Registrierung eines Domainnamens durch Holding
Gericht
BGH
Art der Entscheidung
Revisionsurteil
Datum
09. 06. 2005
Aktenzeichen
I ZR 231/01
Eine Holdinggesellschaft, die die Unternehmensbezeichnung einer Tochtergesellschaft mit deren Zustimmung als Domainname registrieren lässt, ist im Streit um den Domainnamen so zu behandeln, als sei sie selbst berechtigt, die fragliche Bezeichnung zu führen.
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Bamberg vom 11. Juni 2001 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin ist die am Main südöstlich von Würzburg gelegene Gemeinde Segnitz, ein im Jahre 1142 erstmals urkundlich erwähnter Ort mit etwa 900 Einwohnern. Die Klägerin wendet sich dagegen, dass die Beklagte den Domainnamen „segnitz.de“ hat registrieren lassen. Die Beklagte hat sich darauf berufen, zu ihrer Unternehmensgruppe gehöre die A. Segnitz GmbH & Co. (im Folgenden Segnitz & Co.) in Bremen. Dabei handelt es sich um eines der ältesten deutschen Weinhandelshäuser, das 1859 gegründet worden ist. Die Beklagte hat behauptet, „Segnitz“ sei in Deutschland mit Priorität vom 18. August 1954 als Wortmarke für Waren der Klassen 32 und 33 (alkoholische und nichtalkoholische Getränke) für Segnitz & Co. eingetragen. Die Beklagte habe darüber hinaus im Jahre 2000 „Segnitz“ als Gemeinschaftsmarke angemeldet.
Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, die von der Beklagten veranlasste Registrierung ihres Gemeindenamens als Domainname stelle eine Namensverletzung dar.
Sie hat beantragt, es der Beklagten zu untersagen, den Domainnamen „segnitz.de“ zu belegen, zu nutzen oder an Dritte zu übertragen, und sie zu verurteilen, den Domainnamen freizugeben.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Sie hat sich darauf gestützt, dass Segnitz der Name des Firmengründers gewesen sei und das Unternehmen bis noch vor wenigen Jahren von der Familie Segnitz geführt worden sei. Im Laufe der 140jährigen Unternehmensgeschichte habe sich „Segnitz“ als Kurzbezeichnung durchgesetzt.
Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Die Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben.
Hiergegen richtet sich die Revision der Beklagten, mit der sie ihren Klageabweisungsantrag weiterverfolgt. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I. Das Berufungsurteil ist auch ohne eine entsprechende Verfahrensrüge aufzuheben, weil es keinen Tatbestand enthält und sich der Sach- und Streitstand auch aus den Entscheidungsgründen nicht in einem für die Beurteilung der aufgeworfenen Rechtsfragen ausreichenden Umfang ergibt.
1. Das Berufungsverfahren unterlag dem vor dem 1. Januar 2002 geltenden Recht (§ 26 Nr. 5 EGZPO). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum alten Recht ist ein Berufungsurteil grundsätzlich aufzuheben, wenn es keinen Tatbestand enthält (BGHZ 73, 248, 250 f.; BGH, Urt. v. 1.2.1999 – II ZR 176/97, NJW 1999, 1720). Ein solches Urteil kann in der Revisionsinstanz im Allgemeinen nicht überprüft werden, weil ihm nicht entnommen werden kann, welchen Streitstoff das Berufungsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat. Eine solche Entscheidung ist auch dann aufzuheben, wenn ein Urteilstatbestand aus der Sicht des Berufungsgerichts entbehrlich erschien, weil es das Urteil mangels Überschreitens des Wertes der Beschwer für nicht revisibel hielt. Ausnahmsweise kann dann von einer Aufhebung abgesehen werden, wenn sich der Sach- und Streitstand aus den Entscheidungsgründen in hinreichendem Umfang ergibt (vgl. BGH, Urt. v. 25.4.1991 – I ZR 232/89, NJW 1991, 3038, 3039; Urt. v. 6.7.1995 – I ZR 20/93, NJW 1995, 3120, 3121, jeweils m.w.N.; Urt. v. 25.5.2004 – X ZR 258/01, NJW-RR 2004, 1576).
