Verfassungsmäßigkeit der Einkommensanrechnung nach SGB II bei eheähnlicher Gemeinschaft

Gericht

LSG Nordrhein-Westfalen


Art der Entscheidung

Beschluss über Beschwerde


Datum

21. 04. 2005


Aktenzeichen

L 9 B 6/05 SO ER


Leitsatz des Gerichts

  1. Der Begriff „eheähnliche Gemeinschaft“ in § 7 III Nr. 3 lit. b SGB II ist ebenso zu definieren wie dieser Begriff in früheren gesetzlichen Regelungen (u.a. § 122 BSHG).

  2. Die eheähnliche Gemeinschaft ist nach einhelliger gefestigter Rechtsprechung definiert als die Lebensgemeinschaft eines Mannes und einer Frau, die auf Dauer angelegt ist, daneben keine weitere Lebensgemeinschaft gleicher Art zulässt und sich durch innere Bindungen auszeichnet, die ein gegenseitiges Einstehen der Partner füreinander begründen, also über die Beziehungen einer reinen Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft hinausgehen (BVerfGE 87, 234 [264] = NJW 1993, 643 = NZS 1992, 72; zuletzt wohl BVerfG, FamRZ 2004, 1950 m.w. Nachw.).

  3. Für die Beurteilung, ob eine eheähnliche Gemeinschaft vorliegt, ist stets maßgebend, ob das „Gesamtbild“ aller zu wertenden Tatsachen die Annahme des Vorliegens einer solchen Gemeinschaft rechtfertigt.

  4. Für das Indiz einer längeren Dauer des Zusammenlebens wird nicht zwingend ein Zeitraum von drei Jahren vorausgesetzt.

  5. Der Senat hat auch keine Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit von § 7 III Nr. 3 lit. b SGB II.

  6. Der Lebenspartner, der weder Vater noch Stiefvater eines Kindes der Lebenspartnerin ist, ist auch nicht nach § 9 II 3 SGB II leistungspflichtig. Diese Vorschrift stellt allein eine Verteilungsregelung für den weiteren Bedarf bei mehreren Personen der Bedarfsgemeinschaft dar, wenn auch nach dem Einsatz aller Mittel dieser Bedarfsgemeinschaft ein Restbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts verbleibt. Sie begründet dagegen nicht selbst eine Stellung als Leistungsverpflichteter, sondern setzt eine solche Einstandsverpflichtung voraus.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Die Ast. - Ast. zu 1 und Ast. zu 2 - begehren Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II im Wege der einstweiligen Anordnung. Die Ast. bezogen von der Ag. bis zum 31. 12. 2004 Leistungen zur Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz und beantragten im Oktober Leistungen nach dem SGB II. Nachdem bei der Ag. im November 2004 eine anonyme Anzeige eingegangen war, nach der die Ast. zu 1 seit circa zehn Jahren mit ihrem Vermieter zusammenlebe, ein Hausbesuch am 8. 12. 2004 bei der Ast. zu 1 veranlasst worden war und eine Nachfrage bei den zuständigen Stromwerken ergab, dass in der Wohnung der Ast. zu 1 ein einem Drei-Personen-Haushalt entsprechender Stromverbrauch vorgelegen haben dürfte, lehnte die Ag. den Antrag mit Bescheid vom 6. 1. 2005 mit der Begründung ab, die Ast. lebten mit dem Vermieter H in „häuslicher“ und „wirtschaftlicher“ Gemeinschaft zusammen. Die Ast. zu 1 erhob gegen den Bescheid am 18. 1. 2005 Widerspruch, mit dem sie geltend machte, dass eine eheähnliche Lebensgemeinschaft zwischen ihr und H nicht bestehe.

Das SG Düsseldorf (NJW 2005, 845) hat dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung stattgegeben und die Ag. dazu verpflichtet, den Ast. 80% der zustehenden Leistungen nach dem SGB II ab 1. 1. 2005 zu gewähren. Die dagegen eingelegte Beschwerde der Ag. hatte teilweise Erfolg.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

Die Beschwerde der Ag. ist insoweit begründet, als die Ast. zu 1 im Wege der einstweiligen Anordnung keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts hat. Im Übrigen ist die Beschwerde hinsichtlich des Ast. zu 2 unbegründet.

