Aufklärungspflicht des durch Provisionsklausel begünstigten Maklers - Hausbockbefall einer Jugendstilvilla
Gericht
BGH
Art der Entscheidung
Urteil
Datum
22. 09. 2005
Aktenzeichen
III ZR 295/04
Der bei der Beurkundung des Hauptvertrags anwesende Makler, für den im Wege des Vertrags zugunsten Dritter ein eigener Provisionsanspruch gegen den Vertragsgegner seines Kunden begründet wird, ist dem Vertragsgegner nach den Grundsätzen der culpa in contrahendo (vgl. jetzt § 311 Abs. 2 BGB) zur Aufklärung verpflichtet, wenn er Kenntnis davon hat, dass sein Kunde bei einem vereinbarten Gewährleistungsausschluss unrichtige Angaben über den Zustand des Vertragsgegenstandes (hier: Hausbockbefall einer alten Jugendstilvilla) macht.
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 14. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig vom 28. Mai 2004 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszuges, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Die Kläger begehren von der Beklagten Rückzahlung von Maklerlohn.
Die Beklagte hatte im Februar 1994 von den Eheleuten Sz. den Auftrag
erhalten, für ihr in B. O. gelegenes Hausgrundstück Käufer zu finden.
Die Eheleute Sz. hatten das Grundstück im Jahr 1989 für 346.000 DM
im Zwangsversteigerungsverfahren erworben. Die im Jahr 1909 erbaute Jugendstilvilla
war, wie auch im Zwangsversteigerungsverfahren angesprochen
wurde, seit vielen Jahren vom Hausbock befallen. Die Eheleute Sz. hat-
ten nach dem Erwerb das Gebäude bezogen und mit Hausbock befallene Teile
des Gebäudes verdeckt, ohne sie zu sanieren. Die von der Beklagten vermittelten
Kläger kauften das Grundstück am 17. Juni 1994 zu einem Kaufpreis von
1.600.000 DM. Der damalige Geschäftsführer der Beklagten, V. , der
den Vertragsentwurf kannte, war bei der Beurkundung des Vertrags zugegen.
Der Vertrag enthielt in § 4 einen Gewährleistungsausschluss und die Versicherung,
dem Verkäufer sei "vom Vorhandensein geheimer Mängel wie z.B.
Schwamm oder Holzbock nichts bekannt". In § 12 (Maklerprovision) war vereinbart:
Der Vertrag ist auf Nachweis der (Beklagten) zustandegekommen.
Der Käufer hält den Verkäufer von der Verpflichtung zur Zahlung der
Maklercourtage frei und verpflichtet sich deshalb an den Makler eine
Provision in Höhe von 5,5 % des Kaufpreises zuzüglich 15 % Mehrwertsteuer
zu zahlen. Die Provision ist fällig und verdient mit dem
Abschluß dieses Vertrages. Dem Makler entsteht ein selbständiger
Anspruch aus dem Vertrag gegen den Käufer auf Provisionszahlung.
Dementsprechend zahlten die Kläger 101.200 DM (= 51.742,74 €) an die Beklagte.
Nachdem die Kläger durch den Zeugen S. im März 1997 auf den
Hausbockbefall hingewiesen worden waren, nahmen sie die Verkäufer auf
Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückübereignung des Hausgrundstücks
in Anspruch. Das Landgericht gab der am 2. Februar 1998 zugestellten
Klage durch Urteil vom 9. April 1999 statt. Die Verkäufer legten Berufung
ein, schlossen dann aber mit den Klägern am 28. April 2000 eine notarielle
"Vergleichsvereinbarung" ("Wandlungsvertrag mit Auflassung"). Hiernach
verpflichteten sich die Verkäufer gegen Rückübertragung des Grundstücks zur
Rückzahlung des Kaufpreises, zu Schadensersatz von 95.000 DM und zur Zurücknahme
ihrer Berufung.
Mit der Behauptung, dem damaligen Geschäftsführer der Beklagten sei
der Hausbockbefall seit 1985 bekannt gewesen, haben die Kläger Rückzahlung
des Maklerlohns verlangt. Ihre Klage hatte in den Vorinstanzen Erfolg. Mit
ihrer vom Senat zugelassenen Revision begehrt die Beklagte die Abweisung
der Klage.
Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung
der Sache an das Berufungsgericht.
I.