2. Ein solcher Ausnahmefall liegt hier nicht vor. Aus den Entscheidungsgründen des Berufungsurteils lässt sich kein ausreichendes Bild von dem Sach- und Streitstand gewinnen, den das Berufungsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat. Dem Berufungsurteil kann auch nicht entnommen werden, dass es auf der Grundlage des Sach- und Streitstandes ergangen ist, der dem landgerichtlichen Urteil zugrunde liegt. Denn der dort als unstreitig dargestellte Umstand, dass es sich bei Segnitz & Co. um eine Tochtergesellschaft der Beklagten handelt, ist – offenbar aufgrund des Vorbringens der Klägerin in der Berufungserwiderung – in den Entscheidungsgründen des Berufungsurteils als streitig dargestellt („… ihres behaupteten Tochterunternehmens …“). Auch dazu, dass Segnitz & Co. über eine Wortmarke „Segnitz“ und über ein entsprechendes Unternehmenskennzeichen verfügt, lassen sich den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils keine Feststellungen entnehmen. Unter diesen Umständen ist eine revisionsrechtliche Überprüfung des angefochtenen Urteils nicht möglich.
II. Im wiedereröffneten Berufungsverfahren wird das Berufungsgericht Folgendes zu beachten haben:
1. Das Vorbringen der Beklagten ist erheblich. Erweist sich der von der Beklagten vorgetragene Sachverhalt als zutreffend, muss die Klage abgewiesen werden.
a) Das Berufungsgericht ist mit Recht davon ausgegangen, dass der Klägerin an der Bezeichnung „Segnitz“ ein Namensrecht nach § 12 BGB zusteht. Aufgrund dieses Namensrechts könnte sie gegen einen nichtberechtigten Dritten vorgehen, der sich diesen Namen als Domainnamen „segnitz.de“ hat registrieren lassen (vgl. BGHZ 149, 191, 198 f. – shell.de; 155, 273, 275 f. – maxem.de; BGH, Urt. v. 9.9.2004 – I ZR 65/02, GRUR 2005, 430 = WRP 2005, 488 – mho.de). Dieser Anspruch scheitert indessen, wenn dem Dritten – oder gegebenenfalls demjenigen, der ihn mit der Registrierung beauftragt hat (dazu sogleich unter II.1.d) – an der Bezeichnung „Segnitz“ ein eigenes Kennzeichenoder Namensrecht zusteht, das dem Namensrecht der Klägerin nicht weichen muss. Im Fall der Gleichnamigen steht der Domainname demjenigen zu, der den Namen als erster für sich hat registrieren lassen (BGHZ 149, 191, 200 – shell.de; BGH, Urt. v. 21.2.2002 – I ZR 230/99, GRUR 2002, 898, 900 = WRP 2002, 1066 – defacto; BGH GRUR 2005, 430 – mho.de). Es gilt insoweit das Gerechtigkeitsprinzip der Priorität der Registrierung (vgl. BGHZ 148, 1, 10 – Mitwohnzentrale.de), das nur unter besonderen, hier nicht in Betracht kommenden Umständen zurücktritt (vgl. BGHZ 149, 191, 201 f. – shell.de).
b) Nach dem Vortrag der Beklagten steht Segnitz & Co. neben der Marke ein Unternehmenskennzeichen an dem Firmenbestandteil „Segnitz“ zu. Dass der Verkehr – wie von der Beklagten behauptet – die Firma „A. Segnitz & Co.“ zu „Segnitz“ verkürzt, liegt auf der Hand und wird durch die von der Beklagten vorgelegten Unterlagen belegt.
