Abmahnkosten in einem Unternehmen mit eigener Rechtsabteilung

Gericht

LG Hamburg


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

19. 07. 2005


Aktenzeichen

312 O 219/05


Leitsatz des Gerichts

  1. Ein Unternehmen der pharmazeutischen Industrie, welches über eine Rechtsabteilung mit Juristen verfügt, die in der Lage sind, Wettbewerbsverstöße konkurrierender Unternehmen sachgerecht zu beurteilen, wird Abmahnungen im Regelfall ohne Einschaltung externer Rechtsanwälte selbst bewältigen.

  2. Die Erstattung der durch die Einschaltung eines Rechtsanwalts angefallenen Kosten kann gem. § 12 I Satz 2 UWG bei berechtigter Abmahnung verlangt werden, wenn im Einzelfall auf Grund begrenzter Kapazitäten der Rechtsabteilung die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts erforderlich war.

  3. Eine Erforderlichkeit in diesem Sinne ist jedoch zu verneinen, wenn der abgemahnte Wettbewerbsverstoß bereits seit langer Zeit (im konkreten Fall: 14 Monate) bekannt war und daher davon auszugehen ist, dass während dieser 14 Monate die Rechtsabteilung es auch bei unterstellt hoher Arbeitsbelastung hätte einrichten können, den Wettbewerbsverstoß zu überprüfen und abzumahnen.

Tatbestand


Tatbestand:

Die Kl. stellt her und vertreibt u.a. das Medikament „...“.

Die Bekl. beschäftigt sich mit dem Parallelimport von Arzneimitteln und importiert u.a. das Arzneimittel „...“. Mit dem aus Anl. K 1 ersichtlichen Schreiben kündigte die Bekl. diesbezüglich eine Anpassung der Gebrauchsinformation an und übersandte mit dem aus Anl. K 2 ersichtlichen Schreiben vom 16.7.2003 Musterpackungen, die die aus Anl. K 3 ersichtlichen Angaben enthielten.

Mit Anwaltsschreiben der Klägervertreter vom 21.9.2004 (Anl. K 4) beanstandete die Kl., dass auf der aus Anl. K 3 ersichtlichen Packungsgestaltung unterschiedliche Wirkstoffangaben enthalten seien und forderte die Bekl. zur Abgabe einer Unterlassungserklärung auf. Die Bekl. gab die aus Anl. K 5 ersichtliche Unterlassungserklärung ab, verweigerte aber die Erstattung von Rechtsanwaltskosten für die Abmahnung.

Diese macht die Kl. mit der vorliegenden Klage nach einem Gegenstandswert von € 250.000,-- unter Ansatz einer 1,5-Geschäftsgebühr nebst Auslagenpauschale in rechnerisch unstreitiger Höhe der Klagforderung geltend.

Die Kl. ist der Auffassung, dass ihr ein Kostenerstattungsanspruch in dieser Höhe zustehe, weil die Beanstandung unter dem Gesichtspunkt der Irreführung gerechtfertigt gewesen sei und es sich um eine durchaus nicht einfach gelagerte Angelegenheit gehandelt habe, die von der Rechtsabteilung der Kl. schon aus Kapazitätsgründen nicht selbst habe erledigt werden können.

Die Kl. beantragt,

die Bekl. zu verurteilen, an die Kl. € 3.078,-- zzgl. Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 1.10.2004 zu zahlen.

Die Bekl. beantragt,

Klagabweisung.

Die Bekl. rügt die örtliche Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts und erhebt die Einrede der Verjährung. Im übrigen sei der Klaganspruch auch in der Sache nicht begründet, weil die Beanstandung sachlich unberechtigt gewesen sei und die Kl. die Abmahnung auch durch ihre eigene Rechtsabteilung ohne Einschaltung eines Rechtsanwaltes hätte aussprechen können.

Zur Ergänzung des Vorbringens der Parteien wird auf ihre Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe


Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet.

Die örtliche Zuständigkeit ergibt sich aus §§ 32 ZPO, 14 UWG, da die eingeklagten Abmahnkosten eine Wettbewerbshandlung betreffen, deren Begehung bundesweit und damit auch im Bezirk des LG Hamburgs erfolgte bzw. jedenfalls drohte (vgl. Hans.OLG, Urt. v. 22.1.2004, 3 U 105/02, S. 7).

Die Klage ist jedoch nicht begründet. Die Kl. kann Ersatz der hier für die aus Anl. K 4 ersichtliche Abmahnung entstandenen Rechtsanwaltskosten jedenfalls deshalb nicht verlangen, weil sie diese Abmahnung ebenso gut selbst durch ihre eigene Rechtsabteilung hätte aussprechen können. Die durch die Beauftragung externer Rechtsanwälte entstandenen Aufwendungen sind daher nicht als erforderlich i.S.d. §§ 12 I Satz 2 UWG, 677, 683, 670 BGB anzusehen. Die Kl. hat durch Beauftragung externer Rechtsanwälte mit der Abmahnung ihre Schadensminderungsobliegenheit (§ 254 BGB) verletzt und kann die Anwaltskosten daher auch unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes nicht von der Bekl. ersetzt verlangen.

Die Kl. verfügt über eine eigene Rechtsabteilung, die jedenfalls mit einem Juristen besetzt ist, der sich gerichtsbekanntermaßen bestens in der hier in Rede stehenden Materie auskennt und in anderen Fällen auch Abmahnungen hinsichtlich von Wettbewerbsverstößen für die Kl. ausgesprochen hat. Nun kann es durchaus sein, dass die Rechtsabteilung der Kl. aus Kapazitätsgründen nicht in der Lage ist, alle Abmahnungen selbst auszusprechen. Insbesondere bei als eilbedürftig angesehenen Sachverhalten kann es der Kl. dann nicht versagt sein, zu Lasten des Verletzers externe Rechtsanwälte mit der Abmahnung zu beauftragen. Vorliegend war der in Rede stehende Sachverhalt der Kl. jedoch mehr als ein Jahr lang bekannt, nachdem ihren Rechtsvertretern mit dem aus Anl. K 2 ersichtlichen Schreiben die in Rede stehenden Packungen am 17.7.2003 zugegangen waren. Nach § 166 BGB muss sich die Kl. dabei die Kenntnis ihrer Vertreter zurechnen lassen. Dass die Kl. während der nachfolgenden 14 Monate bis zur Absendung des aus Anl. K 4 ersichtlichen Abmahnschreibens im September 2004 keine Gelegenheit gehabt haben sollte, ihre Rechtsabteilung mit dem weder besonderen Umfang noch besondere Schwierigkeiten aufweisenden Sachverhalt zu befassen, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Zur Überzeugung des Gerichts (§ 286 ZPO) hätte die Rechtsabteilung der Kl. während dieser 14 Monate es auch bei unterstellt hoher Arbeitsbelastung einrichten können, die aus Anl. K 3 ersichtliche Packungsgestaltung zu überprüfen und abzumahnen. Die Beauftragung der Klägervertreter mit der aus Anl. K 4 ersichtlichen Abmahnung war daher nicht erforderlich und kann vorliegend nicht zu Lasten der Bekl. geltend gemacht werden.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Rechtsgebiete

Wettbewerbsrecht