Feststellungslast für Testierunfähigkeit des Erblassers

Gericht

KG


Art der Entscheidung

Beschluss über weitere Beschwerde


Datum

07. 09. 1999


Aktenzeichen

1 W 4291/98


Leitsatz des Gerichts

  1. Ein Erblasser ist solange als testierfähig anzusehen, als seine Testierunfähigkeit nicht bewiesen ist. Die Feststellungslast für die Testierunfähigkeit hat derjenige zu tragen, der sich auf die darauf beruhende Unwirksamkeit des Testaments des Erblassers beruft.

  2. Kommt ein Gericht zu dem Ergebnis, dass die durch Zeugen oder andere Beweismittel feststellbaren Tatsachen nicht ausreichen können, um den Ausnahmefall der Testierunfähigkeit des Erblassers mit Hilfe eines Sachverständigen zu begründen, darf es davon absehen, ein Gutachten erstatten zu lassen.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Der Bet. zu 2 macht geltend, auf Grund des privatschriftlichen Testaments der Erblasserin vom 12. 3. 1986 deren Erbe geworden zu sein, da das spätere notarielle Testament vom 24. 8. 1993 zu Gunsten des Bet. zu 1 infolge Testierunfähigkeit der Erblasserin bzw. auf Grund der von ihm erklärten Testamentsanfechtung nichtig sei.

Das AG - NachlassG - hat durch Vorbescheid die Erteilung des Erbscheins angekündigt. Die Beschwerde und die weitere Beschwerde des Bet. zu 2 blieben erfolglos.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

… 1. a) Nach § 2229 IV BGB kann ein Testament nicht errichten, wer wegen krankhafter Störung der Geistestätigkeit, wegen Geistesschwäche oder wegen Bewusstseinsstörung nicht in der Lage ist, die Bedeutung einer von ihm abgegebenen Willenserklärung einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln. Dabei genügt es nicht, dass der Erblasser eine allgemeine Vorstellung von der Tatsache der Errichtung des Testaments und vom Inhalt seiner letztwilligen Verfügung hatte; er muss vielmehr auch in der Lage gewesen sein, sich über die Tragweite dieser Anordnungen und ihre Auswirkungen auf die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Betroffenen sowie über die Gründe, die für oder gegen ihre sittliche Berechtigung sprechen, ein Urteil zu bilden und nach diesem Urteil frei von Einflüssen etwa interessierter Dritter zu handeln (allg.M., vgl. nur BayObLGZ 1979, 256 [263] m.w. Nachw.). Entsprechend dem Grundsatz, dass die Störung der Geistestätigkeit die Ausnahme bildet, ist ein Erblasser solange als testierfähig anzusehen, als nicht seine Testierunfähigkeit zur vollen Gewissheit des Gerichts nachgewiesen ist. Die Feststellungslast für die Testierunfähigkeit als einer das Erbrecht vernichtenden Tatsache hat derjenige zu tragen, der sich auf die darauf beruhende Unwirksamkeit des Testaments beruft (vgl. BayObLGZ 1979, 256 [261]; BayObLG, FamRZ 1990, 211 [212] m.w. Nachw.).

Von den genannten Voraussetzungen der Testierunfähigkeit ist auch das LG ausgegangen, wie sich aus dem Gesamtzusammenhang seiner Beschlussgründe sowie der Verfügung des Berichterstatters vom 12. 3. 1997 an M ergibt. Soweit es möglicherweise im Hinblick auf seine Bejahung der Testierfähigkeit der Erblasserin rechtsirrig von dem Erfordernis positiver Feststellung der Testierfähigkeit ausgegangen ist, liegt darin kein Rechtsfehler, auf dem seine Entscheidung beruhen könnte. Denn es hat damit jedenfalls auch die - bereits hinreichende - Feststellung getroffen, dass die Testierunfähigkeit der Erblasserin nicht nachgewiesen sei.