Das Berufungsgericht folgt den Feststellungen des Landgerichts, dass
dem damaligen Geschäftsführer der Beklagten der Hausbockbefall bereits im
Jahr 1985 bekannt gewesen sei. Denn er habe im Februar 1985 gegenüber
dem Zeugen S. anlässlich der notariellen Beurkundung eines Kaufvertrags
über eine Motoryacht in Bezug auf das damals als Altenheim genutzte
Haus geäußert, der Dachboden habe Bock und man könne das Objekt "günstig
schießen". Konkrete Anhaltspunkte für eine Verwechslung des Objekts durch
den Zeugen S. bestünden nicht. Auf zwischenzeitliche Sanierungsmaßnahmen
durch die Verkäufer, von denen nicht gesprochen worden sei, habe
die Beklagte nicht vertrauen dürfen. Die Kläger könnten ihren Anspruch auf ein
Verschulden der Beklagten bei Vertragsschluss stützen. Ein vertragsähnliches
Vertrauensverhältnis sei durch die im Grundstückskaufvertrag aufgenommene
Maklerklausel begründet worden, die als ein Vertrag zugunsten der Beklagten
als Dritter gemäß § 328 Abs. 1 BGB anzusehen sei. Aufgrund dieser Rechtsstellung
hätten die Beklagte vertragliche Nebenpflichten eines Gläubigers getroffen.
Die allgemeine Schutz- und Obhutspflicht des Gläubigers sei hier durch
die Pflicht der Beklagten konkretisiert worden, die Kläger angesichts ihrer offenbaren
Belehrungsbedürftigkeit und der in der Gewährleistungsklausel des
Kaufvertrags hervorgehobenen Bedeutung des Hausbockbefalls über ihre
Kenntnisse zu informieren.
II.
Diese Beurteilung hält der rechtlichen Überprüfung nicht in allen Punkten
stand.
1. Nicht zu beanstanden ist allerdings der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts,
dass die in den Kaufvertrag aufgenommene Maklerklausel, mit der die
Verkäuferseite von ihrer Provisionspflicht freigestellt und ein selbstständiger
Anspruch der Beklagten gegen die Kläger als Käufer begründet werden sollte,
als ein Vertrag zugunsten der Beklagten als Dritter im Sinn des § 328 Abs. 1
BGB anzusehen ist. Anders als in dem Fall, über den der Senat in BGHZ 138,
170, 172 entschieden hat, fehlt es hier an einer maklervertraglichen Beziehung
zwischen den Parteien.
2. Das Berufungsgericht legt auch zutreffend zugrunde, dass bei einem
Vertrag zugunsten Dritter kein eigenständiges vertragliches Rechtsverhältnis
zwischen dem Versprechenden und dem Dritten besteht. Vielmehr erwirbt der
Dritte lediglich ein abgespaltenes Forderungsrecht (vgl. hierzu BGHZ 54, 145,
147). Aus der Berechtigung des Dritten ergeben sich für diesen allerdings die
jeden Gläubiger treffenden Sorgfaltspflichten bei der Ausübung seiner Rechte.
Insofern wird das Verhältnis zwischen dem Dritten und dem Versprechenden
als vertragsähnlich angesehen (vgl. BGHZ 9, 316, 318). Handelt es sich aber
nicht um ein allseitiges Schuldverhältnis zwischen den Parteien, sondern ist
der Versprechende im Verhältnis zum Dritten nur Schuldner und der Dritte im
Verhältnis zu ihm nur Gläubiger, bedarf es - wie die Revision im Ausgangspunkt
richtig sieht - grundsätzlich einer Klärung, ob die Aufklärungspflicht, die
das Berufungsgericht als verletzt angesehen hat, als eine solche Gläubigerpflicht
einzuordnen ist. Hätten die Kläger der Beklagten den Auftrag erteilt, ihnen
die Möglichkeit des Erwerbs eines Hausgrundstücks nachzuweisen oder
einen Vertrag hierüber zu vermitteln, würde der Makler, der seinen Kunden
nicht über einen ihm bekannten Hausbockbefall informiert, seine Pflichten als
Schuldner verletzen. In einer solchen Beziehung stehen die Parteien jedoch
nicht, und die Maklerklausel im Kaufvertrag begründet auch keine rechtliche
Beziehungen, in denen die Beklagte die Stellung eines Doppelmaklers erlangt
(§ 654 BGB).
Mag daher im Ansatz davon auszugehen sein, dass die Verletzung von
(vorvertraglichen) Aufklärungspflichten, wie sie hier in Rede stehen, typische
Schuldnerverpflichtungen eines Maklers betreffen, die ihm gegenüber seinem
Kunden obliegen, bestehen gegen die Einordnung als Gläubigerpflicht unter
den hier festgestellten Umständen jedoch keine durchgreifenden Bedenken.
