Feststellung der Testierunfähigkeit einer noch lebenden Person

Gericht

BayObLG


Art der Entscheidung

Beschluss über weitere Beschwerde


Datum

06. 11. 1995


Aktenzeichen

1Z BR 56/95


Leitsatz des Gerichts

  1. Haben sich Ehegatten als Verlobte in einem Erbvertrag bindend gegenseitig zu Erben eingesetzt, so setzt die Aufhebung oder Einschränkung dieser Erbeinsetzungen durch ein späteres gemeinschaftliches Testament, in dem beide Ehegatten als Erblasser verfügen, voraus, daß beide Ehegatten bei Errichtung dieses Testaments testierfähig sind.

  2. Hat ein Sachverständiger die Testierfähigkeit einer noch lebenden Person zu beurteilen, so setzt dies in der Regel voraus, daß er diese Person selbst untersucht. Hiervon kann ausnahmsweise abgesehen werden, wenn es auf die Testierfähigkeit zu einem weiter zurückliegenden Zeitpunkt ankommt, der medizinische Befund durch wesentlich zeitnähere nervenärztliche Untersuchungen mit hinreichender Sicherheit geklärt ist und von einer persönlichen Untersuchung durch den Sachverständigen weitere Aufschlüsse über den Zustand der zu begutachtenden Person im Zeitpunkt der Testamentserrichtung, insbesondere zum Verlauf der für die Testierfähigkeit maßgebenden Erkrankung, nicht zu erwarten sind.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Der 1993 verstorbene kinderlose Erblasser war mit der Bet. zu 1 in erster und einziger Ehe verheiratet. Die Eheleute hatten Gütergemeinschaft vereinbart. Zum Gesamtgut gehört ein Hof sowie weiterer umfangreicher überwiegend landwirtschaftlicher Grundbesitz. Das NachlaßG hat Nachlaßpflegschaft angeordnet. Aus der Ehe seiner vorverstorbenen Eltern sind neben dem Erblasser dessen Schwester, die Bet. zu 5, sowie ein weiterer 1989 verstorbener Bruder hervorgegangen, der seinerseits drei Kinder, die Bet. zu 2 bis 4, hinterlassen hat. Die Bet. zu 6 und 7 sind die Schwestern der Bet. zu 1.

In einem Ehe- und Erbvertrag vom 18. 6. 1959 haben sich der Erblasser und die Bet. zu 1, die damals noch verlobt waren, gegenseitig zu Alleinerben eingesetzt, ohne weitere Verfügungen von Todes wegen zu treffen. Außerdem liegen zwei jeweils auf den 6. 5. 1990 datierte vom Erblasser eigenhändig geschriebene und unterzeichnete Schriftstücke vor, die den von der Bet. zu 1 geschriebenen und unterschriebenen Zusatz: „es ist auch mein letzter Wille" tragen. Darin verfügen die Eheleute jeweils, „daß unser Vermögen zu gleichen Teilen geteilt wird, je zur Hälfte an die Geschwister und Verwandten meiner Frau und die andere Hälfte an meine Geschwister und deren Nachkommen. ... Das Verteilen des Vermögens soll ... nach dem Ableben beider Teile geschehen. Bis dahin soll der überlebende Teil der Nutznießer und Wirtschafter sein. Sollte jedoch der überlebende Teil wieder heiraten, oder mit jemandem zusammenleben, so sollte nichts verkauft werden und das Testament soll aufrechterhalten werden und gültig sein." Es folgen Anordnungen zur Beerdigung und Grabpflege sowie zum Verfahren der Nachlaßteilung. Eines dieser Testamente haben die Eheleute am 10. 5. 1990 in die besondere amtliche Verwahrung gegeben und am 23. 10. 1991 wieder zurückgenommen. Nach den Angaben des Bet. zu 2 handelt es sich dabei um das Testament, in dem in einem Zusatz bestimmt ist: „Die Felder in A. soll mein Neffe (Bet. zu 2) bekommen, da er uns immer unterstützt hat. Er soll meiner Schwester 30000 DM auszahlen." Am 23. 10. 1991 haben die Eheleute ein weiteres gemeinschaftliches Testament in die besondere amtliche Verwahrung gegeben, das auf den 15. 8. 1991 datiert, vom Erblasser geschrieben und von ihm sowie der Bet. zu 1 unterschrieben ist. Darin ist im wesentlichen folgendes bestimmt:

„Es ist unser letzter Wille, daß der Neffe (Bet. zu 2) unseren Hof in U. übernimmt, weiterarbeitet und uns dafür pflegt. Die Felder in A. soll meine Schwester (Bet. zu 5) erhalten und noch 80000 DM ... dazu und das Haus in F. Die Schwestern meiner Frau (Bet. zu 6 und 7) sollen je 35000 DM ... erhalten. Ich mache meinem Neffen folgende Auflagen: Er muß den von uns überlebenden Teil pflegen, verpflegen und waschen. Er muß uns eine würdige Grabstätte beschaffen ... Ferner soll mein Neffe seinen Geschwistern (Bet. zu 3 und 4) je 35000 DM ... auszahlen."

Für die Bet. zu 1 ist Betreuung angeordnet. Das NachlaßG hat angekündigt, es werde auf Antrag eines Bet. aufgrund des Ehe- und Erbvertrages einen Alleinerbschein zugunsten der Bet. zu 1 erteilen. Der Bet. zu 2 hat beantragt, ihm einen Teilerbschein zu erteilen, der ihn, gegenständlich beschränkt auf den Gesamtgutshälfteanteil des Erblassers am Hof in U., als Erben ausweisen soll. Das LG hat die Beschwerden der Bet. zu 2, 3 und 5 zurückgewiesen. Die Bet. zu 1 hat sodann einen Erbschein entsprechend dem Vorbescheid beantragt. Die weitere Beschwerde des Bet. zu 2 gegen die Entscheidung des LG blieb erfolglos.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

II. 2. ... a) Zu Recht hat das LG, was der Senat von Amts wegen zu prüfen hat (vgl. BayObLGZ 1982, 261 (264) und Keidel/Kuntze, FGG, 13. Aufl., § 27 Rdnr. 15), die Beschwerden der Bet. zu 2, 3 und 5 als zulässig angesehen.

aa) Das NachlaßG hätte den Vorbescheid zwar nicht erlassen dürfen, weil noch kein Erbscheinsantrag vorlag (vgl. BayObLGZ1994, 73 (76) = NJW-RR 1994, 1032). Gleichwohl ist gegen eine Verfügung, durch die das NachlaßG mit für das weitere Verfahren bindender Wirkung die Erteilung eines Erbscheins ankündigt, die Beschwerde auch dann eröffnet, wenn im Einzelfall die Voraussetzungen für den Erlaß eines solchen Vorbescheids nicht gegeben waren, weil ein Erbscheinsantrag nicht vorgelegen hat (BayObLG, MittBayNot 1995, 218).

bb) Die Bet. zu 2, 3 und 5 waren beschwerdebefugt. Gegen einen Vorbescheid steht die Beschwerde jedem zu, der durch die Erteilung des darin angekündigten Erbscheins in seinen Rechten beeinträchtigt wäre (§ 20 I FGG; BayObLGZ 1995, 79 (83) = DtZ 1995, 411). Der Bet. zu 2 beansprucht, wie sich aus seinem im Beschwerdeverfahren gestellten Erbscheinsantrag ergibt, jedenfalls hinsichtlich eines Nachlaßteils die Stellung als Erbe. Die Bet. zu 3 und 5 haben die von ihnen in Anspruch genommene Rechtsstellung zwar nicht ausdrücklich klargestellt. Jedoch ist nach dem Verfahrensablauf davon auszugehen, daß sie sich als Nacherben des Erblassers ansehen. Das NachlaßG hatte im Rahmen der Erbscheinsverhandlung als vorläufige Bewertung mitgeteilt, daß in dem Testament vom 6. 5. 1990 eine Nacherbeneinsetzung der jeweiligen Verwandten des Erblassers gesehen werden könne. Die Bet. zu 3 und 5 haben im Rahmen ihrer Rechtsmittel darauf abgehoben, daß dieses Testament wirksam sei. Daher ist davon auszugehen, daß sie sich die Auffassung des NachlaßG zu eigen gemacht haben und die Aufnahme eines entsprechenden Nacherbenvermerks (§ 2363 BGB) in den Erbschein anstreben. Dies genügt, um ihre Beschwerdeberechtigung zu begründen (vgl. BayObLGZ 1960, 407 (410); OLG Zweibrücken, OLGZ 1984, 3 (6)).

