Rückruf einer Zeitschrift

Gericht

LG München I


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

30. 09. 2005


Aktenzeichen

9 O 16735/05


Tenor

  1. Die einstweilige Verfügung vom 24.8.2005 wird in Ziffer 1. und 2. insoweit bestätigt, als den Verfügungsbeklagten zu 1) und 2) verboten wird, über die Verfügungsklägerin zu behaupten und/oder behaupten zu lassen und zu verbreiten und/oder verbreiten zu lassen:

    "... erklärte ihrem Mann desweiteren, dass sie die gemeinsamen Kinder nie gewollt habe und dass sie sie nur seinetwegen bekommen habe."

  2. Es wird festgestellt, dass die Hauptsache in Ziffer 3. erledigt ist.

  3. Im übrigen wird die einstweilige Verfügung vom 24.8.2005 aufgehoben und der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen.

  4. Von den Gerichtskosten tragen die Verfügungsklägerin 8/10, die Verfügungsbeklagten zu 1) und 2) jeweils 1/10.

    Von den außergerichtlichen Kosten der Verfügungsklägerin tragen die Verfügungsbeklagten je 1/10.

    Von den außergerichtlichen Kosten der Verfügungsbeklagten zu 1) trägt die Verfügungsklägerin 5/6.

    Von den außergerichtlichen Kosten der Verfügungsbeklagten zu 2) trägt die Verfügungsklägerin 1/2.

    Die Verfügungsklägerin trägt die außergerichtlichen Kosten des Verfügungsbeklagten zu 3).

    Im übrigen tragen die Parteien ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

  5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, hinsichtlich der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 105 % des zu vollstreckenden Betrages.

Tatbestand


Tatbestand:

Die Verfügungsklägerin nimmt die Verfügungsbeklagten auf Unterlassung, die Verfügungsbeklagte zu 1) darüberhinaus auf Rückruf der Zeitschrift ... bzw. nach Hauptsacheerledigung auf deren Feststellung in Anspruch.

Am 25.8.2005 erschien in der Ausgabe ... der von der Verfügungsbeklagten zu 1) herausgegebenen Zeitschrift ... unter der Überschrift "Wer sagt die Wahrheit?" ein Artikel über die Verfügungsklägerin, in dem über einen Ehestreit zwischen der Verfügungsklägerin und ihrem Ehemann berichtet wird. Dort heißt es: "... druckt (davon) Auszüge, ohne Stellung zu beziehen". Nachfolgend wird eine eidesstattliche Versicherung des bei dem Ehestreit angeblich anwesenden Zeugen R wörtlich wiedergegeben - unter anderem mit folgendem Inhalt: "Frau ... erklärte ihrem Mann, dass sie die gemeinsamen Kinder nie gewollt und dass sie sie nur seinetwegen bekommen habe. Ihre Beziehung zu ... sei 'nur eine sexuelle Angelegenheit', sie werde mit ihm zu Turnieren fliegen und Spass haben, denn es gebe ja keinen 'Puff für Frauen'."

Die Verfügungsbeklagte zu 2) verantwortet den Internet-Auftritt der ... und berichtete inhaltsgleich. Der Verfügungsbeklagte zu 3) ist der Geschäftsführer der Verfügungsbeklagten zu 1) und 2).

Mit Beschluss vom 24.8.2005 erließ das Gericht antragsgemäß eine einstweilige Verfügung mit folgendem Wortlaut:

1. Der Antragsgegnerin zu 1) wird bei Meidung

- eines Ordnungsgeldes von EUR 5,00 bis zu EUR 250,000,00, an dessen Stelle im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ordnungshaft bis zu 6 Monaten tritt, oder

- einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten,

zu vollziehen am Geschäftsführer der Antragsgegnerin zu 1) für jeden einzelnen Fall der Zuwiderhandlung gemäß §§ 935 ff, 890 ZPO verboten,

(unter Bezugnahme auf eine "eidesstattliche Erklärung" von Herrn ...) zu behaupten und/oder behaupten zu lassen und zu verbreiten und/oder verbreiten zu lassen:

"Frau ... erklärte ihrem Mann desweiteren, dass sie die gemeinsamen Kinder nie gewollt habe und dass sie sie nur seinetwegen bekommen habe.

