Nadja Auermann: Äußerungen zu ihrer Scheidung und zum Sorgerecht für ihren Sohn

Gericht

LG Berlin


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

15. 11. 2005


Aktenzeichen

27 O 772/05


Tenor

  1. Die einstweilige Verfügung vom 16. August 2005 wird aufgehoben und der auf ihren Erlass gerichtete Antrag zurückgewiesen.

  2. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

  3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Antragstellerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des festgesetzten Kostenbetrages zuzüglich 10 % abwenden, wenn nicht, die Antragsgegnerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des beizutreibenden Betrages zuzüglich 10 % leistet.

Tatbestand


Tatbestand:

Die Antragstellerin, eines der bekanntesten deutschen Fotomodelle, nimmt die Antragsgegnerin auf Unterlassung in Anspruch.

Die Antragsgegnerin verlegt die Zeitschrift "BUNTE", in deren Ausgabe Nr. 31/2005 vom 28. Juli 2005 auf den Seiten 52 bis 53 das nachfolgend in Fotokopie wiedergegebene Interview mit dem getrennt lebenden Ehemann der Antragsgegnerin ... veröffentlicht wurde: ...

Die Antragstellerin hat sich zu ihrem Privatleben in verschiedenen Interviews geäußert,

so etwa im Jahr 2000 veröffentlichten Interviews mit den Zeitschriften "BUNTE" und "Focus", in einem am 22. Juni 2003 abgedruckten Interview mit der "Bild am Sonntag", sowie auch in jüngster Zeit, was zu Artikeln in den Zeitschriften "Stern" am 1. Mai 2005 und "Focus" am 2. Mai 2005 sowie in anderen Medien anlässlich eines Fernsehauftritts führte.

Im Jahr 1997 erschienen in den Zeitschriften "Bild der Frau" und "BUNTE" Interviews des damaligen Lebensgefährten der Antragstellerin zu seiner Beziehung zu ihr sowie zur Geburt des gemeinsamen Kindes.

Die Antragstellerin sieht sich durch die Veröffentlichung des Interviews mit ihrem Ehemann in ihrem Persönlichkeitsrecht verletzt.

Sie macht geltend, dass die öffentliche Erörterung des Standes der Scheidung, der Trennung und wie die Kinder das verkraften zu unterbleiben habe. Sie unternehme alles, um zu verhindern, dass sich ihr getrennt lebender Ehemann zu diesen Themen gegenüber Medien äußere.

Die Antragstellerin hat die einstweilige Verfügung vom 16. August 2005 erwirkt, durch die der Antragsgegnerin unter Androhung der gesetzlich vorgesehenen Ordnungsmittel untersagt worden ist,

über Inhalte der Scheidung und/oder Trennung von ihrem Ehemann und/oder über Fragen der elterlichen Sorge hinsichtlich des gemeinsamen Kindes ... zu berichten und/oder berichten zu lassen, wie in BUNTE Nr. 31 vom 8. Juli 2005 auf den Seiten 52/53 geschehen.

Gegen die ihr zwecks Vollziehung zugestellte einstweilige Verfügung richtet sich der Widerspruch der Antragsgegnerin.

Sie macht geltend, dass die Antragstellerin ihre Privatsphäre durch die Interviews mit ihr und ihrem früheren Lebensgefährten geöffnet habe. Zudem sei der Tenor zu unbestimmt, da die konkret beanstandeten Textpassagen nicht erkennbar seien.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die einstweilige Verfügung aufzuheben und den auf ihren Erlass gerichteten Antrag zurückzuweisen.

Die Antragstellerin beantragt,

die einstweilige Verfügung zu bestätigen.

Sie verteidigt die einstweilige Verfügung und vertieft ihr bisheriges Vorbringen.

Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe


Entscheidungsgründe:

I.

Die einstweilige Verfügung war gemäß §§ 925, 936 ZPO aufzuheben und der Antrag auf ihren Erlass zurückzuweisen,

Der Antragstellerin steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gegenüber der Antragsgegnerin gemäß §§ 823 Abs, 1, Abs.2, analog 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB in Verbindung mit Art, 1 Abs. 1 und 2 Abs. 1 GG nicht zu, weil die Berichterstattung der Antragsgegnerin keinen rechtswidrigen Eingriff in die Privatsphäre der Antragstellerin begründet. Bei der gebotenen Abwägung zwischen den persönlichkeitsrechtlichen Belangen der Antragstellerin aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG und den durch die Pressefreiheit gemäß Art. 5 Abs. 1 GG geschützten Interessen der Antragsgegnerin und dem Informationsinteresse der Allgemeinheit muss hier das Persönlichkeitsrecht der Antragstellerin zurückstehen.

Die veröffentlichten Äußerungen des Ehemannes der Antragstellerin über den Umgang mit dem Kind und sein Verhältnis zur Antragstellerin geben Umstände aus dem Familienleben der Antragstellerin preis und betreffen damit ihre Privatsphäre.

Der Schutz der Privatsphäre, der ebenso wie das Recht am eigenen Bild im allgemeinen Persönlichkeitsrecht wurzelt, umfasst zum einen Angelegenheiten, die wegen ihres Informationsinhalts typischerweise als "privat" eingestuft werden, weil ihre öffentliche Erörterung oder Zurschaustellung als peinlich empfunden wird oder als unschicklich gilt oder nachteilige Reaktionen der Umwelt auslöst, wie es etwa bei Auseinandersetzungen mit sich selbst, bei vertraulicher Kommunikation unter Eheleuten, im Bereich der Sexualität, bei sozial abweichendem Verhalten oder bei Krankheiten der Fall ist. Zum anderen erstreckt sich der Schutz auf einen räumlichen Bereich, in dem der Einzelne zu sich kommen, sich entspannen oder auch gehen lassen kann. Ein Schutzbedürfnis besteht dabei auch für Personen, die aufgrund ihres Rangs oder Ansehen, ihres Amtes oder Einflusses, ihrer Fähigkeiten oder Taten besondere öffentliche Beachtung finden. Wer, ob gewollt oder ungewollt, zur Person des öffentlichen Lebens geworden ist, verliert damit nicht sein Anrecht auf eine Privatsphäre, die den Blicken der Öffentlichkeit entzogen bleibt (vgl. BVerfG NJVV 2000, 1021, 1022).

