Die Regelung in einem Mietvertrag, dass das Mietverhältnis mit der Übergabe der Mietsache beginnt
Gericht
BGH
Art der Entscheidung
Urteil
Datum
02. 11. 2005
Aktenzeichen
XII ZR 212/03
Die Regelung in einem Mietvertrag, dass das Mietverhältnis mit der Übergabe der Mietsache beginnt, ist hinreichend bestimmbar und genügt deshalb dem Schriftformerfordernis des § 566 BGB a.F.
Tatbestand:
Die Rechtsvorgängerin der Klägerin vermietete mit schriftlichem Vertrag vom 12. Januar 1995 an die S. AG ein Ladenlokal im Nahversorgungszentrum H. auf 15 Jahre. 1 - 3 - § 2 des Mietvertrages lautet: "1. Das Mietverhältnis beginnt mit der Übergabe der Mieträume. Es endet nach Ablauf von 15 Jahren am darauffolgenden 30.6. 2. … 3. Die Übergabe der Mietfläche ist voraussichtlich im April 1996, die Eröffnung des Zentrums ist für Mai 1996 vorgesehen. Beide Terminangaben sind für den Vermieter unverbindlich." Am 17. September 1996 wurde das Objekt an die Beklagte übergeben, die das Vermögen der S. AG durch Verschmelzungsvertrag vom 13. Juni 1996 übernommen hatte. Später erwarb die Klägerin das Objekt von der Vermieterin. Mit Schreiben vom 24. Januar 2003 kündigte die Beklagte den Mietvertrag zum 30. September 2003 mit der Begründung, dass der Mietvertrag die Schriftform nicht wahre. Das Landgericht hat die Klage auf Feststellung, dass die Kündigung der Beklagten das Mietverhältnis der Parteien nicht beendet habe, abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist ohne Erfolg geblieben. Dagegen wendet sich die Klägerin mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision.
Entscheidungsgründe:
Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur antragsgemäßen
Verurteilung der Beklagten.
1. Das Oberlandesgericht hat ausgeführt, der zulässige Feststellungsantrag
sei unbegründet. Der Mietvertrag vom 12. Januar 1995 sei nicht wirksam
auf die Dauer von 15 Jahren abgeschlossen worden. Deshalb habe die fristgemäße
Kündigung der Beklagten vom 24. Januar 2003 das Mietverhältnis zum
30. September 2003 beendet. Der Mietvertrag erfülle nicht die Schriftform des
§ 566 BGB a.F. (§ 550 BGB). Danach müssten die wesentlichen Vertragsinhalte
wie Vertragspartner, Mietgegenstand, Mietzins und Mietdauer im Mietvertrag
bestimmbar geregelt sein, wobei bei der Beurteilung der Bestimmbarkeit auch
außerhalb der Urkunde liegende Umstände herangezogen werden könnten.
Unter Zugrundelegung dieser Kriterien sei der Mietbeginn nicht hinreichend bestimmbar
vereinbart worden. Die Parteien hätten sich in § 2 Abs. 1 darauf geeinigt,
dass das Mietverhältnis "mit der Übergabe der Mieträume" beginnen solle.
Zwar lasse sich nunmehr anhand des Übergabeprotokolls feststellen, dass die
Übergabe am 17. September 1996 erfolgt sei. Das sei aber nicht ausreichend,
weil die Schriftform nur gewahrt sei, wenn die Bestimmbarkeit bereits zum Zeitpunkt
des Mietvertragsabschlusses gegeben sei. Der mit der Schriftform in erster
Linie verfolgte Zweck, es einem späteren Erwerber zu ermöglichen, sich
vollständig über die auf ihn übergehenden Rechte und Pflichten des Mietvertrages
zu unterrichten, könne sonst nicht erfüllt werden. Dem Umstand, dass zum
Zeitpunkt des Vertragsschlusses am 12. Januar 1995 das Mietobjekt noch nicht
errichtet gewesen sei und deshalb der Übergabezeitpunkt nicht habe benannt
werden können, hätten die Parteien mit der Bestimmung eines "spätesten"
Übergabezeitpunkts ("spätestens am …") Rechnung tragen können.
2. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht in allen
Punkten stand.
a) Im Ausgangspunkt zutreffend geht das Berufungsgericht allerdings
davon aus, dass es zur Wahrung der Schriftform des § 566 BGB a.F. zwar
grundsätzlich erforderlich ist, dass sich die wesentlichen Vertragsbedingungen
- insbesondere Mietgegenstand, Mietzins sowie Dauer und Parteien des Miet-
verhältnisses - aus der Vertragsurkunde ergeben. Da aber auch formbedürftige
Vertragsklauseln grundsätzlich der Auslegung zugänglich sind, wenn sie sich
als unklar und lückenhaft erweisen, brauchen indes auch wesentliche Tatbestandsmerkmale
des Rechtsgeschäfts nicht bestimmt angegeben zu werden,
sofern nur die Einigung über sie beurkundet ist und ihr Inhalt bestimmbar bleibt.
