Auslegung bei mehreren möglichen Deutungen, hier: „Rädelsführer”

Gericht

OLG Hamm


Art der Entscheidung

Hinweisbeschluss


Datum

22. 08. 2005


Aktenzeichen

3 U 79/05


Entscheidungsgründe


Gründe:

Die Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung. Eine Entscheidung des Senates ist auch nicht zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich.

Der Senat tritt der Begründung des Landgerichts, auf die daher verwiesen werden kann, in vollem Umfang bei. Die Bezeichnung des Klägers als "Rädelsführer" ist, soweit darin eine Meinungsäußerung enthalten ist, durch das Recht der Pressefreiheit gedeckt. Die entsprechenden Ausführungen des Landgerichts werden von der Berufung auch nicht beanstandet.

Soweit das hinsichtlich des Klägers verwendete Wort des "Rädelsführers" einen Tatsachenkern enthält, hat das Landgericht ebenfalls zutreffend erkannt, dass dieser auslegungsfähige Begriff hier in zulässiger Weise verwendet wurde. Bei der Ermittlung des Aussagegehalts des verwendeten Begriffs darf dabei nicht auf eine aus dem Zusammenhang gelöste abstrakte Deutung abgestellt werden, vielmehr muss die Äußerung in ihrem gesamten Kontext gewürdigt werden. Bei mehreren möglichen Deutungen des Inhalts einer Äußerung ist diejenige für die rechtliche Beurteilung maßgeblich, die dem Äußernden günstiger ist, weil sie den Betroffenen weniger beeinträchtigt (vgl. Löffler/Ricker, Handbuch des Presserechts, 5. Aufl., Kap. 42, Rdn. 23). Auch der Senat entnimmt daher dem verwendeten Begriff "Rädelsführer" lediglich, dass der Kläger durch Abgabe von Meinungsäußerungen eine aktive Rolle in dem Arbeitskampf eingenommen, die vom Betriebsrat des Opel-Werks favorisierte Vorgehensweise in der Auseinandersetzung abgelehnt, statt dessen eine Fortsetzung des Arbeitskampfes befürwortet und seine Position auch gegenüber anderen zum Zwecke der Meinungsbildung kundgegeben hatte. Dass dies nicht den Tatsachen entsprechen sollte, hat der Kläger nicht substanziiert darzulegen vermocht. So stellt er nicht in Abrede, dass er sich jedenfalls nach Durchführung der Abstimmung über die Beendigung des Ausstandes wiederholt kritisch gegen die Vorgehensweise des Betriebsrates gewendet hatte. Nichts anderes ist aber dem Artikel der Beklagten zu entnehmen, mag die Schilderung seines Verhaltens auch mit negativen Werturteilen verbunden sein. Dabei ist dem Artikel aber auch die Begründung des Klägers zu entnehmen, dass er angesichts des bereits zurückliegenden Abbaus von Arbeitsplätzen im Werk Bochum in dem nunmehr zwischen Betriebsrat und Management ausgehandelten Kompromiss keine Sicherung des Standortes sieht. Ausweislich weiterer Veröffentlichungen im Internet warf er dem Betriebsrat zudem eine Manipulation der Abstimmung - insbesondere durch das Unterdrücken kritischer Gegenstimmen - vor. Nach dem Inhalt des Artikels der Beklagten besteht jedenfalls kein Zweifel, dass sich das Verhalten des Klägers im Zusammenhang mit dem Arbeitskampf im Rahmen der ihm zustehenden Meinungs- und Koalitionsfreiheit und damit des Zulässigen gehalten hat. Für ein unzulässiges oder gar kriminelles Handeln des Klägers fehlt jeglicher Anhaltspunkt.


Hamm, 22.08.2005
Oberlandesgericht, 3. Zivilsenat

Rechtsgebiete

Presserecht