Heranziehung zum Zivildienst

Gericht

BVerwG


Art der Entscheidung

Revisionsurteil


Datum

23. 10. 1996


Aktenzeichen

8 C 7/96


Leitsatz des Gerichts

  1. Ein über 25 Jahre alter Kriegsdienstverweigerer kann nach § 24 I 2 Nr. 1 ZDG noch bis zur Vollendung des 28. Lebensjahres zum Zivildienst herangezogen werden, wenn er aus Ausbildungsgründen zunächst nach § 12 IV 2 Nr. 3 lit. a WPflG über sein 25. Lebensjahr hinaus vom Wehrdienst zurückgestellt war und erst im Anschluß daran einen Antrag auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer gestellt hat.

  2. Eine Zurückstellung des Wehr- oder Zivildienstpflichtigen nach § 12 WPflG oder § 11 ZDG erledigt sich mit Ablauf der festgesetzten Zurückstellungsfrist durch Zeitablauf. Sie kann nicht nachträglich vom Dienstpflichtigen mit der Begründung angefochten werden, die Zurückstellung hätte aus Rechtsgründen nicht erfolgen dürfen.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Der am 13. 11. 1968 geborene, am 4. 12. 1987 als wehrdienstfähig gemusterte und für die Dauer des Besuchs des Gymnasiums bis zum 30. 6. 1988 vom Wehrdienst zurückgestellte Kl. begann nach dem Abitur ein Maschinenbaustudium an der Universität Karlsruhe und beantragte seine weitere Zurückstellung vom Wehrdienst. Am 30. 8. 1988 erteilte ihm daraufhin das Kreiswehrersatzamt eine Nichtheranziehungszusage bis 1. 9. 1993 (voraussichtlicher Studienabschluß). Auf die Ankündigung seiner beabsichtigten Einberufung zum 1. 10. 1993 bat der Kl. unter Hinweis auf sein noch nicht abgeschlossenes Studium "um weitere Zurückstellung" und um Mitteilung, ob er im Hinblick auf sein Lebensalter noch zum Grundwehrdienst herangezogen werden könne. Wegen des weitgehend geförderten Maschinenbaustudiums stellte ihn das Kreiswehrersatzamt Karlsruhe im März 1993 bis zum 31. 3. 1995 zurück. Gleichzeitig teilte es ihm mit, er könne noch bis zur Vollendung des 28. Lebensjahres zum Grundwehrdienst herangezogen werden. Anfang November 1994 legte der Kl. dem Kreiswehrersatzamt eine Studienbescheinigung der Universität Karlsruhe für das Wintersemester 1994/95 als seinem ersten Semester im Fach Physik vor. Das Kreiswehrersatzamt berief ihn daraufhin mit Bescheid vom 11. 11. 1994 zum 3. 4. 1995 zum Grundwehrdienst ein. Der Kl. erhob Widerspruch und beantragte zugleich seine Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer. Diesem Antrag wurde mit Bescheid vom 24. 1. 1995 entsprochen. Das Kreiswehrersatzamt widerrief den Einberufungsbescheid. Das Bundesamt für den Zivildienst zog den Kl. mit Einberufungsbescheid vom 20. 7. 1995 zur Ableistung des Zivildienstes vom 2. 10. 1995 bis zum 31. 12. 1996 heran.

Die nach erfolglosem Widerspruch erhobene Klage hat das VG abgewiesen. Auch die Revision des Kl. blieb ohne Erfolg.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

Die Bekl. durfte den am 13. 11. 1968 geborenen Kl. als anerkannten Kriegsdienstverweigerer zum 2. 10. 1995 zur Ableistung des Zivildienstes einberufen (vgl. §§ 1 , 19 ZDG), obwohl er in dem für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgebenden Gestellungszeitpunkt sein 25. Lebensjahr bereits vollendet hatte. Abweichend von der auf die Vollendung des 25. Lebensjahres herabgesetzten allgemeinen Altersgrenze des § 24 I 1 ZDG können anerkannte Kriegsdienstverweigerer, die wegen einer Zurückstellung nach § 11 ZDG nicht vor Vollendung des 25. Lebensjahres zum Zivildienst herangezogen werden konnten, nach § 24 I 2 Nr. 1 ZDG noch bis zur Vollendung des 28. Lebensjahres einberufen werden, wenn der Zurückstellungsgrund entfallen ist. Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall gegeben. Der Kl. war nach den im angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen durch Bescheid des Kreiswehrersatzamts Karlsruhe vom 7. 5. 1993 wegen eines weitgehend geförderten Ausbildungsabschnitts nach § 12 IV 2 Nr. 3 WPflG über die Vollendung seines 25. Lebensjahres hinaus bis zum 31. 3. 1995 vom Wehrdienst zurückgestellt, und der von ihm geltend gemachte Zurückstellungsgrund eines weitgehend geförderten Studiums war im Gestellungszeitpunkt weggefallen. Das 28. Lebensjahr hatte der Kl. in dem auch insoweit maßgebenden Gestellungszeitpunkt noch nicht vollendet.