b) Der Umstand, daß das NachlaßG den Vorbescheid nicht hätte erlassen dürfen, weil ihm kein Erbscheinsantrag vorlag, führt nicht zur Aufhebung der Entscheidung des LG. Denn die Bet. zu 1 hat nach Einlegung der weiteren Beschwerde einen Erbscheinsantrag gestellt, der dem Vorbescheid entspricht. Dies kann der Senat auch noch im Verfahren der weiteren Beschwerde berücksichtigen (BayObLG, MittBayNot 1995, 218 (219)). Unter diesen Umständen kann dahinstehen, ob das LG auch deshalb in der Sache hätte entscheiden können, weil der Bet. zu 2 im Verlauf des Beschwerdeverfahrens einen eigenen, allerdings nicht mit dem Vorbescheid übereinstimmenden Erbscheinsantrag gestellt hat.

c) Das LG ist zu Recht davon ausgegangen, daß der Erblasser die Bet. zu 1 mit Erbvertrag vom 18. 6. 1959 wirksam zu seiner Alleinerbin eingesetzt hat. Es hat sodann geprüft, ob diese Erbeinsetzung durch die späteren gemeinschaftlichen Testamente aus den Jahren 1990 und 1991 wirksam widerrufen worden ist. In diesem Zusammenhang ist es nicht näher darauf eingegangen, ob die erbvertragliche Erbeinsetzung vertragsmäßig bindend war (§ 2278 I BGB) und der Erblasser daher in den gemeinschaftlichen Testamenten nur dann wirksam eine anderweitige Verfügung treffen konnte (§ 2289 I 2 BGB), wenn gleichzeitig diese Bindung entfiel (§§ 2290 , 2292 BGB). Im Ergebnis hat es jedoch zutreffend auf die mangelnde Testierfähigkeit der Bet. zu 1 bei Abfassung des gemeinschaftlichen Testaments abgestellt und daraus abgeleitet, daß die erbvertragliche Erbeinsetzung der Bet. zu 1 nicht unwirksam geworden ist.

aa) Bei der Erbeinsetzung der Bet. zu 1 in dem Erbvertrag handelt es sich um eine vertragsmäßige Verfügung (§ 2278 BGB). Zwar folgt aus dem Umstand, daß eine Verfügung in einem Erbvertrag enthalten ist, noch nicht ihre Vertragsmäßigkeit. Wenn sich aber wie hier der Erblasser und die Bet. zu 1 in dem formgültigen Erbvertrag ausdrücklich „im Wege des Erbvertrages“ gegenseitig zu Alleinerben eingesetzt haben, so ergibt sich angesichts der Klarheit und Eindeutigkeit einer solchen Erklärung als deren nächstliegende Bedeutung, daß die Verfügungen vertragsgemäß i.S. von § 2278 BGB getroffen werden sollten mit der Folge, daß der Erblasser an seine Verfügung gebunden und jede weitere widersprechende Verfügung von Todes wegen grundsätzlich ausgeschlossen war (§ 2289 I 2 BGB; vgl. BayObLG, FamRZ 1994, 196).

bb) Die Ehegatten konnten diese vertragsmäßige Verfügung durch ein gemeinschaftliches Testament aufheben (§ 2292 BGB). Diese Vorschrift ist nach inzwischen einhelliger Auffassung entgegen ihrem Wortlaut auch anwendbar, wenn die Ehegatten wie hier im Zeitpunkt der Errichtung des entsprechenden Erbvertrages noch nicht miteinander verheiratet waren (BayObLGZ 8, 350; Musielak, in: MünchKomm, 2. Aufl., § 2292 Rdnr. 2; Staudinger/Kanzleiter, BGB, 12. Aufl., § 2292 Rdnr. 2 m.w. Nachw.). Die Aufhebung kann sich auf einzelne Verfügungen im Erbvertrag beschränken (BayObLGZ 1960, 192). Sie kann auch dadurch zum Ausdruck gebracht werden, daß neue, dem Erbvertrag widersprechende Verfügungen getroffen werden, wenn nur der Wille der Ehegatten, die vertragsmäßigen Verfügungen durch die testamentarischen zu ersetzen, mit ausreichender Deutlichkeit erkennbar wird (Musielak, in: MünchKomm, § 2292 Rdnr. 4; Staudinger/Kanzleiter, § 2292 Rdnr. 4; vgl. auch BGH, NJW 1987, 901 (902), wonach in einem solchen Fall die Aufhebung bereits kraft Gesetzes aus dem Widerspruch der späteren zu der früheren Verfügung von Todes wegen folgt).

