Frustzwerge in Nachbars Garten

Gericht

AG Grünstadt


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

11. 02. 1994


Aktenzeichen

2a C 334/93


Leitsatz des Gerichts

Wird ein Frustzwerg in der Absicht aufgestellt, den Nachbarfrieden nachhaltig zu stören, so kann sich der Nachbar auf eine Ehrverletzung berufen.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Die Parteien sind Eigentümer benachbarter Anwesen in H. Die beiden Häuser liegen aneinandergebaut in einem Innenhof mit gemeinsamen Zugang zur Straße, wobei das Haus des Bekl. an die Straße angrenzt und das Haus des Kl. dahinter liegt. Gegenüber dem Wohnhaus des Bekl. befindet sich ein ebenfalls diesem gehörendes Nebengebäude mit Terrasse sowie ein daran angrenzender, dem Anwesen des Kl. (Eingangsbereich) gegenüberliegender Garten. Das nachbarliche Verhältnis zwischen den Parteien ist seit einiger Zeit auf das Äußerste angespannt. So ist beispielsweise ein weiterer Rechtsstreit wegen angeblicher Lärmbelästigung durch Musik aus dem Haus des Bekl. beim LG Frankenthal anhängig. Kurz nachdem vom LG Frankenthal ein Beweisbeschluß hinsichtlich der Einholung eines Sachverständigengutachtens in dieser Angelegenheit ergangen war, stellte der Bekl. erstmals von ihm selbst hergestellte Tonfiguren in seinem zum Hof des Kl. gelegenen Garten auf. Im Laufe der Zeit wurden weitere Figuren u.a. auch auf einem Dachvorsprung des gegenüberliegenden Nebengebäudes, auf der Terrasse, sowie vor und in den Fenstern der Wohnung des Bekl. zum gemeinsamen Hofbereich und der Durchgangsstraße aufgestellt. Diese Figuren werden vom Bekl. als sog. Frustzwerge bezeichnet. Es handelt sich um ca. 30 bis 35 cm große gartenzwergartige Gebilde. Im Gegensatz zu den üblicherweise bieder und brav wirkenden allgemein bekannten Gartenzwergen, handelt es sich bei den vom Kl. aufgestellten „Frustzwergen“ um solche, die verschiedene, für einen Gartenzwerg untypische Posen und Gesten einnehmen. So zeigt einer der Zwerge dem Beobachter mit herausgestreckter Zunge den erhobenen Mittelfinger (sog. Fuck-you-Zeichen), ein anderer beugt sich mit heruntergelassenen Hosen nach vorne und zeigt sein entblößtes Hinterteil, ein weiterer hält sich die Nase zu und schließt dabei die Augen. Weitere Zwerge strecken ebenfalls die Zunge heraus, zeigen einen „Vogel“, bilden mit Daumen und Zeigefinger einen Kreis. Ein weiterer Zwerg trägt eine Kapuzeund verkörpert einen auf ein Beil gestützten Scharfrichter. Ein anderer Zwerg wurde an einem Baum im Garten des Bekl. „erhängt“. Einige Zwerge halten bzw. hielten vorprozessual Schilder mit Parolen wie „Pfälzer in die Pfalz, Wuppertaler in die Wupper“ (der Kl. stammt aus Wuppertal), „Zieht endlich aus, wir wollen Frieden im Hof!". Das erstgenannte Schild wurde am 24. 9. 1993 entfernt, das letztere wurde durch ein Schild mit der Aufschrift „Musik ist Trumpf“ ersetzt. Der Bekl. hat die Zwergenkollektion während des vorliegenden Rechtsstreites durch Neuaufstellung bzw. Umstellung der Zwerge verändert, andere Zwerge wurden entfernt. Die vom Kl. im vorliegenden Rechtsstreit beanstandeten Zwerge standen bzw. stehen hauptsächlich auf einem Mauervorsprung des dem Wohnhaus des Bekl. gegenüberliegenden und zu dessen Anwesen gehörenden Nebengebäudes, neben dem Treppenaufgang zur Terrasse des Bekl., in oder vor den Fenstern des Wohnhauses sowie im Garten des Bekl. Diese Zwerge sind teilweise von der Straße aus, in jedem Fall aber überwiegend von dem unmittelbaren Zugang zum Eingangsbereich des Hauses des Kl. sichtbar.

Im vorliegenden Rechtsstreit verlangte der Kl. vom Bekl. nicht nur die Beseitigung der noch vorhandenen Zwerge, sondern auch die Unterlassung dergleichen Maßnahmen in der Zukunft. Die Klage hatte Erfolg.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

Der Abwehr- bzw. Beseitigungsanspruch des Kl. ergibt sich aus § 1004 I BGB i.V. mit § 823 I BGB. Durch die Aufstellung der im Tenor näher bezeichneten Zwerge wird das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Kl. durch den Bekl. als Störer rechtswidrig beeinträchtigt. Die Aufstellung dieser „Frustzwerge“ geht weit über das hinaus, was als lediglich ästhetische Störung des Bekl. bezeichnet werden könnte. Die Posen und Gesten dieser Zwerge stellen sich - trotz ihres zweifellos künstlerischen Wertes - als grobe Beleidigung des Kl. dar, was nach der Überzeugung des Gerichtes vom Bekl. auch so beabsichtigt ist.