Für die Erhöhung der Altersgrenze auf das 28. Lebensjahr ist nach § 24 I 2 Nr. 1 ZDG - ebenso wie nach der gleichartigen Vorschrift des § 5 I 2 Nr. 1 lit. a WPflG - nicht erforderlich, daß Zurückstellungen den gesamten Zeitraum zwischen der Musterung und der Vollendung des 25. Lebensjahres des Dienstpflichtigen umfassen. Dienstpflichtige, die das 25. Lebensjahr vollendet haben, können vielmehr bereits dann noch bis zur Vollendung des achtundzwanzigsten Lebensjahres zum Zivildienst herangezogen werden, wenn sie während des Zeitraumes einer gewährten Zurückstellung nach § 11 ZDG fünfundzwanzig Jahre alt geworden sind. Das hat der Senat im Urteil vom 31. 3. 1995 (BVerwG, Buchholz 448.0 § 5 WPflG Nr. 20, S. 3 (4ff.) = NVwZ-RR 1995, 678) zu § 5 I 2 Nr. 1 lit. a WPflG im einzelnen dargelegt und seither in ständiger Rechtsprechung bestätigt. Für die gleichartige Regelung des § 24 I 2 Nr. 1 ZDG gilt nichts anderes.

Diese Vorschrift ist anzuwenden, obwohl der seinerzeit noch nicht als Kriegsdienstverweigerer anerkannte Kl. durch den Bescheid des Kreiswehrersatzamts Karlsruhe vom 7. 5. 1993 nicht nach § 11 ZDG vom Zivildienst, sondern nach § 12 IV 2 Nr. 3 lit. a WPflG vom Wehrdienst zurückgestellt wurde. Das folgt aus § 17 ZDG. Danach gelten Entscheidungen der Wehrersatzbehörden über Wehrdienstausnahmen nach der Anerkennung des Wehrpflichtigen als Kriegsdienstverweigerer auch für den Zivildienst. Zu den gem. § 17 ZDG fortgeltenden Entscheidungen gehören namentlich Zurückstellungen vom Wehrdienst nach § 12 WPflG (vgl. etwa BVerwG, Buchholz 448.0 § 20 WPflG Nr. 14, S. 1 (3) = NVwZ 1983, 615 L). Solche Zurückstellungen eines Wehrpflichtigen vor seiner Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer stehen Zurückstellungen eines anerkannten Kriegsdienstverweigerers durch das Bundesamt für den Zivildienst nach § 11 ZDG gleich. Dies gilt insbesondere für die in § 24 I 2 Nr. 1 ZDG bei Zurückstellungen über das 25. Lebensjahr vorgesehene Verlängerung der Einberufungsmöglichkeit. Das ergibt sich aus Wortlaut, Sinnzusammenhang und Zweck der insoweit ineinandergreifenden Regelungen des Wehrpflicht- und Zivildienstrechts und wird durch die Entstehungsgeschichte bestätigt.