b) Die Frage, ob die genannten Voraussetzungen der Testierunfähigkeit nach § 2229 IV BGB gegeben sind, liegt im Wesentlichen auf tatsächlichem Gebiet. Die Tatsachenfeststellungen und Beweiswürdigungen können im Verfahren der weiteren Beschwerde nur daraufhin überprüft werden, ob der Tatsachenrichter den maßgeblichen Sachverhalt ausreichend erforscht (§ 12 FGG), bei der Erörterung des Beweisstoffs alle wesentlichen Umstände berücksichtigt (§ 25 FGG) und dabei nicht gegen gesetzliche Beweisregeln, Denkgesetze und feststehende Erfahrungssätze oder gegen Verfahrensrecht verstoßen und die Beweisanforderungen nicht überspannt oder vernachlässigt hat. Dabei müssen die tatsächlichen Folgerungen nicht die einzig möglichen oder schlechthin zwingend sein (vgl. Keidel/Kahl, § 27 Rdnr. 42). Gemäß § 27 I 2 FGG i.V. mit § 561 ZPO ist dieser dem LG vorliegende Sachverhalt auch allein Gegenstand der rechtlichen Nachprüfung, neues tatsächliches Vorbringen kann keine Berücksichtigung durch den Senat finden.

Derartige Rechtsfehler sind dem LG nicht unterlaufen. Seine Feststellung, die Testierunfähigkeit der Erblasserin im Zeitpunkt der Errichtung des notariellen Testaments vom 24. 8. 1993 sei nicht nachgewiesen, beruht auf einer möglichen tatrichterlichen Würdigung. Das LG hat auch die Aufklärungsmöglichkeiten im gebotenen Umfang ausgeschöpft, sich mit allen wesentlichen, die Entscheidung tragenden Umständen ohne Verstoß gegen Denkgesetze und feststehende Erfahrungssätze auseinander gesetzt und die Beweisanforderungen weder überspannt noch vernachlässigt.

Das LG hat insbesondere nicht seine Pflicht zur Amtsermittlung (§ 12 FGG) verletzt. Über Art und Umfang seiner Ermittlungen entscheidet das Tatsachengericht ohne Bindung an Beweisanträge der Bet. nach pflichtgemäßen Ermessen. Der rechtlichen Nachprüfung unterliegt dabei nur die Ausübung dieses Ermessens in Hinblick darauf, ob das LG die Voraussetzungen und Grenzen seines Ermessens eingehalten hat (Keidel/Kahl, § 27 Rdnr. 27). Der Grundsatz der Amtsermittlung verpflichtet das Gericht, alle zur Sachverhaltsaufklärung dienlichen Beweise zu erheben. Dies bedeutet nicht, dass es allen denkbaren Möglichkeiten von Amts wegen nachzugehen hätte. Seine Pflicht reicht vielmehr nur so weit, als der Sachverhalt oder das Vorbringen der Beteiligten bei sorgfältiger Überlegung dazu Anlass geben. Die Ermittlungen sind soweit auszudehnen, bis der Sachverhalt vollständig aufgeklärt ist, und abzuschließen, wenn von weiteren Ermittlungen ein sachdienliches, die Entscheidung beeinflussendes Ergebnis nicht mehr zu erwarten ist (BayObLGZ 1979, 256 [261f] m.w. Nachw.). Zu überflüssigen und nur ergänzenden Beweiserhebungen ist das Gericht nicht verpflichtet.

Hiernach unterliegt es keinen rechtlichen Bedenken, dass sich das LG für seine Feststellungen zur Testierfähigkeit der Erblasserin auf die schriftlichen Stellungnahmen und Befunde der Ärzte, die die Erblasserin untersucht bzw. im fraglichen Zeitraum behandelt haben, sowie auf die Aussage des beurkundenden Notars gestützt hat und von der Einholung eines Sachverständigengutachtens wie auch einer Vernehmung weiterer, vom Bet. zu 2 benannter Zeugen abgesehen hat.

Zwar kann das Vorliegen der Voraussetzungen der Testierunfähigkeit i.S. von § 2229 IV BGB regelmäßig nicht vom Gericht allein, sondern nur mit Hilfe eines Nervenarztes oder Psychiaters bejaht werden (vgl. Senat, NJW 1961, 2066; BayObLG, NJW-RR 1990, 1419 [1420] m.w. Nachw.). Die hiervon zu trennende Frage, ob Anlass besteht, ein Gutachten über die Testierunfähigkeit einzuholen, wenn das Gericht diese verneint, ist von ihm jedoch nach den oben dargelegten Grundsätzen im Rahmen seiner Pflicht zur Amtsermittlung nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden. Ihre Beantwortung hängt vom Ergebnis der Sachaufklärung ab, die das Gericht vorgenommen hat, nachdem Zweifel an der Testierfähigkeit des Erblassers geäußert wurden, wobei insbesondere das Verhalten des Erblassers und die tatsächlichen Umstände, die den medizinischen Befund ausmachen und die seinen Geisteszustand zur Zeit der Testamentserrichtung beeinflusst haben können, zu ermitteln sind. Kommt das Gericht danach zu dem Ergebnis, dass die durch Zeugen oder andere Beweismittel feststellbaren Tatsachen nicht ausreichen können, um den Ausnahmefall der Testierunfähigkeit mit Hilfe eines Sachverständigen zu begründen, darf es davon absehen, ein Gutachten (§ 15 I FGG, § 404 ZPO) erstatten zu lassen (vgl. BayObLG, NJW-RR 1990, 1419 [1420]).