Die Ast. zu 1 hat als erwerbsfähige Hilfebedürftige keinen Anspruch auf die vorläufige Zahlung von Leistungen nach dem SGB II im Wege der einstweiligen Anordnung gem. § 86b II 2 SGG, weil sie bereits keinen Anordnungsanspruch, das heißt das Bestehen des materiellen Rechts auf Arbeitslosengeld II-Leistungen, das ohne vorläufige Regelung gefährdet sein könnte, glaubhaft gemacht hat.

Gemäß § 7 III SGB II sind die Ast. zu 1 (Nr. 1), der Ast. zu 2 als deren im Haushalt lebendes minderjähriges, unverheiratetes Kind (Nr. 4) sowie schließlich auch H nach Nr. 3b in die Bedarfsgemeinschaft einzubeziehen, weil er mit der Ast. zu 1 in eheähnlicher Gemeinschaft lebt. Sein Einkommen ist daher nach § 9 II 1 SGB II bei der Feststellung der Hilfebedürftigkeit der Ast. zu 1 zu berücksichtigen.

Entgegen der Auffassung des SG spricht auch bei einer im einstweiligen Verfahren gebotenen summarischen Prüfung auf Grund der Sachlage schon mehr für das Bestehen einer eheähnlichen Gemeinschaft als dagegen. Die eheähnliche Gemeinschaft ist nach einhelliger gefestigter Rechtsprechung definiert als die Lebensgemeinschaft eines Mannes und einer Frau, die auf Dauer angelegt ist, daneben keine weitere Lebensgemeinschaft gleicher Art zulässt und sich durch innere Bindungen auszeichnet, die ein gegenseitiges Einstehen der Partner füreinander begründen, also über die Beziehungen einer reinen Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft hinausgehen (BVerfGE 87, 234 [264] = NJW 1993, 643; zuletzt wohl BVerfG, FamRZ 2004, 1950 m.w. Nachw.). Als wichtige Indizien für die Feststellung einer solchen eheähnlichen Gemeinschaft hat das BVerfG die lange Dauer des Zusammenlebens, die Versorgung von Kindern und Angehörigen im gemeinsamen Haushalt und die Befugnis, über Einkommen und Vermögensgegenstände des anderen Partners zu verfügen, genannt (BVerfGE 87, 234 = NJW 1993, 643 = NZS 1992, 72 = SozR 3-4100 § 137 Nr. 3). Hinsichtlich der Dauer des Zusammenlebens sind wichtige Hinweistatsachen die Dauer und Intensität der Bekanntschaft vor Begründung der Wohngemeinschaft, der Anlass für das Zusammenziehen, die konkrete Lebenssituation während der streitgegenständlichen Zeit und die nach außen erkennbare Intensität der gelebten Gemeinschaft (BVerwGE 98, 195 = NJW 1995, 2802), wobei das BSG eine „Drei-Jahres-Grenze“ (vgl. BSG, SozR 3-4100 § 119 Nr. 15) des Zusammenlebens nicht als zeitliche Mindestvoraussetzung für das Bestehen einer eheähnlichen Gemeinschaft verstanden hat (BSG, SozR 3-4300 § 144 Nr. 10; Spellbrink, in: Eicher/Spellbrink, SGB II, 2005, § 7 Rdnr. 27).

Entgegen den Ausführungen des SG in seinem Nichtabhilfebeschluss sind damit aber keineswegs „einzig zulässige“ und abschließend aufgezählte Indizien für eine eheähnliche Lebensgemeinschaft beschrieben, die zudem - wie vom SG durch die Art der Aufzählung suggeriert - kumulativ vorliegen müssen. Vielmehr sind damit für den Rechtsanwender nur die (maßgeblichen) Umstände mit individueller Bedeutung zur Ausfüllung des unbestimmten Rechtsbegriffs „eheähnliche Gemeinschaft“ erläutert. Diese Indizien oder besser „Hinweistatsachen“ können schon von ihrer Bedeutung und nach Sinn und Zweck nicht abschließende Kriterien sein. Für die Beurteilung, ob eine eheähnliche Gemeinschaft vorliegt, ist stets maßgebend, ob das „Gesamtbild“ aller zu wertenden Tatsachen die Annahme des Vorliegens einer solchen Gemeinschaft rechtfertigt (einhellige Meinung: BVerwGE 98, 195 = NJW 1995, 2802; BVerfGE 87, 235 [264, 265] = NJW 1993, 643 = NZS 1992, 72 = BSG SozR 3-4100 § 137 Nr. 3; Rothkegel, SozialhilfeR, Teil III, Kap. 13 Rdnrn. 10ff. [S. 324]; Grube/Wahrendorf, SGB XII, § 20 Rdnrn. 11ff.). Das SG verkennt auch, dass auch nicht andeutungsweise festgelegt ist, für das Indiz einer längeren Dauer des Zusammenlebens werde zwingend ein Zeitraum von drei Jahren vorausgesetzt. Die vom SG zitierte Literaturstelle (Hauck/Noftz, SGB III, Stand: 2004, § 193 Rdnr. 4) verweist lediglich auf die von der Bundesagentur für Arbeit zu § 193 Nr. 2 III SGB III in den Dienstanweisungen geäußerte Meinung. Eine starre Grenze der Dauer des Zusammenlebens ist damit aber nicht festgelegt. Vielmehr sind die Zeiträume entsprechend den Lebensgestaltungen mehrgestaltig (vgl. insoweit Rothkegel, Rdnr. 11; Grube/Wahrendorf, Rdnr. 12).