Die Entscheidung über eine Wehrdienstausnahme ist als solche mit der bestandskräftigen Anerkennung des Wehrpflichtigen als Kriegsdienstverweigerer obsolet geworden. Anerkannte Kriegsdienstverweigerer können nicht mehr zum Wehrdienst sondern nur noch zum Zivildienst herangezogen werden (§§ 1 , 19 ZDG). Der Zivildienst hat jedoch von Verfassungs wegen die Funktion eines Ersatzdienstes für den Wehrdienst (BVerfGE 48, 127 (165) = NJW 1978, 124; BVerfGE 69, 1 (22ff.) = NJW 1985, 1519). Dem trägt das Zivildienstgesetz in der Weise Rechnung, daß es an die Verfügbarkeit des anerkannten Kriegsdienstverweigerers für den Wehrdienst anknüpft. Seine einschlägigen Regelungen setzen insgesamt den Fortbestand der im Musterungsbescheid und in nachfolgenden Bescheiden der Wehrersatzbehörden getroffenen Entscheidungen über die Verfügbarkeit des Wehrpflichtigen für den Wehrdienst und damit zugleich für den nach bestandskräftiger Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer als Ersatz an die Stelle des Grundwehrdienstes tretenden Zivildienst voraus (vgl. auch BVerwG, Buchholz 448.5 § 20 MustV Nr. 4, S. 1 (3)). Für den Zivildienst sieht das Gesetz kein dem Wehrpflichtrecht entsprechendes eigenes Musterungsverfahren vor. Ein Wehrpflichtiger ist selbst dann nach den wehrpflichtrechtlichen Vorschriften zu mustern, wenn er bereits einen Antrag auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer gestellt hat (§§ 16 I , 26 VII WPflG, § 20 I , III und IV MustV). Die Tauglichkeit für den Zivildienst bestimmt sich ebenfalls nach der Tauglichkeit für den Wehrdienst (§ 7 S. 1 ZDG). Die nach den allgemeinen wehrpflichtrechtlichen Maßstäben ermittelten und festgesetzten Tauglichkeitsgrade gelten für den Zivildienst entsprechend (§ 7 S. 2 ZDG). Einen mit eigenständigen Merkmalen bestimmten Begriff der Zivildienstfähigkeit gibt es von Rechts wegen nicht (vgl. BVerwG, Buchholz 448.11 § 43 ZDG Nr. 2, S. 1 (4f.) = NJW 1983, 774 und BVerwG, Buchholz 448.11 § 7 ZDG Nr. 4, S. 1 (4)). § 73 ZDG überträgt die Präklusionswirkung des unanfechtbar gewordenen Musterungsbescheides auch in das Heranziehungsverfahren für den Zivildienst. Nach § 12 III ZDG eröffnet die Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer keine neue Antragsfrist (§ 12 III 1 ZDG) für Befreiungs- und Zurückstellungsanträge nach § 10 II und § 11 II und IV ZDG; vielmehr ist, wenn die Frist für einen Antrag auf Befreiung oder Zurückstellung vom Wehrdienst nach § 11 II oder § 12 II oder IV WPflG im Zeitpunkt der Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer noch nicht abgelaufen ist, der Zurückstellungsantrag bis zum Ablauf dieser Frist als Antrag nach dem Zivildienstgesetz bei dem Bundesamt für den Zivildienst zu stellen (vgl. auch BVerwG, Buchholz 448.0 § 20 WPflG Nr. 14, S. 1 (3) = NVwZ 1983, 615 L). Über einen vor der Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer gestellten und noch nicht beschiedenen Befreiungs- oder Zurückstellungsantrag nach § 11 II oder § 12 II oder IV WPflG hat das mit der Anerkennung zuständig gewordene Bundesamt für den Zivildienst nach den nunmehr anzuwendenden Vorschriften der § 10 II und § 11 II und IV ZDG zu entscheiden. § 17 ZDG macht schließlich die im Musterungsbescheid und in nachfolgenden Entscheidungen der Wehrersatzbehörden über die Zurverfügungstellung des Wehrpflichtigen für den Wehrdienst getroffenen Regelungen weiterhin auch für den Zivildienst anwendbar, zu dem der Wehrpflichtige auf der Grundlage seiner Zurverfügungstellung für den Grundwehrdienst und seiner Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer einzuberufen ist (vgl. BVerwG, Buchholz 448.5 § 20 MustV Nr. 4, S. 1 (3)). Die in § 17 ZDG vorgesehene Fortgeltung der wehrersatzbehördlichen Entscheidungen über Wehrdienstausnahmen nach Anerkennung des Wehrpflichtigen als Kriegsdienstverweigerer bedeutet die rechtliche Gleichstellung dieser Entscheidungen mit Entscheidungen des Bundesamtes für den Zivildienst über Zivildienstausnahmen. Erneute Entscheidungen des Bundesamtes für den Zivildienst will der Gesetzgeber durch § 17 ZDG vor allem aus Gründen der Rechtssicherheit und zudem der Verwaltungsvereinfachung vermeiden (vgl. auch Harrer/Haberland, ZDG, 3. Aufl. (1986), § 17 Anm. 1 a.E.). Da sämtliche im Wehrpflichtgesetz vorgesehenen Wehrdienstausnahmen ihre Entsprechung im Zivildienstgesetz haben, hält § 17 ZDG die Entscheidung über eine Wehrdienstausnahme nach Anerkennung des Wehrpflichtigen als Kriegsdienstverweigerer nunmehr als Entscheidung über die ihr entsprechende Zivildienstausnahme aufrecht. Zwischen einer Zurückstellung nach § 11 ZDG und einer als solche nach § 17 ZDG weitergeltenden ursprünglich nach § 12 WPflG ausgesprochenen Zurückstellung des anerkannten Kriegsdienstverweigerers besteht danach kein qualitativer oder sonstiger Unterschied. Auch die von Rechts wegen in eine Zurückstellung nach § 11 ZDG umgewandelte Zurückstellung nach § 12 WPflG fällt deswegen in den Anwendungsbereich des § 24 I 2 Nr. 1 ZDG.

