Interview Dr. Norbert Blüm: Abgrenzung redaktioneller Beitrag von getarnter Werbung

Gericht

OLG München


Art der Entscheidung

Berufungsurteil


Datum

02. 02. 2006


Aktenzeichen

29 U 4763/05


Tenor

  1. Auf die Berufung der Antragsgegnerin werden das Urteil des Landgerichts München I vom 09.08.2005 und die einstweilige Verfügung des Landgerichts München I vom 22.04.2005 aufgehoben.

    Der Antrag der Antragstellerin auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.

  2. Die Antragstellerin hat die Kosten beider Instanzen zu tragen.

Entscheidungsgründe

Das erlassene Urteil wird zu Protokoll gemäß § 540 Abs. 2 ZPO wie folgt begründet:

1. Von der Darstellung des Tatbestands wird abgesehen (§ 540 Abs. 2, § 313 a Abs.1 ZPO).

2. Die zulässige Berufung der Antragsgegnerin ist begründet. Der Antragstellerin steht der geltend gemachte Verfügungsanspruch nicht nach § 8 Abs. 1 i.V.m. § 3, § 4 Nr. 3 UWG zu. Die mit dem Verfügungsantrag beanstandeten Textpassagen in dem Heft ... können nicht als wettbewerbswidrige getarnte Werbung qualifiziert werden.

a) Allerdings kann eine getarnte Werbung im Gewande eines redaktionellen Beitrags, die dem Gebot der Trennung von Werbung und redaktionellem Text widerspricht, auch dann wettbewerbswidrig sein, wenn der Verlag, die Redaktion oder der Verfasser dafür keine Gegenleistung erhalten hat (vgl. BGH GRUR 1997, 541, 543 - Produkt-Interview; Köhler in Hefermehl/Köhler/Bornkamm, UWG, 24. Aufl., § 4 UWG, Rdn. 3.27). Für das Vorliegen einer getarnten Werbung genügt es andererseits nicht, dass ein redaktioneller Beitrag eine Werbewirkung für ein Unternehmen oder seine Erzeugnisse entfaltet (vgl. Köhler aaO). Voraussetzung ist vielmehr, dass darin Wettbewerbsförderungsabsicht (vgl. dazu BGH WRP 1994, 862, 864 Bio-Tabletten) - verfasste Beitrag ein Unternehmen oder seine Erzeugnisse über das durch eine sachliche Information bedingte Maß hinaus, d.h. übermäßig oder zu einseitig werbend darstellt (vgl. BGH GRUR 1997, 541, 543 - Produkt -Interview; Köhler aaO). Die Feststellung, ob ein redaktioneller Beitrag zugleich eine Werbung für das darin genannte Produkt darstellt, kann immer nur von Fall zu Fall erfolgen (vgl. BGH aaO). Mit dem Gebot, redaktionelle Beiträge und Werbung in Zeitschriften zu trennen, darf keine übermäßige Beschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit einhergehen (vgl. BVerfG NJW 2005, 3201). Der Presse muss es möglich bleiben, in ihrem redaktionellen Teil über bestimmte Unternehmen sowie über ihre Produkte und Erzeugnisse zu berichten; auch bedeutet nicht schon jede positive Erwähnung eines Firmennamens oder Vertriebswegs eine rechtlich zu beanstandende getarnte Werbung (vgl. BVerfG aaO).

b) Nach diesen Grundsätzen ist die Nennung des Produkts ... nicht als wettbewerbswidrige getarnte Werbung anzusehen. Entsprechendes gilt für die Interviewäußerungen von Prof. ... bezüglich der Produkte ... und für die Interviewäußerung von ... mit der Erwähnung des Unternehmens ... .

aa) Das Produkt ... wird im Fließtext als Alternative zur Saftschorle, und zwar nicht als einziges Produkt, als Beispiel eines Mineraldrinks genannt; daneben wird als Produkt ..., das von einem anderen Hersteller stammt, genannt. Hinzu kommt, dass das Wort ... im Text gegenüber dem umgebenden Text nicht hervorgehoben ist. Der Umstand, dass in dem genannten Heft verschiedene großformatige Anzeigen der ... abgedruckt sind, genügt nicht, um die Nennung des Produkts ... als getarnte Werbung zu qualifizieren.

bb) Im Ergebnis nichts anders gilt hinsichtlich des Interviews von Prof. ..., in dem die Produkte ... genannt werden. Es ist nicht hinreichend glaubhaft gemacht, dass die Nennung dieser Produkte seitens Prof. ... von der Antragsgegnerin bzw. dem Interviewer vorgegeben oder provoziert worden ist. Außerdem werden von Prof. ... auch die Produkte ..., die jeweils von an deren Herstellern stammen, genannt. Ferner sind die Angaben ... gegenüber dem umgebenden Text nicht hervorgehoben. Dass in dem betreffenden ... für ... geworben wird, genügt nicht, um die Nennung der Produkte ... in dem genannten Interview als getarnte Werbung zu qualifizieren. Die betreffenden Anzeigen sind nicht unmittelbar neben dem Interview von Prof. ..., etwa auf derselben Seite, abgedruckt (vgl. BGH GRUR 1994, 441,442 - Kosmetikstudio).

cc) Schließlich kann auch die Aussage von ... in dem mit ihm geführten Interview "Aber ich finde es richtig, Firmen wie ... zu unterstützen, die Generika anbieten." ... nicht als getarnte Werbung, die der Antragsgegnerin zuzurechnen wäre, qualifiziert werden. ... wurde in dem Interview zu der journalistisch bemerkenswerten Tatsache, dass er als ehemaliger Bundesminister Werbung für die Pharma-Industrie mache, befragt, ohne dass in der Fragestellung der Name eines Pharma-Herstellers genannt oder die Erwähnung des Namens vorgegeben wurde. Wenn ... im Rahmen der Beantwortung dieser Frage den Namen seines Werbepartners erwähnt, mag dies auf der Erwägung beruhen, sich hierdurch für den genannten Pharma-Hersteller als Werbeperson noch interessanter zu machen; der Antragsgegnerin kann dieses Interviewverhalten von ... jedenfalls nicht zugerechnet werden.

dd) Da nach alledem in den streitgegenständlichen journalistischen Beiträgen, auch in ihrer Gesamtschau, eine wettbewerbswidrige getarnte Werbung nicht erblickt werden kann, genügt der Umstand, dass die Antragsgegnerin die Firma ... als (Werbe-)Partner für das Heft angegeben hat, nicht, um die Nennung des Produkts von ... und deren Firmennamens in redaktionellen Beiträgen als wettbewerbswidrige getarnte Werbung einzustufen. Im Übrigen werden im redaktionellen Teil des Hefts auch eine Reihe von Produkten anderer Anbieter, teilweise sogar mit Abbildungen und Preisangaben (z.B. Laufschuhe der Firma ..., Pulsuhr der Firma ...) genannt.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Vorinstanzen

LG München I, 9 HKO 7997/05, 9.8.2005

Rechtsgebiete

Presserecht