Die Gesten der beanstandeten Zwerge sind eindeutig und es bedarf für jeden verständigen Betrachter keiner weiteren Erläuterung, daß diese Zwerge eine grobe Mißachtungsäußerung gegenüber dem Kl. darstellen sollen. Insofern ist der Vortrag des Bekl., er habe diese Zwerge nur „zu seiner eigenen Erbauung“ angefertigt und aufgestellt, mit logischer Denkweise nicht vereinbar. Der Bekl. könnte diese Zwerge am besten dann sehen, wenn er sie in seinem eigenen Aufenthaltsbereich aufstellen würde und hätte dabei ausreichend Gelegenheit, sich an ihnen zu erbauen. Dies hat er aber nicht getan, sondern diese Zwerge so plaziert, daß sie insb. von Kl. und von Passanten der Straße und Besuchern des Kl. wahrgenommen werden. Sie stehen teilweise so, daß sie der Bekl., wenn er sich in seinem Hause befindet, überhaupt nicht mehr sehen kann. Es kann daher keine Rede davon sein, daß ausschließlicher Zweck die „eigene Erbauung" des Bekl. gewesen sein soll. Hinzu kommt, daß vorprozessual auch Schriften verwendet worden sind, wie „Pfälzer in die Pfalz, Wuppertaler in die Wupper“ u.ä., von denen beim besten Willen nicht angenommen werden kann, sie dienten der Erbauung des Bekl.

In Wirklichkeit stellt sich der Fall vielmehr so dar, daß der Bekl. seine zweifellos vorhandene künstlerische Begabung dazu mißbraucht hat, um seiner Absicht, den Kl. zu kränken und zu beleidigen, eine feste Form zu geben. Letztlich ist hier nichts anderes geschehen, als daß der Bekl. sich nicht selbst hingestellt hat, um entsprechend ehrverletzend und beleidigend gebenüber dem Kl. zu gestikulieren, sondern dies durch tönerne Stellvertreter getan hat. Es macht daher keinen Unterschied, ob der Bekl. sich selbst vor das Haus des Kl. gestellt hätte, um diesem beispielsweise sein bloßes Hinterteil hinzustrecken, oder dem Kl. die Zunge herauszustrecken bei dem oben bereits erwähnten „Fuck-you-Zeichen“. Da dies dem Bekl. aus naheliegenden Gründen nicht permanent möglich ist, hat er sich entschlossen, die hier streitgegenständlichen Zwerge zu schaffen und diese für ihn „handeln“ zu lassen.

Im Ortstermin vom 11. 1. 1994 hat der Bekl. die Auffassung vertreten, es müsse ihm gestattet sein, seinen Frust gegenüber dem Kl. auf diese Weise loszuwerden. Dieses Argument ist der geltenden Rechtsordnung fremd. Es ist zweifellos so, daß viele Menschen in vergleichbaren Situationen ihrem Frust durch Beleidigungen ein Ventil schaffen könnten und dieses wohl auch wünschen. Allerdings stößt dies in zivilisierten Gesellschaften üblicherweise auf die Auffassung der Mehrheit der Bevölkerung, daß dies nicht durch Ehrverletzungen oder Beleidigungen des Gegenüber geschehen darf. Dieser weit verbreiteten Auffassung hat sich auch die Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland angeschlossen, wonach dergleichen Verhaltensweisen nicht nur strafrechtlich als Beleidigung i.S. des § 185 StGB zu werten sind, sondern auch als rechtswidrige Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, was dem Verletzten das Recht gibt, diese Beeinträchtigung zu beseitigen bzw. abzuwehren.

Der Vortrag des Bekl., „keiner der anderen Nachbarn, welche die Zwege ebenfalls sehen können, fühle sich gestört“, hat wohl eher zynischen Charakter, jedenfalls keine rechtliche Bedeutung, da die anderen Nachbarn ganz offensichtlich nicht Ziel des Frustrationsabbaus des Bekl. sind.

Unerheblich ist auch der Vortrag des Bekl., daß es sich bei diesen Zwergen um Kunstgegenstände handele. Der Bekl. verkennt hierbei, daß die Kunstfreiheit ihre Grenzen in dem durch Art. 2 I i.V. mit Art. 1 I GG gewährleisteten allgemeinen Persönlichkeitsrecht findet. Ein Kunstobjekt, das ersichtlich gezielt als Mittel der Ehrverletzung eingesetzt wird, unterliegt nicht dem Schutz des Grundgesetzes, da die absolute Grenze der in Art. 1 I GG garantierten Menschenwürde überschritten ist (vgl. BVerfGE 30, 173 (194) = NJW 1971, 1645). Nach den obigen Ausführungen steht nach der Überzeugung des Gerichtes fest, daß die Zwerge vom Bekl. nicht geschaffen und insb. nicht aufgestellt wurden, um seiner künstlerischen Begabung zu frönen, sondern allein, um den Kl. zu beleidigen. Die zu beanstandenden Zwerge sind isoliert, d.h. ihrer Zweckbestimmung entkleidet, zweifellos witzig, in ihrer Verwendungsart aber eher das Gegenteil...

Aber auch der vorbeugende Unterlassungsanspruch des Kl. ist begründet. Die Art und Weise, wie der Bekl. im vorliegenden Rechtsstreit argumentiert und sich beim Ortstermin verhalten hat, läßt erhebliche Zweifel daran aufkommen, daß er in Zukunft dergleichen rechtswidrigen Handlungen unterlassen wird. Er ist nicht bereit, die Rechtswidrigkeit seines Tuns zu erkennen und glaubt sich berechtigt, zum Zwecke des eigenen Frustabbaus dergleichen Maßnahmen durchführen zu dürfen.

Rechtsgebiete

Nachbarrecht; Garten- und Nachbarrecht

Normen

BGB §§ 823, 1004; StGB § 185; GG Art. 1 I, 2 I, 5 III