Diese unter dem Blickwinkel der Wehrgerechtigkeit auch verfassungsrechtlich gebotene Auslegung wird entgegen dem Revisionsvorbringen durch den Charakter des § 24 I 2 Nr. 1 ZDG als vermeintlich eng auszulegender Ausnahmevorschrift nicht ausgeschlossen. Ausnahmevorschriften sind ebenso wie andere gesetzliche Bestimmungen nach den allgemeinen Auslegungsmethoden zu interpretieren (vgl. BVerwGE 61, 169 (172) = NJW 1981, 2017 und BVerwG, Buchholz 442.2 Rundfunkrecht Nr. 22, S. 2 (5) = NJW 1990, 3161). Der Gesetzgeber verfolgt mit den im Anschluß an die Regelaltersgrenze des § 24 I 1 ZDG (§ 5 I 1 WPflG) in § 24 I 2 Nrn. 1 - 4 und S. 3 ZDG - ebenso wie mit den gleichartigen in § 5 I 2 und 3 WPflG geregelten Ausnahmen - wie der Senat bereits in den Urteilen vom 12. 4. 1991 (BVerwG, Buchholz 448.0 § 8a WPflG Nr. 53, S. 26 (32) = NVwZ-RR 1992, 636) und vom 18. 3. 1988 (BVerwG, Buchholz 448.11 § 24 ZDG Nr. 4, S. 3 (6) = NVwZ-RR 1989, 99) im einzelnen dargelegt hat, insgesamt das Ziel, die Einberufungsmöglichkeit zur Gewährleistung der im allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 I GG verfassungsrechtlich verankerten Wehrgerechtigkeit (BVerfGE 38, 154 (167f.) = NJW 1975, 439; BVerfGE 48, 127 (162) = NJW 1978, 1245; BVerfGE 69, 1 (22) = NJW 1985, 1519) zu verlängern (ebenso BVerwG, NVwZ-RR 1995, 678 und BVerwG, Urt. v. 31. 3. 1995 - 8 C 2/95 und BVerwG, Urt. v. 19. 4. 1996 - 8 C 3/96). Zu diesem Zweck erweitern § 24 I 2 Nr. 1 ZDG und § 5 I 2 Nr. 1 lit. a WPflG die bisher schon vorgesehenen sonstigen Ausnahmetatbestände nunmehr auf sämtliche Wehr- und Zivildienstpflichtigen, die wegen einer Zurückstellung nicht mehr bis zur Vollendung des fünfundzwanzigsten Lebensjahres herangezogen werden können. Alle diese Wehr- und Zivildienstpflichtigen sollen von Rechts wegen nach Ablauf der Zurückstellung auch dann noch zum Grundwehrdienst oder Zivildienst herangezogen werden, wenn sie älter als fünfundzwanzig Jahre sind. Zur angestrebten Verwirklichung der Wehrgerechtigkeit nimmt § 24 I 2 Nr. 1 ZDG - ebenso wie § 5 I 2 Nr. 1 lit. a WPflG - sämtliche anerkannten Kriegsdienstverweigerer, denen einer der in ihrer Person liegenden Zurückstellungsgründe des § 11 ZDG (§ 12 WPflG) mit der Folge des Verlusts der Möglichkeit einer rechtzeitigen Einberufung zugute gekommen ist, unterschiedslos von der Regelaltersgrenze aus.

Diese sich auf Wortlaut und Sinnzusammenhang stützende Auslegung wird durch die Entstehungsgeschichte der Vorschriften bestätigt. § 24 I 2 Nr. 1 ZDG und § 5 I 2 Nr. 1 lit. a WPflG sind durch das Zweite Gesetz zur Änderung des Wehrpflichtgesetzes und des Zivildienstgesetzes vom 21. 6. 1994 (BGBl I, 1286) eingefügt worden. Die Erweiterungen der Ausnahmen von der Regelaltersgrenze sollen nach der Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung und deren Gegenäußerung zu der Stellungnahme des Bundesrates (BT-Dr 12/5089, Anl. 1, S. 15 und Anl. 3, S. 30) dem Gebot der Wehrgerechtigkeit dadurch genügen, daß derjenige, dem zunächst aus in seiner Person liegenden Gründen eine Wehrdienst- oder Zivildienstausnahme zugute kommt, nach Fortfall der Voraussetzungen für die Zurückstellung auch dann noch zum Wehr- oder Zivildienst herangezogen wird, wenn er älter als 25 Jahre ist.

