Vielfach unzulässige Gegendarstellungsforderung

Gericht

LG München I


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

19. 10. 2005


Aktenzeichen

9 O 19309/05


Tenor

  1. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.

  2. Der Verfügungskläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

  3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klagepartei kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die beklagte Partei vor Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Tatbestand


Tatbestand:

Der Verfügungskläger nimmt die Verfügungsbeklagte auf Abdruck einer Gegendarstellung in Anspruch. Der Verfügungskläger ist - nicht promovierter - Arzt und Schönheitschirurg, die Verfügungsbeklagte gibt die Zeitschrift ... heraus.

In ... beschäftigt sich die Verfügungsbeklagte mit dem Verfügungskläger unter der Überschrift "Tipps vom falschen Doktor". Für den Wortlaut des Artikels wird auf die Anlage ASt 1 verwiesen. Mit Schreiben vom 27.09.2005 ließ der Verfügungskläger die Verfügungsbeklagte zum Abdruck der damit übersandten Gegendarstellung, wie sie nachstehend im Antrag des Verfügungsklägers wiedergegeben ist, auffordern. Die Verfügungsbeklagte kam der Auffassung indes nicht nach.

Der Verfügungskläger beantragt:

Namens und im Auftrag des Antragstellers beantragen wir den Erlass der folgenden einstweiligen Verfügung:

Im Wege einer einstweiligen Verfügung - der Dringlichkeit wegen ohne mündliche Verhandlung - wird die Antragsgegnerin bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens € 250.000,00, Ordnungshaft insgesamt höchstens zwei Jahre),

auferlegt,

in dem gleichen Teil des ... erschienen ist und mit gleicher Schrift unter Hervorhebung des Wortes Gegendarstellung als Überschrift durch entsprechende drucktechnische Anordnung und Schriftgröße in der nächsten für den Druck noch nicht abgeschlossenen Nummer die folgende Gegendarstellung zu veröffentlichen:


Gegendarstellung

In ... wurde ein Bericht über meine wöchentlichen Sendebeiträge mit Schönheitstips in der Fernsehsendung ... veröffentlicht.

1. Darin heißt es:

"Zusätzlich funktionierte auch noch die Verwertungskette im Mutterkonzern ... . Der hauseigene ... veröffentlichte parallel ein Buch ..."

Hierzu stelle ich fest

Mein Buch ist keine "Verwertung" der Sendung. Den Autorenvertrag mit ... hatte ich seit rund fünf Monaten abgeschlossen, als ... mich für die Sendung auswählte.

2. Weiter wird berichtet:

"Nach ... vorliegenden Schriftwechseln aus dem Jahr 2000 nannte er ... sich schon während seiner Ausbildung am ... unberechtigt 'Doktor'."

Hierzu stelle ich fest:

Ich habe mich nicht während meiner Ausbildung ... als "Doktor" bezeichnet.

3. Später heißt es:

"Bei Internet-Portal ... protzte ... im Juli in einem Interview, er habe sich bei internationalen Koryphäen der ästhetisch-plastischen Chirurgie wie '... spezialisiert'. 'Für reines Blendwerk' hält ..., Präsident der Vereinigung der Deutschen Ästhetisch-Plastischen Chirurgen, die Referenzen des TV-Chirurgen ... zähle zu einer Gruppe von Ärzten, die er nur 'Cowboys' nenne. Das seien 'wilde Reiter, die sich auf Kongressen und Videokonferenzen fortbilden', aber wenig Praxis besäßen."

Hierzu stelle ich fest.

Für meine Spezialisierung bei den Chirurgen ... habe ich nicht lediglich an deren Kongressen und Videokonferenzen, sondern unmittelbar an Operationen teilgenommen.

4. Schließlich wird im Zusammenhang u.a. mit einer von mir bei der Patientin ... vorgenommenen Fettabsaugung berichtet:

"Die Operationen führte ... während einer Ausbildung in ... durch - mit fatalen Folgen für die Patienten. ... vorliegende Gutachten zu den Eingriffen sprechen von 'falscher Indikation' sowie 'mangelhaftem Komplikationsmanagement' und nennen 'grobe Behandlungsfehler' - im Fall der ... von 'entstellendem postoperativem Ergebnis'. Nach einer während der Nachbehandlung zu spät erkannten Embolie konnte nur noch eine Vorderfuß-Amputation das Leben der damals 47-jährigen retten."