Der Beklagten war der Vertragsentwurf bekannt. Sie wusste sowohl um den
Gewährleistungsausschluss als auch von der Maklerklausel, die ihr einen ei-
genständigen Provisionsanspruch gegen die Kläger verschaffen sollte. War ihr
darüber hinaus, was das Berufungsgericht angenommen hat, der Hausbockbefall
bekannt, ohne dass sie darauf vertrauen konnte, der Schaden sei zwischenzeitlichen
saniert worden, durfte sie - ebenso wie die Verkäufer - nicht
durch Stillschweigen an einem Ergebnis mitwirken, das auf eine Täuschung der
Kläger über die Beschaffenheit des Hauses und auf die Verschaffung eines der
Sache nach nicht gerechtfertigten Provisionsanspruchs hinaus lief. Gerade in
der letzteren Beziehung war sie gegenüber den Klägern in ihrer Rechtsstellung
als künftige Gläubigerin betroffen.
3. Die Revision rügt jedoch mit Recht, dass das Berufungsgericht den Beweisantritt
der Beklagten übergangen hat, der Zeuge S. habe bei seiner
Vernehmung das hier betroffene Haus mit einem anderen Objekt, dem "D.
H. ", verwechselt, über das anlässlich des Beurkundungstermins im
Februar 1985 gesprochen worden sei.
a) Die Beklagte hat - zunächst ohne Angabe von Beweismitteln - vorgetragen,
ihr damaliger Geschäftsführer V. habe den Zeugen S. auf
die Frage, ob er ein sanierungsbedürftiges Objekt im Angebot habe, auf das
mit Holzbock befallene und von einer Zwangsversteigerung bedrohte "D.
H. " hingewiesen und ihm ein Exposé ausgehändigt. In der mündlichen Verhandlung
vom 20. August 2003 hat der Geschäftsführer der Beklagten - nach
§ 141 ZPO persönlich gehört - angegeben, anlässlich des Beurkundungstermins
habe der Zeuge S. in Gegenwart des Notars erklärt, er suche in B.
O. eine Immobilie zwecks Kapitalanlage. Daraufhin habe er über das
"D. H. " gesprochen. Nach der Vernehmung des Zeugen S. hat
die Beklagte im schriftlichen Verfahren vor Ende der nach § 128 Abs. 2 Satz 2
ZPO gesetzten Frist mit Schriftsatz vom 24. September 2003 durch Benennung
des Notars W. als Zeugen unter Beweis gestellt, in Gegenwart des Notars
sei dem Zeugen S. nach der Beurkundung ein Exposé für das "D.
H. " ausgehändigt und über den schlechten Zustand dieses Objekts gesprochen
worden. Das Landgericht hat eine Vernehmung der mit Schriftsatz vom
24. September 2003 angebotenen Zeugen sinngemäß mit der Begründung abgelehnt,
selbst bei einer Wahrunterstellung der Behauptungen, die nur Randbereiche
der Bekundungen des Zeugen S. beträfen, sei der Schluss nicht
gerechtfertigt, dass der Zeuge im Kernbereich seiner Aussage die Unwahrheit
gesagt habe. Die Beklagte hat ihren Sachvortrag in der Berufungsbegründung
wiederholt und beanstandet, das Landgericht habe die Darstellung ihres Geschäftsführers
nicht berücksichtigt. In ihrem Schriftsatz vom 20. April 2004 hat
sie den Beweisantritt vom 24. September 2003 erneut in Bezug genommen.
b) Vor diesem Hintergrund durfte das Berufungsgericht über den gestellten
Beweisantrag nicht mit der Begründung hinweggehen, es bestünden keine
konkreten Anhaltspunkte für eine Verwechslung des Objekts durch den Zeugen
S. und das Landgericht habe nicht ergänzend Beweis über solche Indiztatsachen
zur Glaubhaftigkeit der Zeugenaussage erheben müssen, die es
selbst nicht für wesentlich gehalten habe. Denn soweit es um die von dem
Zeugen S. bekundeten Vorgänge anlässlich des Beurkundungstermins
geht, würde eine Wahrunterstellung mit der Aussage des Zeugen S. nur
schwer zu vereinbaren sein. Zwar hat der Zeuge S. erklärt, über das hier
streitige Objekt sei vor dem Erscheinen des Notars gesprochen worden, während
die Beklagte eine Verspätung des Notars zum Termin geleugnet und behauptet
hat, das "D. H. " sei Gegenstand der gegebenen Informationen
gewesen. Ob beide Darstellungen nebeneinander bestehen können oder
ob man von der von der Beklagten behaupteten Verwechslung auszugehen
hat, kann aber vor einer Vernehmung des von der Beklagten benannten Zeugen
nicht hinreichend gewürdigt werden.
c) Die Rüge der Revision, das Berufungsgericht habe auch nicht über
den Beweisantritt im Schriftsatz vom 20. April 2004 hinweggehen dürfen, wonach
die Kläger bereits vor Abschluss des Kaufvertrags vom 17. Juni 1994
Kenntnis vom Hausbockbefall gehabt haben sollen, ist hingegen unbegründet.
