Gutschein mit vielen Einlösungsmöglichkeiten keine Sachprämie mit Konsequenzen für die VDZ-Wettbewerbsregeln und für den Preisnachlass bei Abonnements

Gericht

LG München I


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

20. 09. 2005


Aktenzeichen

33 O 1205/05


Tenor

  1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin EUR 911,80 zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 01.10.2004 zu zahlen.

  2. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

  3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in Höhe von 115 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Tatbestand


Tatbestand:

Die Klägerin beansprucht von der Beklagten den Ersatz von Rechtsanwaltskosten wegen einer kennzeichenrechtlichen Abmahnung.

Die Parteien sind Wettbewerber auf dem Gebiet der Wirtschaftszeitungen. Die Klägerin verlegt u.a. das wöchentlich erscheinende ..., die Beklagte den Titel ... . Beide Zeitschriften werden bundesweit vertrieben.

Im Heft 30/04 der Zeitschrift ... warb die Beklagte auf S. 57 für ein Halbjahresabonnement dieser Zeitschrift. Danach sollte jede Ausgabe "wöchentlich (...) zzt. nur € 2,70 statt zzt. € 3,- Normalpreis" kosten. Als Prämie wurde wahlweise neben einem "Fenmechanikerset" ein "BestChoice Universalgutschein" über € 15,- versprochen.

Im einzelnen sah die Annonce aus wie folgt: ...

Die Klägerin mahnte die Beklagte mit Schreiben ihres Verfahrensbevollmächtigten und jetzigen Parteivertreters vom 03.08.2004 ab (Anlage K 3). Die Beklagte gab mit Schreiben vom 06.08.2004 ohne Anerkennung einer Rechtspflicht die von der Klägerin geforderte strafbewehrte Verpflichtungserklärung ab, es zu unterlassen, den fraglichen BestChoice-Universalgutschein zu versprechen. (Anlage K 4). Daraufhin machte die Klägerin mit Schreiben vom 10.08.2004 Ersatz der für die Abmahnung entstandenen Kosten geltend (Anlage K 5) und mahnte die Zahlung mit Schreiben vom 20.09.2004 nochmals an (Anlage K 6). Mit Schreiben vom 20.09.2004 (Anlage K 7) lehnte die Beklagte die Zahlung ab, woraufhin die Klägerin am 22.09.2004 ein weiteres Schreiben (Anlage K 8) an die Beklagte richtete, in dem sie ihre Rechtsauffassung darlegte. Mit Schreiben vom 24.09.2004 (Anlage K 9) weigerte die Beklagte sich endgültig, die geltend gemachten Gebühren zu übernehmen. ...

Die Klägerin ist der Auffassung, sie habe einen Ersatzanspruch bzgl. der für die Abmahnung aufgewendeten Kosten. Insbesondere stehe ihr der mit der Abmahnung vorn 03.08.2004 geltend gemachte Unterlassungsanspruch zu. Diese Abmahnung sei berechtigt gewesen. Die Auslobung des "BestChoice-Universalgutscheins" (K1, s.o.) sei eine unlautere Wettbewerbshandlung. Insbesondere liege ein Verstoß gegen Ziff. 7 der "VDZ-Wettbewerbsregeln für den Vertreib von abonnierbaren Publikumszeitschriften" (VDZ = Verband Deutscher Zeitschriftenverleger e.V.) vor:

Bei der Abonnementswerbung können ausschließlich Sachprämien als Gegenleistung für den des Abonnenten zur Bezugsbindung ("Abschlussprämien") gewährt werden. Der Wert der Abschlussprämie darf in der Regel 25 Prozent des Bezugspreises des Abonnements für den Verpflichtungszeitraum nicht überschreiten. Eine Abschlussprämie im Wert bis zu 10 Euro ist in jedem Fall zulässig. Für jederzeit kündbare Abonnements wird eine Erstverpflichtungsdauer von einem halben Jahr angenommen.

Der "BestChoice-Universalgutschein" stelle aufgrund der Vielzahl von Einlösungsmöglichkeiten einen Bargeldersatz dar. Darauf stelle die Beklagte in der Formulierung der Annonce ("So gut wie Bargeld - der Universalgutschein im Wert von € 15,- ist ideal für jede Shopping-Gelegenheit!") auch ab. Alleine die Einkaufsmöglichkeiten bei Quelle, Kaufhof, Amazon.de, Media Markt und Saturn deckten beinahe jedes denkbare Konsumbedürfnis ab. Da es sich faktisch um einen Preisnachlass handele, werde in Verbindung mit dem gemäß den Abonnementbedingungen ohnehin bereits gewährten Nachlass von 10 % auf den die vom Bundeskartellamt regelmäßig als zulässig angesehene Grenze des Preisnachlasses bei Zeitschriftenabonnements von 15 % der kumulierten Einzelverkaufspreise deutlich überschritten.