Der Schutz der Privatsphäre vor öffentlicher Kenntnisnahme entfällt aber, wenn sich jemand selbst damit einverstanden zeigt, dass bestimmte, gewöhnlich als privat geltende Angelegenheiten öffentlich gemacht werden, etwa indem er Exklusivverträge über die Berichterstattung aus seiner Privatsphäre abschließt. Der verfassungsrechtliche Privatsphärenschutz aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG ist nicht im Interesse einer Kommerzialisierung der eigenen Person gewährleistet. Zwar ist niemand an einer solchen Offnung privater Bereiche gehindert. Er kann sich dann aber nicht gleichzeitig auf den öffentlichkeitsabgewandeten Privatsphärenschutz berufen. Die Erwartung, dass die Umwelt die Angelegenheiten oder Verhaltensweisen in einem Bereich mit Rückzugsfunktion nur begrenzt oder nicht zur Kenntnis nimmt, muss daher situationsübergreifend und konsistent zum Ausdruck gebracht werden (BVerfG a.a.O., BGH NJVV 2005, 594).

Die ausschnittweise Öffnung der Privatsphäre führt aber nicht dazu, dass gleichsam der Schutz der gesamten Privatsphäre verwirkt wird. Vielmehr muss die Veröffentlichung mit dem der Öffentlichkeit zugänglich gemachten Teil korrespondieren (KGR Berlin 2000, 61-62).

Dies ist hier der Fall. Im Interview in der Zeitschrift "Focus", Nr. 36/2000 vom 4. September 2000, äußerte sich die Antragstellerin zur Beziehung zu ihrem früheren Lebensgefährten, dem Kennenlernen ihres Ehemannes, der Vereinbarkeit ihrer Rolle als Mutter mit dem Berufsleben und dem Beziehungswechsel, zu Eifersucht u.ä.. In einem Interview mit der Zeitschrift "BUNTE" vom 14. September 2000 schilderte die Antragstellerin die Erziehung ihrer Tochter ... und der Vereinbarkeit mit dem Berufsleben sowie die Arbeitsteilung mit ihrem Ehemann. Zur Erziehung ihrer Tochter ... nahm die Antragstellerin auch ausführlich gegenüber der Zeitung "Bild am Sonntag" am 22. Juni 2003 Stellung,

Im Rahmen dieses geöffneten Ausschnitts der Privatsphäre bewegt sich auch das angegriffene Interview mit dem Ehemann der Antragstellerin. Er äußert sich über den Umgang mit seinem Sohn. wie oft er ihn sieht. Auf die Frage, ob der Sohn leide, wird nur mit einer allgemeinen Antwort erwidert. Die Beziehung zur Antragstellerin wird ebenfalls nur allgemein angesprochen, ohne Details preiszugeben. So sei das Verhältnis zur Antragstellerin "so gut, wie es eben geht in so einer Situation", teilweise sei man unterschiedlicher Auffassung. Auch Fragen der gemeinsamen Sorge werden, soweit es die Antragstelierin betrifft, nicht im Einzelnen ausgebreitet. Der Ehemann äußert im Wesentlichen hierzu lediglich, man sei sich "über die wesentlichen Punkte der Erziehung einig". Zu den Gründen der Trennung enthält das Interview ebenfalls nur Allgemeinposten, die keinen Einblick in die konkrete Auseinandersetzung geben. Gleiches gilt für die Frage der Scheidungsabwicklung, auf die mit der Antwort erwidert wird, dass alles dauere und man diese "wohl ganz gut und ohne große Streit" bewältigen werde. All dies entspricht von seinem Grad dem, was die Antragstellerin bisher zugelassen hat. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin wird in dem Artikel auch nicht behauptet, dass sich der gemeinsame Sohn bei seinem Vater wohler fühle als bei der Antragstellerin. Die Aussage, dass es ihm in Köln besser gefällt, bezieht sich alleine darauf, dass sein Vater auch noch in Potsdam eine Wohnung hat.

Anders als bei der im Verfahren 27 O 668/03 untersagten Berichterstattung wird auch nicht besonders belastend in eine bestehende familiäre Beziehung durch Verbreiten von Gerüchten über eine Ehekrise eingegriffen. Der Umstand der Trennung und des Scheidungsverfahrens ist vielmehr bekanntes Faktum.

Die Antragstellerin wird auch nicht in ein ihr abträgliches Licht gestellt.

Die Berichterstattung ist schließlich nicht deshalb zu untersagen, weil durch die öffentliche Ausbreitung der Trennung das Kindeswohl gefährdet sein könnte, etwa weil die Kinder der Antragstellerin hierauf angesprochen werden könnten.. Denn bei einer derartigen Folge handelt es sich um eine Reflexwirkung, die typischerweise bei einer Berichterstattung über prominente Eltern eintritt. Dies aber ist hinzunehmen, weil andernfalls jede Berichterstattung unter Berufung auf Art. 6 Abs, 1 GG zu untersagen wäre (KG, Beschluss v. 28. Juni 2005, 10 W 51/05).

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Rechtsgebiete

Presserecht