Kein Anspruch der Bundesrepublik Deutschland auf Gegendarstellung

Gericht

LG München I


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

17. 08. 2005


Aktenzeichen

9 O 12654/05


Leitsatz des Gerichts

  1. Ein Anspruch auf Abdruck einer Gegendarstellung nach § 10 Abs.1 S.1 BayPresseG setzt die „unmittelbare“ Betroffenheit desjenigen voraus, in dessen Namen der Anspruch geltend gemacht wird. Eine bloß „mittelbare“ Betroffenheit reicht hierzu nicht aus.

  2. Als „unmittelbar“ betroffen i.S.d. Gesetzes ist derjenige anzusehen, auf den ein unbefangener Durchschnittsleser die Ausgangsmitteilung bezieht.

  3. Hinsichtlich einer Veröffentlichung, welche sich ausschließlich auf Personalentscheidungen im Ministerium einer Regierungspartei bezieht und die lediglich einen parteipolitischen Kontext, nicht dagegen einen Bezug zur Anstellungskörperschaft erkennen lässt, fehlt es an der erforderlichen unmittelbaren Betroffenheit der Bundesrepublik Deutschland.

Tenor

  1. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.

  2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Verfügungsklägerin.

  3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Verfügungsklägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Verfügungsbeklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand


Tatbestand:

In der Ausgabe ... des ... vom erschien auf Seite 27 unter der Überschrift ... ein Artikel, in dem über die Ernennung und Beförderung verschiedener Beamter in den Bundesministerien berichtet wird.

Die Unterüberschrift des Artikels lautet: "Von der Beförderungswelle bei Rot-Grün profitieren enge Vertraute einiger Minister und viele Top-Beamte". Im Verlauf des Fließtextes wird "das rote Stühlerücken in rot-grünen Ministerien" im Zusammenhang mit der - möglicherweise - anstehenden Bundestagswahl gebracht. Weiter heißt es: "Für ihre Leute sorgen auch die Grünen". In der Folge wird über die Ernennung des ...ministeriums zum Beamten auf Lebenszeit am 25.5. berichtet. Hierzu heißt es unter anderem: "Kollegen munkeln allerdings, die Maßnahme diene der Sicherung seines Arbeitzplatzes". In der Folge wurde der Verfügungsbeklagten die streitgegenständliche Gegendarstellung mit dem Verlangen zum Abdruck zugeleitet; die Verfügungsbeklagte lehnte den Abdruck jedoch ab.

Unter dem 29.6.2005, eingegangen bei Gericht am 1.7.2005, stellte die Verfügungsklägerin Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung.

Die Verfügungsklägerin beantragt zuletzt:

Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, diese zu vollstrecken an dem Geschäftsführer der Antragsgegnerin, in der nächsten zum Druck noch nicht abgeschlossenen Ausgabe des Nachrichtenmagazins ... in gleicher Schrift und in den gleichen Teilen des Druckwerks wie der beanstandete Text, sowie in allen Ausgaben, in denen der beanstandete Text erschienen ist, auf der S. 27, bzw. der der Seite 27 der Ausgabe, in der die Ausgangsmitteilung erschienen ist, entsprechenden Seite, unter drucktechnischer Hervorhebung des Wortes "Gegendarstellung" über dem Text in der Größe der Worte ... in der Überschrift über dem Ausgangsartikel und unter Hervorhebung der Fundstelle ... und des Namensbestandteils "...ministeriums ..." unter der Gegendarstellung in einfachem Fettdruck die nachstehende Gegendarstellung zu veröffentlichen:


Gegendarstellung

Zu dem in ... unter der Überschrift ... verbreiteten Bericht über eine Beamtenernennung in unserem Hause, in der es heißt: "Von der Beförderungswelle bei Rot-Grün profitieren enge Vertraute einiger Ministerien und viele Top-Beamte", und der danach folgenden Darstellung im Zusammenhang mit dem Bundesinnenminister ...: "Die Geheimniskrämerei hat einen Grund: Drei Monate vor der geplanten Bundestagswahl dürfte das große Stühlerücken in rot-grünen Ministerien bei den Wählern nicht besonders gut ankommen", und dem sich anschließenden: "Für ihre Leute sorgen auch die Grünen. In ...ministerium wurde der seit zwei Jahren angestellte ... am 25. Mai zum Beamten auf Lebenszeit ernannt." stellen wir fest: Soweit damit der Eindruck erweckt wird, die Beamtenernennung sei begründet in den Neuwahlabsichten, ist dieser Eindruck falsch: Das Beamtenernennungsverfahren lief bereits seit geraumer Zeit. Bereits am 12.4.2005 hat der Bundespersonalausschuß die Zustimmung zur Verbeamtung des Herrn ... beschlossen.

Sie verbreiten im Zusammenhang mit der Verbeamtung des Herrn ...: "Kollegen munkeln allerdings, die Maßnahme diene der Sicherung seines Arbeitsplatzes". Dazu stellen wir fest: Nach § 36 Abs. 1 Ziff 1 BGB kann Herr ... jederzeit in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden.

Berlin, den 24. Juni 2005

Staatssekretär ... für Bundesministerium für ...