c) Entgegen der im angefochtenen Urteil geäußerten Ansicht konnte das Landgericht die rechtliche Prüfung nicht auf die „namensrechtliche Problematik“ beschränken, da es für Kennzeichenstreitsachen nicht zuständig gewesen sei. Dabei kann offen bleiben, ob die Berufung der Beklagten auf ein Kennzeichenrecht ausreicht, um den Rechtsstreit zu einer Kennzeichenstreitsache i.S. von § 140 Abs. 1 MarkenG zu machen (dazu Ingerl/Rohnke, Markengesetz, 2. Aufl., § 140 Rdn. 8; Hacker in Ströbele/Hacker, Markengesetz, 7. Aufl., § 140 Rdn. 6). Ist diese Frage zu verneinen, wäre das angerufene Landgericht zur Entscheidung des gesamten Streitstoffs einschließlich der kennzeichenrechtlichen Einwände der Beklagten berufen. Ist dagegen von einer Kennzeichenstreitsache auszugehen, wäre nach der maßgeblichen landesrechtlichen Zuständigkeitsbestimmung (§ 23 der Verordnung über gerichtliche Zuständigkeiten im Bereich des Staatsministeriums der Justiz [GZVJu] v. 2.2.1988, GVBl. 6; vgl. heute § 30 GZVJu v. 16.11.2004, GVBl. 471) an sich die Zuständigkeit des Landgerichts Nürnberg-Fürth begründet. Dies hätte indessen die Zuständigkeit des Berufungsgerichts nicht berührt, da auf der Ebene der Oberlandesgerichte keine Konzentration der Zuständigkeit vorgesehen ist (§ 140 Abs. 2 MarkenG). Nach dem hier noch maßgeblichen Recht hätte die Nichtbeachtung der Zuständigkeitskonzentration zwar im Berufungsverfahren gerügt werden können. Voraussetzung wäre jedoch gewesen, dass auch in erster Instanz eine entsprechende Rüge erfolgt wäre (§ 529 Abs. 2 ZPO a.F.; vgl. Ingerl/Rohnke, Markengesetz, 1. Aufl., § 140 Rdn. 38). Im Streitfall ist indessen die Unzuständigkeit des Landgerichts nicht gerügt worden.
d) Handelt es sich bei Segnitz & Co. um ein Tochterunternehmen der Beklagten, ist davon auszugehen, dass die Beklagte den Domainnamen „segnitz.de“ mit Zustimmung der Tochtergesellschaft Segnitz & Co. hat registrieren lassen. In diesem Fall handelt es sich bei der Beklagten nicht um eine Nichtberechtigte. Innerhalb eines Konzerns kann die Registrierung der Domainnamen für die Konzernunternehmen zentral durch eine Holding oder durch eine Verwaltungsgesellschaft erfolgen (vgl. auch § 26 Abs. 2 MarkenG). Das die Registrierung vornehmende Unternehmen ist in diesem Fall wie der Inhaber des Kennzeichenrechts zu behandeln. Ob dies für jede Gestattung gilt (verneinend OLG Celle MMR 2004, 486 f.; dazu Viefhues, MMR 2005, 76 ff.; Strömer, K&R 2004, 384 ff.; Möbius, JurPC Web-Dok. 231/2004; Stadler, JurPC Web-Dok. 232/2004; vgl. auch OLG Hamm MMR 2001, 749), bedarf im Streitfall keiner Klärung.
2. Hält die Klägerin an ihrem Bestreiten fest, wird das Berufungsgericht in erster Linie klären müssen, ob es sich bei Segnitz & Co. – wie von der Beklagten behauptet – um ein zum Konzern der Beklagten gehörendes Unternehmen handelt. Zur Frage, ob Segnitz & Co. ein Unternehmenskennzeichen an der Kurzbezeichnung „Segnitz“ zusteht, wird es dagegen im Hinblick auf die von der Beklagten vorgelegten Kataloge und Abbildungen von Verkaufsveranstaltungen keiner Beweisaufnahme bedürfen. Denn diese Unterlagen belegen hinreichend, dass – was ohnehin nahe liegt – Segnitz & Co. die Bezeichnung „Segnitz“ auch in Alleinstellung kennzeichenmäßig verwendet.
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