Enthüllung: unbekanntes uneheliches Kind eines Schauspielers

Gericht

LG Berlin


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

29. 09. 2005


Aktenzeichen

27 O 717/05


Tenor

  1. Die einstweilige Verfügung vom 4. August 2005 wird aufgehoben und der auf ihren Erlass gerichtete Antrag zurückgewiesen.

  2. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

  3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Antragsteller kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des festgesetzten Kostenbetrages zuzüglich 10 % abwenden, wenn nicht die Antragsgegnerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrages zuzüglich 10 % leistet.

Tatbestand


Tatbestand:

Der Antragsteller, ein bekannter Schlagersänger, macht einen äußerungsrechtlichen Unterlassungsanspruch geltend. Die Antragsgegnerin verlegt die Zeitschrift "SUPERillu", in deren Ausgabe Nr. 31/2005 vom 28. Juli 2005 wie folgt über ein angebliches uneheliches Kindes des

Antragstellers berichtet wurde:

Der Antragsteller hatte in der Vergangenheit über sein Privatleben berichten lassen, so über seine Kinder, sein Familienleben, seine Trennung von seiner Ehefrau, seine Beziehung zu seiner jetzigen Lebensgefährtin. Er veröffentlichte eine Autobiographie, in der er ausführlich auch über private Details seines Lebens berichtet, über seine Beziehung zu Frauen, seine Kinder u.ä.. Wegen der Einzelheiten wird auf die Anlagen AG 1-AG 8, AG 12 und AG 15 der Schutzschriften verwiesen. Der Antragsteller hat die Vaterschaft des Kindes, das im Mittelpunkt der angegriffenen Berichterstattung steht, anerkannt.

Der Antragsteller sieht sich durch die Äußerungen in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt. Er behauptet, er habe die Anerkennung der Vaterschaft widerrufen. Er meint, dass die Erörterung der Vaterschaft die Öffentlichkeit nichts angehe.

Der Antragsteller hat die einstweilige Verfügung vom 4. August 2005 erwirkt, durch die der Antragsgegnerin unter Androhung der gesetzlich vorgesehenen Ordnungsmittel untersagt worden ist,

über ein angebliches uneheliches Kind mit Claudia F. zu berichten und / oder berichten zu lassen wie in dem Artikel mit der Überschrift "Baby-Glück in Thüringen" auf der Titelseite und S. 6 - 9 der Ausgebe 31/05 der Super-Illu vom 28.07.2005 geschehen.

Gegen diese ihr zwecks Vollziehung zugestellte einstweilige Verfügung richtet sich der Widerspruch der Antragsgegnerin.

Sie meint unter Berufung auf die beigebrachten Anlagen, dass der Antragsteller sein Privatleben der Öffentlichkeit geöffnet habe und sich deshalb nun eine Berichterstattung gefallen lasse müsse.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die einstweilige Verfügung aufzuheben und den auf ihren Erlass gerichteten Antrag zurückzuweisen.

Der Antragsteller beantragt,

die einstweilige Verfügung zu bestätigen.

Er verteidigt den geltend gemachten Unterlassungsanspruch und vertieft sein bisheriges Vorbringen.

Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe


Entscheidungsgründe:

I.

Die einstweilige Verfügung ist aufzuheben und der auf ihren Erlass gerichtete Antrag zurückzuweisen, §§ 925, 936 ZPO, weil dem Antragsteller der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gegen die Antragsgegnerin aus §§ 823 Abs. 1, Abs. 2, analog 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB i. V. m. Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GO nicht zusteht.

Bei der gebotenen Abwägung zwischen den persönlichkeitsrechtlichen Belangen des Antragstellers aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG und den durch die Pressefreiheit gemäß Art. 5 Abs. 1 GG geschützten Interessen der Antragsgegnerin stellen sich die Äußerungen als rechtmäßig dar. Die Berichterstattung über die Vaterschaft des Antragstellers betrifft seine Privatsphäre. Der Schutz der Privatsphäre, der ebenso wie das Recht am eigenen Bild im allgemeinen Persönlichkeitsrecht wurzelt, umfasst zum einen Angelegenheiten, die wegen ihres Informationsinhalts typischerweis6 als "privat" eingestuft werden, weil ihre öffentliche Erörterung oder Zurschaustellung als peinlich empfunden wird oder als unschicklich gilt oder nachteilige Reaktionen der Umwelt auslöst, wie es etwa bei Auseinandersetzungen mit sich selbst, bei vertraulicher Kommunikation unter Eheleuten, im Bereich der Sexualität, bei sozial abweichendem Verhalten oder bei Krankheiten der Fall ist. Zum anderen erstreckt sich der Schutz auf einen räumlichen Bereich, in dem der Einzelne zu sich kommen, sich entspannen oder auch gehen lassen kann. Ein Schutzbedürfnis besteht dabei auch für Personen, die aufgrund ihres Rangs oder Ansehen, ihres Amtes oder Einflusses, ihrer Fähigkeiten oder Taten besondere öffentliche Beachtung finden. Wer, ob gewollt oder ungewollt, zur Person des öffentlichen Lebens geworden ist, verliert damit nicht sein Anrecht auf eine Privatsphäre, die den Blicken der Öffentlichkeit entzogen bleibt (vgl. BVerfG NJW 2000, 1021, 1022).

