Einschränkung eines Wegerechts durch Grundstücksabsicherung
Gericht
OLG Düsseldorf
Art der Entscheidung
Berufungsurteil
Datum
01. 10. 2002
Aktenzeichen
4 U 20/02
Der Berechtigte, dem durch eine Grunddienstbarkeit das Recht eingeräumt ist, über das Nachbargrundstück zur nächsten Straße zu gehen und zu fahren, hat es hinzunehmen, dass der Nachbar zur erforderlichen Absicherung seines Betriebs sein Grundstück einzäunt, sofern der Nachbar dem Berechtigten Schlüssel für die nachts geschlossenen Tore zur Straße und zum Grundstück des Berechtigten aushändigt und solange der Berechtigte auch nachts über ein anderes Grundstück ungehinderten Zugang zu einer Straße hat.
Auszüge aus dem Sachverhalt:
Die Parteien sind Grundstücksnachbarn. Der Kl. ist Eigentümer des im Grundbuch von H. eingetragenen Grundstücks. Der Bek. ist Eigentümer des Nachbargrundstücks, eingetragen im Grundbuch von H. Dort ist in Abt. II zu Gunsten der Grundstücke des Kl. - unter Bezugnahme auf die Bewilligung vom 28. 8. 1953 - ein „Mitbenutzungsrecht“ an der Zu- und Ausfahrt des Tankstellengrundstücks zur L- und zur W-Straße eingetragen. In der notariellen Urkunde vom 28. 8. 1953 ist das Tankstellengrundstück mit der Nr. IV, das Garagengrundstück des Kl. mit der Nr. 3 II bezeichnet worden. Eine entsprechende Bezifferung enthält der „Teilungsplan“, der der Urkunde beigefügt ist. Das Garagengrundstück des Kl. ist über ein anderes Grundstück (Nr. III des Lageplans) - ebenfalls durch ein Wegerecht gesichert - an die L-Straße angeschlossen. 1982 wurde der Tankstellenbetrieb eingestellt. Anschließend verpachtete der Bekl. das Grundstück an einen Fahrzeughändler, der dort bis Ende 2000 Gebrauchtwagen verkaufte. Nach Einstellung dieses Betriebs verpachtete der Bekl. das Grundstück an einen Reifen- und Pkw-Pflege-Service. Mit Zustimmung des Bekl. zäunte der neue Pächter das Grundstück ein. In der Umzäunung befinden sich zwei Tore. Das eine Tor führt zu W-Straße, das andere in Richtung Grundstück II des Kl. Der Kl. hat vorgetragen, das Wegerecht könne, nachdem Zaun und Tore errichtet worden seien, nicht mehr ungestört ausgeübt werden.
Das LG hat der Klage stattgegeben. Anders als beantragt, hat es jedoch festgestellt, das Wegerecht bestehe „uneingeschränkt“ fort und dies damit begründet, der Kl. habe im Termin zur mündlichen Verhandlung angegeben, er erstrebe eine uneingeschränkte Ausübung des Wegerechts. Im Übrigen hat das LG ausgeführt, der Bekl. habe keinerlei Gesichtspunkte vorgetragen, welche den Kl. veranlassen müssten, die ihm einseitig auferlegten Beschränkungen bei der Ausübung des Wegerechts hinzunehmen. Die Berufung hatte teilweise Erfolg.
Auszüge aus den Gründen:
I. Der Bekl. ist nach §§ 1027 , 1004 I BGB verpflichtet, dem Kl. und seinen Mieter die Ausübung des eingetragenen Wegerechts zu gewähren. Der Bekl. ist jedoch nicht dazu verpflichtet, die am Schluss der mündlichen Verhandlung vorhandenen Absperreinrichtungen (Tore und Zäune) abzubrechen (§§ 1020 , 242 BGB). Zur Errichtung weiterer Absperrungen und Hindernissen ist der Bekl. jedoch nicht befugt. Die - vom Kl. hinzunehmende - Beschränkung des Wegerechts hat den Senat dazu veranlasst, in Abänderung der angefochtenen Entscheidung lediglich festzustellen, dass das Wegerecht fortbesteht.