Hierzu stelle ich fest:

a) Die Embolie bei der Patientin ..., die eine Vorderfuß-Amputation notwendig machte, ist nicht Folge meines Eingriffs, der den Regeln der ärztlichen Kunst entsprach

b) Die sogenannte "Nachbehandlung" der Patientin wurde nicht von mir, sondern von einem Orthopäden vorgenommen. Die nach dieser aufgetretene Embolie hat dann ein Hausarzt diagnostiziert.

Düsseldorf, den ...


Mit Schreiben vom 13.10.2004 ließ der Verfügungskläger der Verfügungsbeklagten eine auf die Punkte 3 und 4 beschränkte "Hilfsfassung" zuleiten (Anlagen ASt 4 und 5).

Insoweit beantragt der Verfügungskläger im Wege des Hilfsantrags, die Verfügungsbeklagte zu verurteilen.

Die Verfügungsbeklagte beantragt hinsichtlich Haupt- und Hilfsantrag:

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.

Die Verfügungsbeklagte meint, die Gegendarstellung - im wesentlichen - aus folgenden Gründen nicht abdrucken zu müssen:

Angesichts der Präsenz des Verfügungsklägers in mindestens 2 Medien könne ohne Rücksicht auf die zeitliche Abfolge von einer Verwertungskette gesprochen werden. Aus der von ihr vorgelegten Anlage AG 2 ergebe sich, dass der Antragsteller sich mindestens einmal im Jahr 2000 als "Dr. med." bezeichnet und als solcher einen Befundbericht unterschrieben habe. Der Eindruck, der Verfügungskläger habe "lediglich an Kongressen und Videokonferenzen" teilgenommen, werde nicht erweckt, insbesondere beziehe sich die Aussage "Cowboys" nicht auf den Verfügungskläger. Schließlich versuche der Verfügungskläger in Ziffer 4 der Gegendarstellung, die Leserschaft in die Irre zu führen, da es sehr wohl im Zusammenhang mit seiner Operation zu den von der in dem Artikel erwähnten Patientin beklagten Folgen der Fußoperation gekommen sei.

Der Verfügungskläger meint hierzu, durch die in Ziffer 1 wiedergegebene Ausgangsmitteilung werde als Tatsache mitgeteilt, dass Buch- und Fernsehpräsenz geplant und zeitgleich als Teil einer Verwertungskampagne gedacht gewesen seien. Die Unterschrift unter der Anlage AG 2 könne er sich nicht erklären, da er zum fraglichen Zeitpunkt in Urlaub gewesen sei, es sei wohl auch gar nicht von ihm unterschrieben worden. Er habe bei den unter Ziffer 3 der Gegendarstellung genannten Chirurgen in Rahmen seiner Ausbildung jeweils an mehreren Operationen aktiv teilgenommen - dies versicherte er im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 19.10.2005 auch an Eides Statt. Durch die Ausgangsmitteilung, wie sie Gegenstand von Ziffer 4 ist, werde der Eindruck erweckt, er sei für die Vorderfuß-Amputation der in dem Artikel genannten Patientin verantwortlich. Dies lasse sich nicht in Einklang bringen mit der Einstellung des gegen ihn geführten Ermittlungsverfahrens, die auf einem angiologischen Gutachten beruht habe.

Entscheidungsgründe


Entscheidungsgründe:

Der Verfügungskläger kann von der Verfügungsbeklagten trotz Einhaltung der Formalien weder mit dem Haupt- noch mit dem Hilfsantrag erfolgreich den Abdruck einer Gegendarstellung gemäß Art. 10 BayPrG verlangen. Die beantragte Gegendarstellung wird in mehreren Punkten den strengen Anforderungen des Gegendarstellungsrechts nicht gerecht:

1) Die Ausgangsmitteilung enthält weder ausdrücklich die Behauptung, das Buch sei eine "Verwertung" der Sendung gewesen, noch lässt sie beim Leser diesen Eindruck nahezu zwingend entstehen. "Verwertungskette" ist kein feststehender, jedermann bekannter Begriff. Mit der ... Unschärfe lässt sich darunter auch eine Verwertung in mehreren Medien zu verschiedenen Zeitpunkten zu verstehen.

