Verweigerte Freigabe eines Teiles der Grundschulden durch Bank

Gericht

BGH


Art der Entscheidung

Revisionsurteil


Datum

20. 10. 1980


Aktenzeichen

II ZR 190/79


Leitsatz des Gerichts

  1. Die Weigerung einer Sparkasse, die Inhaberin von erstrangigen Sicherungsgrundschulden über 1,9 Mio. DM ist, wegen einer zu sichernden Forderung von ca. 600000 DM auch nur einen Teil der Grundschulden freizugeben, entspricht nicht der Billigkeit. In diesem Fall hat das Gericht durch Urteil zu bestimmen, welche Sicherheiten freizugeben sind.

  2. Die Sparkasse trägt die Darlegungs- und Beweislast dafür, daß ihre Entscheidung über die vom Kunden beantragte Freigabe von Sicherheiten der Billigkeit entspricht.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Die Kl., eine Sparkasse, ist durch Abtretung Inhaberin von 10 erstrangigen Sicherungsgrundschulden geworden. Diese Grundschulden dienten zur Sicherheit für alle bestehenden und künftigen Forderungen der Kl. gegen den Bekl. Ferner ist bestimmt, daß nach Erledigung der Forderungen die Grundschulden auf den Bekl. zu übertragen bzw. zur Löschung zu bewilligen sind. Der Geschäftsverbindung der Parteien lagen die AGB der Sparkassen zugrunde. Die Kl. begehrt Zahlung des Schuldsaldos von 540000 DM nebst 10 % Zinsen seit 1. 9. 1975. Der Bekl. behauptete, er habe gegenüber der Kl. keine Verbindlichkeiten mehr. Er erhob Widerklage mit dem Antrag, die Kl. zu verurteilen, die (näher bezeichneten) Grundschuldbriefe über die Grundschulden Nr. 1 bis 10 an ihn herauszugeben.

Das LG hat der Klage stattgegeben und auf die Widerklage die Kl. verurteilt, die Briefe für die Grundschulden Nr. 5 bis 10 herauszugeben. Das BerGer. hat die Widerklage abgewiesen. Die Revision des Bekl. führte hinsichtlich der Widerklage zur Aufhebung und Zurückverweisung.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

... Gegenstand des Revisionsverfahrens ist nur die Frage, ob die Kl. wegen der titulierten Forderung von 540000 DM zuzüglich 10 % Zinsen seit 1. 9. 1975 weiterhin Anspruch auf Absicherung durch Grundschulden im Nennbetrage von 1,9 Mio. DM hat oder ob sie verpflichtet ist, die Grundschulden Nrn. 5 bis 10 im Nennbetrage von 1250000 DM ganz oder zum Teil herauszugeben. Trotz des Wortlauts der Widerklage, die Kl. zur „Herausgabe der Grundschuldbriefe“ zu verurteilen, streiten die Parteien der Sache nach darüber, ob die Kl. verpflichtet ist, Grundschulden zurückzuübertragen (durch schriftliche Übertragungserklärung und Übergabe der Grundschuldbriefe gem. §§ 1192 , 1154 BGB). In diesem Sinne ist der Widerklageantrag auszulegen.