Ferner erklärte sie, ihre Beziehung mit ... sei nur eine sexuelle Angelegenheit, sie werde mit ihm zu Turnieren fliegen und Spass haben, denn es gebe ja keinen 'Puff für Frauen'."

2. Der Antragsgegnerin zu 2) sowie dem Antragsgegner zu 3) wird bei Meidung eines Ordnungsgeldes von EUR 5,00 bis zu EUR 250.000,00, an dessen Stelle im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ordnungshaft bis zu 6 Monaten tritt, oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu vollziehen am Geschäftsführer der Antragsgegnerin zu 2) für jeden einzelnen Fall der Zuwiderhandlung gemäß §§ 935 ff., 890 ZPO verboten, (unter Bezugnahme auf eine "eidesstattliche Erklärung" von Herrn ...) zu behaupten und/oder behaupten zu lassen und/oder verbreiten zu lassen:

"Frau ... erklärte ihrem Mann, dass sie die gemeinsamen Kinder nie gewollt und dass sie sie nur seinetwegen bekommen habe. Ihre Beziehung zu ... sei 'nur eine sexuelle Angelegenheit', sie werde mit ihm zu Turnieren fliegen und Spass haben, denn es gebe ja keinen 'Puff für Frauen'."

3. Der Antragsgegnerin zu 1) wird aufgegeben, die bereits ausgelieferten Exemplare der Zeitschrift ... Nr. 35/2005 zurückzurufen, soweit. diese die Äußerungengemäß Ziffer 1. enthalten.

Am 26.8.2005 legte die Verfügungsbeklagte zu 1) Widerspruch gegen die einstweilige Verfügung ein.

Die Verfügungsklägerin trägt vor, die aufgestellten Behauptungen seien falsch und von der Verfügungsklägerin niemals geäußert worden. Ferner stellten die Behauptungen einen erheblichen Eingriff in die Intim- und Privatsphäre der Verfügungsklägerin dar, der so schwer wiege, dass auch ein Rückruf der streitgegenständlichen Ausgabe der Zeitschrift ... gerechtfertigt sei.

Die Verfügungsklägerin beantragt zuletzt:

Die einstweilige Verfügung vom 24.8.2005 in Ziffer 1. und 2. zu bestätigen und festzustellen, dass sich die Hauptsache in Ziffer 3. erledigt hat.

Die Verfügungsbeklagten beantragen:

Die Verfügung insgesamt aufzuheben und den Feststellungsantrag abzuweisen.

Die Verfügungsbeklagten tragen vor, die behaupteten Äußerungen seien tatsächlich so gefallen. Ferner hafteten die Verfügungsbeklagten in vorliegendem Fall nicht als "Behauptende", da sie lediglich ergebnisoffen die eidesstattliche Versicherung des Zeugen ... zitiert hätten, ohne sich diese zu eigen zu machen. Die Intimsphäre der Verfügungsklägerin sei bereits nicht berührt, da nicht auf das Sexualleben der Verfügungsklägerin eingegangen worden sei, sondern lediglich auf ihre öffentlich ausgelebte Beziehung zu ... und ihre innere Einstellung dazu. Die Privatsphäre sei nicht verletzt, da die Verfügungsklägerin diese bereits seit Jahren öffentlich zur Schau stelle. Jedenfalls liege aber kein so erheblicher Eingriff vor, dass ein Rückruf der streitgegenständlichen Ausgabe der Zeitschrift ... gerechtfertigt sei. Der Verfügungsbeklagte zu 3) sei schon nicht passivlegitimiert, da er lediglich Geschäftsführer der Verfügungsbeklagten zu 1) und zu 2) und damit nicht Verantwortlich für den Abdruck bzw. den Internetauftritt dieser sei.

Die Verfügungsklägerin erwidert insoweit, dass der Verfügungsbeklagte zu 3) persönlich entscheide, was in den Internet-Auftritt aufzunehmen oder dort zu entfernen ist.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe


Entscheidungsgründe:

I.

Die Verfügungsklägerin kann einen Unterlassungsanspruch gegen die Verfügungsbeklagten nur zum Teil erfolgreich geltend machen.

