Telefonwerbung nach Teilnahme an Gewinnspiel

Gericht

LG Hamburg


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

23. 11. 2004


Aktenzeichen

312 O 975/04


Leitsatz des Gerichts

  1. Aus dem Umstand, dass ein auf einer Teilnahmekarte für ein Gewinnspiel versteckt aufgedruckter Passus: „Ich bin damit einverstanden, dass mir die X-AG weitere interessante Angebote macht (ggf. bitte streichen)“ nicht gestrichen worden ist, kann nicht für eine Einwilligung genügen.

  2. Auch die Tatsache, dass die Gewinnspielteilnehmer ihre Telefonnummer angegeben haben, lässt nicht auf ein Einverständnis schließen. Denn dem Verbraucher erschließt sich nicht, dass diese Angabe von ihm einzig zu dem Zweck gewünscht wird, damit er mit Telefonwerbung konfrontiert werden darf. Der Gewinnspielteilnehmer wird vielmehr - den unter der Rubrik der Telefonnummer abgebildeten und mit den Worten „Ihr neuer Golf V“ als Gewinn ausgelobten VW Golf vor Augen - mit der Angabe seiner Telefonnummer die Hoffnung verbinden, möglichst bald von seinem Gewinn unterrichtet zu werden.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

... Die X-AG veranstaltete für ihre Zeitschrift „H“ ein Gewinnspiel, bei dem als Gewinn ein Golf V oder EUR 20.000,- in bar ausgelobt wurden. In der für die Teilnahme bestimmten Postkarte sind Rubriken für Namen und Anschrift sowie die Telefonnummer vorgesehen. Sodann ist unter der Abbildung eines VW Golf folgender Text gedruckt: „Ich bin damit einverstanden, dass mir die X-AG telefonisch weitere interessante Angebote macht (ggf. bitte streichen).“ Die X-AG beauftragte die Fa. E damit, die Daten von Gewinnspielteilnehmern, die ihre Telefonnummer angegeben und den Schlusssatz auf der Postkarte nicht gestrichen hatten, an die Ag. weiterzuleiten. Diese warb dann ihrerseits im Auftrag der X-AG telefonisch für ein Abonnement der Zeitschrift H. Diese Aktion wurde bis Ende August 2004 durchgeführt. Die Teilnahmekarten wurden Anfang September vernichtet.

Im Rahmen dieser Aktion wurde auch Fr. O. von der Ag. angerufen und ihr ein Abonnement von H angeboten. Anschließend erwirkte der Ast. die einstweilige Verfügung der Kammer v. 27.10.2004, mit der der Ag. verboten wurde, unaufgefordert private Endverbraucher per Telefon zu kontaktieren bzw. kontaktieren zu lassen, um ihnen die Erteilung eines Abonnementauftrags anzudienen, ohne dass hierzu das ausdrückliche Einverständnis des Angerufenen zuvor erklärt worden ist. Gegen dieses Verbot wendet sich die Ag. mit ihrem Widerspruch.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen

Die einstweilige Verfügung ist zu bestätigen, weil der vom Ast. verfolgte Unterlassungsanspruch besteht. ...

3. Die mit der einstweiligen Verfügung ausgesprochene Unterlassungsverpflichtung folgt aus §§ 7, 3, 8 UWG. Nach § 7 Abs. 1 und 2 Nr. 2 UWG ist die Werbung mit Telefonanrufen ggü. Verbrauchern unlauter, wenn sie ohne deren Einwilligung erfolgt. Hiergegen hat die Ag. verstoßen, indem sie Frau O. telefonisch kontaktierte, um ihr ein Abonnement der H anzudienen. Dieser Verstoß begründet die Wiederholungsgefahr.

Dabei kommt es nicht darauf an, ob Frau O. an dem Gewinnspiel teilgenommen hat, was sie nach ihrer eidesstattlichen Versicherung ... nicht mehr erinnert, aber auch nicht mit Gewissheit ausschließen kann. Denn selbst wenn die für die Ag. günstigste Sachverhaltsvariante unterstellt wird, nämlich dass Frau O. die Teilnahmekarte mit ihrer Telefonnummer ausgefüllt und den formularmäßigen Zusatz nicht gestrichen hat, würde dies nicht für eine Einwilligung i.S.d. § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG genügen.