Der Kl. war durch den Bescheid des Kreiswehrersatzamts Karlsruhe vom 7. 5. 1993 wirksam vom Wehrdienst zurückgestellt worden. Der Zurückstellungsbescheid war namentlich nicht mangels eines erforderlichen Zurückstellungsantrages nichtig i.S. des § 44 VwVfG. Den nach § 12 IV 1 WPflG erforderlichen Zurückstellungsantrag hatte der Kläger mit seinem an das Kreiswehrersatzamt Karlsruhe gerichteten Schreiben vom 22. 4. 1993 gestellt. Die Auslegung der in diesem Schreiben enthaltenen Willenserklärung des Kl. als Antrag auf Zurückstellung vom Wehrdienst durch das angefochtene Urteil ist revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden. Bei der Ermittlung des gewollten Inhalts von allein materiellrechtlichen erheblichen Willenserklärungen handelt es sich um Tatsachenfeststellungen i.S. des § 137 II VwGO (vgl. BVerwG, Buchholz 406.11 § 135 BBauG Nr. 17, S. 4 (6) = NVwZ 1982, 196; BVerwG, Buchholz 406.11 § 131 BBauG Nr. 45, S. 35 (42) = NVwZ 1982, 677 und BVerwG, Buchholz 316 § 55 VwVfG Nr. 2, S. 1 (4) = NJW 1990, 2700). Eine sich daraus ergebende Bindung des RevGer. tritt nur dann nicht ein, wenn eine vom Tatsachengericht vorgenommene Auslegung einen Rechtsirrtum oder einen Verstoß gegen allgemeine Erfahrungssätze, Denkgesetze oder Auslegungsregeln erkennen läßt (vgl. BVerwG, Buchholz 406.11 § 135 BBauG Nr. 17, S. 4 = NVwZ 1982, 196; BVerwG, Buchholz 406.11 § 131 BBauG Nr. 45, S. 35 = NVwZ 1982, 677 m.w. Nachw. u. BVerwG, Buchholz 316 § 55 VwVfG Nr. 2, S. 1 = NJW 1990, 2700). In diesem Rahmen unterliegt die vorinstanzliche Auslegung einer Willenserklärung der revisionsgerichtlichen Nachprüfung und ist dem RevGer. auch eine eigene Auslegung nicht verwehrt, soweit es sich nicht um die Ermittlung bisher nicht festgestellter tatsächlicher Umstände handelt (vgl. BVerwG, Buchholz 232 § 8 BBG Nr. 19, S. 1 (4); BVerwG, Buchholz 406.11 § 131 BBauG Nr. 45, S. 35 = NVwZ 1982, 677 und BVerwG, Buchholz 316 § 55 VwVfG Nr. 2, S. 1 = NJW 1990, 2700). Die nach Maßgabe der Regel des § 133 BGB auf die Feststellung des objektiven Erklärungsinhalts gerichtete Auslegung des Schreibens der Kl. vom 22. 4. 1993 als Zurückstellungsantrag leidet nicht an einem revisionsrechtlich beachtlichen Mangel.

Unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts des Schreibens und aller sonstigen erheblichen tatsächlichen Umstände konnte unter den Bet. kein Zweifel daran bestehen, daß der Kl. wegen seines noch nicht abgeschlossenen Studiums vom Wehrdienst zurückgestellt werden wollte. Dieses Ziel konnte er von Rechts wegen nur mit einem Zurückstellungsantrag erreichen. Die erneute Erteilung einer Nichtheranziehungszusage kam aus materiellrechtlichen Gründen nicht in Betracht. § 12 IV 1 WPflG und § 11 IV 1 ZDG ordnen an, daß ein Wehr- oder Zivildienstpflichtiger für den Fall einer besonderen Härte vom Wehr- oder Zivildienst zurückgestellt werden soll. Die Zurückstellung ist damit gesetzlich als das anzuwendende Rechtsinstitut bestimmt, besondere Härten der Heranziehung zum Wehr- oder Zivildienst auszuräumen. Das schließt es für den Regelfall aus, daß die Bekl. eine besondere Härte i.S. des § 12 IV WPflG, § 11 IV ZDG statt durch eine Zurückstellung auf andere Weise beseitigt (vgl. BVerwG, Buchholz 448.11 § 11 ZDG Nr. 14, S. 1 (6)). Der vom Kl. als Zurückstellungsgrund geltend gemachte Sachverhalt eines noch nicht abgeschlossenen Studiums ist einer der in § 12 IV 2 WPflG aufgeführten Regelfälle besonderer Härte, die nach § 12 IV 1 WPflG nur im Wege der Zurückstellung behoben werden dürfen.