Der Verstoß gegen die VDZ-Wettbewerbsregeln habe nach Auffassung der Klägerin indizielle Bedeutung für die Unlauterkeit der hier zu beurteilenden Wettbewerbshandlung. Die Wettbewerbsregeln seien zum Zeitpunkt des wettbewerbswidrigen Verhaltens bereits durch das Bundeskartellamt mit Beschluss vom 30.03.2004 anerkannt worden (Beschluss in Anlage K 2). Diese seien damit wirksam gewesen, auch wenn ein Dritter nachträglich seine Beiladung zum Verfahren vor dem Bundeskartellamt gerichtlich durchgesetzt habe. ...

Die Klägerin beantragt:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € 911, 80 zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit 1.10.2004 zu bezahlen.

Der Beklagte beantragt

Klageabweisung.

Die Beklagte ist der Auffassung, ...

Zudem sei die Abmahnung nicht berechtigt erfolgt, da der Klägerin der entsprechende Unterlassungsanspruch nicht zustehe. Ein Verstoß gegen die VDZ-Wettbewerbsregeln liege nicht vor, da mit dem Gutschein lediglich eine Sachprämie, nicht aber eine Geldprämie, in Aussicht gestellt worden sei. Die Sachlage sei hier nicht anders zu beurteilen, als wenn die Beklagte in ihrer Abo-Werbung eine größere Zahl von Sachprämien zur Auswahl einzeln aufgelistet hätte. Ein Universalgutschein könne nur dann als Geldprämie bzw. als faktischer Preisnachlass anzusehen sein, wenn er auch gegen Auszahlung des Gegenwerts eingelöst werden könne, was vorliegend nicht der Fall sei. Zudem seien die VDZ-Wettbewerbsregeln nicht bindend. Zwar könnten anerkannte Wettbewerbsregeln - allenfalls - Indizwirkung haben, bzgl. der VDZ-Wettbewerbsregeln stehe eine Anerkennung jedoch erst noch aus. ...

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird verwiesen auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze samt Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 05.07.2005.

Entscheidungsgründe


Entscheidungsgründe:

Die Klage ist sowohl zulässig als auch begründet. Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Ersatz der für die Abmahnung vom 03.08.2004 aufgewendeten Rechtsanwaltskosten aus § 12 I 2 UWG i.H.v. 911, 80 €.


A.

Die Klage ist zulässig. ...


B.

Die Klage ist auch begründet. Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch i.H.v. 911, 80 € gegen den Beklagten auf Ersatz der für die Abmahnung vom 03.08.2004 aufgewendeten Rechtsanwaltskosten aus § 12 I 2 UWG zu. Die Abmahnung war berechtigt (s. dazu unten unter I), ...

I. Die Abmahnung vom 03.08.2004 war berechtigt. Der Klägerin stand der hierin geltend gemachte Anspruch auf Unterlassung der streitgegenständlichen Werbung aus §§ 8 V, III Nr. 1, 3, 4 Nr, 11 analog UWG zu.

1. Die Werbeanzeige als Wettbewerbshandlung der Beklagten ist unlauter i.S.d. §§ 3, 4 Nr. 11 analog UWG. Dies ergibt sich aus einer Gesamtwürdigung der streitgegenständlichen Annonce.

a) Dabei kommt dem hier vorliegenden Verstoß gegen Ziff. 7 der VDZ-Regeln indizielle Bedeutung zu (vgl. Baumbach/Hefermehl Kommentar zum Wettbewerbsrecht, 23. Auflage 2004, § 4 Rn. 11.30). Gesichtspunkte, die gegen dieses Indiz sprechen, sind nicht ersichtlich.

i. Die VDZ-Wettbewerbsregeln können vorliegend - als Indiz - herangezogen werden, auch wenn diese wegen nachträglicher Beiladung des Grossoverbandes aufgrund entsprechender Beschwerde noch nicht abschließend anerkannt sind. Immerhin spiegelt das Regelwerk jedenfalls eine entsprechende Selbstbindungsabsicht des VDZ - dessen Mitglied auch die Beklagte ist - wider. Zudem ist nicht damit zu rechnen, dass Ziff. 7 der VDZ- Wettbewerbsregeln aufgrund der Beiladung des Grossoverbandes im Sinne der Beklagten geändert wird. Der Grossoverband hat ausweislich des Beschlusses des Bundeskartellamts vom 30. März 2004, S. 7 (Anlage K 2) zur Zulässigkeit von Abschlussprämien sogar eine strengere Linie vertreten als in Ziff. 7 der VDZ-Wettbewerbsregeln vorgesehen.

ii. Die VDZ-Wettbewerbsregeln, insbesondere deren Ziff. 7, sollen nicht nur die Interessen der jeweiligen Unternehmen, sondern zumindest auch die Interessen der sonstiger Marktteilnehmer und der Verbraucher schützen. Die Auslegung der Regelung ergibt, dass zumindest auch bezweckt ist, den Verbraucher davor zu bewahren, aufgrund einer - besonderes attraktiven - Geldprämie eine langfristige Verpflichtung in Form eines Abonnementvertrages einzugehen.