1. Die einstweilige Verfügung war gegenüber den Verfügungsbeklagten zu 1) und 2) hinsichtlich der angeblichen Äußerung der Verfügungsklägerin in Bezug auf ihre Kinder unabhängig davon zu bestätigen, ob die Äußerung tatsächlich so gefallen ist.

a) Die gebotene Güter- und Interessenabwägung zwischen dem Informationsinteresse des Lesers und der Pressefreiheit der Verfügungsbeklagten einerseits und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht der Verfügungsklägerin andererseits fällt. hier eindeutig zu Gunsten der Verfügungsklägerin aus. Die Äußerung, die Verfügungsklägerin habe die gemeinsamen Kinder nie gewollt, greift so erheblich in die Beziehung zu ihren Kindern und damit in die Privatsphäre der Verfügungsklägerin selbst ein, dass eine solche Äußerung unabhängig Von ihrem Wahrheitsgehalt schlichtweg nicht abgedruckt werden darf. Die angebotenen Glaubhaftmachungsmittel waren daher bezüglich dieser Äußerung irrelevant.

b) Zwar ist den Verfügungsbeklagten zuzubilligen, dass nur Äußerungen der Verfügungsklägerin in einem heftig geführten Ehestreit wiedergegeben wurden, so dass sie in einem anderen Kontext erscheinen, als hätte sich die Verfügungsklägerin beispielsweise unmittelbar gegenüber ihren Kindern so geäußert. Am Inhalt der streitgegenständlichen Textstelle ändert dies jedoch nichts. Die Verfügungsklägerin braucht nicht hinzunehmen, dass eine solche Äußerung wiedergegeben wird, die ihr möglicherweise heftige Vorwürfe ihrer Kinder - wenn auch erst in ferner Zukunft - einbringen wird.

2. Die angeblichen-Äußerungen der Verfügungsklägerin bezüglich ihrer sexuellen Beziehung zu ... waren nicht zu untersagen.

a) Der Verfügungsklägerin ist der Nachweis der Unwahrheit dieser Behauptungen nicht gelungen. Die Verfügungsklägerin hat zwar an Eides statt versichert, sie habe diese Äußerungen niemals getätigt. Die Verfügungsbeklagten haben jedoch mit vier eidesstattlichen Versicherungen belegt, dass sich die Verfügungsklägerin so geäußert hat, wie sie zitiert wurde. Keine Seite kann eine erhöhte Glaubwürdigkeit für sich beanspruchen. Die Verfügungsklägerin ist - wie auf der Hand liegt - selbst betroffen. Die Urheber der eidesstattlichen Versicherungen zählen offensichtlich zum Freundeskreis des Ehemannes der Verfügungsklägerin, mit dem diese durch eine heftigst geführte Auseinandersetzung verbunden ist. Dass der Sachverhalt nicht aufgeklärt werden kann, geht zum Nachteil der insoweit mit der Glaubhaftmachung belasteten Verfügungsklägerin.

b) Der Abdruck der zitierten Äußerung stellt auch keinen go schwerwiegenden Eingriff in die Privat- oder Intimsphäre der Verfügungsklägerin dar, dass er schlichtweg zu verbieten gewesen wäre.

aa) Ob überhaupt die Intimsphäre der Verfügungsklägerin berührt ist, erscheint zweifelhaft, mag aber dahinstehen.

bb) Ausweislich der von den Verfügungsbeklagten vorgelegten Zeitungsausschnitten begibt sich die Verfügungsklägerin bereits seit Jahren sowohl mit ihrem Privat- als auch Intimleben in die Öffentlichkeit bzw. läßt die Presse hierüber berichten, ohne sich dagegen zu wenden. So ließ sich die Verfügungsklägerin für die Zeitschrift ... ablichten; ein weiteres veröffentlichtes Foto zeigt die Verfügungsklägerin nahezu unbekleidet im Verlauf ihrer Schwangerschaft, es wurde in der ...-Zeitung abgedruckt. Die Verfügungsklägerin beteiligte sich an einem gestellten "Blind Date" mit einem Herrn ... dem ein sexueller Kontakt fingiert wurde und hierüber berichtet wurde. In diesem Zusammenhang äußerte die Verfügungsklägerin unter anderem: "Ich habe noch fünf Kilo mehr als vor der Schwangerschaft. Sie stecken im Busen und im Po. Mein Mann Hans liebt diese fünf Kilo." "Für meine Beine kann man meinen Busen und meinen Po wegwerfen. Die sind meine erotischste Zone. Berühr mich in der Kniekehle - und du hast mich." (vgl. Anlagen AG 1 ff). Auch hat die Verfügungsklägerin generell kein Geheimnis aus ihrer Beziehung zu ... gemacht.