1. Dem Kl. und seinen Mietern steht auf einer Breite von vier Metern ein Wegerecht (Mitbenutzungsrecht an der Zu- und Ausfahrt des „Tankstellengrundstücks“) zu, das dem Kl. und seinen Mietern gestattet, das Tankstellengrundstück als Zu- und Abgang zur W-Straße zu nutzen.
a) Im Grundbuch von H. ist zu Lasten des Grundstücks des Bekl. in Abt. II eine Grunddienstbarkeit in Form eines Mitbenutzungsrechts an der Zu- und Auffahrt des Tankstellengrundstücks unter Bezugnahme auf die Bewilligung (Teilungsplan) vom 28. 8. 1953 eingetragen. Das Wegerecht wurde in dieser Urkunde mit folgendem Wortlaut bewilligt: „der jeweilige Eigentümer und die Besucher des Grundstücks II und die Mieter der darauf befindlichen Garagen erhalten das grundbuchlich einzutragende Mitbenutzungsrecht zum Gehen und Fahren an der unter III genannten Ausfahrt zum Ortsfahrdamm der L-Straße und ein ebenso grundbuchrechtlich gesichertes Mitbenutzungsrecht an der Zu- und Abfahrt des Tankstellengrundstückes IV zur L- und W-Straße … Für die jeweiligen Eigentümer, Mieter und Besucher der Grundstücke II und III ist ein grundbuchrechtliches Mitbenutzungsrecht an der Zu- und Abfahrt zur Tankstelle zum Gehen und Fahren als Grunddienstbarkeit einzutragen.“
Die Auslegung des Grundbucheintrags und der Eintragungsbewilligung ergibt, dass der Kl. und seine Mieter das eingetragene und im Teilungsplan in einer Breite von vier Metern entlang der Grundstücksgrenze zu den Grundstücken I und II eingezeichnete Wegerecht dazu nutzen dürfen, die Garagen von der W-Straße aus anzufahren und von den Garagen aus zur W-Straße zu gelangen.
b) Unabhängig davon, ob der Kl. und seine Mieter, wie vom Bekl. behauptet, den Weg über das Tankstellengrundstück seit dem Jahre 1982 nicht mehr oder nicht mehr in erheblichem Umfang genutzt haben, steht ihnen das Wegerecht weiter zu. Die Grunddienstbarkeit ist deswegen nicht erloschen, denn die Ausübung des Wegerechts ist weder in Folge einer Veränderung eines der betroffenen Grundstücke dauernd ausgeschlossen, noch ist der Vorteil für das herrschende Grundstück in Folge grundlegender Änderung der tatsächlichen Verhältnisse oder der rechtlichen Grundlage objektiv und endgültig weggefallen (vgl. OLG Koblenz, DNotZ 1999, 511 [512]; Falckenberg, in: MünchKomm, BGB, § 1018 Rdnr. 53; Palandt/Bassenge, BGB, § 1018 Rdnr. 35). Das Wegerecht über das Grundstück des Bekl. ist für den Kl. nicht wertlos geworden. Die Nutzung des über das Grundstück des Bekl. führenden Weges hat für den Kl. und die Mieter seines Garagengrundstücks den Vorteil einer unmittelbaren Anschließung an die W-Straße, über die die H. Innenstadt, anders als über die L-Straße, ohne Umweg zu erreichen ist. Diesen - grundbuchrechtlich abgesicherten - Vorteil würde der Kl. verlieren, bliebe ihm die Nutzung des Grundstücks des Bekl. versagt. Dies hat der Kl., zumal die Beachtung des Wegerechts nicht mit erheblichen Nachteilen für den Bekl. verbunden ist, auch nicht unter Beachtung der Grundsätze von Treu und Glauben (§ 242 BGB) hinzunehmen.