Hiervon ausgehend hat die - hierfür beweispflichtige - Ag. glaubhaft gemacht, dass mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zwischen der Ast. zu 1 und H eine eheähnliche Gemeinschaft vorliegt. Die hiergegen gerichteten Einwände der Ast. zu 1 sind insoweit nicht plausibel und schlüssig.

Nach den bekannten Umständen spricht lediglich die Existenz eines eigenen Kontos der Ast. zu 1 gegen die Annahme einer Gemeinschaft sowie der formal abgeschlossene Mietvertrag. Im Übrigen sprechen zahlreiche Indizien für das Führen einer eheähnlichen Gemeinschaft. Insoweit ist zunächst ein starker Anhaltspunkt in der Tatsache zu sehen, dass H als Vermieter zumindest ab 2004 endgültig von seiner früheren Anschrift in der D.-Straße in das Haus der M.-Straße, in dem die Ast. bereits seit Jahren ihre Wohnung gehabt haben, gezogen ist. Abgemeldet ist H im Übrigen darüber hinaus von der D.-Straße bereits seit dem Jahr 2000. Die Ast. zu 1 hat in keiner Weise einen nachvollziehbaren Grund dafür benennen können, dass der Vermieter eine vollständige eigene Wohnung in einem anderen Haus aufgibt und lediglich in zwei Dachzimmer zieht, die sich zudem ausweislich des Hausbesuchsberichts der Ag. an die über zwei Etagen gehende Wohnung der Ast. zu 1 (1. Geschoss und Dachgeschoss) anschließen und nicht einer abgeschlossenen Wohnung entsprechen. Das Bad befindet sich außerhalb im Flur und gehört zudem zur Wohnung der Ast. zu 1. Eine eigene Wohnung des H hat der Hausbesuchsdienst der Ag. jedenfalls nicht feststellen können und ist nach der allgemein gehaltenen Gegendarstellung der Ast. zu 1 auch für den Senat nicht plausibel als existent ansehbar. Für das Vorliegen der Gemeinschaft spricht ferner die Tatsache, dass H dem Besuchsdienst der Ag. in Unterhemd und Unterhose die Tür geöffnet hat. Dies belegt, dass ein derartiges Vertrautsein des H in der Wohnung vorliegt, dass er sich völlig ungezwungen dort bewegt und sich „zu Hause“ fühlt. Es ist insoweit in keiner Weise nachvollziehbar, weshalb sonst sich ein Vermieter in dieser Weise in der Wohnung seiner Mieterin bewegt, außer dass ein Vertrautsein „wie zwischen Eheleuten“ besteht. In diesem Zusammenhang ist überhaupt nicht mehr plausibel, wie sich eine teilweise Entkleidung und der Aufenthalt des Vermieters in der Wohnung der Ast. zu 1 mit dessen Bereitschaft zum Türöffnen gegenüber Fremden anlässlich einer nur kurzen vorherigen Bitte zur „Tasse Kaffee nach einem Treff im Flur“ ergeben sollen. Mit einem regelmäßigen Zusammenleben stimmen ferner die Feststellungen des Besuchsdienstes der Ag. überein, dass ein benutztes Doppelbett sowie im Kleiderschrank Herrenwäsche im Stil für Erwachsene vorgefunden worden sind und das Badezimmer zur Benutzung zweier Personen eingerichtet gewesen ist. Auch die Feststellung der Ag., der auf ihre Nachfrage beim Versorgungsunternehmen angegebene monatliche Stromverbrauch entspreche einem Drei-Personen-Haushalt, weist auf einen ständigen Lebensaufenthalt mit entsprechendem Verbrauchsbedarf des H in der Wohnung der Ast. hin. Dieser Hinweis wird auch nicht dadurch entkräftet, dass die Stromkosten seit der Abfassung des neuen Mietvertrags ab 1. 1. 2004 aus der Umlagepauschale in die Miete herausgenommen worden sind. Die Miete hat sich nach Angaben der Ast. zu 1 als solche zwar verringert; sie hat aber danach den Strombedarf weiterhin selbst voll monatlich bezahlt.