... Der Ansicht des BerGer., die Kl. sei nicht verpflichtet, einen Teil der Sicherheiten freizugeben, kann nicht gefolgt werden. Das BerGer. hat nicht berücksichtigt, daß für die Rechtsbeziehungen der Parteien unter anderem die AGB der Sparkassen maßgeblich sind und sich daraus ein Anspruch des Bekl. auf Freigabe von Sicherheiten ergibt. Die Geltung der AGB ist in den Darlehensverträgen und bei Abschluß des Girovertrages ... vereinbart worden. Gem. Nr. 21 V AGB in der seit Januar 1976 geltenden Fassung (früher: Nr. 19 V) ist die Sparkasse verpflichtet, auf Verlangen des Kunden Sicherungsgegenstände nach ihrer Wahl freizugeben, soweit sie diese nach ihrem billigen Ermessen nicht mehr benötigt. Die Sparkasse ist somit berechtigt, nach billigem Ermessen zu bestimmen, in welchem Umfange sie Sicherheiten nicht mehr benötigt. Es handelt sich dabei um ein Bestimmungsrecht gem. § 315 BGB (vgl. Liesecke, WM 1969, 556). Gem. § 315 III BGB ist, wenn die Bestimmung nach billigem Ermessen erfolgen soll, die getroffene Bestimmung für den anderen Teil nur verbindlich, wenn sie der Billigkeit entspricht. Entspricht sie nicht der Billigkeit, so wird die Bestimmung durch Urteil getroffen. Die Bestimmung der Kl., die Grundschulden nicht freizugeben, entspricht nicht der Billigkeit. Das BerGer. hält die Sicherung einer Forderung von ca. 500000 DM durch Grundschulden im Nennbetrage von 1,9 Mio. DM unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben für angemessen, weil der Nennbetrag einer Grundschuld nichts über ihren tatsächlichen Wert aussage und bei Grundstückszwangsversteigerungen häufig nicht der Verkehrswert erzielt werde. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

Die Kl. trägt die Darlegungs- und Beweislast dafür, daß ihre Bestimmung der Billigkeit entspricht (vgl. BGH, NJW 1969, 1809 = LM § 315 BGB Nr. 9). Sie hat in den Tatsacheninstanzen aber nichts vorgetragen, was es rechtfertigen könnte, weiterhin auf einer Absicherung ihrer Forderung von 540000 DM nebst Zinsen durch Grundschulden im Nennbetrag von 1,9 Mio. DM zu bestehen. Da den an die Kl. abgetretenen Grundschulden keine Belastungen im Range vorgehen, es sich also um eine erstrangige Sicherheit handelt, benötigt die Kl. zu ihrer Sicherung lediglich so viel Grundschulden, daß deren Nennbetrag nebst Zinsen den Betrag ihrer Forderung samt Zinsen deckt. Auf den Wert des Grundstücks kommt es dabei nicht an. Ist er höher als die von der Kl. benötigten Grundschulden, ist deren Forderung in vollem Umfange gedeckt. Ist er niedriger, würde die Kl. bei einer Zwangsversteigerung mit einem Teil der ihr zuzubilligenden Grundschulden ausfallen. In diesem Fall würden ihr aber auch weitere Grundschulden auf demselben Grundstück nichts nützen. Aus diesem Grunde läßt sich die Angemessenheit der Absicherung der Kl. durch sämtliche Grundschulden nicht mit der allgemeinen Erwägung des BerGer. über das Verhältnis von Nennwert zum wahren Wert einer Grundschuld begründen. Da die Kl. nicht vorgetragen hat, noch weitere Ansprüche gegen den Bekl. zu haben, entspricht ihre Weigerung, jegliche Grundschuld freizugeben, nicht der Billigkeit, weil die von ihr beanspruchte Sicherung das vertretbare Maß weit überschreitet. Gem. § 315 III 1 BGB ist deshalb die Bestimmung der Kl., keine Grundschulden freizugeben, nicht verbindlich. Das angefochtene Urteil kann daher nicht aufrechterhalten werden.

Die Bestimmung, in welchem Umfange die Kl. Grundschulden freizugeben hat, muß nunmehr durch Urteil getroffen werden (§ 315 III 2 BGB). Zu diesem Zwecke ist die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das BerGer. zurückzuverweisen. Der Senat kann darüber nicht entscheiden, weil noch tatsächliche Feststellungen notwendig sind, in welcher Höhe die an die Kl. abgetretenen Grundschulden verzinslich s nd und ob der Kl. auch die Zinsforderungen abgetreten worden sind.

Rechtsgebiete

Bank-, Finanz- und Kapitalanlagerecht