Nach diesen Grundsätzen ist die Verfahrensweise des LG nicht zu beanstanden. Denn aus den vorliegenden ärztlichen Stellungnahmen ergaben sich keinerlei Hinweise auf eine Einschränkung der geistigen Funktionen der Erblasserin im Zeitraum der Testamentserrichtung.

Insbesondere durfte das Gericht der schriftlichen Äußerung des Facharztes M für Innere Medizin vom 19. 3. 1997 entnehmen, dass die Voraussetzungen der Testierunfähigkeit bei der Erblasserin im Zeitraum der Testamentserrichtung nicht vorlagen. Bei ihm handelte es sich um den Hausarzt der Erblasserin, in dessen Behandlung sie sich auch im maßgeblichen Zeitraum befand, so dass es seiner Feststellung, es habe keine Hinweise auf eine krankhafte Störung der Geistestätigkeit, eine Geistesschwäche oder eine Bewusstseinsstörung gegeben, besondere Bedeutung beimessen durfte. Auch von einer Verkennung der tatsächlichen Voraussetzungen der Testierunfähigkeit durch M brauchte das LG nicht auszugehen, da dessen Äußerungen ersichtlich auf die Verfügung des Berichterstatters vom 12. 3. 1997 Bezug nahm, in der diese Voraussetzungen angeführt waren. Anlass, an der Richtigkeit seines Befunds zu zweifeln, bestand auch nicht im Hinblick auf die darin erwähnte mehrfache Verlegung von Schlüsseln sowie die Ende August 1993 aufgetretene zunehmende Verschlossenheit der Erblasserin, da diese verschiedene Ursachen haben können und daher als Indizien für eine Testierunfähigkeit nicht geeignet sind. Soweit die Bet. zu 2 erstmals mit der weiteren Beschwerde vortragen lässt, wegen von der Erblasserin erhaltener Schenkungen sei M voreingenommen, handelt es sich um neuen Sachvortrag, der im Verfahren der weiteren Beschwerde keine Berücksichtigung finden kann. Da die schriftliche Äußerung des M der Verfahrensbevollmächtigten des Bet. zu 2 auch bereits mit richterlicher Verfügung vom 8. 4. 1997 zur Stellungnahme übersandt worden war, ist ihm zu dieser auch hinreichend rechtliches Gehör gewährt worden.

Die weiteren ärztlichen Stellungnahmen enthalten ebenso wenig Anhaltspunkte für eine am 24. 8. 1993 gegebene Testierunfähigkeit der Erblasserin. Insbesondere beruhte die im Betreuungsverfahren abgegebene ärztliche Stellungnahme der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie A und der Ärztin für Psychiatrie B beim Bezirksamt vom 7. 7. 1994 auf der Untersuchung der Erblasserin am 21. 6. 1994 und gab damit deren Zustand nach dem am 5. 10. 1993 erlittenen Schlaganfall wieder. Nach der im vorliegenden Erbscheinsverfahren eingeholten weiteren Stellungnahme der Ärztin für Psychiatrie B vom 4. 1. 1996 lässt sie daher keine Rückschlüsse auf eine bereits am 24. 8. 1993 vorliegende Geschäftsunfähigkeit zu.

Schließlich hat das LG auch der Aussage des beurkundenden Notars T vor dem AG am 30. 4. 1996 rechtsfehlerfrei keine ernsthaften Zweifel an der Testierfähigkeit der Erblasserin entnommen. Auch seiner Aussage durfte es erhöhte Bedeutung beimessen, da er als Notar gem. § 28 BeurkG von Amts wegen zur Prüfung der Testierfähigkeit vor der Beurkundung verpflichtet war. Er hat die Testierfähigkeit der Erblasserin einschränkungslos bejaht und auch auf Vorhalt Ausfälle oder Wunderlichkeiten, aus denen sich Hinweise auf eine Testierunfähigkeit ergeben könnten, verneint. Schließlich brauchte das LG einen solchen Hinweis - entgegen der Auffassung des Bet. zu 2 - auch nicht dem Umstand zu entnehmen, dass die Erblasserin möglicherweise gegenüber dem Notar den Zeitraum ihrer Verbundenheit mit dem Bet. zu 1 als länger angegeben hatte, als es den Tatsachen entsprach.

