Versicherungsbetrug mit Werbebonus
Gericht
OLG Celle
Art der Entscheidung
Berufungsurteil
Datum
15. 09. 2005
Aktenzeichen
13 U 113/05
Eine Werbung mit der eine AutoglasReparaturwerksatt einen Bonus bis zu 150 EUR für jeden verspricht, der seine Windschutzscheibe in der Werkstatt erneuern lässt und dann ein Jahr lang einen kleinen Werbeaufkleber (4cm) auf seinem Auto belässt ist wettbewerbswidrig, weil mit dem „Werbebonus“ verschleiert werden soll, dass der Kunde in Wirklichkeit einen Nachlass erhält, den er nach den AKB an den KaskoVersicherer weitergeben müsste.
Auf die Berufung des Verfügungsklägers wird das Urteil des LG Verden vom 4. 4. 2005 geändert. Die einstweilige Verfügung des LG Verden vom 23. 12. 2004 - 10 O 161/04 - wird bestätigt.
Der Verfügungsbeklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Gründe:
I.
Der Verfügungskläger ist die Zentrale zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs e. V.. Der Verfügungsbeklagte betreibt eine Werkstatt für die Reparatur, den Austausch und den Verkauf von Autoglas. Er warb im Internet und in Zeitungsanzeigen wie folgt:
„Unser Bonus für Sie...
Bis zu 150 € für jeden ...
... der bei uns seine geklebte
Windschutzscheibe erneuern lässt
und dann ein Jahr unseren kleinen
Aufkleber (ca. 4 cm) auf seinem Auto belässt.
Auf Wunsch auch direkt Abrechnung mit den Versicherungen“
Die Verfügungsklägerin hat die Werbung als wettbewerbswidrig i. S. der §§ 3, 4 Nr. 1 und Nr. 11 UWG beanstandet. Der Verfügungsbeklagte verlange für den „Bonus“ keine relevante Gegenleistung. Jeder Kunde verstehe die Werbung als Angebot einer zu Lasten des Kaskoversicherers um bis zu 150 % überhöhte Reparaturrechnung.
Das LG hat dem Verfügungsbeklagten auf Antrag des Verfügungsklägers im Beschlusswege bei Meidung der üblichen Ordnungsmittel untersagt, zu Zwecken des Wettbewerbs gegenüber Letztverbrauchern wie in der genannten Anzeige zu werben und/oder entsprechend dieser Ankündigung zu verfahren. Auf den Widerspruch des Verfügungsbeklagten hat das LG die einstweilige Verfügung aufgehoben und den auf ihren Erlass gerichteten Antrag zurückgewiesen. Mit der Berufung verfolgt der Verfügungskläger den Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung weiter.
II.
Die Berufung ist begründet. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist zulässig und hat in der Sache Erfolg.
1. Das Rechtsschutzbedürfnis ergibt sich aus der Nichterfüllung des Unterlassungsanspruchs des Verfügungsklägers.
Entgegen der vom LG vertretenen Meinung lässt sich ein Rechtsschutzbedürfnis des Verfügungsklägers nicht mit der Begründung verneinen, der Verfügungskläger habe dem Verfügungsbeklagten bereits im Jahr 1998 gestattet, mit solchen Werbeverträgen Reklame zu machen und danach zu handeln. Abgesehen davon, dass eine „Gestattung“ nicht zum Fehlen des Rechtsschutzbedürfnisses, sondern zur Unbegründetheit des Unterlassungsanspruchs führen würde, hat das LG den Parteivortrag nicht zutreffend erfasst. Der Verfügungskläger teilte dem Verfügungsbeklagten mit Scheiben vom 1. 12. 1998 anlässlich einer vorangegangenen Abmahnung mit, dass „das Führen des Aufklebers“ unter den Bedingungen, wie sie in dem damals übermittelten Werbevertrag geregelt seien, nicht beanstandet werde. Im vorliegenden Verfahren wendet sich der Verfügungskläger weder gegen den Werbevertrag mit den Kunden noch gegen das Führen des Aufklebers. Er will vielmehr erreichen, dass der Verfügungsbeklagten untersagt wird, wie beanstandet zu werben und entsprechend der Ankündigung in der Werbung zu verfahren, also bei der Erneuerung von Windschutzscheiben Rechnungen auszustellen, die den angekündigten Preisnachlass nicht berücksichtigen und so den Versicherer zu überhöhten Zahlungen zu veranlassen.
2. Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch steht dem Verfügungskläger aus § 8 I Satz 1 i. V. m. §§ 3, 4 Nr. 11 UWG zu.
a) Mit der beanstandeten Anzeige bewirbt der Verfügungsbeklagte Autoglasreparaturen mit einem „Werbebonus“, der bezwecken soll, gegenüber dem Kfz-Versicherer zu verschleiern, dass der Kunde tatsächlich einen Nachlass auf die Reparatur erhalten hat, den er nach den AKB an den Versicherer weitergeben müsste. Darin liegt eine Aufforderung zu einer gemeinsam begangenen Täuschung der Versicherung, um dem Kunden eine in dieser Höhe nicht zustehende Versicherungsleistung zu verschaffen (vgl. Senat, Beschluss vom 24. 3. 1999 - 13 U 157/98).