Ob die Bekl. - wie die Revision nunmehr geltend macht - die vom Kl. beantragte Zurückstellung hätte versagen müssen, weil der Zurückstellungsantrag nicht innerhalb der mit dem Eintritt der weitgehenden Förderung des Ausbildungsabschnitts beginnenden Frist des § 20 II 2 WPflG in der bis zum 31. 1. 1995 geltenden Fassung (vgl. BVerwG, Buchholz 448.11 § 11 ZDG Nr. 16, S. 10 (12f.) = NVwZ 1982, 613 m.w. Nachw.) gestellt worden war, ist zweifelhaft. Mit Blick auf die dem Kl. erteilte Zusicherung des Kreiswehrersatzamtes Ravensburg vom 30. 8. 1988, er werde aufgrund seiner Zulassung zum Studium an der Universität Karlsruhe nicht vor dem 1. 9. 1993 zur Ableistung des Grundwehrdienstes herangezogen werden, und der Mitteilung des Kreiswehrersatzamtes vom 3. 9. 1992, der Kl. sei bis zum 31. 8. 1993 "zurückgestellt" und möge zwei Monate vor Ablauf der Zurückstellungsfrist einen Antrag auf Nichtheranziehungszusage stellen, spricht viel dafür, daß dem Kl. wegen der Fristversäumung nach § 20 II 3 WPflG in der bis zum 31. 1. 1995 geltenden Fassung i.V. mit § 60 VwGO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren war (vgl. BVerwG, Buchholz 448.11 § 11 ZDG Nr. 16, S. 10 (14ff.) = NVwZ 1982, 613). Dies kann aber auf sich beruhen. Darauf kommt es schon deshalb nicht an, weil ein etwaiger Verstoß der Bekl. gegen die Fristvorschrift des § 20 II 2 WPflG a.F. ebenso wie ein Mangel der örtlichen Zuständigkeit des Kreiswehrersatzamts Karlsruhe und das Fehlen eines Zurückstellungsgrundes nur zur Rechtswidrigkeit, nicht aber zur Nichtigkeit der Zurückstellung führt. Das folgt hinsichtlich der örtlichen Zuständigkeit bereits aus § 44 III Nr. 1 VwVfG. Für die in § 20 II 2 WPflG a.F. und § 12 III 1 ZDG vorgesehenen Antragsfristen kann im Ergebnis nichts anderes gelten. Diese Fristen sollen alsbald Klarheit über die künftige Verfügbarkeit des Dienstpflichtigen schaffen und dadurch die Einberufungsvorgänge fördern und erleichtern (vgl. BVerwG, Buchholz 448.0 § 20 WPflG Nr. 4, S. 10 (12f.); BVerwG, Buchholz 448.11 § 11 ZDG Nr. 16, S. 10 (14) = NVwZ 1982, 613 und BVerwG, Buchholz 448.0 § 20 WPflG Nr. 14, S. 1 (3) = NVwZ 1983, 615 L). Sie dienen insoweit dem öffentlichen Interesse und nicht privaten Belangen der Wehrpflichtigen. Mit Blick auf die den Wehrersatzbehörden überdies eingeräumte Befugnis zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, an deren fehlerhafte Gewährung die Gerichte gebunden sind (vgl. BVerwG, Buchholz 448.0 § 12 WPflG Nr. 132, S. 127 (129)), kann in einem Verstoß gegen die Fristvorschriften kein besonders schwerwiegender Fehler der Zurückstellung i.S. des § 44 I VwVfG erblickt werden.

