Rechtswidrige Telefonanrufe: Keine Verantwortlichkeit des Verlages für den Anruf eines WBZ-Unternehmens

Gericht

LG Offenburg


Art der Entscheidung

Beschluss


Datum

22. 12. 2005


Aktenzeichen

5 O 137/02 KfH


Leitsatz des Gerichts

  1. Beim gewerblichen Anruf ohne Werbeeinverständnis („Kaltanruf“) erlaubt der fernmündliche Hinweis, das anrufende Unternehmen arbeite mit einem anderen Konzern zusammen, keinen zuverlässigen Schluss dahin, dass der Anruf im Auftrag dieses Konzerns erfolgte. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Konzern bekanntermaßen aus einer Vielzahl rechtlich selbständiger Unternehmen besteht.

  2. In der Zeitschriftenbranche ist es durchaus üblich, dass Zeitschriftenabonnenten von Unternehmen des Werbenden Buch- und Zeitschriftenhandels (WBZ) selbständig und für eigene Rechnung eingeworben werden, um anschließend die Erfüllung der Pflichten aus diesen Abonnements einem Dienstleister zu übertragen.

  3. Bei einem dem Angerufenen nach Anruf zugegangenen Bestätigungsschreiben mit dem Hinweis „Wir beliefern Sie im Namen unseres Vertragspartners“ bleibt deshalb Raum für die Möglichkeit, dass der Vertragspartner als selbständiges WBZ-Unternehmen handelte und das bestätigende Unternehmen als Dienstleister eingeschaltet hat.

Tenor

  1. Der Ordnungsgeldantrag des Klägers vom 12.08.2005 betreffend den Vorgang ... wird zurückgewiesen.

  2. Der Kläger hat die Kosten des Bestrafungsverfahrens zu tragen.

  3. Der Streitwert wird auf 5.000 € festgesetzt.

Entscheidungsgründe


Gründe:

I.

Durch Urteil der Kammer vom 23.04.2003 wurde die Beklagte u. a. verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes zu unterlassen, mit Privatpersonen unaufgefordert und ohne deren zuvor erklärtes Einverständnis telefonischen Kontakt aufzunehmen oder aufnehmen zu lassen, um sie zum Abschluss eines Zeitschriften-Abonnements zu bewegen.

Der Kläger macht im vorliegenden Bestrafungsverfahren geltend, dass die Beklagte gegen dieses Unterlassungsgebot verstoßen habe. Hierzu trägt er vor:

Am 20.07.2005 habe Herr ... einen Telefonanruf einer Frau ... erhalten. Frau ... habe sich für eine Firma ... gemeldet, die mit ... zusammenarbeite. Sie habe erklärt, Herr ... habe einen Urlaubsgutschein geschenkt erhalten. Aus wettbewerbsrechtlichen Gründen könne der Gutschein nur als Prämie eingelöst werden, weshalb Herr ... eine Zeitschrift abonnieren solle. Hierauf habe sich Herr ... für ein Abonnement der Zeitschrift ... entschieden. Eine Einwilligung von Herrn ... in die Telefonwerbung habe nicht vorgelegen.

Der Kläger beantragt,

gegen die Beklagte ein angemessenes Ordnungsgeld festzusetzen.

Die Beklagte beantragt,

den Antrag auf Verhängung eines Ordnungsgeldes zurückzuweisen.

Sie macht geltend, dass ihr der Anruf von Frau ... nicht zugerechnet werden könne. Frau ... habe für die Firma ... angerufen. Dabei handele es sich um ein WBZ-Unternehmen, das selbständig Zeitschriftenabonnements werbe, um sodann die benötigten Zeitschriften, mit denen Kunden auf eigene Rechnung beliefert würden, bei den betreffenden Verlagen zu erwerben. Die Firma Turm Marketing habe die Beklagte lediglich als Dienstleister zur Abonnementabwicklung im sogenannten full-Service eingeschaltet. Mit der Werbung der Abonnements habe die Beklagte nichts zu tun. Auch sei die Firma ... insoweit selbständig und nicht im Auftrag der Beklagten tätig.

Wegen der weiteren Einzelheiten des beiderseitigen Parteivorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.


II.

Der Ordnungsgeldantrag ist zurückzuweisen.

1. Der Vortrag des Klägers bietet keine Grundlage, eine Zuwiderhandlung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Offenburg vom 23.04.2003 festzustellen.

a) Die Anruferin hat sich nach dem Vortrag des Klägers nicht für die Beklagte, sondern für eine Firma ... gemeldet, die "mit ..." zusammenarbeite. Diese vage Mitteilung erlaubt keinen zuverlässigen Schluss dahin, dass der Anruf im Auftrag der Beklagten erfolgte. Dabei ist zum einen zu berücksichtigen, dass nach der Mitteilung die Art der "Zusammenarbeit" mit ... nicht näher konkretisiert wurde, zum anderen, dass der ...-Konzern bekanntermaßen aus einer Vielzahl rechtlich selbständiger Unternehmen besteht, so dass der Hinweis auf ... nicht zwangsläufig die Annahme rechtfertigt, die Beklagte sei gemeint gewesen.

b) Auch das Bestätigungsschreiben vom 03.08.2005 (AS 231) belegt die Behauptung des Klägers, der Anruf sei der Beklagten zuzurechnen, nicht. Das Bestätigungsschreiben stammt zwar von der Beklagten (Briefkopf: "im Auftrag von ... mbH"), doch heißt es im Betreff:

"Unser Service für Sie!
Wir beliefern Sie im Namen unseres Vertragspartners ... GmbH."

Dieser Hinweis lässt Raum für die von der Beklagten behauptete Möglichkeit, dass es sich bei der Firma ... um ein selbständiges WBZ-Unternehmen handelt, das die Beklagte im Rahmen eines sogenannten full-service-Vertrages als Dienstleisterin eingeschaltet hat. Das würde bedeuten, dass man das Handeln der Beklagten der Firma ... zurechnen kann, aber nicht umgekehrt das Verhalten der Firma ... der Beklagten. In der Zeitschriftenbranche ist es durchaus - wie der Kammer aus anderen anhängig gewesenen Verfahren bekannt ist - üblich, dass Zeitschriftenabonnements von WBZ-Unternehmen selbständig und für eigene Rechnung eingeworben werden, um anschließend die Erfüllung der Pflichten aus diesen Abonnements einem Dienstleister zu übertragen. Diese Möglichkeit lässt sich auf der Grundlage des Vortrags des Klägers und der von diesem angebotenen Beweismittel nicht ausschließen. Dabei hat das Gericht nicht übersehen, dass die Firma ... nicht im Handelsregister eingetragen ist. Die Annahme des Klägers, es handele sich um eine Scheinfirma, ist aber durch die von der Beklagten vorgelegten Urkunden (Auskunft der Creditreform, Schreiben der ... GmbH in Gründung vom 13.05.2005 und Schreiben der Beklagten vom 30.08.2005) widerlegt.

2. Nach alledem ist der Ordnungsgeldantrag mit der Kostenfolge aus §§ 891, 91 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen. Bei der Streitwertfestsetzung wurde derselbe Wert in Ansatz gebracht wie im Parallelverfahren (Beschluss vom 17.10.2005).

Rechtsgebiete

Wettbewerbsrecht