Das folgt allerdings entgegen der Ast. nicht bereits daraus, dass ein etwa erklärtes Einverständnis, von der X-AG telefonisch kontaktiert zu werden, nicht die Kontaktaufnahme durch die Ag. abdecken würde. Denn es kann unterstellt werden, dass es dem Verbraucher nicht darauf ankommt, ob ihn Mitarbeiter der X-AG oder - was bei Telefonwerbung ohnehin nahe liegt - ein von diesen beauftragtes Unternehmen anruft. Entscheidend dürfte für den Verbraucher vielmehr sein, dass eine inhaltliche Beschränkung auf Angebote dieses Verlags erfolgt, z.B. also - wie hier - Abonnements von Zeitschriften dieses Verlags angeboten werden und nicht etwa Leistungen Dritter.

Die Unzulässigkeit der von der Ag. betriebenen Telefonwerbung folgt im vorliegenden Verfahren vielmehr daraus, dass ein Einverständnis von Frau O., zum Zwecke der Telefonwerbung angerufen zu werden, nicht erklärt worden ist.

Insb. die etwaige Nichtstreichung des Satzes „Ich bin damit einverstanden, dass mit die X-AG weitere interessante Angebote macht (ggf. bitte streichen)“ kann nicht für eine Einwilligung genügen. Denn dies würde dazu führen, dass der Verbraucher aktiv werden müsste, um sein mangelndes Einverständnis zum Ausdruck zu bringen. Damit würde die gesetzliche Regelung, die dem sog. Opt-in-Modell folgt, in eine Opt-out-Lösung umgekehrt. Das ist nicht zulässig, denn dies liefe darauf hinaus, dass entgegen dem Gesetz das Schweigen oder die Passivität des Verbrauchers als Zustimmung fingiert würde. Eine solche Gestaltung benachteiligt den Verbraucher unangemessen (vgl. BGH NJW 2000, 2676, 2677 [= MMR 2000, 607 m. Anm. Hoffmann] - Telefonwerbung VI). Sie ist daher unlauter.

Unabhängig davon kann das Nichtstreichen der Formularerklärung aber auch deshalb nicht als Einwilligung verstanden werden, weil die Teilnahmekarte in einer Weise gestaltet ist, die dazu führt, dass dieser Zusatz leicht übersehen wird. Es handelt sich um den typischen Fall von Kleingedrucktem, das häufig überlesen wird. Diese Gefahr wird vorliegend dadurch verstärkt, dass der Zusatz durch die Abbildung eines VW Golf von den vom Verbraucher auszufüllenden Rubriken räumlich abgesetzt ist. Bei einer solchen Gestaltung kann nicht davon ausgegangen werden, dass jeder Absender diesen Zusatz gesehen und sich bewusst für die Nichtstreichung entschieden hat. Gegen diese Wertung lässt sich auch nicht das Argument der Ag. anführen, der Umstand, dass sehr viele Teilnehmer diesen Zusatz strichen, zeige, dass sich der Verbraucher der Wahlmöglichkeit bewusst sei. Denn dass sich bei einer Kenntnisnahme der Klausel viele Verbraucher für eine Streichung entscheiden mögen, ist kein Anzeichen dafür, dass die Klausel von denjenigen, die sie nicht gestrichen haben, gelesen und in ihrem Gehalt akzeptiert wurde.

Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass die Ag. nur solche Gewinnspielteilnehmer kontaktiert haben will, die ihre Telefonnummer angegeben haben. Denn dem Verbraucher erschließt sich nicht, dass diese Angabe von ihm einzig zu dem Zweck gewünscht wird, damit er mit Telefonwerbung konfrontiert werden darf. Der Gewinnspielteilnehmer wird vielmehr - den unter der Rubrik der Telefonnummer abgebildeten und mit den Worten „Ihr neuer Golf V“ als Gewinn ausgelobten VW Golf vor Augen - mit der Angabe seiner Telefonnummer die Hoffnung verbinden, möglichst bald von seinem Gewinn unterrichtet zu werden. Diese arglose Sichtweise dürfte den meisten Gewinnspielteilnehmern näher liegen als die Einsicht, dass der Gewinnspielveranstalter den Hintergedanken verfolgt, den Teilnehmer zu Zwecken der Telefonwerbung anrufen zu können. ...

Rechtsgebiete

Informations- und Telekommunikationsrecht

Normen

UWG n.F. §§ 3, 7 Abs. 1 u. Abs. 2 Nr. 2, 8