Nachdem sich insbesondere aus den Aussagen des Hausarztes und des beurkundenden Notars keine Hinweise auf eine Testierunfähigkeit der Erblasserin ergeben hatten, ist es aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, dass das LG von der Einholung eines Sachverständigengutachtens und der Vernehmung weiterer Zeugen abgesehen hat. Dabei durfte es insbesondere auch in Bezug auf die Zeugen, auf die sich der Bet. zu 2 im Schriftsatz seiner Verfahrensbevollmächtigten vom 21. 2. 1997 für Vorfälle berufen hatte, die geistige Beeinträchtigungen der Erblasserin aufzeigen sollten, annehmen, dass von ihnen kein weiteres sachdienliches Ergebnis zu erwarten sei. Denn bei ihnen handelt es sich ersichtlich um Laien auf humanmedizinischen Gebiet, die auch zur Beurteilung der Voraussetzungen von Testierunfähigkeit nicht besonders geschult sind. Eine Verletzung der Pflicht zur Amtsermittlung liegt in dem Absehen von ihrer Vernehmung daher nicht (s. auch OLG Köln, NJW-RR 1991, 1412).

2. Die angefochtene Entscheidung unterliegt auch insoweit keinen rechtlichen Bedenken, als das LG die Wirksamkeit der von dem Bet. zu 2 mit Schriftsatz seiner Verfahrensbevollmächtigten vom 13. 7. 1995 an das NachlassG erklärten Testamentsanfechtung verneint hat.

Mit Recht hat das LG zunächst angenommen, dass der Bet. zu 2 anfechtungsberechtigt ist, da er im Falle der Wirksamkeit der Anfechtung auf Grund des Testaments vom 12. 3. 1986 Alleinerbe der Erblasserin wäre, die Aufhebung des in dem notariellen Testament vom 24. 8. 1993 enthaltenen Widerrufs früherer letztwilliger Verfügungen sowie der Erbeinsetzung des Bet. zu 1 ihm also unmittelbar zustatten kommen würde (§ 2080 I BGB). Ebenso hat es zutreffend angenommen, dass die Erklärung der Anfechtung formgerecht (§ 2081 I BGB) und fristgemäß (§ 2082 I u. II BGB) erfolgt ist.

Das LG hat jedoch das Vorliegen eines Anfechtungsgrundes im Sinne der hier allein in Betracht kommenden Bestimmung des § 2078 II BGB nicht für erwiesen erachtet. Danach kann eine letztwillige Verfügung angefochten werden, soweit der Erblasser durch die irrige Annahme oder Erwartung des Eintritts oder Nichteintritts eines Umstands (Motivirrtum) oder widerrechtlich durch Drohung bestimmt worden ist.

Die Annahme, es lasse sich nicht feststellen, dass die Erblasserin zum Widerruf ihrer vorangegangenen letztwilligen Verfügung und zur Erbeinsetzung des Bet. zu 1 durch einen Motivirrtum oder widerrechtlich durch Drohung bestimmt wurde, liegt im Wesentlichen auf tatsächlichem Gebiet. Die Tatsachenwürdigung des LG kann daher im Rechtsbeschwerdeverfahren nur daraufhin nachgeprüft werden, ob ihm bei der Feststellung und Würdigung des der Entscheidung zu Grunde liegenden Sachverhalts Verstöße gegen Verfahrensvorschriften, Denkgesetze oder Erfahrungssätze unterlaufen sind (s.unter 1b). Derartige Rechtsfehler liegen nicht vor.

