Fassung des Unterlassungsgebots bei neutralen Fotos

Gericht

LG Berlin


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

20. 09. 2005


Aktenzeichen

27 O 659/05


Tenor

  1. Die einstweilige Verfügung vom 19. Juli 2005 wird mit der Maßgabe bestätigt, dass die Veröffentlichung des im Tenor zu 1.1, genannten Fotos nur insoweit untersagt ist, als sie im Rahmen einer Berichterstattung geschieht, die keine Berichterstattung über ein zeitgeschichtliches Ereignis darstellt, sondern nahezu ausschließlich persönliche Belange der Antragstellerin zum Inhalt hat. Im Übrigen wird die einstweilige Verfügung zu 1.1. aufgehoben und der Antrag auf ihren Erlass insoweit zurückgewiesen.

  2. Die Kosten des Anordnungsverfahrens tragen die Antragstellerin zu 1/10 und die Antragsgegnerin zu 9/10. Die Kosten des Widerspruchsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

  3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
    Die Antragstellerin darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Kostenbetrages zuzüglich 10 % abwenden, wenn nicht die Antragsgegnerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrages zuzüglich 10 % leistet.

Tatbestand


Tatbestand:

Die Antragstellerin macht einen Unterlassungsanspruch wegen der Verletzung ihres Rechts am eigenen Bild im einstweiligen Rechtsschutz geltend.

Die Antragstellerin ist die Tochter von Prinzessin Caroline von Hannover und Nichte des Staatsoberhauptes des Fürstentums Monaco Albert. Die Antragsgegnerin betreibt die Website. ... auf der sie am 14.06.2005 einen Artikel mit der Überschrift "Top Stories" verbreitete und dazu zwei Fotos veröffentlichte, die die Antragstellerin zeigen. Das eine der Fotos zeigt den Kopf der Antragstellerin. Darunter heißt es: "... trägt den Spitznamen ...". Auf dem anderen Foto ist sie in Reitermontur zu sehen. Darunter heißt es: "... ist eine begeisterte Reiterin." Auf beiden Fotos ist die Antragstellerin durchaus vorteilhaft abgebildet. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der Abbildungen wird auf die Anlage Ast 1 (Bl. 16, 17 d. A.) verwiesen.

Nachdem die Antragstellerin die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 20.06.2005 erfolglos zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung hatte auffordern lassen, erwirkte sie hinsichtlich der streitgegenständlichen Bildveröffentlichung am 19.07.2005 eine einstweilige Unterlassungsverfügung, mit der der Antragsgegnerin unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel untersagt worden ist, die folgenden auf der Website ... am 14.06.2005 im Rahmen des Artikels TOP STORIES abgedruckten Fotos, die ... zeigen, erneut zu veröffentlichen:

1. das Foto mit der Bildunterschrift "... trägt den Spitznamen ...".
2. das Foto mit der Bildunterschrift "... ist begeisterte Reiterin".

Gegen diese ihr zwecks Vollziehung am 28.07.2005 zugestellte einstweilige Verfügung richtet sich der Widerspruch der Antragsgegnerin.

Sie meint unter Hinweis auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 09.023.2004 (NJW 2004, 1795), es habe kein absolutes Veröffentlichungsverbot verfügt werden dürfen, sondern nur eines, welches Veröffentlichungen umfasse, die keine Berichterstattungen über ein zeitgeschichtliches Ereignis darstellten und nahezu ausschließlich private Belange des Betroffenen zum Gegenstand hätten.

Die Antragsgegnerin beantragt,

1) die mit Beschluss vom 19.07.2005 erlassene einstweilige Verfügung dahingehend abzuändern, dass es der Antragsgegnerin bei Meidung gesetzlicher Ordnungsmittel untersagt ist, die im Tenor der einstweiligen Verfügung näher bezeichneten Fotos der Antragstellerin im Rahmen einer Berichterstattung zu veröffentlichen, die keine Berichterstattung über ein zeitgeschichtliches Ereignis darstellt;

2) den weitergehenden Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung kostenpflichtig zurückzuweisen und sie insoweit aufzuheben.

Die Antragstellerin beantragt,

die einstweilige Verfügung zu bestätigen.

hinsichtlich des Vorbringens der Parteien im Übrigen wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe


Entscheidungsgründe:

Die einstweilige Verfügung war in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang zu bestätigen, weil sie insoweit zu Recht ergangen ist (§§ 925, 936 ZPO). Im Übrigen war sie aufzuheben und der Antrag auf ihren Erlass zurückzuweisen.

Die Antragstellerin hat einen Anspruch auf Unterlassung der Veröffentlichung ihrer Bildnisses aus §§ 823 Abs. 1 und 2 i. V. m. § 1004 Abs. 1 S. 2 analog BGB, §§ 22 ff. KUG, Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG. Die streitgegenständliche Veröffentlichung der Aufnahmen von der Antragstellerin war nicht von den Regelungen der §§ 22 ff. KUG gedeckt, da nämlich keine Einwilligung vorlag und auch kein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte im Sinne des § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG. Dies bedarf vorliegend keiner weiteren Ausführungen, da die Antragsgegnerin insoweit gar keine Bedenken geltend macht.