Soweit die Ast. zu 1 in ihrem zeitweisen kurzen Auszug aus der Wohnung einen Hinweis auf das Nichtvorliegen einer eheähnlichen Gemeinschaft sieht, ist auch dies kein Anhaltspunkt, der die vorgenannten Indizien für das Vorliegen der Gemeinschaft entkräftet. Selbst wenn die Ast. zu 1 derart weitgehend gedacht haben sollte, fehlt eine solche angenommene Aussagekraft angesichts des jahrelangen vorherigen Zusammenseins, das offensichtlich von übrigen Hausbewohnern als eheähnlich registriert und zum Anlass einer anonymen Anzeige genommen worden ist. Zu der Umzugsdauer hat die Ast. zu 1 zudem unterschiedliche Angaben von einem bis drei Monaten gemacht. Derartige Gedächtnislücken sind angesichts der kurzen abgelaufenen Zeit jedenfalls nicht verständlich und nachvollziehbar und sprechen vielmehr dafür, dass ein derartiger Umzug nicht erfolgt ist und die Gemeinschaft fortbestanden hat.

Dies bestätigt auch der Bericht des Hausbesuchs der Ag. in der Wohnung der Schwester, zu der die Ast. zu 1 gezogen sein wollte. Denn dort hat man keinen entsprechenden weiteren Kleidungsumfang für eine weitere weibliche Person sowie die entsprechende Bestückung des Badezimmers feststellen können. Darüber hinaus ist es auch nicht nachvollziehbar, dass die Ast. zu 1 ihren Sohn, den Ast. zu 2, weiterhin in der Wohnung zurücklassen und eine Trennung hinnehmen wollte. Die Wohnung der Schwester ist ohnehin auch für zwei Personen zu klein gewesen, so dass sie einen dauerhaften Aufenthalt der Ast. zu 1 nicht zugelassen hätte und sich somit die Frage, ob auch der Ast. zu 2 dort hätte mit einziehen können, von vornherein nicht ernsthaft hat stellen können.

Der Umstand, dass die Ast. zu 1 den Sohn in dieser Zeit in der Obhut des H gelassen hat, ist ebenfalls ein starkes Indiz für das Bestehen einer Lebensgemeinschaft. Denn es stellt gerade ein „Füreinander Einstehen“ des H für die Ast. zu 1 dar, die Versorgungs- und Betreuungsaufgabe für den Sohn in der gemeinsamen Wohnung zu übernehmen und durchzuführen. Da der Ast. zu 2 zudem (lern)behindert ist, bedarf es eines grundlegenden Vertrauens zueinander, dass eine derartige Versorgung ordnungsgemäß und umfassend erfolgt. Indem die Ast. zu 1 regelmäßig zur Betreuung wieder in der Wohnung selbst gewesen sein will, ist auf nur ein - mag es erst recht auch ein „Panikverhalten“ gewesen sein - unüberlegtes und ungesteuertes Verhalten zu schließen, das ernsthafterweise nicht die Aufhebung oder Nichtexistenz der zuvor gelebten eheähnlichen Gemeinschaft widerlegen kann.

Dies umso weniger, als sich H als behaupteter Vermieter in derselben Zeit weiterhin in der Wohnung aufgehalten hat.