Die Bestimmbarkeit muss allerdings im Zeitpunkt des Vertragsschlusses gegeben
sein. Insoweit darf auf außerhalb der Urkunde liegende Umstände zurückgegriffen
werden, die aber, wie das Berufungsgericht zutreffend annimmt, ebenfalls
zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses bereits vorliegen müssen (BGH, Senatsurteil
vom 7. Juli 1999 - XII ZR 15/97 - NJW 1999, 3257, 3259).
b) Soweit das Berufungsgericht aber meint, die Form des § 566 BGB a.F.
sei vorliegend nicht gewahrt, weil der Mietbeginn nicht hinreichend bestimmbar
vereinbart sei, kann dem nicht gefolgt werden. Das Berufungsgericht stellt zu
hohe Anforderungen an den Begriff der Bestimmbarkeit. Wäre das Datum des
Mietbeginns bei Vertragsabschluß bereits bekannt gewesen, so wäre bereits
das Merkmal der "Bestimmtheit" erfüllt. "Bestimmbarkeit" verlangt demgegenüber
ein deutlich geringeres Maß an Genauigkeit. Dafür genügt eine abstrakte
Beschreibung, die es ermöglicht, den Mietbeginn zu ermitteln.
Die Frage der Bestimmbarkeit stellt sich in vergleichbarer Weise bei der
Abtretung künftiger Forderungen. Dabei verlangt die Rechtsprechung nicht,
dass die Person des Schuldners bei Vertragsschluss feststeht. Sie lässt es
vielmehr genügen, dass die juristische Entstehungsgrundlage und/oder der für
die Entstehung maßgebliche Lebenssachverhalt so genau benannt werden,
dass sich eine bestimmte Forderung bei ihrem Entstehen dann zuverlässig als
der Abtretung unterfallend definieren lässt (vgl. MünchKomm/Roth BGB 4. Aufl.
§ 398 Rdn. 81 m.w.N.). Auch bei Verträgen zugunsten Dritter wird es regelmäßig
für ausreichend gehalten, wenn die Person des (begünstigten) Gläubigers
bestimmbar ist; der Dritte kann "zur Zeit des Vertragsschlusses noch ungewiss
sein, aber durch den Eintritt eines gewissen Zustandes bestimmt werden"
(MünchKomm/Kramer aaO § 241 Rdn. 5 m.w.N.). Selbst Verträge, die ein Vertreter
für den ihm nicht einmal bekannten Vertretenen (für den, der sich "in der
Zukunft als Straßenbaupflichtiger ergebe") abschließt, hat die Rechtsprechung
nicht an der mangelnden Bestimmbarkeit des Vertretenen scheitern lassen
(MünchKomm/Kramer aaO m.w.N.).
Für die Frage der Bestimmbarkeit des Mietvertragsbeginns gelten keine
anderen Grundsätze. Ein Sachverhalt, an den die Vertragsparteien den Vertragsbeginn
knüpfen, muss so genau bestimmt werden, dass bei seiner Verwirklichung
kein Zweifel am Vertragsbeginn verbleibt. Das trifft hier zu. Die Parteien
hatten sich darauf geeinigt, dass das Mietverhältnis "mit der Übergabe der
Mieträume" beginnen sollte. Auf Grund dieser Beschreibung steht der Beginn
des Mietverhältnisses - nach erfolgter Übergabe - eindeutig fest.
c) Den Beginn des Mietverhältnisses an die Übergabe des Mietobjektes
zu knüpfen, entspricht auch einem praktischen Bedürfnis.
Die vom Berufungsgericht vertretene Auffassung würde dazu führen,
dass die aus wirtschaftlichen Gründen nicht verzichtbare Vermietung noch nicht
fertig gestellter Räume (so genannte Vermietung "vom Reißbrett weg") über
Gebühr erschwert würde. Die Meinung, die Mietvertragsparteien könnten den
mit der Bestimmung des Vertragsbeginns auftretenden Schwierigkeiten dadurch
begegnen, dass sie einen "spätesten" Übergabezeitpunkt ("spätestens am …")
vereinbaren, hilft nicht weiter. Auch in diesem Falle müsste ein Rechtsnachfolger,
der das Mietobjekt nach Übergabe an den Mieter erwirbt, das tatsächliche
Übergabedatum ermitteln, weil nicht davon ausgegangen werden kann, dass
die Übergabe immer erst zum vereinbarten "spätesten" Übergabezeitpunkt erfolgt
ist.
3. Da die Schriftform des § 566 BGB a.F. eingehalten ist, konnte die Beklagte
den auf 15 Jahre fest abgeschlossenen Vertrag nicht ordentlich kündigen.
Das Mietverhältnis besteht somit weiter. Das Berufungsurteil ist deshalb
aufzuheben und der Feststellungsklage stattzugeben.
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