Allerdings ist der aus dem Unterlassungsanspruch abgeleitete Klageantrag zu umfassend.

Das Foto, das nur den Kopf der Antragstellerin zeigt, ist nämlich ein so genanntes kontextneutrales Porträtfoto, das zulässigerweise dazu verwendet werden dürfte, eine Berichterstattung über ein zeitgeschichtliches Ereignis zu illustrieren (vgl. BVerfG NJW 2001, 1921, 1924 f.). Ob berechtigte Interessen der Antragstellerin einer solchen künftigen Veröffentlichung entgegenstehen könnten, ist eine Frage des Einzelfalls. In einem solchen Fall kann die erneute Verbreitung eines Bildnisses nicht generell verboten werden (vgl. BGH NJW 2004, 1795 ff.), sondern nur in dem im Tenor genannten Umfang. Angesichts der gerichtsbekannten Häufigkeit von öffentlichen Auftritten der Antragstellerin in der Vergangenheit ist auch davon auszugehen, dass es zu solchen Auftritten in der Zukunft kommen wird, so dass vorliegend eine konkrete auf künftige Auftritte bezogene hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass eine künftige Verwendung dieses Fotos als kontextneutrales Foto möglich sein wird. Zwar ist die Kammer auch nach ihrer bisherigen Rechtsprechung davon ausgegangen, dass, soweit es sich um eine tatsächlich kontextneutrale Bebilderung eines zeitgeschichtlichen Ereignisses handelt, auch die Verwendung eines Fotos, hinsichtlich dessen ein Unterlassungstenor wie der in der einstweiligen Verfügung vom 19.07.2005 formulierte ergangen ist, zulässig ist, weil insofern geänderte Umstände vorliegen. Aus diesem Grund erlässt die Kammer in ständiger Rechtsprechung wie hier auf entsprechenden Antrag auch einstweilige Verfügungen, deren Tenor wie die hier ergangene Verfügung gefasst ist.

Allerdings ist auf der Grundlage der genannten Entscheidung des Bundesgerichtshofes davon auszugehen, dass der Schuldner eines derartigen Unterlassungsgebotes einen Anspruch darauf hat, dass der Tenor eines Verbotstitels so gefasst wird, dass künftige zulässige Berichterstattungen über zeitgeschichtliche Ereignisse in kontextneutraler Weise mit einem solchen Bild illustriert werden dürfen, sofern aufgrund konkreter Umstände davon auszugehen ist, dass es zu solchen zeitgeschichtlichen Ereignissen kommen wird und sofern das betreffende Bild zur Verwendung für eine kontextneutrale Bebilderung grundsätzlich geeignet ist.

Dies gilt allerdings nicht hinsichtlich des Fotos zu 2). Dieses zeigt die Antragstellerin nämlich reitend. Es handelt sich somit gerade nicht um ein kontextneutrales Foto, sondern um ein an einen konkreten Kontext gebundenes und ihn abbildendes Foto. Eine Verwendung als kontextneutrales Fotos in künftigen Berichterstattungen scheidet daher aus.

Ob eine künftige Verwendung als kontextgerechtes Foto möglich sein wird, beispielsweise bei etwaigen künftigen Reitveranstaltungen, braucht hier nicht erörtert zu werden. Es ist der Kammer nicht möglich zu beurteilen, inwieweit künftige Ereignisse eine kontextgerechte Verwendung möglich machen. Anders als bei einem kontextneutralen Foto, bei dem abstrakt beurteilt werden kann, ob es grundsätzlich für eine kontextneutrale Bebilderung in Frage kommt, ist dies bei einem kontextgerechten Foto nicht möglich, da dessen Zulässigkeit gerade nicht losgelöst von dem illustrierten Ereignis beurteilt werden kann. Dies gilt auch in Ansehung der o.g. Entscheidung des Bundesgerichtshofes (NJW 2004, 1795 ff.): Dort ging es zwar gerade nicht um eine "kontextneutrale" künftige Verwendung des dort streitgegenständlichen Fotos, auf dem die hiesige Antragstellerin mit ihrer Mutter bei einer Gala abgebildet war. Gleichwohl war das Foto, vorausgesetzt Antragstellerin und Mutter würden öffentlich gemeinsam auftreten, als vom Kontext losgelöste Bebilderung geeignet. Das vorliegende die Antragstellerin reitend zeigende Foto ist demgegenüber sehr viel stärker kontextverhaftet, weshalb die sich aus der genannten Entscheidung ergebenden Grundsätze dazu führen, dass insoweit keine Einschränkung des Tenors geboten war.

Die Entscheidung über die Kosten ergibt sich aus § 92 Abs. 1 ZPO, die über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 11, 709 S. 1 und 2, 711 ZPO.

Rechtsgebiete

Presserecht