In Würdigung aller vorgenannten Umstände spricht damit das Gesamtbild für ein Vorliegen einer eheähnlichen Gemeinschaft zwischen der Ast. zu 1 und H, das durch ein einfaches Bestreiten ihrer Existenz nicht in Frage gestellt werden kann. Damit hat die Ag. aber zu Recht angenommen, dass H sein Einkommen zur Deckung des Lebensbedarfs der Ast. zu 1 einzusetzen hat. Die Ast. zu 1 sowie H haben hierzu während des bisherigen Verfahrens keine Angaben gemacht, so dass nicht feststellbar ist, ob die Ast. zu 1 hilfebedürftig ist. Die Ag. ist zwar insgesamt für das Vorliegen einer eheähnlichen Gemeinschaft und die fehlende Hilfebedürftigkeit beweispflichtig. Die Ast. zu 1 als Hilfebedürftige muss insoweit auch keine Angaben zu Mit- oder Untermietern und deren Einkommen im Einzelnen machen. Für die Zwecke der Grundsicherung für Arbeitsuchende reicht es aus, wenn sie ihre eigenen (Miet-)Anteile sowie ihr Einkommen angibt. Sie trägt aber das rechtliche Risiko dafür, dass entgegen ihren Angaben doch eine eheähnliche Lebensgemeinschaft vorliegt (vgl. BVerfG, FamRZ 2004, 1950). Damit muss sich die Ast. zu 1 die fehlende Feststellbarkeit ihrer Hilfebedürftigkeit entgegenhalten lassen, so dass sie das Bestehen eines Leistungsanspruchs und damit auch eines Anordnungsanspruchs nicht glaubhaft gemacht hat. Der Beschluss des SG ist mithin bereits aus diesem Grund betreffend die Ast. zu 1 aufzuheben.

Der Senat hat im Übrigen auch - entgegen der Auffassung des SG - keine Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit von § 7 III Nr. 3b SGB II. Das SG übersieht bereits, dass das BVerfG in seiner grundlegenden Entscheidung vom 17. 11. 1992 (BVerfGE 87, 234 = NJW 1993, 643 = NZS 1992, 72 = SozR 3-4100 § 137 Nr. 3) die eheähnliche Gemeinschaft und die Berücksichtigung deren Einkommens in die Bedürftigkeitsprüfung des Hilfeempfängers zum Schutz und zur Verhinderung einer Ungleichbehandlung der Ehe als vertretbare, verfassungsgemäße gesetzgeberische Entscheidung angesehen hat. Ausgangs- und Bezugspunkt einer Verfassungsbetrachtung ist allein die Ehe und nicht die Beziehung von Lebensgemeinschaften untereinander allgemein. Insoweit hat es das BVerfG dem Gesetzgeber überlassen, welche Form von Lebensgemeinschaften zum Schutz der Ehe in eine Bedarfs- und Einstandsgemeinschaft einzubeziehen sind. Die Berücksichtigung von anderen Lebens-, Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaften - wie etwa Gemeinschaften zwischen gleichgeschlechtlichen Partnern, die nicht Lebenspartner nach dem Lebenspartnerschaftsgesetz (LPartG) sind, oder Verwandten - hat es nicht für erforderlich gehalten. Entgegen den allgemein gehaltenen Behauptungen des SG zu deren Verbreitung und Häufigkeit, die allein für sich genommen zudem keinen Aussagewert haben, ist auch nicht eine solche Zunahme derer Existenz erkennbar, dass angesichts deren Gewichts über die Regelungen des Lebenspartnerschaftsgesetzes hinaus die Pflicht des Gesetzgebers zum Handeln die einzig denkbare Konsequenz und der gegenwärtige Rechtszustand überdies wegen eines Verstoßes gegen Art. 3 GG verfassungswidrig wäre. Davon kann aber nicht die Rede sein. Die Nichtberücksichtigung der eheähnlichen Gemeinschaft von Mann und Frau wäre im Hinblick auf die dann alleinige Berücksichtigung der Ehe verfassungswidrig. Es gibt aber keinen Grund, Einkommen und Vermögen von Eheleuten nicht zu berücksichtigen, so dass unabhängig von einer Notwendigkeit der Erfassung anderer menschlicher Lebensformen jedenfalls die Gleichbehandlung der eheähnlichen Gemeinschaft eines Mannes und einer Frau - und ausschließlich darum geht es hier - vom Ansatz her auch nicht im Licht des Art. 3 GG verfassungswidrig sein kann.