Die Verfügungsbeklagte beantragt,

den Verfügungsantrag zurückzuweisen.

Die Verfügungsbeklagte meint, der streitgegenständliche Artikel befasse sich lediglich mit der Personalpolitik von "Rot-Grün", so dass allenfalla die derzeitigen Berliner Regierungsparteien, nicht jedoch die verfügungeklagende Bundesrepublik Deutschland im Sinne des Art. 10 Bayerisches Pressegesetz betroffen seien. Zudem ergebe sich nicht, dass der die Gegendarstellung unterzeichnende Staatssekretär ... die verfügungsklagende Bundesrepublik Deutschland vertreten könne. Die Gegendarstellung sei darüberhinaus geschwätzig, da sie Passagen der Erstmitteilung beinhalte, welche den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für ... gar nicht betreffen. Schließlich sei die Formulierung in der Gegendarstellung "nach § 36 Abs. 1 Ziff. 1 BBG kann Herr ... jederzeit in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden" keine Erwiderung auf die Erstmitteilung.

Die Verfügungsklägerin meint, sie sei sehr wohl betroffen, da sich die Erstmitteilung mit der Ernennung und Beförderung von Bundesbeamten beschäftige, deren Anstellungokörperschaft sie sei, wodurch sie auch betroffen werde. Ferner sei Staatssekretär ... gemäß dem Zusammenwirken der Vorschriften des Grundgesetzes und der gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien auch berechtigt, die Gegendarstellung gegenüber dem Verfügungsbeklagten zu verlangen. Die in der Gegendarstellung enthaltenen Textpassagen aus der Erstmitteilung seien darüberhinaus zu deren Verständnis erforderlich. Schließlich werde mit der von der Verfügungebeklagten gerügten Formulierung sehr wohl auf die Erstmitteilung erwidert.

Es wird Bezug genommen auf das Sitzungsprotokoll der mündlichen Verhandlung vom 10.8.2005. Ferner wird Bezug genommen auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie sämtliche sonstigen Aktenbestandteile.

Entscheidungsgründe


Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig, jedoch in der Sache nicht begründet.


I.

Der Verfügungsklägerin steht der behauptete Gegendarstellungsanspruch nicht zu, weil sie nicht unmittelbar betroffen im Sinne des Art. 10 Abs. 1 Satz 1 Bayerisches Pressegesetz ist.

Unmittelbar betroffen ist derjenige, auf den ein unbefangener Leser die Veröffentlichung bezieht. Es ist also auf das Verständnis das unbefangenen Lesern abzustellen.

Ausgehend von diesem Empfängerhorizont ist die verfügungsklagende Bundesrepublik von der Erstmitteilung nicht betroffen. Die Verfügungsklägerin wird ausdrücklich in dem streitgegenständlichen Artikel kein einziges Mal erwähnt. Die Ernennungen und Beförderungen von Beamten der Bundesministerien werden vielmehr ausschließlich in Kontext mit den die derzeitige Bundesregierung tragenden Parteien gestellt. So spricht bereits die Unterüberschrift des Artikels von "Der Beförderungswelle bei Rot-Grün". Weiter ist im Artikel von dem "großen Stühlerücken in rot-grünen Ministerien" die Rede. In der Folge heißt es: "Für ihre Leute sorgen auch die Grünen". Der Artikel schließt mit der Bemerkung "sieben Jahre zuvor hätten die Grünen für die Regierung Kohl noch einen Verhaltenskodex eingefordert".

Vor diesem Hintergrund stellt der unbefangene Leser, auf dessen Empfängerhorizont es maßgeblich ankommt, die in dem Artikel genannten Personalentscheidungen lediglich in einen parteipolitischen Kontext und wird als verantwortlich für die Ernennungen und Beförderungen ausschließlich "Rot-Grün" betrachten. Einen irgend gearteten Bezug zu der Anstellungskörperschaft der betroffenen Beamten und damit zur Verfügungsklägerin vermag der unbefangene Leser bei Lektüre des streitgegenständlichen Artikels jedoch nicht herzustellen. Von der Erstmitteilung betroffen sind damit lediglich "Rot-Grün" bzw. "Die Grünen", nicht jedoch die Verfügungsklägerin.

Zwar mag im Grundsatz zutreffen, dass eine Berichterstattung über die Ernennung und Beförderung von Bundesbeamten abstrakt auf deren Anstellungskörperschaft ausstrahlt. Eine derartige Ausstrahlungswirkung begründet jedoch allenfalls eine mittelbare Betroffenheit, die im Rahmen des Gegendarstellungsrechts gerade keinen Anapruch zu begründen vermag (Prinz/Peters, Medienrecht, Randnr. 468). Wie bereits ausgeführt, ist Anliegen des streitgegenständlichen Artikels aber nicht die spezifisch beamten-' und statusrechtliche Situation der Ernannten oder Beförderten, sondern vielmehr das dahinter stehende Gebaren der politisch hierfür Verantwortlichen, woraus sich gerade und ausschließlich deren Betroffenheit und nicht die der Verfügungsklägerin herleitet.


II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.


III.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 6, 711 Satz 1 ZPO.

Rechtsgebiete

Presserecht