Zu Recht hat das Berufungsgericht dieses - bestrittene - Vorbringen nach
§ 531 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht zugelassen. Denn in der ersten Instanz war die
mangelnde Vorkenntnis der Kläger unstreitig. Auch soweit die Beklagte erstinstanzlich
unter Beweis gestellt hat, der Kläger zu 2 habe anlässlich eines geselligen
Abends in der Gaststätte "Z. H. " Ende 1994/Anfang 1995 geäußert,
von seinem Bruder über den Hausbockbefall informiert worden zu sein, ließ
sich diesem Vortrag nicht der Zeitpunkt der Kenntniserlangung entnehmen. Der
neue Vortrag in zweiter Instanz, der im Übrigen im Schwerpunkt auf ganz andere
Vorgänge gestützt wird, kann daher nicht - wie die Revision es für richtig
hält - als bloße Ergänzung früheren, rechtzeitigen Vorbringens gewertet werden.
III.
Die angefochtene Entscheidung stellt sich nach dem gegenwärtigen
Stand auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar.
Nach der Rechtsprechung des Senats entfällt der Anspruch auf Zahlung
des Maklerlohns, wenn die Wandlung des vom Makler nachgewiesenen oder
vermittelten Kaufvertrags wegen eines arglistig verschwiegenen Sachmangels
erfolgt, sofern infolge derselben Täuschung der Käufer auch zur Anfechtung
des Kaufvertrags nach § 123 BGB berechtigt gewesen wäre (vgl. Senatsurteil
vom 14. Dezember 2000 - III ZR 3/00 - NJW 2001, 966, 967). Der Senat hat in
jener Entscheidung ausgeführt, aus der Sicht des Maklers sei die Entscheidung
des Käufers, ob er wegen eines arglistig verschwiegenen Sachmangels die
Wandlung des Kaufvertrags begehre oder den Vertrag wegen arglistiger Täuschung
anfechte, zufällig. Es wäre daher willkürlich, hiervon das Bestehen seines
Provisionsanspruchs abhängig zu machen. Für die Maklervergütung sei
vielmehr allein maßgebend, dass der vermittelte oder nachgewiesene Vertrag
wegen des "Makels der Anfechtbarkeit" von Anfang an an einer Unvollkommenheit
leide und daran wirtschaftlich auch scheitere, vergleichbar darin denjenigen
Fallgestaltungen, in denen die Vertragsparteien den Hauptvertrag mit
Rücksicht auf ein Anfechtungsrecht einverständlich wieder aufhöben. Eine solche
Gleichbehandlung von Gewährleistung und Vertragsanfechtung setze allerdings
voraus, dass das Anfechtungsrecht noch bestehe, der Käufer mithin
seine Gewährleistungsrechte insbesondere noch innerhalb der einjährigen Anfechtungsfrist des § 124 Abs. 1 BGB geltend gemacht habe.
Die hier getroffenen tatsächlichen Feststellungen genügen nicht, um auf
der Grundlage der genannten Entscheidung der Klage zu entsprechen. Zwar
legt das landgerichtliche Urteil im Vorprozess der Kläger gegen die Verkäufer
die Annahme nahe, dass sie von den Verkäufern arglistig getäuscht worden
sind. Dem entspricht auch der zwischen den Kaufvertragsparteien geschlossene
notarielle Vergleich, in dem der Kaufvertrag rückabgewickelt wurde und die
Verkäufer sich zusätzlich zur Leistung von Schadensersatz verpflichtet haben.
Die Beklagte hat jedoch im anhängigen Verfahren geltend gemacht, die Anfechtungsfrist
sei nach Kenntniserlangung der Kläger von dem Mangel bereits
abgelaufen gewesen, als sie die Verkäufer auf Wandlung des Kaufvertrags in
Anspruch genommen hätten. Insoweit ist ihr Beweisantritt erheblich, die Kläger
hätten jedenfalls bereits Ende 1994/Anfang 1995 von dem Mangel Kenntnis
gehabt.
Die Sache ist daher an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit
die erforderlichen Feststellungen nachgeholt werden können.
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