Die Aufhebung oder Einschränkung der erbvertraglichen Erbeinsetzungen durch die gemeinschaftlichen Testamente setzt jedenfalls hier die Testierfähigkeit beider Ehegatten voraus, weil die Aufhebung der erbvertraglichen Bindung nur darin liegen kann, daß abweichend vom Erbvertrag verfügt wurde. Grundsätzlich müssen bei der Errichtung eines gemeinschaftlichen Testaments beide Ehegatten testierfähig sein (Palandt/Edenhofer, BGB., 54. Aufl., Einf. § 2265 Rdnr. 4; Dittmann/Reimann/Bengel, Testament und Erbvertrag, 2. Aufl., Vorb. §§ 2265ff. Rdnr. 19; vgl. auch Senat,Beschl. v. 4. 7. 1994 - 1Z BR 139/93, S. 17). Ist einer der Ehegatten testierunfähig, stellt sich nur die Frage, ob und inwieweit eine Verfügung des anderen Ehegatten als Einzeltestament aufrechterhalten werden kann (Dittmann/Reimann/Bengel, Vorb. §§ 2265ff . Rdnr. 19; weitergehend Staudinger/Kanzleiter, Vorb. §§ 2265ff. Rdnr. 47, der für die Wirksamkeit der Verfügungen des testierfähigen Ehegatten auf die allgemeinen Grundsätze, also insbesondere § 2270 I BGB verweist). Jedenfalls setzt die wirksame Aufhebung erbvertraglich bindender Erbeinsetzungen durch ein gemeinschaftliches Testament gem. § 2292 BGB die Testierfähigkeit beider Ehegatten voraus, wenn die Ehegatten in dem Testament beide als Erblasser handeln (Musielak, in: MünchKomm, § 2292 Rdnr. 3; Staudinger/Kanzleiter, § 2292 Rdnrn. 6f.). Der Sonderfall des § 2292 Halbs. 2 i.V. mit § 2290 III BGB (vgl. hierzu Staudinger/Kanzleiter, § 2292 Rdnr. 7; Planck/Greiff, BGB, 4. Aufl., § 2292 Anm. 3c; Kipp/Coing, ErbR, 14. Aufl., § 39 III) liegt hier schon aus tatsächlichen Gründen nicht vor.

In dem Erbvertrag hatten sich die Ehegatten gegenseitig zu Erben eingesetzt, also beide als Erblasser gehandelt. Gleiches gilt für die gemeinschaftlichen Testamente. Denn die Ehegatten wollten dort über ihr gemeinschaftliches Vermögen (§ 1416 BGB) verfügen und einheitliche Regelungen für die Vermögensnachfolge nach dem Erstversterbenden und dem Letztversterbenden treffen, die unabhängig davon gelten sollten, welcher der Ehegatten den anderen überlebte. Sie haben daher beide als Erblasser verfügt.

Eine in den gemeinschaftlichen Testamenten möglicherweise enthaltene Aufhebung oder Abänderung der erbvertraglich bindenden Erbeinsetzung der Bet. zu 1 kann auch nicht als einseitige Verfügung des Erblassers aufrechterhalten werden, weil sie die Mitwirkung der Bet. zu 1 vorausgesetzt hätte. Auch haben hier die Ehegatten nach dem insoweit klaren Wortlaut und Ziel der gemeinschaftlichen Testamente eine solche einseitige Verfügung weder bedacht noch gewollt.