2) In Ziffer 2 der Gegendarstellung setzt sich der Verfügungskläger in Widerspruch zu seiner eigenen früheren Äußerung. Die Anlage AG 2 enthält als Arztbrief des ... vom 20.08.2000 als "unser Zeichen" den Vermerk ... . In der drei Namen enthaltenden Unterschriftsleiste erscheint als Stationsarzt "Dr. med. ...". Unstreitig war der Verfügungskläger zum fraglichen Zeitpunkt in dem ... tätig. Auf den ersten Blick stimmt seine Unterschrift auf der Anlage AG 2 mit der der Gegendarstellung überein. Damit hat sich der Verfügungskläger in diesem Punkt selbst widerlegt.

3) Zwar bezieht sich die Ausgangsmitteilung entgegen der Meinung der Verfügungsbeklagten eindeutig gerade auf den Verfügungskläger, doch erwidert er nicht im strengen Sinn auf die Ausgangsmitteilung. In dieser wird Prof. ... zitiert, der von Ärzten spricht, die sich "auf Kongressen und Videokonferenzen fortbilden, aber wenig Praxis besäßen". Damit wird nicht behauptet, dass der Kläger bei den Chirurgen ... ausschließlich an Kongressen und Videokonferenzen teilgenommen habe, wie es die Gegendarstellung durch die Formulierung "lediglich" erscheinen lassen will. Auch hat der Verfügungskläger in seiner eidesstattlichen Versicherung, die er im Termin zur mündlichen Verhandlung abgegeben hat, davon gesprochen, er habe bei den genannten Ärzten zwar jeweils mindestens eine Operation selbst durchgeführt, eine genaue Zahl konnte er jedoch nicht nennen. Die Bewertung "wenig Praxis" ist damit nicht falsch.

4) Zu Ziffer 4 der Gegendarstellung ist die Entgegnung insbesondere unter b) unscharf. Dies beginnt schon mit der Formulierung "sogenannte "Nachbehandlung"". Irreführend ist die Entgegnung in diesem Punkt insoweit, als der Leser danach davon ausgehen müsste, der Verfügungskläger habe sich mit der Nachbehandlung des Patienten überhaupt nicht beschäftigt. Schließlich ist die Mitteilung, "die nach dieser (Nachbehandlung, Einschub durch das Gericht) aufgetretene Embolie hat dann ein Hausarzt diagnostiziert" ist schlichtweg überflüssig.

Tatsächlich will sich der Verfügungskläger hier gegen den Eindruck wenden, er habe die Embolie und die daraus resultierende Folge durch eine fehlerhafte ärztliche Behandlung nicht nur verursacht, sondern auch verschuldet. In diesem Punkt ist ihm zuzugeben, dass der Artikel in ... diesen Eindruck dem Leser geradezu aufdrängt. Weiter ist die Ansicht der Verfügungsbeklagten in diesem Punkt unzutreffend, bei der Frage, ob ein Eingriff den Regeln der ärztlichen Kunst entsprochen habe, handele es sich um eine nicht gegendarstellungsfähige Bewertung. Die erkennende Kammer ist spezialisierte Arzthaftungskammer und erhebt gerade zur Frage von Behandlungsfehlern alltäglich Beweis durch Sachverständigengutachten.

Wenn der Verfügungskläger dem so erweckten Eindruck entgegentreten will, muss er dies indessen in der gehörigen Weise tun und die Gegendarstellung ausdrücklich als Eindrucksgegendarstellung kennzeichnen und darstellen, vgl. Prinz/Peters, Medienrecht, Rn. 526. Nach beiden dort vorgestellten "Varianten" muss die Eindrucksgegendarstellung als solche bezeichnet werden.

5) Da die Gegendarstellung in allen 4 Punkten presserechtlich unzulässig ist, kam es auf das Prinzip "alles oder nichts" nicht an. Wegen der inhaltlichen Teilidentität beziehen sich die oben stehenden Ausführungen auf den Hilfsantrag ebenso wie auf den Hauptantrag.

6) Ob sich die Verfasser des Artikels journalistisch korrekt verhalten haben, als sie den Einstellungsbescheid der Staatsanwaltschaft ... vom 11.05.2004 und den die dorthin gerichtete Beschwerde ablehnenden Bescheid der Generalstaatsanwaltschaft ... vom 27.07.2004 entweder wegen unzureichender Recherche oder mit dem Ziel einer unfairen Berichterstattung unerwähnt gelassen haben, ist nicht entscheidungserheblich.

7) Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 6, 711 ZPO.

Rechtsgebiete

Presserecht