Unterhaltssonderbedarf für Schuljahr im Ausland

Gericht

OLG Schleswig


Art der Entscheidung

Berufungsbeschluss


Datum

29. 08. 2005


Aktenzeichen

15 UF 59/05


Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Der Beklagte ist der Vater des Klägers. ... Im März 2004 ist er aufgefordert worden, sich an den Kosten einer Klassenreise sowie des Auslandsschulaufenthaltes des Klägers in den USA in der Zeit von August 2004 bis Juni 2005 zu beteiligen. Der Kläger beabsichtigt, im Jahre 2007 das Abitur abzulegen. Die Berufung gegen das klagestattgebende Urteil des AG hatte Erfolg.

Entscheidungsgründe

Auszüge aus den Gründen:

… Die Berufung des Beklagten hinsichtlich der Verurteilung, sich an den Kosten des Auslandsaufenthaltes des Klägers zu beteiligen, ist begründet. Eine Unterhaltsverpflichtung, diese Kosten zu tragen, besteht nicht. Maßgeblich wäre dafür die Regelung in § 1613 Abs. 2 BGB. Es handelt sich bei diesen Kosten um einen unregelmäßigen Bedarf, der außergewöhnlich hoch ist und über den Rahmen des laufenden Bedarfes hinaus geht (BGH v. 11.11.1981 – IVb ZR 608/80, MDR 1982, 391 = FamRZ 1982, 145 f. [147]; OLG Karlsruhe FamRZ 1988, 1091 f.; OLG Naumburg FamRZ 2000, 444 f.).

Mit dem Kläger ist davon auszugehen, dass der Aufenthalt in den USA für die Entwicklung der Persönlichkeit des Klägers bestimmt förderlich war. Eine Verpflichtung des Beklagten, sich an den Mehrkosten oberhalb des regelmäßig zu erbringenden Unterhalts zu beteiligen, ergibt sich daraus aber nicht. Voraussetzung dafür, dass der Unterhaltsverpflichtete sich an Leistungen für einen Sonderbedarf gem. § 1613 Abs. 2 BGB zu beteiligen hat, ist, dass die Sonderbedarfskosten aus Sicht eines objektiven Betrachters als notwendig erscheinen. Bei den Leistungen zum Sonderbedarf muss es sich um die Deckung notwendiger Lebensbedürfnisse handeln, nicht anders als beim laufenden Bedarf (OLG Naumburg FamRZ 2000, 444 f.; Kalthoener/Büttner/Niepmann, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, 9. Aufl., Rz. 278).

Die Kosten des Auslandsaufenthaltes des Klägers überschreiten den angemessenen Ausbildungsbedarf. Der persönlichen Entwicklung und dem Kenntnissatnd über die englische Sprache mag der Aufenthalt in den USA gedient haben. Der Kläger macht hierzu aber keine Angaben. Die Finanzierung des Aufenthalts stellt sich aber als überobligatorische Unterhaltsleistung dar, zu der der Beklagte nicht verpflichtet ist. Dass ein Schüler ein Schuljahr im Ausland verbringt, ist nicht als unabweisbar (wie z.B. bei krankheitsbedingtem Mehrbedarf) oder jedenfalls unter Abwägung aller erkennbarer Gesamtumstände unterhaltsrechtlich ohne Weiteres berechtigt (OLG Hamm v. 25.3.1997 – 12 WF 59/97, FamRZ 1997, 960) zu bewerten. Die deutlich überwiegende Mehrzahl von Gymnasiasten in Deutschland nimmt nicht an längerfristigen Auslandsaufenthalten in den USA, Kanada oder Australien teil. Zur Förderung der Sprachkenntnisse ist verbreiteter, mehrwöchige Sprachschulaufenthalte in Europäischen Ländern mit geringfügigeren Aufwendungen durchzuführen. Der längerfristige Aufenthalt des Klägers in Nordamerika stellt keine notwendige Voraussetzung Seite 647

dar, eine Englischnote im oberen Notenbereich zu erlangen. Die Teilnahme an einem Auslandsaufenthalt für ein ganzes Schuljahr überschreitet den Rahmen einer allgemein üblichen und generell gebotenen schulischen Förderung. Eine solche besonders herausgehobene Ausbildung kann vom Unterhaltsberechtigten nicht ohne weiteres verlangt werden, weil dies in aller Regel nur finanziell weit überdurchschnittlich gestellten Eltern möglich ist.