iii. Es liegt ein Verstoß der Beklagten gegen Ziff. 7 der VDZ-Wettbewerbsregeln vor. Bei der durch die Klägerin in der streitgegenständlichen Annonce in Aussicht gestellten Prämie in Form des "BestChoic-Universalgutscheins" über 15 € handelt es sich um keine "Sachprämie" im Sinne dieser Vorschrift. Entgegen der Ansicht der Beklagten spielt es dabei keine Rolle, dass der Empfänger sich den Gegenwert des Gutscheins nicht bar auszahlen lassen kann. Entscheidend sind vielmehr die Einsatzmöglichkeiten des Gutscheins. Angesichts der Vielzahl der verschiedenen Akzeptanzstellen und insbesondere auch aufgrund ihrer Vielfältigkeit ist der Gutschein - wie auch die Beklagte selbst unterhalb der Darstellung des Gutscheins formuliert - "So gut wie Bargeld". Von einem Kaufhaus mit extrem vielfältigem Sortiment (Kaufhof) über Elektro- (Media Markt, Saturn), Schmuck- (Christ), Sport- (Inter-Sport), Kosmetik- (Douglas) bis zu Möbelgeschäften (Ikea) etc. wird im Grunde jeder denkbare Konsumwunsch angedeckt.

b) Zudem wird durch die Nähe des Universalgutscheins zu Bargeld die in der Verwaltungspraxis des Bundeskartellamts etablierte Grenze überschritten, wonach der Preisnachlass für ein Abonnement gegenüber den kumulierten Einzelverkaufspreisen nicht mehr als 15 % betragen darf. Die Beklagte gewährt den Bestellern des Halbjahrs-Abonnements zunächst einen Preisnachlass von 0,30 € (2,70 € statt 3,00 € pro Heft), woraus sich während des halbjährigen Abonnementzeitraums (28 Ausgaben) eine Ersparnis von 7,80 € ergibt. Nach Addition des Gutschein-Werts von 15 € ergibt sich eine Gesamtersparnis von 22,80 €. Das sind im Verhätnis zum kumulierten Einzelverkaufspreis (3,00 € x 26 = 78,00 €) ca. 29 %.

2. Die irreführende Werbung der geschilderten Form ist geeignet, den Wettbewerb zum Nachteil der Verbraucher nicht nur unerheblich zu beeinträchtigen. Durch die unzulässig in Aussicht gestellte Abschlussprämie ist von einer erheblichen Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit der mit der Anzeige angesprochenen Verbraucher auszugehen.

II. Die Aufwendungen waren erforderlich i.S.d. § 12 I 2 UWG. ...

III. Die Aufwendungen sind angefallen. ...

IV. Der geltend gemachte Anspruch ist der Höhe nach berechtigt. Die Klageforderung entspricht, zutreffend berechnet, einer 1,3 Geschäftsgebühr gem. Nr. 2400 VV RVG, §§ 23, 13, 14 RVG aus einem Gegenstandswert von 25.000,- EUR (891,80 EUR) zzgl. der Auslagenpauschalen gem. Nr. 7002 VV RVG (20,-- EUR). Der Ansatz einer 1,3 Gebühr aus einem Gegenstandswert von EUR 25.000,-- ist berechtigt und angemessen.

1. Der Gegenstandswert von EUR 25.000,-- ist nicht zu beanstanden. Der Streitwert soll das Interesse des Anspruchstellers an der Durchsetzung seines Anspruchs ausdrücken. Demzufolge bietet die entsprechende Streitwert-Angabe des Anspruchstellers, hier der Klägerin, bereits ein Indiz für die Streitwertfestsetzung. Zu berücksichtigen ist zudem der mit der Abmahnung geltend gemachte Wettbewerbsverstoß, der im vorliegenden Fall angesichts der weiten Verbreitung der Annonce durchaus von Gewicht ist.

2. Nach ständiger Rechtsprechung der Kammer fällt bei der Abrechnung von Gebühren für wettbewerbsrechtliche Abmahnungen regelmäßig eine Mittelgebühr an, weil dies den hierfür erforderlichen Aufwand und auch die benötigte Sachkenntnis der kennzeichenrechtlichen Spezialmaterie berücksichtigt. Da Nr. 2400 VV RVG eine Rahmengebühr von 0,8 bis 2,5 vorsieht, stellt die geltend gemachte 1,3 Gebühr eine Mittelgebühr nach dem RVG dar. Gesichtspunkte, die im vorliegenden Fall ein Abweichen von dieser Mittelgebühr erforden, sind nicht ersichtlich.

3. Die Klägerin hat den geltend gemachten Zinsanspruch aus §§ 286, 288 SGB.


C.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO. Der Anspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Rechtsgebiete

Wettbewerbsrecht