Eine etwaige (bloße) Rechtswidrigkeit der dem Kl. über das fünfundzwanzigste Lebensjahr hinaus gewährten Zurückstellung vom Wehrdienst ändert nichts daran, daß sich die Altersgrenze für seine Einberufung auf das 28. Lebensjahr verschoben hat. Denn § 5 I 2 Nr. 1 lit. a WPflG und § 24 I 2 Nr. 1 ZDG knüpfen die Verlängerung des Einberufungszeitraumes nicht an eine rechtmäßige Zurückstellung. Sie setzen lediglich voraus, daß die Einberufung des Wehrpflichtigen oder anerkannten Kriegsdienstverweigerers bis zur Vollendung des fünfundzwanzigsten Lebensjahres wegen einer ihm gewährten Zurückstellung nicht möglich war. Wenn schon eine rechtmäßige Zurückstellung vom Wehrdienst oder Zivildienst für das 25. Lebensjahr hinaus zur Verlängerung des Einberufungszeitraumes führt, muß dies unter dem Blickwinkel der vom Gesetzgeber angestrebten und verfassungsrechtlich gebotenen Wehrgerechtigkeit erst recht für eine rechtswidrige Zurückstellung gelten. Der Bescheid, durch den ein Wehrpflichtiger vom Wehr- oder Zivildienst zurückgestellt wird, ist ein begünstigender gestaltender Verwaltungsakt, der unter den Voraussetzungen des § 5 I 2 Nr. 1 lit. a WPflG und des § 24 I 2 Nr. 1 ZDG die belastende Nebenwirkung einer Verlängerung des Einberufungsalters entfaltet. Er kann nur unter den in den §§ 48ff. VwVfG bezeichneten Voraussetzungen zurückgenommen oder widerrufen werden (vgl. § 1 I VwVfG; BVerwG, Buchholz 448.0 § 12 WPflG Nr. 150, S. 24 (25) = NVwZ 1984, 715). Solange er nicht zurückgenommen oder widerrufen worden ist, darf der Wehrpflichtige nicht einberufen werden (vgl. BVerwGE 41, 155 (160) = NJW 1973, 383).

Ob die dem Kl. gewährte Zurückstellung hätte zurückgenommen oder widerrufen werden können, mag auf sich beruhen. Auch darauf kommt es nicht an. Denn in dem für den Eintritt der Verlängerung des Einberufungszeitraumes maßgeblichen Zeitpunkt der Vollendung des fünfundzwanzigsten Lebensjahres des Kl. am 13. 11. 1993 war seine Zurückstellung nicht zurückgenommen oder widerrufen worden. Der Kl. durfte deshalb bis zu diesem Zeitpunkt wegen der ihm gewährten Zurückstellung nicht einberufen werden. Das führte nach § 5 I 2 Nr. 1 lit. a WPflG, § 24 I 2 Nr. 1 ZDG auf Erhöhung der Altersgrenze für seine Einberufung auf das achtundzwanzigste Lebensjahr. Daran können eine Rücknahme oder ein Widerruf der Zurückstellung nichts mehr ändern, weil sie diese einmal eingetretene Rechtsfolge des seinerzeit bestehenden rechtlichen Einberufungshindernisses nicht zu beseitigen vermögen. Die dem Kl. gewährte Zurückstellung hat sich mit Ablauf der festgesetzten Zurückstellungsfrist erledigt (vgl. § 43 II VwVfG). Die begünstigenden Wirkungen der durch Zeitablauf erledigten Wehrdienstausnahme sind dem Kl. tatsächlich und rechtlich zugute gekommen. Das läßt sich nicht rückgängig machen. Daran knüpft sich von Gesetzes wegen als Ausgleich die mit Blick auf die Wehrgerechtigkeit angeordnete und auch verfassungsrechtlich gebotene Rechtsfolge einer Verlängerung der Einberufungsmöglichkeit. Ihr kann der Kl. sich nicht nachträglich einseitig entziehen.

Die bis zum 1. 9. 1993 befristete Nichtheranziehungszusage vom 30. 8. 1988 und die Mitteilung des Kreiswehrersatzamts vom 3. 9. 1992 ändern an der Kausalität der Zurückstellung des Kl. für die nicht rechtzeitige Einberufung bis zur Vollendung seines 25. Lebensjahres nichts.

Von einem der Bekl. zuzurechnenden Verstoß gegen die Gebote von Treu und Glauben durch Bedienstete des Kreiswehrersatzamts gegenüber dem Kl. kann nach Lage der Dinge keine Rede sein. Das Kreiswehrersatzamt erfüllte mit der dem Kl. bewilligten Zurückstellung in der rechtlich allein in Betracht kommenden Weise sein mit dem Zurückstellungsantrag vom 22. 4. 1993 eindeutig zum Ausdruck gebrachtes Verlangen, bis zum Abschluß seines Studiums von der Heranziehung zum Wehrdienst verschont zu bleiben. Darin liegt, selbst wenn die Zurückstellung von Rechts wegen hätte versagt werden müssen, kein irgendwie geartetes treuwidriges Verhalten.