Es bleibt vielmehr dabei, dass die Einbeziehung der eheähnlichen Lebensgemeinschaft in die Bedarfs- und Einstandsgemeinschaft zum Schutz der Ehe, der gesetzlich in den bisherigen § 122 BSHG, jetzt: § 20 SGB XII, § 137 IIa AFG, ab 1. 1. 1998: § 193 SGB III, § 7 III Nr. 2 SGB II zum Ausdruck gekommen ist, entsprechend den Ausführungen des BVerfG verfassungsgemäß ist. Ausgehend von dieser Verfassungsmäßigkeit der Einbeziehung der eheähnlichen Gemeinschaften in die Bedürftigkeitsberechnung wie bei Eheleuten und einer Gleichstellung mit diesen, könnte sich nur die Frage stellen, ob auch weitere Lebensgemeinschaften einzubeziehen wären. Deren Beantwortung liegt aber in der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers und steht vorliegend nicht zur Diskussion. Denn auf sie kommt es bei der vorliegenden Sach- und Rechtslage nicht an. Da die Heranziehung der eheähnlichen Gemeinschaft verfassungsgemäß und nur zu prüfen ist, ob die Ast. zu 1 und H eine solche bilden, andere Lebensgemeinschaften vorliegend nach dem Sachverhalt nicht betroffen sind, sind die Ausführungen des SG insoweit nicht entscheidungserheblich.

Im Übrigen ist die Beschwerde der Ag. unbegründet und der angefochtene Beschluss dem Grunde nach zu bestätigen. H hat sein Einkommen nicht zu Gunsten des Ast. zu 2 einzusetzen, so dass Letzterer einen Bedarf zur Deckung seines Lebensunterhalts hat und bedürftig ist.

Der Ast. zu 2 ist gem. § 7 III Nr. 4 SGB II Leistungsberechtigter, weil er als minderjähriges, unverheiratetes Kind im Haushalt der Ast. zu 1 lebt. Er ist auch nach § 9 I SGB II hilfebedürftig, weil er als Schüler seinen Lebensunterhalt nicht selbst - was offensichtlich ist - und auch nicht durch die Ast. zu 1 sichern kann. H kann im Rahmen der bestehenden Haushaltsgemeinschaft nicht herangezogen werden, da er mit dem Ast. zu 2 nicht verwandt oder verschwägert ist (vgl. § 9 V SGB II). Er ist weder dessen Vater noch Stiefvater. H ist auch nicht nach § 9 II 3 SGB II leistungspflichtig. Denn diese Vorschrift stellt allein eine Verteilungsregelung für den weiteren Bedarf bei mehreren Personen der Bedarfsgemeinschaft dar, wenn auch nach dem Einsatz aller Mittel dieser Bedarfsgemeinschaft ein Restbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts verbleibt. Sie begründet dagegen nicht selbst eine Stellung als Leistungsverpflichteter, sondern setzt eine solche Einstandsverpflichtung voraus. Somit verbleibt lediglich die Ast. zu 1 als Mutter nach § 9 II 2 SGB II leistungspflichtig, die den Bedarf des Ast. zu 2 aber wegen fehlenden eigenen Einkommens nicht sichern kann. Damit hätte der Ast. zu 2 als Hilfebedürftiger über 14 Jahren, aber unter 18 Jahren einen Regelbedarf von 276 Euro monatlich zuzüglich Kosten für Unterkunft und Heizung (ausweislich des Antrags 436,90 Euro) von anteilig bezogen auf drei Personen monatlich 145,63 Euro - insgesamt also 421,63 Euro. Hierauf muss er sich das ihm zustehende Kindergeld von 154 Euro anrechnen lassen, so dass ein Bedarf von monatlich 207,63 Euro/gerundet (§ 41 II SGB II) 208 Euro verbleibt. Der Senat hält es in diesem Zusammenhang für gerechtfertigt, den Leistungszeitraum auf die Zeit vom 10. 2. 2005 (Antrag auf einstweilige Anordnung bei Gericht) bis zum 31. 5. 2005 festzulegen. Hinsichtlich des Beginns folgt er der bisherigen herrschenden Auffassung der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte zu Leistungen im Rahmen einer einstweiligen Anordnung (vgl. statt anderer VGH Kassel, FEVS 33, 108 [113]; OVG Münster, Beschl. v. 18. 6. 2002 - 16 B 834/02, unveröff.). Da Arbeitslosengeld II bzw. das Sozialgeld, das hier dem Ast. zu 2 zusteht, bis zu sechs Monaten bewilligt werden kann, folgt er der Auffassung der Ag. und nimmt wie das SG eine Leistungspflicht bis 31. 5. 2005 an.

Vorinstanzen

SG Düsseldorf

Rechtsgebiete

Sozialrecht; Nichteheliche Lebensgemeinschaft