3. Der Verfügungsbeklagte zu 3) kann nicht erfolgreich auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Seine Störereigenschaft hat die Verfügungsklägerin nicht ausreichend dargetan, nachdem der Verfügungsbeklagte zu 3) unter Hinweis auf das Impressum der Verfügungsbeklagten zu 2) ausgeführt hat, dass diese über eine eigene Redaktion verfügt. Eine Haftung des in der Regel nur kaufmännisch tätigen Geschäftsführers einer GmbH kam damit nicht in Betracht.


II.

Der Antrag, die Hauptsacheerledigung hinsichtlich Ziffer 3. festzustellen, war prozessual geboten und konnte als sachdienliche Klageänderung in den Prozeß eingeführt werden. Er ist jedoch unbegründet.

Ein Rückrufanspruch der Verfügungsklägerin ist bei sorgfältiger Güter- und Interessenabwägung nicht gegeben. Ein solcher ist dem Grunde nach (nur) bezüglich der (angeblichen) Äußerung über die Kinder der Verfügungsklägerin denkbar.

1. Ein Rückrufanspruch ist dem Grunde nach anerkannt, vgl. unter anderem Wenzel/Burkhardt, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl., § 12 Randnr. 99 ff, Prinz/Peters, Medienrecht, Randnr. 780, Barschke, AfP 2004, 413, jeweils mit weiteren Nachweisen.

2. Für die Kammer kommt grundsätzlich auch in Betracht, dass ein solcher Anspruch im Wege der einstweiligen Verfügung, ja sogar ohne mündliche Verhandlung durchgesetzt werden kann, obwohl die genannten Autoren dies nicht durchweg so sehen. Diese Frage braucht hier jedoch nicht abschließend beantwortet zu werden.

3. Jedenfallsist die Rückrufverpflichtung die schärfste Zuspitzung des presserechtlichen Unterlassungsanspruchs und damit nur in Ausnahmefällen als Ultima-Ratio zu bejahen. Solche Ausnahmefälle sind dann gegeben, wenn ein besonders schwerwiegender Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht vorliegt und eine Abwägung der beiderseitigen Interessen insbesondere auch der wirtschaftlichen Nachteile auf Seiten des Presseorgans den Rückruf gebietet. Bei dieser Abwägung ist auch zu berücksichtigen, ob der von der Berichterstattung Betroffene über andere durchsetzbare Ansprüche verfügt.

Ein solch schwerwiegender Eingriff ist vorliegend jedoch noch nicht gegeben. Hierbei istzu berücksichtigen, dass die Rückrufverpflichtung für die Verfügungsbeklagte zu 1) eine immense finanzielle Tragweite entfaltet, wobei es sich im Gegensatz dazu um einen sehr kleinen Ausschnitt in der ansonsten zulässigen Berichterstattung über die Verfügungsklägerin handelt. Zu bedenken ist hier ferner, dass der Verfügungsklägerin zur Abwendung oder Wiedergutmachung des Eingriffes weitere presserechtlichen Mittel zustehen, die das Gewicht des Angriffs ausreichend mindern: Zwar mögen Ansprüche auf Gegendarstellung, Berichtigung öder Schadensersatz für die Verfügungsklägerin wegen der ihr regelmäßig obliegenden Beweislast teilweise schwer durchsetzbar sein, doch wird dem Interesse im Hinblick auf das Verhältnis zu ihren Kindern ja bereits der von ihr durchgesetzte Unterlassungsanspruch gerecht.


III.

Die Entscheidung über die Kosten, erging gemäß §§ 91, 92 ZPO anhand der Baumbach'schen Formel entsprechend dem jeweiligen Obsiegen und Unterliegen, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.

Rechtsgebiete

Presserecht