Werbung mit Telefonanrufen in Haushalten

Gericht

OLG Frankfurt a.M.


Art der Entscheidung

Berufungsurteil


Datum

21. 07. 2005


Aktenzeichen

6 U 175/04


Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Die Parteien sind Versicherungsunternehmen. Die Beklagte hatte in der Vergangenheit einige ihrer Versicherungskunden angerufen, um ihnen Angebote zur Änderung, Ergänzung, Ausweitung oder Verlängerung des bestehenden Versicherungsvertrags anzubieten. Die Klägerin hielt diese Art der Telefonwerbung für unzulässig und verlangte von der Beklagten Unterlassung. ...

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

I. ...

II. Die zulässige Berufung hat in dem zuletzt weiter verfolgten Umfang auch in der Sache Erfolg. Der Klägerin steht der mit dem Klageantrag geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus §§ 3, 7 Abs. 2 Nr. 2, 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG zu.

Das im Klageantrag wiedergegebene geschäftliche Verhalten verstößt gegen § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG.

Nach der genannten Vorschrift ist Werbung mit Telefonanrufen gegenüber Verbrauchern nur erlaubt, wenn die Verbraucher in diesen Anruf zuvor eingewilligt haben. Dafür reicht neben der ausdrücklichen auch eine konkludente Einwilligung aus (vgl. Baumbach/Hefermehl-Köhler, Wettbewerbsrecht, 23. Aufl., Rn. 51, 53 zu § 7). Dies ergibt sich zwar nicht ohne weiteres aus dem Wortlaut der gesetzlichen Regelung. Auch unter Geltung des alten Rechts (§ 1 UWG a.F.) war es jedoch nach der Rechsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. GRUR 1995, 220 - Telefonwerbung V - m.w.N.) anerkannt, dass Telefonwerbung gegenüber Privatpersonen zulässig ist, wenn der Angerufene zuvor ausdrücklich oder konkludent sein Einverständnis mit einem solchen Anruf erklärt hat.

Es kann nicht angenommen werden, dass der Gesetzgeber mit der Neuregelung des § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG beabsichtigt haben könnte, die Anforderungen an die Telefonwerbung im privaten Bereich gegenüber dem alten Recht zu verschärfen. Insbesondere ergeben sich hierfür aus den Materialien des Gesetzgebungsverfahrens keine hinreichend sicheren Anhaltspunkte. Zwar hatte es in der Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung zunächst geheißen, dass die angerufene Privatperson zuvor "ausdrücklich" seine Einwilligung erklärt haben müsse (vgl. BT-Drs. 15/1487, S. 21). In ihrer Gegenäußerung zu den Vorschlägen des Bundesrates hat die Bundesregierung sodann jedoch zum Ausdruck gebracht, dass eine Verschärfung des geltenden Rechts nicht beabsichtigt sei (vgl. BT-Drs. 15/1487, S. 42).

Andererseits genügt eine lediglich mutmaßliche Einwilligung zur Rechtfertigung eines Telefonanrufs im privaten Bereich regelmäßig nicht; dies ergibt sich bereits im Gegenschluss aus der Regelung in § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG zur Telefonwerbung gegenüber sonstigen Marktteilnehmern, für die nach dem Gesetzeswortlaut eine mutmaßliche Einwilligung ausdrücklich ausreicht.