a) Die Anfechtung wegen Drohung nach § 2078 II BGB setzt voraus, dass der Erblasser zu der letztwilligen Verfügung widerrechtlich durch Drohung bestimmt worden ist. Unter Drohung ist (wie in § 123 I BGB) die Ankündigung eines künftigen Übels, auf dessen Eintritt oder Nichteintritt der Drohende einwirken zu können behauptet, zu verstehen. Sie muss bezweckt haben, den Bedrohten gerade zu der Willenserklärung zu bestimmen, die Gegenstand der Anfechtung ist. Die Widerrechtlichkeit der Drohung kann sich aus dem angewandten Mittel, dem verfolgten Zweck oder aus dem Verhältnis zwischen Mittel und Zweck ergeben (vgl. zu Vorstehendem BayObLGZ 1960, 490 [497f.]; BGH, NJW-RR 1996, 1281 = FamRZ 1996, 605 [606]). Letzteres kann etwa anzunehmen sein, wenn der Drohende mit dem Entzug einer bisher gewährten Leistung (wie der Pflege des Erblassers) droht, zu der er an sich nicht verpflichtet ist, dies den Erblasser aber in eine akute Notsituation bringt (vgl. RG, JW 1902, Beil.S. 286). Eine bloße Beeinflussung, etwa durch fortgesetztes aufdringliches Bitten, genügt dagegen nicht (vgl. Leipold, in: MünchKomm, 3. Aufl., § 2078 Rdnr. 40 m.w. Nachw.).

Schließlich muss der Erblasser durch die Drohung zu der letztwilligen Verfügung bestimmt oder zumindest wesentlich mitbestimmt worden sein. Da es sich bei der Frage, ob der Erblasser ohne die Drohung nicht wie geschehen testiert hätte, also ein ursächlicher Zusammenhang zwischen Drohung und letztwilliger Verfügung besteht, um individuelle Vorgänge des Verstands- und Seelenlebens handelt, scheidet die Anwendung von Erfahrungssätzen und der Grundsätze über den Beweis des ersten Anscheins aus. Die materielle Beweislast (Feststellungslast) für das Vorliegen der genannten Voraussetzungen einschließlich des Kausalzusammenhangs zwischen Drohung und letztwilliger Verfügung trifft dabei denjenigen, der sich auf die Anfechtung beruft (vgl. BayObLG, FamRZ 1990, 211 [213] m.w. Nachw.).

Das LG hat schon das Vorliegen einer widerrechtlichen Drohung seitens des Pfarrers W nicht für erwiesen erachtet. Dabei hat es zunächst den Inhalt der vom Bet. zu 2 zur Stützung seiner Behauptung beigebrachten schriftlichen Zeugenaussagen gewürdigt und diesen entnommen, dass sich aus den darin wiedergegebenen Äußerungen der Erblasserin gegenüber diesen Zeugen lediglich eine Beeinflussung durch Pfarrer W ergeben, die jedoch nicht in der Ankündigung eines von ihm abhängigen künftigen Übels bestanden habe. Die vorgenommene Würdigung ist nach dem Inhalt der vorliegenden schriftlichen Erklärungen möglich. Insbesondere trifft auch seine Annahme rechtlich zu, die - von der Zeugin H mitgeteilte - Äußerung der Erblasserin, der Pfarrer habe ihr ein Testament abgerungen, damit sie in den Himmel komme, gebe keine widerrechtliche Drohung wieder, da es sich nicht um die Ankündigung eines vom Willen des Pfarrers abhängigen künftigen Übels handele.

Auch die weitere, vom Bet. zu 2 erstmals mit Beschwerdeschrift vom 7. 6. 1996 vorgetragene Äußerung des Pfarrers W, die Kirche könne sich nicht mehr um die Erblasserin kümmern, wenn sie nicht - sinngemäß - wie geschehen verfüge, erfüllt nicht die Voraussetzungen einer widerrechtlichen Drohung i.S. von § 2078 II BGB, wie der Senat nach Aktenlage selbst feststellen kann, nachdem das LG auf diesen Vorschlag nicht eingegangen ist.

Der behaupteten Äußerung ist schon nicht zu entnehmen, in welcher Weise Pfarrer W selbst und sonstige, „der Kirche“ zuzurechnende Personen ihr Verhalten gegenüber der Erblasserin bei Unterbleiben einer Testierung zu Gunsten des Bet. zu 1 ändern würden. Sie lässt auch nicht erkennen, dass Pfarrer W auf diese Personen aus der Sicht der Erblasserin überhaupt erfolgreich dahingehend Einfluss nehmen konnte, sich um sie nicht mehr zu „kümmern“. Das Vorliegen einer widerrechtlichen Drohung ist aber entscheidend deshalb zu verneinen, weil sich weder aus dem Vortrag des Bet. zu 2 noch aus dem sonstigen Inhalt der Akten und Beiakten Anhaltspunkte für die Annahme ergeben, dass sich die Erblasserin im maßgeblichen Zeitraum vor der Errichtung des notariellen Testaments in einer solchen seelischen Verfassung befunden haben könnte, dass sie dadurch, dass sich „die Kirche“ nicht mehr um sie „gekümmert“ hätte, in eine akute Notsituation gebracht worden wäre. Die behauptete Äußerung enthält damit jedenfalls keine Ankündigung eines hinreichend schweren, den Voraussetzungen des § 2078 II BGB genügenden Übels, vergleichbar der Drohung mit dem Entzug gewährter Pflegeleistung (wie im vom RG, JW 1902, Beil.S. 286 entschiedenen Fall).