d) Die Feststellung des LG, die Bet. zu 1 sei im Zeitpunkt der Errichtung der gemeinschaftlichen Testamente nicht testierfähig gewesen, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

aa) Die Testierfähigkeit (§ 2229 IV BGB) setzt nach allgemeiner Meinung die Vorstellung des Testierenden voraus, daß er ein Testament errichtet und welchen Inhalt die darin enthaltenen letztwilligen Verfügungen aufweisen. Er muß in der Lage sein, sich ein klares Urteil zu bilden, welche Tragweite seine Anordnungen haben, insbesondere welche Wirkungen sie auf die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Betroffenen ausüben. Das gilt auch für die Gründe, welche für und gegen die sittliche Berechtigung der Anordnungen sprechen. Nach seinem so gebildeten Urteil muß der Testierende frei von Einflüssen Dritter handeln können (vgl. BayObLG, FamRZ 1986, 728 (730) und st. Rspr. des Senats; Palandt/Edenhofer, § 2229 Rdnr. 1; Wetterling/Neubauer/Neubauer, ZEV, 1995, 46). Von diesen Grundsätzen ist das LG ausgegangen.

bb) Die Frage, ob die Voraussetzungen der Testierfähigkeit gegeben sind, liegt im wesentlichen auf tatsächlichem Gebiet. Der Senatkann die Feststellung des LG, die Bet. zu 1 sei bei Errichtung der gemeinschaftlichen Testamente nicht mehr testierfähig gewesen, nur daraufhin überprüfen, ob das LG den maßgebenden Sachverhalt ausreichend erforscht (§ 12 FGG, § 2358 I BGB) hat, ob die Vorschriften über die Beweisaufnahme (§ 15 FGG) verletzt wurden und ob die Beweiswürdigung fehlerhaft ist. Die Beweiswürdigung kann nur dahin nachgeprüft werden, ob das LG bei der Erörterung des Beweisstoffes alle wesentlichen Umstände berücksichtigt (§ 25 FGG) und hierbei nicht gegen gesetzliche Beweisregeln oder die Denkgesetze und feststehende Erfahrungssätze verstoßen hat, ferner ob es die Beweisanforderungen zu hoch oder zu niedrig angesetzt hat (BayObLGZ 1982, 309 (313); BayObLG, FamRZ 1990, 801 (802) und st. Rspr. des Senats). Hierbei muß sich das BeschwGer. nicht mit allen möglicherweise in Betracht kommenden Umständen ausdrücklich auseinandersetzen; es genügt, wenn es alle wesentlichen, die Entscheidung tragenden Umstände würdigt, und wenn sich daraus ergibt, daß eine sachentsprechende Beurteilung stattgefunden hat (BayObLGZ 1982, 309 (313)).

cc) Das LG hat den maßgeblichen Sachverhalt hinreichend ermittelt.

(1) Steht die Frage der Testierfähigkeit in Zweifel, so bedarf es in der Regel sorgfältiger Ermittlungen unter Einbeziehung der Vorgeschichte und aller äußeren Umstände (BayObLG, FamRZ 1994, 593). Das bedeutet aber nicht, daß allen Beweisanträgen der Bet. stattgegeben und allen denkbaren Möglichkeiten zur Erforschung des Sachverhalts nachgegangen werden müßte. Eine Aufklärungspflicht besteht vielmehr nur insoweit, als das Vorbringen der Bet. und der festgestellte Sachverhalt bei sorgfältiger Überlegung hierzu Anlaß geben (BayObLGZ 1979, 256 (261f.) und BayObLG, MittBayNot 1995, 56 (57)). Von weiteren Ermittlungen, von denen ein sachdienliches, die Entscheidung beeinflussendes Ergebnis nicht zu erwarten ist, kann das Gericht absehen (BayObLG, NJW-RR 1991, 1098 = FamRZ 1991, 1237 (1239)).

(2) Die Tatsacheninstanzen haben, wie dies bei konkret begründeten Zweifeln an der Testierfähigkeit und insbesondere dann, wenn die Testierfähigkeit verneint wird, geboten ist, das Gutachten eines Sachverständigen erholt. Sie durften mit dieser Begutachtung den zuständigen Landgerichtsarzt beauftragen, da diese Ärzte in Bayern aufgrund ihrer Ausbildung und praktischen Erfahrung allgemein für die Beurteilung geistiger Erkrankungen in Betracht kommen (BayObLGZ 1986, 214 (217) = NJW 1986, 2892 und BayObLG, FamRZ 1994, 593 (594)), zumal der hier beauftragte Landgerichtsarzt als Arzt für Psychiatrie ausgewiesen ist.