Auch Versicherungsunternehmen dürfen daher bei ihren privaten Versicherungsnehmern zu Werbezwecken nur dann anrufen, wenn der Versicherungsnehmer dem Anruf zuvor ausdrücklich oder konkludent zugestimmt hat. Unter den Begriff der Werbung fallen dabei alle Anrufe, die darauf abzielen, über die Klärung von Fragen innerhalb des bereits bestehenden Versicherungsvertragsverhältnisses - etwa die Schadensabwicklung - hinaus den Versicherungsnehmer zum Abschluss eines neues Versicherungsvertrages oder - wie im Klageantrag aufgeführt - zur inhaltlichen Änderung, insbesondere zur Verlängerung, Ausweitung oder Ergänzung des bestehenden Vertragsverhältnisses zu bewegen. Die demnach erforderliche Einwilligung des Versicherungsnehmers in solche Anrufe kann nicht darin gesehen werden, dass der Kunde bei Abschluss des Versicherungsvertrages ohne nähere Erläuterung seine Telefonnummer mitgeteilt hat. Denn hiermit bringt der Versicherungsnehmer regelmäßig nur sein Einverständnis zum Ausdruck, im Rahmen des bestehenden Versicherungsverhältnisses und des durch ihn begründeten Bereichs des Versicherungsschutzes angerufen zu werden (vgl. BGH a.a.O. - Telefonwerbung V, S. 220 f.). Hierzu gehören etwa Anrufe anlässlich der Bearbeitung eines Schadensfalles oder zur Erinnerung an die Zahlung der Versicherungsprämien.

Nicht erfasst von der Einwilligung sind dagegen Anrufe zur Erweiterung oder Ergänzung des Versicherungsschutzes (vgl. BGH a.a.O.). Denn aus der Sicht des Versicherungskunden gibt es keinen Grund, warum ein solches Angebot nicht auch schriftlich unterbreitet bzw. die möglicherweise sinnvolle mündliche Erläuterung des Angebots auf schriftlichem Wege vorbereitet werden sollte.

Ohne Erfolg beruft sich die Beklagte in diesem Zusammenhang darauf, dass Situationen eintreten könnten, in denen eine besondere Eilbedürftigkeit für die vorgeschlagene Erweiterung oder Ergänzung des Versicherungsschutzes besteht. Diese Situation, an die der Versicherungskunde bei Mitteilung seiner Telefonnummer im Vertragsformular ohne entsprechende Erläuterungen nicht gedacht hat, vermag allenfalls eine mutmaßliche Einwilligung in den Telefonanruf zu begründen, die jedoch - wie ausgeführt - Werbeanrufe im privaten Bereich gerade nicht zu rechtfertigen vermag. Die Beklagte hat es im übrigen in der Hand, durch entsprechende Erläuterungen in ihren Vertragsformularen die Einwilligung ihrer Kunden in derartige Anrufe ausdrücklich einzuholen.

Im Hinblick auf das erhebliche Allgemeininteresse an der Unterbindung belästigender Werbung überschreitet der Verstoß gegen § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG im vorliegenden Fall auch die Bagatellgrenze des § 3 UWG.

Die Klägerin kann die Beklagte gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG auf Unterlassung des im Klageantrag beschriebenen wettbewerbswidrigen Verhaltens in Anspruch nehmen, weil insoweit jedenfalls Begehungsgefahr infolge Berühmung besteht.

Die Beklagte hat mit den unter I. wiedergegebenen Äußerungen im vorprozessualen Anwaltsschreiben, in der Klageerwiderung und in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, zu dem im Klageantrag wiedergegebenen Verhalten berechtigt zu sein und sich in Zukunft auch entsprechend verhalten zu wollen. Hierin liegt eine die Begehungsgefahr begründende Berühmung im Sinne der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. WRP 2003, 1138 (1139) - Buchreihen zum Sammeln m.w.N.). Dem steht der Rechtsverteidigungsvorbehalt, den die Beklagte im Zusammenhang mit der erhobenen Verjährungseinrede hinsichtlich der Fälle A und B verbunden hat, nicht entgegen. Denn angesichts der Deutlichkeit der Berühmung, die die Beklagte auch in der Senatsverhandlung nochmals zum Ausdruck gebracht hat, kann in dem formelhaften Rechtsverteidigungsvorbehalt keine ernsthafte, die Begehungsgefahr beseitigende Aufgabe der Berühmung gesehen werden. ...

Vorinstanzen

LG Wiesbaden

Rechtsgebiete

Informations- und Telekommunikationsrecht