In Kfz-Versicherungsverträge sind regelmäßig die Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Kraftfahrzeug-Versicherung (AKB) einbezogen. Nach § 13 Abs. 9 AKB hat der Versicherer in der Teil- und Vollkaskoversicherung den Schaden abzüglich der jeweils vereinbarten Selbstbeteiligung zu ersetzen. Soweit es sich bei dem Schaden um die Reparaturkosten handelt, hat der Versicherer diese nur abzüglich eines dem Kunden eingeräumten Rabatts zu ersetzen.
Der versprochene „Bonus“ von bis zu 150 € soll, so wie die Werbung zu verstehen ist und die Verfügungsbeklagte es auch praktiziert, dazu dienen, dem Kunden zu Lasten des Versicherers die Selbstbeteiligung zu ersparen. Der Verfügungsbeklagte lässt sich, wie er selbst vorträgt, die Ansprüche des Versicherungsnehmers gegen den Fahrzeugversicherer abtreten und rechnet dann direkt mit dem Versicherer ab. Der Versicherer zahlt an ihn den Rechnungsbetrag abzüglich des vereinbarten Sicherheitseinbehalts, üblicherweise 150 €. Tatsächlich verlangt der Verfügungsbeklagte für die Erneuerung der Windschutzscheiben aber nicht die der Versicherung mitgeteilte Rechnungssumme, sondern diese abzüglich (mindestens eines großen Teils) des vereinbarten Selbstbehalts. Dies ergibt sich daraus, dass - so der eigene Vortrag des Verfügungsbeklagten - der Kunde zwar den Selbstbehalt an den Verfügungsbeklagten bezahlen muss und dafür eine Quittung erhält, dem Kunden dieser Betrag jedoch anschließend sogleich als „Werbeprämie“ ganz oder teilweise zurückgezahlt wird. Dass der Verfügungsbeklagte die Gewährung eines Rabatts durch einen Werbevertrag mit dem Kunden zu verschleiern versucht, ist rechtlich unerheblich. Angesichts der geringen Größe des Aufklebers, der mit einem Durchmesser von 4 cm im Straßenverkehr kaum wahrgenommen werden kann, ist es offensichtlich, dass der Abschluss des Werbevertrags allein der Täuschung der Kaskoversicherungen dient. Dafür spricht auch: Der Verfügungsbeklagte bietet derartige Werbeverträge nur Personen an, die gleichzeitig einen Auftrag zur Erneuerung der Windschutzscheibe erteilen. Die Höhe des „Bonus“ richtet sich, wie der Verfügungsbeklagte in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, danach, welchen Betrag der Versicherer im Einzelfall für die Scheibenreparatur zahlt, nicht also nach der Werbeleistung des Kunden. Die Obergrenze des Bonus („bis zu 150 €“) entspricht der üblichen Selbstbeteiligung des Versicherungsnehmers.
Das Ziel, dem Kunden einen Rabatt einzuräumen, den dieser eigentlich an den Versicherer weitergeben müsste, wird aus der beanstandeten Werbung deutlich. Denn die Werbung verspricht einen „Bonus“, also eine Sonderzahlung oder ein Rabatt, in erster Linie dafür, dass die angesprochenen Interessenten die Windschutzscheibe ihres Autos in dem Unternehmen des Verfügungsbeklagten erneuern lassen. Soweit der Kunde, der den Bonus erhält, den „kleinen Aufkleber“ der Firma ein Jahr lang auf seinem Auto belassen soll, liegt es für die angesprochenen Verkehrskreise aus den genannten Gründen fern, dies als die maßgebliche Gegenleistung im Rahmen eines abzuschließenden Werbevertrags zu verstehen.
Die Verfügungsbeklagte macht geltend, es sei ausgeschlossen, dass gegenüber der Versicherung falsch abgerechnet werde, weil seitens der Versicherungen genaue Vorgaben über die erstattungsfähigen Kosten existierten (sogenannte Audatex-Liste). Dieser Einwand greif nicht durch. Der Versicherer hat unabhängig von dem jeweils genannten Höchstbetrag nur den Schaden (abzüglich der jeweils vereinbarten Selbstbeteiligung) zu ersetzen, der konkret entstanden ist. Einen mit der Werkstatt ausgehandelten Rabatt muss der Kunde an den Versicherer weitergeben.
b) Der Unterlassungsanspruch scheitert nicht daran, dass der Verfügungsbeklagte gegenüber dem Verfügungskläger bereits am 7. 12. 1998 eine möglicherweise im Kern gleiche Unterwerfungserklärung abgegeben hat. Der neue Wettbewerbsverstoß begründet einen neuen Unterlassungsanspruch und einer neuen Vermutung der Wiederholungsgefahr (Harte/Henning/Beckedorf, § 8 Rdnr. 20).
2. Ob die Werbung des Ast. auch unter dem Gesichtspunkt eines übertriebenen Anlockens i. S. der §§ 3, 4 Nr. 1 UWG wettbewerbswidrig ist, braucht nicht entschieden zu werden.
3. Der begangene Verstoß begründet eine Vermutung für die Dringlichkeit der einstweiligen Verfügung (§ 12 II UWG).
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 I ZPO.
Dr. K. B. W.
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