(3) Die Tatsacheninstanzen haben sich, wie dies geboten war, im Rahmen der Ermittlungen soweit möglich Klarheit über den medizinischen Befund verschafft (vgl. BayObLG, FamRZ 1994, 593 (594)). Sie haben die behandelnden Ärzte gehört und die Krankenunterlagen, insbesondere den Befund des Bezirkskrankenhauses, in dem die Bet. zu 1 Anfang des Jahres 1992 eingehend nervenärztlich untersucht worden war, beigezogen. Sie haben das Verhalten der Bet. zu 1, das die Zweifel an ihrer Testierfähigkeit verursacht hat, soweit möglich aufgeklärt (vgl. BayObLG, FamRZ 1990, 1405 (1406)), insbesondere haben sie die Zeugen, die Auskunft über den Zustand der Bet. zu 1 im Zeitpunkt der Errichtung der Testamente geben konnten, vernommen. Die Anwesenheit des Sachverständigen bereits in diesem Stadium der Beweisaufnahme war zweckmäßig (vgl. OLG Köln,NJW-RR 1994, 396) und keineswegs verfrüht. Eine erneute Vernehmung der Zeugen in der Beschwerdeinstanz war nicht geboten (vgl. Keidel/Amelung, § 12 Rdnr. 36 und Keidel/Kuntze, § 23 Rdnr. 8 jeweils m.w.Nachw.); insbesondere hat das LG die Glaubwürdigkeit der Zeugen nicht anders beurteilt und auch den Aussageinhalt nicht anders verstanden als das NachlaßG.

Das LG mußte den Sachverständigen nicht veranlassen, die Bet. zu 1 persönlich zu untersuchen. Zwar kommt bei Beurteilung der Testierfähigkeit der Klärung des medizinischen Befundes vorrangige Bedeutung zu. Hierzu ist es in der Regel erforderlich, daß der Sachverständige die betroffene Person selbst untersucht, wenn dies wie in dem hier gegebenen Ausnahmefall noch möglich ist. Denn auch ein Arzt für Neurologie und Psychiatrie kann gültige Feststellungen über die Testierfähigkeit einer Person, die an seniler Demenz leidet, nur treffen, wenn er sie eingehend untersucht hat (BayObLGZ 1979, 256 (263)). Hier liegen jedoch besondere Umstände vor, die es ausnahmsweise erlaubten, von einer solchen Untersuchung abzusehen. Die Bet. zu 1 war Anfang 1992 in einem Bezirkskrankenhaus eingehend nervenärztlich untersucht worden. Es war eine „senile Demenz am ehesten vaskulärer Genese“ festgestellt worden. Eine vom Gutachter ebenfalls herangezogene ärztliche Stellungnahme in den Betreuungsakten, die auf eine Untersuchung am 12. 10. 1992 gründet, gibt an, die Bet. zu 1 habe sich zu diesem Zeitpunkt im apathischen Endstadium eines dementiellen Abbauprozesses befunden verbunden mit einer erheblichen Reduzierung der geistigen Leistungsfähigkeit bei bestehendem langsam fortschreitenden Hirnabbauprozeß. Auch der vom NachlaßG als Zeuge vernommene Hausarzt hat angegeben, daß er ab September 1991 bei der Bet. zu 1 einen zunehmenden Abbau der geistigen Tätigkeit festgestellt habe, der den Befund „Demenz“ unterstrichen habe. Bei dieser Sachlage konnte der Sachverständige den medizinischen Befund (senile Demenz vaskulärer Genese) auch ohne eigene Untersuchung als gegeben zugrundelegen. Hiervon ist er in seinem Gutachten auch offensichtlich ausgegangen. Für das Verfahren entscheidend und unter den Bet. umstritten war lediglich die Frage, wie weit dieser Abbauprozeß im Zeitpunkt der Errichtung der gemeinschaftlichen Testamente bereits fortgeschritten war. Nachdem bereits ein Jahr vor der Begutachtung das apathische Endstadium des dementiellen Abbauprozesses festgestellt worden war, mußte nicht angenommen werden, daß eine zusätzliche persönliche Untersuchung durch den Sachverständigen im Zeitpunkt der Entscheidung des LG weitere Erkenntnisse hätte erbringen können. Das LG durfte daher im Rahmen des ihm eingeräumten Ermessens eine solche Untersuchung für nicht erforderlich halten.