2. Dennoch kann der Kl. die Beseitigung der auf dem Grundstück des Kl. errichteten Zäune und Tore nicht verlangen.
Zwar muss der durch das Wegerecht Verpflichtete gem. §§ 1027 , 1004 BGB grundsätzlich die ungehinderte Nutzung des Weges ermöglichen und darf das Recht nicht durch hindernde Anlagen beeinträchtigen, doch findet das Wegerecht seine Schranken in § 1020 BGB. Nach dieser Vorschrift ist der Berechtigte verpflichtet, in Ausübung seines Rechts das Interesse des Eigentümers des belasteten Grundstücks tunlichst zu schonen (vgl. OLG Koblenz, DNotZ 1999, 511 [512]; OLG Frankfurt a.M., NJW-RR 1986, 763; OLG Karlsruhe, NJW-RR 1991, 785 [787]. Hieraus ergeben sich Beschränkungen der Rechtspositionen der Beteiligten, soweit dies die Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme erfordert (vgl. Falckenberg, in: MünchKomm, § 1020 Rdnr. 1; Soergel/Stürner, § 1020 Rdnr. 1). Der Verpflichtete muss alle Einschränkungen dulden, ohne die die Dienstbarkeit nicht ausgeübt werden kann (vgl. Soergel/Stürner, § 1020 Rdnr. 2; Falckenberg, in: MünchKomm, § 1020 Rdnr. 4). Andererseits ist der Berechtigte grundsätzlich dazu verpflichtet, Schutzvorkehrungen des Eigentümers gegen Eindringen, Beschädigen und Entwenden zu akzeptieren und die damit verbundenen notwendigen Einschränkungen seines Ausübungsrechts hinzunehmen (vgl. OLG Karlsruhe, NJW-RR 1991, 785; Palandt/Bassenge, § 1020 Rdnr. 2; Soergel/Stürner, § 1020 Rdnr. 2). Dies gilt jedenfalls dann, wenn die (nachträglich angebrachten) Absperrungen nur zu einer als geringfügig anzusehenden Erschwerung der Rechtsausübung führen und die Absperrungen und Tore Folge eines im Vergleich zum ursprünglichen Zustand gesteigerten Sicherheitsbedürfnisses sind (vgl. OLG Koblenz, DNotZ 1999, 511; OLG Frankfurt a.M., NJW-RR 1986, 763). In einem solchen Fall haben es die Berechtigten grundsätzlich hinzunehmen, dass die - an beiden Grundstücksseiten gelegenen - Tore in der Nachtzeit und außerhalb der regulären Geschäftszeiten verschlossen gehalten werden, wenn die Ausgestaltung der Tore auf die berechtigten Interessen des Wegeberechtigten ausreichend Rücksicht nimmt und dem Berechtigten die erforderliche Anzahl von Schlüsseln zur Verfügung gestellt wird (vgl. OLG Karlsruhe, NJW-RR 1991, 785), wozu sich der Bekl. in der mündlichen Verhandlung verpflichtet hat.
Dies bedeutet, dass der Kl. die Türe und Zäune, so wie sie am Schluss der mündlichen Verhandlung errichtet waren, in ihrer konkreten Ausführung hinzunehmen hat.
