Konkludente Vereinbarung über Wegfall umgelegter Betriebskosten

Gericht

AG Gießen


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

19. 10. 2004


Aktenzeichen

48 MC 484/04


Leitsatz des Gerichts

Zunächst umgelegte Betriebskosten können stillschweigend durch jahrelange Übung wegfallen.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Durch schriftlichen Mietvertrag vom 1. 11. 1993 mieteten die Bekl. von dem Kl. ein Wohnhaus. Neben dem Mietzins waren monatliche Nebenkostenvorauszahlungen von 100 DM zu leisten. In § 3 Mietvertrag wurde bestimmt, dass die Mieter die öffentlichen Lasten „(insbesondere Grundsteuer)“ und die Kosten für Sach- und Haftpflichtversicherungen anteilig zu tragen haben. In der Anlage zum Vertrag ist geregelt, dass die Vorauszahlungen für Müllabfuhr, Kanal und Wasser, anteilige Grundsteuer und Schornsteinfegerkosten geleistet werden.

Während des Mietverhältnisses erstellte der Kl. Nebenkostenabrechnungen für die Jahre 1994 sowie für 1996 bis 2001. Der Kl. verwies jeweils auf Veranlagungsbescheide mit dem Zusatz: „ohne Grundsteuer“. In der Nebenkostenabrechnung für das Jahr 2002 berechnete der Kl. erstmals Grundsteuer in Höhe von 71,94 Euro; bei dieser Abrechnung ergab sich ein Guthaben für die Bekl., das auch ausgezahlt wurde. Kosten für die Brandversicherung wurden bis zum Jahr 2002 nicht angesetzt. Mit Schreiben vom 27. 2. 2004 erstellte der Kl. die Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2003, die mit einer Nachforderung von 399,75 Euro endete. Hierauf haben die Bekl. 211,65 Euro gezahlt. Den Restbetrag von 188,10 Euro machte der Kl. zunächst mit der vorliegenden Klage geltend; in Höhe eines Betrags von 14,73 Euro wurde die Klage zwischenzeitlich zurückgenommen. Von dem jetzt noch geltend gemachten Betrag sind die Kosten für Grundsteuer in Höhe von 67,25 Euro und für Brandversicherung in Höhe von 34,38 Euro streitig. Gegenüber dem unstreitigen Restbetrag haben die Bekl. die Aufrechnung mit einem streitigen Anspruch auf Rückzahlung von Vorauszahlungen für das Jahr 2001 erklärt, soweit diese mit einem Anspruch auf Zahlung von Grundsteuer in Höhe von 71,74 Euro verrechnet wurden. Die Klage hatte keinen Erfolg.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

Der Kl. hat gegen die Bekl. keine Ansprüche auf Nachzahlung von Nebenkosten für das Abrechnungsjahr 2003, weil der bestehende Anspruch durch die Aufrechnung der Bekl. mit einem weiteren Guthaben aus der Nebenkostenabrechnung für 2002 erloschen ist. Der Kl. hatte gegen die Bekl. einen Anspruch auf Nachzahlung von Nebenkosten für das Jahr 2003 i.H. von 71,74 Euro; dies ist der von ihm errechnete Betrag von 188,10 Euro abzüglich 81,98 Euro Grundsteuer und 34,38 Euro Brandversicherung. Die Kosten für die Grundsteuer und für die Brandversicherung waren aus der Abrechnung herauszunehmen, da diese Kosten nicht umlagefähig sind. Im Mietvertrag vom 1. 11. 1993 haben die Parteien zwar vereinbart, dass die Mieter die Grundsteuer zu tragen haben; insoweit ist der Vertrag jedoch konkludent abgeändert worden. Nach der Rechtsprechung des BGH (vgl. BGH, NZM 2000, 961 = NJW-RR 2000,1463 sowie BGH, NZM 2004, 418 = NJW-RR 2004, 877 = WuM 2004, 292) ist bei jahrelanger Zahlung von nicht geschuldeten Nebenkostenarten eine stillschweigende Änderung des Vertrags anzunehmen. Der Vermieter muss das Verhalten des Mieters so verstehen, dass er konkludent erklärt, mit der Umlage der angesetzten Kostenpositionen einverstanden zu sein. Folgt man dieser Auffassung, muss man konsequenterweise eine stillschweigende Änderung des Mietvertrags auch für den Fall annehmen, dass jahrelang umlagefähige Kosten nicht geltend gemacht werden. Es wäre mit dem Gleichheitssatz des Art. 3 GG nicht vereinbar, wenn hier unterschiedliche Maßstäbe angelegt würden (vgl. BVerfG, NJW 1991, 2272 = WuM 1991, 422). Wenn ein Vermieter mehrere Jahre bestimmte umlagefähige Nebenkostenarten nicht geltend macht, kann sein Verhalten vom Mieter nur so verstanden werden, dass er diese Nebenkostenarten auch künftig nicht beanspruchen will. Im vorliegenden Fall hat der Kl. von 1994 bis 2001, also acht Jahre keine Kosten für die Grundsteuer geltend gemacht. Sein Verhalten konnte von den Bekl. also nur so verstanden werden, dass er diese Kosten auch künftig nicht mehr geltend machen wollte. Für die Brandversicherung, die im Nachtrag des Mietvertrags nicht erwähnt wurde, kann nichts anderes gelten. Demnach verbleibt für das Jahr 2003 nur eine Nachforderung in Höhe von 71,74 Euro. Diese Nachforderung ist jedoch durch die Aufrechnung wegen der für 2002 zu Unrecht angesetzten Grundsteuer erloschen, so dass die Klage insgesamt abzuweisen war.

Rechtsgebiete

Mietrecht

Normen

BGB §§ 535, 556