(4) Es bestand kein Anlaß, ein schriftpsychologisches Gutachten zu erholen. Die Beurteilung der Handschrift in einem Testament läßt nur sehr beschränkte Rückschlüsse auf den geistigen Zustand des Verfassers zu (Wetterling/Neubauer/Neubauer, S. 49 bei Fußn. 47 m.w. Nachw.). Dies gilt vor allem für die Frage, ob der Testierende noch in der Lage ist, die Tragweite seiner Anordnungen zu überblicken und frei von Einflüssen Dritter zu handeln. Sie kann nicht anhand der Aussage beantwortet werden, ob der Testierende noch bei wachem Zustand war und wußte, was er schrieb, wie dies das vom Bet. zu 2 nunmehr vorgelegte schriftpsychologische Gutachten für die Bet. zu 1 attestiert. Die Erholung eines solchen Gutachtens war auch von keinem Bet. angeregt worden.

dd) Die Feststellung des LG, die Bet. zu 1 sei im Zeitpunkt der Errichtung der gemeinschaftlichen Testamente testierunfähig gewesen, beruht auf einer möglichen tatrichterlichen Würdigung des Beweisergebnisses und ist daher aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden (vgl. BayObLGZ 1982, 309 (313)). Das Vorbringen des Bet. zu 2 läuft im wesentlichen auf den Versuch hinaus, die eigene Tatsachenwürdigung an die Stelle derjenigen des LGzu setzen. Damit kann er im Rechtsbeschwerdeverfahren keinen Erfolg haben (vgl. BayObLGZ 1991, 173 (177) = NJW-RR 1991, 1288).

(1) Ob bei einer an Altersdemenz leidenden Person die Voraussetzungen der Testierfähigkeit vorliegen, kann nicht anhand einzelner Erklärungen und Angaben festgestellt werden, sondern nur anhand des Gesamtverhaltens und des Gesamtbildes der Persönlichkeit in der fraglichen Zeit (BayObLGZ 1979, 256 (263)). Denn es ist anerkannt, daß bei einer derartigen Erkrankung die Abbauerscheinungen häufig durch eine wohlgeordnet erscheinende „Fassade“ verdeckt werden, die dem Kranken die Möglichkeit gibt, auch gravierende Einbußen zu überspielen. Ein dementer Mensch kann in einem Untersuchungsgespräch mit seinen erhaltenen Restfähigkeiten den Eindruck erwecken, die Situation zu beherrschen, obgleich ihm entscheidende Voraussetzungen lebenspraktischer Bewältigung verlorengegangen sind (Rose, in: Venzlaff, Psychiatrische Begutachtung, S. 516).

(2) Unter diesem Gesichtspunkt mußte das LG den Angaben der Ärzte, die die Bet. zu 1 lediglich unter allgemeinmedizinischen beziehungsweise orthopädischen Aspekten behandelt hatten, keine entscheidende Bedeutung beimessen. Es hat dabei nicht übersehen, daß generell den Bekundungen behandelnder Ärzte besondere Bedeutung zukommt (vgl. BayObLG, FamRZ 1985, 742 (743)). Das bedeutet jedoch nicht, daß den Angaben eines behandelnden Privatarztes immer das entscheidende Gewicht beigelegt werden müßte (vgl. auch BayObLGZ 1979, 256 (263)). Zwar werden die Beobachtungen von Ärzten im Hinblick auf die höhere Sachkunde des Beobachters häufig zuverlässiger über das Krankheitsbild einer Person Auskunft geben als die Beobachtungen von Laien, jedoch hängt die Würdigung der Aussage dennoch jeweils von den Umständen des konkreten Falles ab. Hier hat sich das LG mit den Bekundungen der beiden Ärzte eingehend auseinandergesetzt und nachvollziehbar dargelegt, warum es diesen keine ausschlaggebende Bedeutung zuerkennen will. Es konnte dabei vor allem berücksichtigen, daß die Ärzte, wie sie bekundet haben, bei ihren Untersuchungen der geistigen Leistungsfähigkeit der Bet. zu 1 keine besondere Beachtung geschenkt haben. Die Würdigung des LG ist daher auch im Hinblick auf das Krankheitsbild einer Altersdemenz aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