Zur Prüfung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Beklagten gelangt man im vorliegenden Fall aber deshalb nicht, weil zur Erforderlichkeit des Auslandsaufenthaltes des Klägers keine Umstände vorgetragen worden sind. In der Berufungserwiderung ist auf die Berufungsbegründung hin ausgeführt worden, dass nicht gefordert werden könne, dass die Ausbildung etwa notwendig sei. In der mündlichen Verhandlung ist für den Kläger ausgeführt worden, dass der Aufenthalt in den USA der Verbesserung der Englischkenntnisse gedient habe und es das Berufsziel des Klägers sei, für das höhere Lehramt u.a. Englisch zu studieren. Es wäre notwendig gewesen, dass der Kläger darlegt, auf Grund welcher Umstände überhaupt bei welcher Notenausgangslage ein Auslandsaufenthalt gerade in der von ihm gewählten Art und Weise geeignet und erforderlich gewesen sein soll, um den angestrebten Schulabschluss z.B. des Abiturfachs Englisch zu verbessern. Irgendwelche Anknüpfungstatsachen für eine dahingehende Bewertung sind auch im Ansatz nicht dargelegt worden.

Nach den Gesamtumständen ist die Bedarfssituation des Klägers, hier im Rahmen des Sonderbedarfs auch nur anteilig Kosten des Auslandsaufenthaltes vom Beklagten erstattet zu erhalten, nicht begründet.

Die vom Kläger zitierte Entscheidung des OLG Karlsruhe (OLG Karlsruhe FamRZ 1988, 1091 f.) gibt keine Veranlassung zu einer anderen Beurteilung. In der vorgenannten Entscheidung ist über eine Prozesskostenhilfebeschwerde im Rahmen des summarischen Verfahrens entschieden worden. Gegenstand des Verfahrens war ein dreimonatiger Schüleraustausch zwischen deutschen und kanadischen Schülern. Das OLG Karlsruhe hat ohne Vertiefung ausgeführt, zu Unrecht habe das AG – FamG – anklingen lassen, der Bedarf sei daran zu bemessen, was für die Ausbildung notwendig sei. Das OLG Karlsruhe hat ausgeführt, dass sich das Maß des Unterhalts nach der Lebensstellung des Bedürftigen richte, mithin Differenzierungen unterworfen sei. Bei dem Antragsteller des Prozesskostenhilfeverfahrens handelte es sich um einen 16-jährigen Schüler, der sprachbegabt gewesen ist. Der unterhaltsverpflichtete Vater war in der höchsten Einkommensstufe des gehobenen Dienstes in einer Ausbildungsstätte für angehende Lehrer beschäftigt. Mithin hatte das OLG Karlsruhe zum einen Anknüpfungstatsachen dahingehend, inwiefern bei dem Antragsteller des dortigen Verfahrens eine Erforderlichkeit gegeben sein könnte, zum anderen bezieht sich die Entscheidung überwiegend auf die wirtschaftliche Abwägung, in welchem Umfange (dort wurden insgesamt 2.928 DM geltend gemacht) die Leistungsfähigkeit des unterhaltsverpflichteten Vaters gegeben sei.

Demgegenüber ist im vorliegenden Fall keine Anknüpfung gegeben, um das Tatbestandsmerkmal der Erforderlichkeit des Auslandsaufenthaltes zu bewerten.

Soweit in der angegriffenen Entscheidung des AG – FamG – auf die Abwägungen des BGH in seiner Entscheidung FamRZ 1992, 1064 f. (BGH v. 26.2.1992 – XII ZR 97/91, FamRZ 1992, 1064 f.)abgestellt worden ist, so betraf der dortige Rechtsstreit einen Ausbildungsunterhaltsanspruch einer Studentin gem. § 1610 Abs. 2 BGB. Die Voraussetzungen dafür, einen regelmäßigen Unterhaltsbedarf zu verfolgen, sind andere, als gem. § 1613 Abs. 2 Nr. 1 BGB für einen Sonderbedarf. Durch die regelmäßige monatliche Unterhaltszahlung deckt der Beklagte den allgemeinen Ausbildungsbedarf des Klägers für den Besuch des Gymnasiums ab. Wie oben ausgeführt, zählt ein Auslandsaufenthalt eines Schülers für ein Schuljahr nicht zu den regelmäßigen Ausbildungsaufwendungen, sondern ist ein Ereignis, das nach den Maßstäben des Sonderbedarfs zu beurteilen ist. …

Vorinstanzen

AG Pinneberg, 46 F 99/04, 1.3.2005

Rechtsgebiete

Unterhaltsrecht