Dem Kl. stand schließlich in dem für die Beurteilung maßgebenden Gestellungszeitpunkt der von ihm in Anspruch genommene Zurückstellungsgrund der Unentbehrlichkeit im elterlichen Gewerbebetrieb (§ 11 IV 2 Nr. 2 ZDG) nicht zur Seite. Die Annahme der betrieblichen Unentbehrlichkeit eines Zivildienstpflichtigen i.S. des § 11 IV 2 Nr. 2 ZDG (§ 12 IV 2 Nr. 2 WPflG) setzt nach der im angefochtenen Urteil angeführten ständigen Rechtsprechung des BVerwG voraus, daß der zivildienstbedingte vorübergehende Ausfall der Arbeitskraft des Dienstpflichtigen weder durch innerbetriebliche Maßnahmen aufgefangen noch durch Einstellung einer auf dem Arbeitsmarkt greifbaren und wirtschaftlich tragbaren Ersatzkraft ausgeglichen werden kann und deshalb über einen bloßen wirtschaftlichen Rückgang hinaus zu einer Gefährdung der Existenz des Betriebes führen würde (vgl. u.a. BVerwG, Buchholz 448.0 § 20 WPflG Nr. 15, S. 5 (6f.) m.w. Nachw. und BVerwG, Buchholz 448.0 § 12 WPflG Nr. 185, S. 5 (8)). Nach den im angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen fehlte es schon nach dem eigenen Vorbringen des Kl. an der für die Annahme seiner betrieblichen Unentbehrlichkeit erforderlichen Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz des elterlichen Betriebes durch eine Einberufung. Das VG hatte danach keinen Anlaß zu der von der Revisionsbegründung nunmehr vermißten weiteren Sachaufklärung. Damit erweist sich zugleich die mit der Revision erhobene Verfahrensrüge einer vermeintlichen Verletzung der tatrichterlichen Aufklärungspflicht (§ 86 I VwGO) als unbegründet. Denn auch das Verfahren zur Unabkömmlichstellung des Kl. nach § 16 ZDG gab dem VG entgegen dem Revisionsvorbringen keine Veranlassung, darüber Beweis zu erheben, ob der Kl. im elterlichen Betrieb unentbehrlich i.S. des § 11 IV 2 Nr. 2 ZDG war. Nach den im angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen war der Antrag auf Unabkömmlichstellung des Kl. damit begründet worden, "daß mit seiner Abberufung als Systembetreuer für die Fa. WIGE Konstruktionen ein erheblicher Nachteil verbunden" sei. Dies hat das VG aus materiellrechtlichen Gründen als für die Annahme der betrieblichen Unentbehrlichkeit i.S. des § 11 IV 2 Nr. 2 ZDG nicht ausreichend gewürdigt. Das angefochtene Urteil bringt insoweit zum Ausdruck, unterhalb der Schwelle der Existenzgefährdung liegende Beeinträchtigungen eines Unternehmens am Markt könnten "allenfalls im Rahmen eines Verfahrens nach § 16 ZDG (Unabkömmlichstellung) Berücksichtigung finden". Aus dieser materiellrechtlichen Sicht war das VG zu einer weiteren Sachaufklärung nicht verpflichtet.

Das angefochtene Urteil verletzt insoweit auch kein materielles Recht. Die auf Vorschlag der Verwaltungsbehörde mögliche Unabkömmlichstellung eines Wehr- oder Zivildienstpflichtigen hat mit der Zurückstellung nach § 12 IV 2 Nr. 2 WPflG, § 11 II 2 Nr. 2 ZDG nichts zu tun (vgl. BVerwG, Buchholz 448.0 § 12 WPflG Nr. 14). Die Unabkömmlichstellung dient ausschließlich dem öffentlichen Interesse an der beruflichen oder sonstigen Tätigkeit des Wehr- oder Zivildienstpflichtigen. Ein Recht des betroffenen Wehrpflichtigen auf Unabkömmlichkeitsstellung besteht nicht (vgl. BVerwGE 58, 244 (246f.) und BVerwG, Buchholz 448.0 § 13 WPflG Nr. 2, S. 1f. = NVwZ 1987, 225). Ein Einberufungsbescheid ist deshalb selbst dann nicht rechtswidrig, wenn die Einberufung nicht bis zur Entscheidung über die von der zuständigen Behörde vorgeschlagene Unabkömmlichstellung des Kl. ausgesetzt wird (vgl. BVerwG, Buchholz 448.0 § 13 WPflG, Nr. 2, S. 1f. = NVwZ 1987, 225).

Vorinstanzen

VG Sigmaringen

Rechtsgebiete

Zivilrecht, Sonstiges