Der Bekl. hat plausibel gemacht, dass zur Absicherung des nunmehr auf dem Grundstück tätigen Betriebs die Errichtung einer nachts verschlossenen Einfriedung erforderlich ist. Der Bekl. muss sich auch nicht darauf verweisen lassen, lediglich den „außerhalb“ des grundbuchlich abgesicherten Wegerechts liegenden Bereich des Grundstücks einzuzäunen, weil eine solche Einzäunung keinen hinreichenden Schutz bieten würde. Ein Teil der Betriebsgebäude ragt, wie aus dem „Lageplan“ und den zu Akte gereichten Fotografien ersichtlich, in die Wegefläche hinein. Die Nachteile, die dem Kl. und seinen Mietern dadurch entstehen, dass sie außerhalb der Geschäftszeiten des Betriebs auf dem Grundstück des Bekl. die das Grundstück versperrenden Tore zu öffnen und zu schließen haben, haben diese nach § 1020 BGB hinzunehmen, solange sie auch in den Nachtstunden über das Grundstück III ungehinderten Zugang zu einem öffentlichen Weg haben. Über ein übliches Türschloss hinausgehende zusätzliche Sperr- und Schließeinrichtungen, die mit weiteren Beschwernissen für den Kl. und seine Mieter verbunden sind, hat der Kl. dagegen nicht nach § 1020 BGB hinzunehmen. Solche Einrichtungen würden die Ausübung des Wegerechts unangemessen einschränken, ohne dass dies durch das berechtigte Sicherungsinteresse des Kl. gerechtfertigt wäre.
In dem aufgezeigten Umfang hindern die vom Bekl. errichteten Absperreinrichtungen den Kl. und seine Mieter - dies entnimmt der Senat den zur Akte gereichten Lichtbildern - weder unzumutbar an der Nutzung der Ausfahrt, noch daran, in die vorderen Garagen einzuparken. Wie den mit Schriftsatz vom 9. 8. 2002 zur Akte gereichten Lichtbildern zu entnehmen ist, schließt die vordere Garage nicht unmittelbar an das Grundstück I an. Vielmehr befinden sich zwischen der Grundstücksgrenze und der ersten Garage noch ein oder zwei Eingangstüren. Der Abstand zwischen den ersten Garagen und der auf dem Grundstück IV errichteten Zaunanlage mit Tor ist - wie sich ebenfalls aus den Lichtbildern ergibt - so groß, dass genug Raum bleibt, ungestört in die Garagen einzufahren und auf dem Garagenvorplatz mit Personenkraftwagen zu wenden. Dass der zum Wenden verbliebene Raum eine erhebliche Breite aufweist, lassen die Mülltonnen erkennen, die im Bereich der Grundstücksgrenze aufgestellt ist. Die Müllbehälter nehmen nur wenig Raum der freien Fläche in Anspruch. Der dem Kl. und seinen Mietern uneingeschränkt zur Verfügung stehende Raum reicht daher zum Einparken und Wenden aus.
Im Hinblick darauf, dass sich die örtlichen Verhältnisse den zur Akte gereichten Lichtbildern entnehmen lassen, ist die Durchführung eines Ortstermins nicht veranlasst.
Der Schriftsatz des Kl. vom 20. 9. 2002 gibt keine Veranlassung zu einer abweichenden Entscheidung oder zu einer Wiedereröffnung der Verhandlung.
II. Der Feststellungsantrag ist aus den oben genannten Gründen insoweit gerechtfertigt, als festzustellen ist, dass das Wegerecht des Kl. in einer Breite von vier Metern fortbesteht. Der Kl. hat keinen Anspruch auf Feststellung eines uneingeschränkten Wegerechts, da er - wie bereits ausgeführt - die bestehenden Hindernisse in Form der Tore und des Zauns solange hinzunehmen hat, als der Bekl. ihm und seinen Mietern durch Aushändigung der erforderlichen Anzahl von Schlüssel die Möglichkeit verschafft, den Weg auch außerhalb der Geschäftszeiten des auf dem Tankstellengrundstücks errichteten Betriebs zu nutzen und der Zugang zur L-Straße ungehindert fortbesteht.
Das Rechtsschutzinteresse des Kl. ergibt sich daraus, dass der Bekl. immer wieder Hindernisse im Bereich des Wegerechts errichtet hat und zumindest den Umfang des Wegerechts in Frage gestellt hat.
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