(3) Das LG hat die Bekundungen der übrigen vernommenen Zeugen eingehend gewürdigt. Dabei hat es nicht, wie der Bet. zu 2 offenbar meint, eine Gruppe von Zeugen für glaubwürdiger erachtet als eine andere Gruppe. Vielmehr hat es die Bekundungen aller Zeugen für glaubhaft gehalten, jedoch den Angaben einiger Zeugen als Grundlage für die Beurteilung der Testierfähigkeit größeres Gewicht zuerkannt. So hat es die Bekundungen der Zeugen, die im Hinblick auf ihren häufigen Umgang mit der Bet. zu 1 und ihr verwandtschaftliches Interesse mit deren Zustand besonders vertraut waren, als wichtiger eingestuft als die Angaben der Zeugen, die sich nur anläßlich von Ausflügen und kurzzeitigen Besuchen mit der Bet. zu 1 befaßt hatten. Dies entspricht dem Umstand, daß für die Feststellung einer Testierunfähigkeit wegen Demenz, wie dargelegt, auf das Gesamtverhalten der betroffenen Person über einen längeren Zeitraum hinweg abzustellen ist und weniger auf das Verhalten bei einzelnen, vom alltäglichen Verlauf abweichenden Ereignissen.

Es ist auch nicht zu beanstanden, daß das LG sich besonders auf die Angaben der Zeugin S gestützt hat. Aus deren Beruf als Altenpflegerin durfte das Gericht entnehmen, daß diese Zeugin größere Erfahrung bei der Einschätzung des Verhaltens alter Menschen hat, aus ihren übrigen Bekundungen, daß sie die Entwicklung des Krankheitsverlaufs bei der Bet. zu 1, wenn auch in größeren Abständen, so doch regelmäßig und über einen längeren Zeitraum hinweg verfolgt hatte. Die Feststellungen des LG, diese Zeugin habe kein unmittelbares eigenes Interesse am Ausgang des Verfahrens, ist nicht zu beanstanden. Denn die Zeugin kann auf keinen Fall selbst Erbin des Erblassers sein; daß sie einmal die Bet. zu 1 beerben könnte, stellt sich allenfalls als entfernte Möglichkeit dar, die ihre Glaubwürdigkeit nicht beeinträchtigen muß.

(4) Das LG hat das Gutachten des Sachverständigen selbst gewürdigt, insbesondere die Ausführungen auf ihren sachlichen Gehalt, ihre logische Schlüssigkeit und daraufhin überprüft, ob der Sachverständige von einem Sachverhalt ausgegangen ist, den das Gericht selbst für erwiesen erachtet (vgl. BayObLGZ 1982, 309 (314)). Es hat die Aussagen der verschiedenen Zeugen selbst gewürdigt und die Vereinbarkeit des so gewonnenen Ergebnisses mit den tatsächlichen Grundlagen des Sachverständigengutachtens geprüft. Dabei hat es zutreffend ausdrücklich unterschieden zwischen der Frage der Glaubwürdigkeit der einzelnen Zeugen sowie der Glaubhaftigkeit ihrer Aussagen, die zu beurteilen Sache des Gerichts ist, und der Frage, welche Bedeutung den als erwiesen erachteten Tatsachen für die Beurteilung der Testierfähigkeit zukommt, deren Beantwortung Aufgabe (auch) des Sachverständigen ist. Ebenso wie das Gericht mußte auch der Sachverständige den Angaben der Ärzte D und G bei der Gewichtung der festgestellten Tatsachen keine entscheidende Bedeutung zuerkennen.

Rechtsgebiete

Erbrecht

Normen

BGB §§ 2229 IV , 2265 , 2275 , 2290 , 2292