die Beschlagnahme
entzogen ist (§ 148 Abs. 2 ZVG), in die Lage versetzt wird, nötigenfalls auf
die Kaution zuzugreifen, um gegen den Mieter gerichtete Ansprüche zu decken.
Der Zugriff auf eine an den Schuldner geleistete Kaution muß dem Zwangsverwalter
aber auch deshalb ermöglicht werden, weil er dem Mieter gegenüber zur
Herausgabe der Kaution nach Wegfall des Sicherungszwecks verpflichtet ist
(BGH, Urteil vom 16. Juli 2003, VIII ZR 11/03, NJW 2003, 3342 f. m.w.N.; vgl.
dazu etwa Depré/Mayer, aaO, Rdn. 496; Haarmeyer/Wutzke/Förster/Hintzen,
aaO, § 155 Rdn. 10 ff.; Alff/Hintzen, Rpfleger 2003, 635 ff.; Erckens, ZfIR 2003,
981 ff.; Walke, WuM 2004, 185 ff.).
c) Der Gerichtsvollzieher durfte deshalb den Vollstreckungsantrag nicht
mit der Begründung ablehnen, es liege kein Vollstreckungstitel vor. Für die Herausgabevollstreckung
nach den §§ 883 ZPO, die in die Zuständigkeit des Gerichtsvollziehers
fällt, ist dies sehr wohl der Fall. Dabei ist davon auszugehen,
daß das Zwangsverwalterzeugnis, wenn es - wie hier - den Anordnungsbeschluß
in vollem Umfang wiedergibt und die Ermächtigung zur Besitzergreifung
enthält, den maßgeblichen Vollstreckungstitel darstellt.
Der Gerichtsvollzieher wird also, soweit die sonstigen Vollstreckungsvoraussetzungen
(jetzt noch) vorliegen, die nach § 883 ff. ZPO erforderlichen Vollstreckungshandlungen
vorzunehmen haben, soweit der Vollstreckungstitel dafür
in dem zuvor beschriebenen Rahmen eine ausreichende Grundlage bietet.
Sollten die dabei gewonnenen Erkenntnisse Vollstreckungshandlungen als notwendig
erscheinen lassen, die durch den vorliegenden Titel nicht gedeckt sind,
ist durch Rückfrage bei dem Gläubiger zu klären, ob sich der gestellte Antrag
tatsächlich auch darauf beziehen soll. Dann ist der Antrag insoweit abzulehnen.
Andernfalls ist der Antrag mit Durchführung der Herausgabevollstreckung erledigt.
III.
Der Gerichtsvollzieher wird nunmehr demgemäß zu verfahren haben.
Obwohl noch zu prüfen ist, ob die weiteren Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung
noch vorliegen, sind die Kosten des Rechtsmittelzuges bereits jetzt
dem Schuldner aufzuerlegen (§ 91 Abs. 1 ZPO). Der Rechtsbeschwerdeführer
dringt mit seinem Begehren im wesentlichen durch, selbst wenn man davon
ausgeht, daß der Antrag zu weit formuliert ist. Dafür, daß - jedenfalls bisher -
die weiteren Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung gefehlt haben oder
nicht nachholbar gewesen sein könnten, ist nichts ersichtlich. Eine Kostenbelastung
des Gerichtsvollziehers kommt nicht in Betracht (vgl. BGH, Beschluß vom
19. Mai 2004, IXa ZB 297/03, NJW 2004, 2979, 2980 f.).
Wenzel
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