Der Schutz der Privatsphäre vor öffentlicher Kenntnisnahme entfällt aber, wenn sich jemand selbst damit einverstanden zeigt, dass bestimmte, gewöhnlich als privat geltende Angelegenheiten öffentlich gemacht werden, etwa indem er Exklusivverträge über die Berichterstattung aus seiner Privatsphäre abschließt. Der verfassungsrechtliche Privatsphärenschutz aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG ist nicht im Interesse einer Kommerzialisierung der eigenen Person gewährleistet. Zwar ist niemand an einer solchen Öffnung privater Bereiche gehindert. Er kann sich dann aber nicht gleichzeitig auf den öffentlichkeitsabgewandeten Privatsphärenschutz berufen. Die Erwartung, dass die Umwelt die Angelegenheiten oder Verhaltensweisen in einem Bereich mit Rückzugsfunktion nur begrenzt oder nicht zur Kenntnis nimmt, muss daher situationsübergreifend und konsistent zum Ausdruck gebracht werden (BVerfG a.a.O.).

Der Antragsteller kann sich danach nicht auf den Privatsphärenschutz berufen, denn er hat sein Privatleben umfassend vor der Öffentlichkeit ausgebreitet. Dies folgt noch nicht allein aus den mit der Schutzschrift vom 13. Juli 2005 beigebrachten Veröffentlichungen, weil der Antragsteller hier nur bestimmte Themenbereiche seines Privatlebens, nämlich im Wesentlichen die Beziehung zu seiner jetzigen Lebensgefährtin, das Verhältnis zu seinem ausgewanderten Sohn, die Trennung von seiner Frau ... und eine Australienreise zum Gegenstand der Berichterstattung gemacht hat, die abgrenzbar sind. Die ausschnittweise Öffnung der Privatsphäre führt aber nicht dazu, dass gleichsam der Schutz der gesamten Privatsphäre verwirkt wird. Vielmehr muss die Veröffentlichung mit dem der Öffentlichkeit zugänglich gemachten Teil korrespondieren (KGR Berlin 2000, 61-62). Dies ist bei der in Auszügen in der "SUPERillu" 1998 veröffentlichten Autobiographie der Fall. Der Antragsteller gewährte umfassend Einblicke in sein Privatleben, u.a. seine Beziehungen zu Frauen, Seitensprünge, seine Kinder. Er berichtet etwa über den Beginn der Beziehung mit ... und die Gewissenskonflikte, in denen er sich aufgrund seiner weiteren damaligen Freundin befand ("SUPERillu" v. 5. Februar 1998, S, 21). Er schildert ferner einen Seitensprung mit ... ("SUPERiliu" v. 5. März 1998, S. 20). Er hat dadurch das Interesse der Öffentlichkeit an seinem Liebesleben und dessen Folgen, nämlich von Kindern geweckt und genährt und muss es danach hinnehmen, dass nunmehr über Einzelheiten in Gestalt der Vaterschaft eines unehelichen Kindes berichtet wird. Der dadurch bewirkten Öffnung seiner Privatsphäre steht auch nicht entgegen, dass die Veröffentlichungen in der "SUPERillu" bereits sieben Jahre zurückliegen. Zwar ist jedem Betroffenen das Recht zuzusprechen, seine Überzeugung zu wandeln und auch sein Auftreten in der Öffentlichkeit zu überdenken. Eine solche konsistente Wandlung des Antragstellers vermag die Kammer aber nicht zu erkennen. Auch wenn der Antragsteller gegen den Bericht über eine Fehlgeburt im Jahr 2000 vorging und zur Veröffentlichung eines Leserbriefes auffordern ließ, so hat er damit nicht gezeigt, er verschließe nun sein Privatleben vor den Augen der Öffentlichkeit. Der Antragsteller hat auch danach sein Privatleben der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Denn im Dezember 1999 hatte er der "SUPERillu" noch ausführlich über sein Leben mit seiner Lebensgefährtin erzählt. An der Freiwilligkeit ändert sich auch nichts daran, dass dies zur Abwendung ungewollter Berichterstattung erfolgte. Denn er hätte gerichtlich hiergegen vorgehen können. Im Jahr 2002 wurde mit seiner Billigung in der "SUPERillu" über sein Verhältnis zu seinem Sohn ... berichtet, 2003 dann erneut über die Beziehung zu seiner Lebensgefährtin und Sohn ... (Anlagenkonvolut AG 12). Im Jahr 2004 kam es mit Billigung des Antragstellers zu einem Bericht in der "SUPERillu" über ein privates Zusammentreffen mit seinem Sohn. Weitere Berichte über das Privatleben des Antragstellers sind aus dem Anlagenkonvolut AG 12 ersichtlich.

Die Berichterstattung entspricht von dem Maß, in dem die Privatsphäre des Antragstellers berührt wird, auch dem, was der Antragsteller selbst bisher zugelassen hat. Sie betrifft nicht die Intimsphäre des Antragstellers. Dies ergibt sich daraus, dass lediglich über die Vaterschaft des Antragstellers berichtet wird, aber keine Details zu den Umständen mitgeteilt werden, wie es zu dem Kind kam (vgl. auch BGH NJW 1999, 2893, 2894).

Dem Antragsteller steht auch nicht deshalb ein Unterlassungsanspruch zu, weil die Berichterstattung unwahr ist. Aufgrund der von der Antragsgegnerin vorgelegten Geburts-, Unterhaltszahlungsurkunde und des Vaterschaftstestergebnisses ist glaubhaft, dass der Antragsteller der biologische Vater des Kindes ist. Soweit der Antragsteller sich auf den bestrittenen - Umstand beruft, dass er die Anerkennung der Vaterschaft widerrufen habe, so mag dies seine Stellung als Vater im Rechtssinne berühren, ändert aber nichts an seiner Eigenschaft als biologischer Vater.

Die Berichterstattung ist auch nicht ehrverletzend, weil die Tatsache eines nichtehelichen Kindes heutzutage mit keinem Makel verbunden ist.


II.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 6, 711 ZPO.

Rechtsgebiete

Presserecht