Da sich nach alledem aus dem Vortrag des Bet. zu 2 das Vorliegen einer Drohung i.S. von § 2078 II BGB nicht ergab, war das LG nicht auf Grund seiner Ermittlungspflicht gehalten, die vom Bet. zu 2 benannten Zeugen förmlich zu vernehmen.

Im Übrigen durfte das LG es rechtsfehlerfrei auf Grund der Aussage des beurkundenden Notars T als nicht erwiesen ansehen, dass die Erblasserin das notarielle Testament vom 24. 8. 1993 unter dem Einfluss einer Drohung errichtet hat. Seine Würdigung dieser Aussage lässt keine Rechtsfehler erkennen.

Insbesondere brauchte es auch nicht aus der Tatsache der Anwesenheit des Pfarrers W bei der Testamentserrichtung herleiten, dass das von der Erblasserin vor der Beurkundung mitgeteilte Motiv für die beabsichtigte Testierung nur vorgeschoben gewesen und sie tatsächlich durch eine Drohung zu ihr bestimmt sein könnte. Da es hier um individuelle geistig-seelische Vorgänge ging, schied die Anwendung eines solchen Erfahrungssatzes aus.

b) Die Anfechtung einer letztwilligen Verfügung wegen eines Motivirrtums i.S. von § 2078 II BGB setzt voraus, dass der Erblasser zu ihr durch die irrige Annahme oder Erwartung des Eintritts oder Nichteintritts eines Umstands bestimmt worden ist. Danach begründet allerdings nicht jede Fehlvorstellung des Erblassers bei Testamentserrichtung die Anfechtung, sondern es muss ein Irrtum über Umstände vorliegen, die bewegender Grund für den letzten Willen des Erblassers waren. Zu solchen die Anfechtung begründenden Umständen kann auch ein grundlegender Irrtum über die künftige Entwicklung des Verhältnisses des Erblassers zu von ihm bedachten Personen gehören. Dabei genügt es, dass der Erblasser seine für die getroffene Verfügung maßgeblichen Vorstellungen und Erwartungen zwar nicht in sein Bewusstsein aufgenommen, seiner letztwilligen Verfügung aber als selbstverständlich zu Grunde gelegt hat. Nicht erforderlich ist es, dass der die letztwillige Verfügung bestimmende Irrtum in der Verfügung selbst zum Ausdruck gekommen ist. Gibt der Erblasser darin allerdings einen Beweggrund an, spricht eine tatsächliche Vermutung für die Annahme, dass dieser Grund auch der wirklich bestimmende war (vgl. BayObLGZ 1971, 147 [149f.]; KG - 12. Zivilsenat - FamRZ 1977, 271 [273]; BayObLG, FamRZ 1990, 211 [213] m.w. Nachw.).

Das LG hat es rechtsfehlerfrei als nicht für erwiesen erachtet, dass die Erblasserin zu ihrer letztwilligen Verfügung durch die Erwartung bestimmt worden sei, „man“ bzw. Pfarrer W werde sich weiter in der gewohnten Weise intensiv um sie kümmern und es würden Unstimmigkeiten ausbleiben, und in dieser Erwartung enttäuscht worden sei. Dabei durfte das LG schon im Hinblick auf die pauschale, ohne konkreten näheren Tatsachenvortrag aufgestellte Behauptung des Bet. zu 2 davon ausgehen, er habe nicht schlüssig dargetan, dass bei der Erblasserin eine solche Erwartung für die getroffene Verfügung zumindest mitbestimmend war und dass sie in dieser Erwartung enttäuscht worden sei.

Rechtsgebiete

Erbrecht

Normen

BGB, §§ 2078 II, 2229 IV; FGG §§ 12, 15